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Gleicheitrige

Am nächsten Montagmittag klingelt das Telefon und reißt mich aus dem Schlaf. Irgend so ein Muttibügler von meiner Bank bietet mir beim Filialleiter einen Termin für ein Gespräch zur Überbrückung meines Finanzengpasses an. Als hätte ich ja sonst nichts zu tun! Doch dafür hat der Kopfgeldjäger kein Verständnis und verweist mich spröde auf meinen Kontostand im vierstelligen Soll.

Tags drauf betrete ich in aller Herrgottsfrühe um zehn Uhr den Marmorpalast in der Innenstadt. Die Schlipsfressen und Kostümmäuse eilen emsig hin und her, holen Formulare aus Apothekerschränken, kopieren doppelseitige Diagramme, tippen Zahlenkarawanen in den Computer, schütteln mit dem Kopf und kritzeln Formeln auf einen Notizklotz. Weit und breit kein einziger Kunde zu sehen, da hätte ich auch im Laden bleiben können. Trotzdem dauert es Ewigkeiten, bis einer dieser Blattwender auf mich aufmerksam wird. Nach einem Umweg am Wasserspender vorbei steht er jetzt grinsend vor mir. Die Sakkoschwuchtel tackert zweimal mit dem Kugelschreiber und lässt ihn dann in der Brusttasche seines Nadelstreifenkittels verschwinden. Ich könnte ihm gleich eine reinhauen für so viel Arroganz. Mit einem Peitschenknall lege ich ihm einen abgewetzten Jutebeutel auf den glänzenden Mahagonitresen.

»Vollmachen«, sage ich, »sonst fliegt dein GTI in die Luft!«

Mein Daumen spielt dabei nervös mit der Schlüsselfernbedienung von unserem Geschäftswagen. Der hobbylose Geldazubi glotzt mich mit melonengroßen Glubschern an. Westerwelledicke Pickel bilden sich auf seiner Stirn, platzen auf und quetschen zähen Eiter aus zerfurchten Kratern. Sein Fluchtkinn zittert.

Ich grinse ihn an und zeige darauf. »Das sollten Sie mal behandeln lassen! Das sieht scheiße aus!«

Mit schweißnassen Pfoten betatscht er seine schüttere Haarlichtung.

»Ich habe einen Termin mit eurem Herrn Ackermann, seine Zeit ist bestimmt auch Geld!«, verleihe ich meiner Forderung jetzt Nachdruck und scheuche ihn mit einer wischenden Handbewegung zu der schusssicheren Glastür im hinteren Teil des Tempels.

Seine schwarzen Lackschühchen bewegen sich nur mühsam rückwärts, bis ich auf die Fernbedienung drücke und fröhlich »Peng!« rufe. Dann drehen sie sich um und rennen.

Einen Wimpernschlag darauf sitze ich entspannt bei einem Kaffee an der Front. Der graue Finanzminister referiert etwas von »nötigen Investitionen«, »Sicherheiten«, »aktuellem Zinsniveau«, »Renditen« und »Riestern«. Seine goldene Uhr schleudert das Sonnenlicht dabei kreuz und quer durch den Raum.

Angeregt schaue ich dem Leuchtklecks nach, als mein verschwommener Blick an einem Bild an der Wand hängen bleibt: Oma Eusebia drischt mit ihrem Nudelholz auf den armen Lupo ein. Mir schießt mein alter Spitzname wieder in den Sinn. Murat hat ihn mir gegeben, weil ich wie sie keiner Bank traute und mein Geld lieber in einem Sparstrumpf hinter der Schmutzwäsche aufbewahrte. Jahre später war ich aber so doof, meine erste selbst verdiente Knete beim Hütchenspiel in Amsterdam zu verzocken. Ich könnte heute noch schwören, beschissen worden zu sein.

»Depotumschichtung« und »Hedgefonds« brabbelt der altkluge Dukatenscheißer mit der gewichtigen Rolex weiter durch den Park von Fuxholzen.

»Leihen?«, schreit Eusebia, »Dir? Nein, mein Lieber! Wenn du Geld haben willst, musst du es verdienen!«

»Aber Oma, es ist nur, weil … Lupinchen hat Geburtstag!«, stammelt Lupo.

Doch Oma Cholerika kennt kein Erbarmen und jagt ihren nixnutzen Enkel zum Haus hinaus.

Der arme Kerl möchte nur noch zurück in seinen Mäuseturm, springt in sein Auto und braust davon. Nichts wie weg!

Der Insolvenzverwalter holt derweil zum alles entscheidenden Schlag aus, jetzt müssten wir das Griechenlandpaket fest schnüren. Ich stimme ihm zu und stelle dem Währungskommissar unseren Renault Rapid als Sicherheit in Aussicht, quasi als Schuldenbremse. Ihm schwillt der Krawattenhals. Rot wie die erste Periode einer Novizin nestelt er an dem engen Knoten und röchelt nach Luft. Flink schnappe ich mir einen Flyer mit Freikarten für die Existenzgründermesse von seinem Glastisch, lege meine Visitenkarte stattdessen hin, gehe zur Tür und rufe die Drückerkolonne herbei.

Draußen am Imbiss wartet schon ein hellenisches Fleischfrühstück auf mich. Der Bofrostmann ist auch da und bestellt sich ein kaltes Wasser. Ich lade ihn ein, er hat mir mal das Leben gerettet.

Renzo schreibt alles auf meinen Deckel. Gut gelaunt fahre ich nach Hause. Das Radio spielt Einfach sein.

Was wäre, wenn Oma Eusebia Vorstandsvorsitzende bei der Deutschen Bank wäre?

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