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DER LEUTNANT UND DER GENERAL

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Die für Julius Payers Leben alles entscheidende Begegnung war jene mit General Franz von Kuhn (1817–1896). Franz Freiherr Kuhn von Kuhnenfeld hatte 1860 in Trient das Kommando über das 17. Infanterieregiment übernommen. 1862 wurde der ausgewiesene Kenner Tirols Generalmajor und Brigadier. In dieser Position lernte ihn der junge Leutnant Julius Payer kennen. General Kuhn war von 1868 bis 1874 k. u. k. Kriegsminister und reorganisierte mit der ihm eigenen Tatkraft das Wehrwesen der Monarchie. 1873 stieg er in den Rang eines Feldzeugmeisters auf und wurde nach seinem Abschied als Minister Kommandierender General in Graz. 1888 wurde er mit großen Ehren in den Ruhestand verabschiedet.

Die so bedeutende Begegnung zwischen Payer und Franz von Kuhn ereignete sich im September 1864. Payer hatte 17 Tage Urlaub vom Heeresdienst, den er kartografischen Aufnahmen in der Adamello- und Presanellagruppe widmete. Auf dem Rückweg kam er durch Tione und meldete sich vorschriftsgemäß beim örtlichen Kommandanten. Es war ein Major der Jäger, mit dem Payer im selben Regiment gedient hatte und der ihn zur Übernachtung einlud. Am nächsten Morgen verabschiedete sich Payer von seinem Gastgeber und bestieg ein Fuhrwerk, das ihn nach Trient zur Bahn bringen sollte. In letzter Minute eilte der Major herbei, um ihm ein Fässchen mit lebenden Forellen anzureichen. Payer sollte dieses Fässchen seiner Exzellenz General von Kuhn übergeben. Am selben Nachmittag meldete er sich in Trient bei dem General, stellte sich vor und überreichte ihm auftragsgemäß die lebendige Fracht. Der General, hemdsärmelig zivil und ohne Uniform, fragte den Leutnant nach seinem Treiben. Daraus entwickelte sich ein Gespräch, das für Payer weitreichende Folgen haben sollte. Payer skizzierte den Dialog 1909, also Jahrzehnte später, aus der Erinnerung (Müller 1956, S.14):

Kuhn: Was machen Sie hier?

Payer: Ich reise nach Verona und komme vom Adamellogebirge.

Kuhn: Was haben Sie dort gemacht?

Payer: Eine neue Karte.

Kuhn: Waaas? Eine neue Karte? Wo ist sie?

Payer lief in die Unterkunft und holte seine neue Adamellokarte. General Kuhn zog inzwischen seine Uniform mit dem goldenen Kragen an. Payer trug noch immer sein abgetragenes Jägergewand und die festen Bergschuhe mit Nägeln. Er zeigte die Karte vor.

Kuhn: Die haben Sie gemacht? Aus eigenen Mitteln?

Payer: Ja, Exzellenz.

Kuhn: Sind Sie so reich?

Payer: O nein, ich lebe von meiner Gage.

Kuhn: Wie ist das möglich?

Payer: Ich spare. Ich esse Polenta und in den Bergen nur Brot.

Kuhn: Da bewundere ich Sie und bemitleide Sie. Freilich, bei uns hat man für die Wissenschaft kein Geld. Wäre ich Kriegsminister, dann hätten Sie ihre Arbeiten auf Kosten des Staates fortzusetzen und nicht mehr zu darben.

Dabei soll Kuhn seine Hände auf Payers Schultern gelegt haben. Die Forellen wurden auf diese Weise zur Schicksalswende in Payers Leben. Er wählte später drei große Forellen in Silber als Motiv für sein Wappen. General Franz von Kuhn wurde vier Jahre später tatsächlich Kriegsminister. Er berief Payer Anfang 1868 von seinem Regiment ab und bestellte ihn als Generalstabsoffizier zum Militärgeographischen Institut nach Wien. Dessen Direktor, der spätere Feldmarschallleutnant August von Fligely, förderte Payer nach Kräften. General Kuhn schenkte Payer zum Antritt der neuen Stellung einen Theodolit, mit dem er die neuen Karten vom Ortler- und Adamellogebiet entwerfen sollte. Im Jahr 1868 war Julius Payer jetzt in offiziellem Auftrag mit Theodolit und Vermessungswerkzeugen im Ortlergebiet (Martell, Laas und Saent) unterwegs. Kuhn sollte auch später noch Payers Gönner bleiben.

Nach Beendigung der spätsommerlichen Vermessungs- und Erschließungsarbeiten am 17. Oktober 1868 reiste Payer zurück von Pinzolo über Tione, Bozen und Innsbruck nach Wien. Zuhause waren zwei hocherfreuliche Nachrichten eingetroffen. Die Universität Halle hatte ihm aufgrund seiner Verdienste um die Erschließung der Alpen das Ehrendoktorat verliehen. Von seinem Freund und Verleger August Petermann lag ein Brief vor, in dem er ihn in seiner Eigenschaft als Bergsteiger und Topograf zur Teilnahme an der Zweiten Deutschen Nordpolexpedition einlud. Payer war davon begeistert und sagte sofort zu. Zunächst aber blieb er Lehrer für Geschichte an der Militärakademie in Wien. Für seine Teilnahme an der Zweiten Deutschen Nordpolexpedition, die am 15. Juli 1869 beginnen sollte, entband ihn Kriegsminister Kuhn im Januar 1869 von seinen militärischen Dienstpflichten.

Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises

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