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Kassensturz

Heute ist ein besonders schwarzer Freitag. Keine Menschenseele hat sich in unseren Laden verirrt, den wir vor etwa drei Monaten eröffnet haben. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss der Geldkassette und drehe ihn um. Im Dunklen kullert eine Rolle Kupfer herum und ein paar Silberlinge hocken dicht gedrängt um einen kleinen geknickten Zettel. Sonst nix. Ich nehme ihn und falte ihn auf. In seiner krakeligen Schrift hat Murat unleserlich etwas notiert, das jede Grundschuh(!)-Referendarin zum freiwilligen Exil im analphabetischen Neustrelitz getrieben hätte.

Ohne Umschweife wähle ich die Nummer seines Bruders. Irgendwo in Istanbul geht einer dran. Ich höre gutturales Geschnatter und ein rasselndes Dönermesser.

»Ist Murat da?«, schreie ich gegen einen Flachbildschirm an, der im Hintergrund die türkischen Top40 plärrt, »hier ist Chef!«

Eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung ruft seinen Namen rüber zum europäischen Teil der Stadt.

»Efendim?«, kräht es ein paar Minuten später.

Dann rappelt und röchelt es furchtbar wie eine Klospülung in der Sommerdürre und mit einem Schlag ist der Draht still.

Entnervt schleudere ich den Telefonknochen auf den Tisch, knülle den Zettel und versenke ihn über Bande in der Rundablage.

Ich mache mir ein Efes-Bier auf, das einzige Gesöff, das ich in diesem Imbiss hier finde. Herb rinnt es meinen Bosporus hinunter und bringt im Marmarameer eine griechische Thunfischflotte auf, die verbittert Gegenwehr leistet. Kaum haben sich die Wellen ein wenig geglättet, stoße ich kräftig ins Nebelhorn und der tranige Nachgeschmack lässt mich schwindeln.

Rudernd suche ich Halt an der dämlichen Rattangarderobe, die Murat von seinen stolzen Eltern zur Einweihung geschenkt bekommen hat. Wie ein angeschlagener Boxer umklammere ich das gebeizte Peddigrohrmöbel und taumele damit schwankend hin und her. Das kiloschwere magische Auge an der goldenen Panzerkette, das darin baumelt und uns vor bösen Blicken und Wasserrohrbrüchen schützen soll, gerät in ungestüme Rotation und trifft mich hart an der Schläfe. Mein rechtes Sehobjektiv schwillt unaufgefordert zu und ich pralle mit dem Schädel auf den Glastisch.

Hyperventilierend schnappe ich nach Luft. Gleichgültig und kaltherzig zählt mich die Schwarzwälder Kuckucksuhr über der Tür an. Erst das Piepsen meiner Taucheruhr bewahrt mich in letzter Sekunde vor dem endgültigen Knockout.

Immer noch benommen stemme ich mich in der zweiten Runde empor und greife nach dem Henkel des Münztresors. Blind vor Schmerz verpasse ich zuerst der Jackensäule einen schnellen Jab und anschließend dem Meisterwerk taiwanischer Uhrmacherei einen tödlichen Uppercut. Der Kleiderständer sackt in sich zusammen wie ein Osterfeuer. Der heimische Vogel tiriliert zum Abschied »Freude schöner Götterfunken«, ehe er im dichten Qualm erstickt. Der Krümelsauger poltert herum. Giftig starrt er auf die Unordnung.

Ich gönne mir einen weiteren Schluck der türkischen Hopfenbrause, schüttele mich und drücke die Kurzwahltaste. Aus der Küchenschublade trällert irgendein Asi-Rapper mit abgebrochener Grundschule vom Typ Sido, Bushido oder wie die Mehlgesichter heißen. Ich habe Murat schon tausendmal erklärt, dass er sich in den falschen Gegenden jede Menge Ärger einhandeln kann, wenn sein Handy klingelt und er es nicht dabei hat.

Wie will er mich dann anrufen, damit ich ihn aus der Scheiße raushole? Soweit denkt der Muselmann wieder einmal nicht. Jetzt haben wir den Salat.

Es sieht hier aus wie Hulle, er hat Kehrwoche, treibt sich rum und ich muss zusehen, wie ich den Laden über Wasser halte.

Was wäre, wenn Columbus nach Osten gesegelt wäre?

Quergefönt

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