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Zwei

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Berlin, April

Erste Zeichen des neuen Tages ließen den Himmel am Horizont eine Nuance heller werden. Ein Streifen Grau, der sich gegen das vorherrschende Schwarz abhob. Regen klatschte in dicken Tropfen auf die Windschutzscheibe des schwarzen Golfs. Peter Johnson stellte den Scheibenwischer an und beschleunigte in den fünften Gang, hielt den Wagen bei 160 km/h. Die Avus gehörte ihm fast allein, nur hin und wieder durchbrachen Scheinwerfer das Dunkel des frühen Morgens.

Er drehte die Lautstärke des Radios höher. Joan Osbornes One Of Us stellte die Frage in den Raum, was wäre, sollte Gott einer von uns sein.

Peter schaltete auf den CD-Player um. Iron Maidens Number of the beast dröhnte aus den Boxen. Draußen peitschte weiter der kalte Regen.

Auch irgendwie eine Antwort auf die Frage, dachte Peter.

Sein Kopf schrie nach Paracetamol, seine Augen taten weh und seine Kehle war rau. Er brauchte dringend Schlaf. Aber er musste auch nachdenken und das hatte Vorrang. Er hatte eine Entscheidung zu treffen.

Peter nahm die Ausfahrt Wannsee und bog nach kurzer Zeit in die Havelchaussee ein. Der Regen ließ nach, wich einem stetigen Nieseln. Bodennebel über dem trägen Wasser der Havel, Trauerweiden und Schilf, müde im Wind schaukelnd.

Er lenkte den Golf auf einen Parkplatz gegenüber dem Fluss.

Kühle, feuchte Luft schlug ihm entgegen, als er den Wagen verließ. Der Boden unter seinen Füßen war modrig und schwer, jeder Schritt von schmatzenden Geräuschen begleitet. Er fluchte, als er ausrutschte und fast hingefallen wäre.

Am Ufer blieb er stehen, atmete tief durch. Der Tag hatte den Kampf gegen die Nacht endgültig gewonnen. Fahles Licht breitete sich am Himmel aus.

In der Stille der kühlen Morgendämmerung hallten die Schreie der erwachenden Vögel unnatürlich laut wider.

Es roch nach Moder und feuchtem Laub, nach brackigem Wasser und faulenden Pflanzen. Peter dachte daran, wie Angelas Haare geduftet hatten, wie sie sich in seinen behutsamen Händen angefühlt hatte. Erstaunlich, dass man einen solchen Moment der Verzweiflung so genießen konnte. Und doch empfand er kein Bedauern, keine Scham. Es hatte sich richtig angefühlt. Es war seine Aufgabe, sie zu beschützen. Vor der Welt, vor Menschen wie Kerner – und nicht zuletzt vor sich selbst.

Kerner. Der Mistkerl hatte es tatsächlich gewagt. Trotz der Bewährungsauflagen, trotz der Verfügung, keinen Kontakt – in welcher Form auch immer – aufzunehmen, hatte er Angela angerufen. Mehr noch, er hatte ihr massiv gedroht. Es war eine bizarre Situation gewesen. Das Läuten des Telefons hatte die kurze Idylle abrupt beendet. Widerstrebend hatte er nachgegeben, als sich Angela aus seiner Berührung befreit und den Hörer genommen hatte. Er hatte sich zurückgelehnt und sein Glas aufgefüllt, während sie sich gemeldet hatte. Etwas in ihrer Stimme hatte sich plötzlich verändert, sodass er aufsah, schlagartig hellwach. Ihr Körper hatte sich gestrafft, die Augen verengt. Sie hatte heftig gezittert.

Peter nahm einen kleinen Stein in die Hand und warf ihn ins Wasser. Fast lautlos versank er in der Havel. Konzentrische Kreise breiteten sich an der Stelle aus, wo er die Oberfläche durchdrungen hatte, um sich bald danach aufzulösen. Löst sich mein Leben gerade auf? Ist Angela so sehr zum Zentrum meines Daseins geworden, dass ich dafür alles andere aufs Spiel setzen würde?

Er brauchte nicht zu überlegen. Die Antwort stand längst fest. Aber würde die Lösung, an die er dachte, vage erst und dann zunehmend deutlicher durch seine Gedanken mäandernd, tatsächlich zu vertreten sein? Welchen Preis war er bereit zu zahlen? Wie weit konnte er gehen?

Er dachte an die grenzenlose Verzweiflung Angelas, an ihre Tränen, ihre hilflose Wut. Ihre Empörung, als sie die Stimme am Telefon erkannt hatte. Die Angst, die sie beherrscht hatte, als Kerner sein perfides Spiel wieder aufnehmen wollte. Nach kurzem Zögern hatte er der konsternierten Angela den Apparat aus der Hand genommen, ans Ohr gehalten und gelauscht.

»… und es gibt nichts, was mich abhalten wird, hörst du? Du und ich, nur wir zwei.« Ein trockenes Lachen, leise Geräusche im Hintergrund. Peter hatte sich ruhig gehalten, um den Anrufer nicht zu verschrecken. Auch er hatte Kerner sofort erkannt, hatte gehofft, dass dieser etwas sagen würde, das er gegen ihn verwenden konnte. Aber irgendwie hatte Kerner gespürt, dass nicht mehr Angela am Apparat war und plötzlich aufgelegt.

Peter hatte nichts in der Hand. Angelas Aussage würde nicht ausreichen. Und seine eigene? Was konnte er vorbringen? Dass er Kerners Stimme erkannt hatte? Und was sonst noch? Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Lächerlich. Peter hakte das schnell ab. Es ging nicht um Kleinigkeiten, sondern einzig und allein darum, Kerner auf Dauer von Angela fernzuhalten. Und ganz nebenbei von allen, die Menschen wie dem Professor nichts entgegenzusetzen hatten. Ein hilfloses Opfer reichte.

Denk nach! Peter versuchte, sich an die Argumente zu erinnern, die er und Angela vor und nach dem Anruf ausgetauscht hatten.

Kurz bevor sie eingeschlafen war, hatte sie gesagt: »Ich will ihn doch nicht töten, Peter! Ich will, dass er niemand mehr wehtun kann. Ich will ihm Einhalt gebieten, ihn aufhalten. Aber wenn ich ihn dafür umbringen muss… dann werde ich es tun.«

Er glaubte ihr jedes Wort. Sie hasste Gewalt und soweit er wusste, hatte sie niemals auch nur die Hand gegen jemand erhoben, von Kerner mal abgesehen. Allerdings kannte er auch ihren extremen Gerechtigkeitssinn, ihre Entschlossenheit, für das einzutreten, was ihre Überzeugung war. Er wusste, sie würde sich Kerner zur Not allein entgegenstellen. Und das musste er verhindern, aus mehreren Gründen. Er konnte nicht zulassen, dass diese Frau einen Mord begehen würde. Der Gedanke, sie im Gefängnis zu sehen, gebrochen und innerlich tot, war unerträglich. Es war nicht ihre Aufgabe, als Märtyrerin für das zu büßen, was die Justiz versäumt hatte. Aber sie war bereit, diese Bürde auf sich zu nehmen und das zwang ihn zum Handeln. Er war sich nicht sicher, ob er Polizist bleiben konnte, wenn er tat, was zu tun war. Noch kämpfte er mit seiner Überzeugung, noch hielt er die Werte hoch, die ihn vor langer Zeit dazu gebracht hatten, in den Polizeidienst zu gehen. Peter ließ es zu, dass seine Gedanken abschweiften.

Wie so viele seiner Altersgenossen Ende der Achtziger war Peter nach dem Abitur unschlüssig gewesen, was er beruflich machen wollte. Schließlich hatte er sich für Literatur und Kunstgeschichte eingeschrieben, mehr aus einer Laune heraus als dem wirklichen Wunsch, sich in diesen Bereichen zu etablieren. Im Gegensatz zu vielen seiner Kommilitonen der Nach-Baader-Meinhof Generation war er immer ein Verfechter des politischen Dialogs gewesen. Obwohl er ziemlich links der Mitte angesiedelt war, blieb ihm etliches an dem studentischen Treiben unverständlich. Stundenlange Diskussionen über die Ausbeutung der Arbeiterklasse und die Ideologie des bewaffneten Widerstandes der RAF erschienen ihm vertane Zeit und müßig. Was ihm fehlte, war der reale Nutzen solcher Debatten.

Obgleich durchaus integriert, mit einigen sogar befreundet, fühlte sich Peter durchgehend als ein Fremdkörper in einer Gruppe, die so sehr in Schwarz-weiß-Schablonen dachte. Eine Denkweise, die ihm bornierter vorkam als das System, das dabei angeprangert wurde. Peter war politisch interessiert und zumindest teilweise auch engagiert. Allerdings war er weit davon entfernt, sich den Fanatismus gegen alles, was das Establishment bedeutete, zueigen zu machen.

Im Spätsommer während des ersten Semesters geschah dann etwas, das ihn prägen und seinen weiteren Weg entscheidend bestimmen sollte.

Es waren die letzten Tage des Septembers. Altweibersommer. Es war warm und die Luft träge. Die ersten Blätter der Buchen auf dem Campus waren schon gelb gefärbt, aber heute hatte die Sonne den ganzen Tag vom Himmel geschienen. Jetzt am späten Nachmittag stand sie bereits ziemlich tief und tauchte das Uni-Gelände in ein unwirkliches goldfarbenes Licht. Ständig war man gezwungen, die Augen zuzukneifen und zu blinzeln. Peter lümmelte sich auf dem Rasen des Geländes, zusammen mit vier oder fünf anderen. Sie hatten einen Joint kreisen lassen und ein paar Bier gekippt und dösten nun in den letzten Sonnenstrahlen vor sich hin. Die Unterhaltung war schleppend und Peter spürte, wie er langsam einzuschlafen begann.

Dann hörte er die Sirenen.

Drei Mannschaftswagen der Polizei rasten auf das Areal und kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Die Beamten schwärmten aus und verteilten sich an strategischen Punkten.

Unruhe machte sich breit. Zwei Polizisten kamen auf Peters Gruppe zu. Beide hatten Schlagstöcke in der Hand.

»Kommen Sie mit! Na los, aufstehen, mitkommen!«, brüllte einer der beiden und wies mit dem Stock in Richtung der Haupthalle. Von irgendwo hinter Peter flog eine Dose heran, traf den einen am Arm.

»Was ist denn los?«, fragte jemand aus der Runde.

»Schnauze! Kommen Sie einfach mit!«

Proteste wurden laut, erste Rangeleien, als sich einer aus dem Staub machen wollte und von den Beamten festgehalten wurde. Der Student trat um sich, traf einen Polizisten am Schienbein. Mit einem Schlag des Hartgummiknüppels auf den Arm des Widerspenstigen beendete dieser den Widerstand. Der Junge lag am Boden und hielt sich wimmernd den schmerzenden Arm. Die Proteste schwollen an; überall auf dem Campus das gleiche Bild. Erste Sprechgesänge »Wir woll`n ke-ine – Bul-len-schwei-ne!«

Die Situation war kurz vor dem Eskalieren.

Keiner wusste, was los war und Fragen wurden nicht beantwortet. Zwei unterschiedliche Welten prallten aufeinander, die Feindseligkeit der beiden Parteien war offensichtlich, fast greifbar. Gewaltbereitschaft auf Gegenseitigkeit.

Peter half Roger, dem verletzten Studenten, auf die Beine. Später stellte sich heraus, dass der Arm gebrochen war.

Im Hauptgebäude wurden sie zusammengetrieben. Erst jetzt machte sich ein Mann bemerkbar, der sich vorher im Hintergrund gehalten hatte. Er hatte eindeutig die Leitung des Einsatzes. Graues schütteres Haar, ein schäbiger Anzug von C&A und nicht größer als einssechsundsiebzig. Aber sein Auftreten hatte etwas von der Distinguiertheit eines Anführers. Der Mann war es gewohnt zu bestimmen.

Unter den Studenten, etwa hundert hatten sich noch auf dem Gelände aufgehalten, herrschte gespannte Unruhe. Der Grauhaarige brachte die Menge mit einer Handbewegung zum Schweigen. Als er sprach, klang seine Stimme erstaunlich sonor:

»Zuerst einmal bitte ich Sie, unser Vorgehen zu entschuldigen.« Einzelne Zwischenrufe ertönten. Der Großteil jedoch verhielt sich ruhig.

»Ihre Fragen werden beantwortet werden. Jetzt aber benötigen wir Ihre Kooperation. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Sie einzeln befragen werden. Ihre Personalien werden dabei registriert und… ». Ein kollektiver Aufschrei. Wieder Unruhe, Zwischenrufe, lautstarke Proteste. Die Uniformierten strafften sich, bereit gegen den Pulk vorzugehen. Der Mann hob erneut die Hand.

»... diejenigen, die die Befragung hinter sich haben, verlassen danach sofort das Gelände und gehen nach Hause. Es ist nicht gestattet, Kontakt mit den noch Wartenden aufzunehmen. Vielen Dank für Ihre Mithilfe.«

Damit verließ er die Rednerposition und zog sich wieder zurück. Trotz der aufgebrachten Atmosphäre verlief die Aktion weitgehend ruhig und diszipliniert. Peter wartete etwa eine Viertelstunde, bis er zum Verhör bestellt wurde. Wie sich herausstellte, war die Leiche einer Studentin in einem Hörsaal entdeckt worden. Sie hatte offensichtlich einen gewaltsamen Tod erlitten. Die herbeigerufene Polizei hatte das Gelände abgesperrt und dann die Anwesenden zur Einzelbefragung geführt. So war die Chance relativ groß, den oder die Täter noch am Tatort anzutreffen. Denn scheinbar war die Tat sehr bald nach der Ausführung entdeckt worden.

Das alles erfuhr Peter während seiner eigenen Aussage von einem übellaunigen Beamten, der routiniert und gelangweilt seinen Fragenkatalog abhakte. Peter verstand die Gründe für das Vorgehen durchaus. Was er nicht nachvollziehen konnte, war die offen zur Schau gestellte Aggression der Polizisten, der rüde und respektlose Umgang mit den Studenten. Aber auch mit dem Benehmen einiger Kommilitonen hatte er seine Schwierigkeiten.

Der Mord selbst war dann schnell aufgeklärt. Eine Eifersuchtstat. Verbrechen aus (nicht erwiderter) Leidenschaft. Spuren am Tatort waren mit denen an der Kleidung eines der Befragten identisch. Der Täter hatte nach anfänglichem Leugnen unter der Last der Beweise ein umfassendes Geständnis abgelegt. Peter hatte weder Täter noch Opfer gekannt und so dachte er bald nicht mehr an den Mord. Allerdings beschäftigten ihn die Begleitumstände der Verhöre.

Ein paar Tage später war Peter in Kreuzberg unterwegs. Er hatte eine Freundin besucht und war auf dem Heimweg, als er in der Yorckstraße dem Grauhaarigen begegnete. Es regnete in Strömen und die wenigen Fußgänger hielten die Köpfe gesenkt. Auch Peter, der nur im T-Shirt unterwegs war, stemmte sich gegen den Wind und die Nässe. Er nahm den Mann erst wahr, als er fast in ihn hineingerannt war. Er murmelte eine Entschuldigung und wollte eben weiterhasten, als er den Kommissar erkannte. Er zögerte.

»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte der Kripobeamte. Peter konnte fast fühlen, wie angespannt sein Gegenüber war. Der Polizist zeigte sich wachsam, misstrauisch. Gleichzeitig schien er zu überlegen, ob und woher er Peter kannte.

»Sie haben den Einsatz geleitet«, konstatierte Peter und registrierte im selben Moment, wie sinnlos der Satz auf den anderen wirken musste. »Auf dem Uni-Gelände. Der Mord an einer Studentin. Ich war dabei. Ich meine, ich war auf dem Campus, bin verhört worden«, schob er zügig hinterher.

»Nun, offensichtlich hat man Sie wieder gehen lassen«, sagte der Graue nicht ohne eine Spur von Humor.

»Ich möchte mal wissen, warum Ihre Kollegen sich wie die letzten Ärsche aufgeführt haben. Das war unter aller Sau, geradezu menschenverachtend«, entgegnete Peter eine Spur zu wichtigtuerisch. Es war vielleicht übertrieben, aber es war das, was den Studenten seit Tagen beschäftigt hatte.

»Das ist genau das Dilemma mit euch«, kam es zurück. »So schnell mit den Vorwürfen, so pauschal mit den Anschuldigungen. Und so langsam mit dem Nachdenken, wenn es um das eigene Verhalten geht. Langsam und blind…«. Der Polizist zuckte mit den Schultern und sah zum Himmel hinauf. Dunkelgrau. Es würde sich einregnen.

»Junger Mann, ich würde das ja gern weiter mit Ihnen diskutieren. Aber dann müssten Sie mir schon in etwas gemütlichere Gefilde folgen.« Mit diesen Worten ließ er Peter einfach stehen. Der sah ihm nach, wie er die Tür des Yorckschlösschens öffnete und in dem Szenelokal verschwand. Er überlegte einen Moment, dann folgte er dem anderen. Seine Neugier – und seine Streitlust - waren geweckt.

»Wie du siehst, mein Junge, handelt es sich bei der Relation des Staatsapparates zu seinen Schutzbefohlenen durchaus nicht um eine einseitige Angelegenheit. Also trinken wir auf die anzustrebende Symbiose von Volk und Volksvertretern!« Hauptkommissar Heiner Liebrich hob lachend sein fast leeres Bierglas, stutzte. »Verdammt, wie soll man defizitäre Beziehungen kitten, wenn man nichts zu trinken hat? Bedienung!«

Peter grinste. Zwei Stunden waren seit Beginn des Gesprächs vergangen und von seiner Streitbarkeit war nichts übrig geblieben. Sein Gegenüber hatte sich sehr schnell als interessierter, intelligenter Gesprächspartner erwiesen. Aus dem Disput war ein Gespräch, aus dem Gespräch ein gemeinsamer, beinahe freundschaftlicher Versuch geworden, die Argumente des anderen zu verstehen. Der Polizist war bald dazu übergegangen, den Jüngeren zu duzen und Peter hatte es hingenommen, blieb selbst aber beim »Sie«.

Nach dem ersten Schlagabtausch war es im wesentlichen Liebrich, der das Gespräch führte, während Peter nur hin und wieder Einwürfe machte oder Fragen stellte. In der schummerigen, gemütlichen Atmosphäre des Lokals war es schwer zu streiten. Die Musik von Deep Purple, den Doors und James Taylor und das Bier, das beide ausgiebig genossen, taten ein Übriges, die Situation zu entkrampfen.

Peters Vorwürfe über das Vorgehen der Polizisten hatte der Graue damit gekontert, dass er willkürliche Übergriffe auf Polizisten aufzählte. Dabei schilderte er den Hass, der den Beamten entgegenschlug, wo immer sie auftauchten.

»Vieles ist Unsicherheit, Sprachlosigkeit, schiere Angst. Wie wollen Sie einem Jungen von zwanzig Jahren, voller Ambitionen und Ideale, erklären, dass der, den er beschützen soll, auf ihn spuckt? Heute gehört es zum guten Ton, gegen die ‚Drecksbullen‘ zu sein. Haben Sie sich jemals gefragt, warum das so ist?«

Peter musste zugeben, dass es mehr ein schwer zu greifendes, unbestimmtes Kollektivbewusstsein war, das den ‚Bullen‘ als den natürlichen Feind klassifizierte. Jeder hatte irgendwo von schlechten Erfahrungen mit der Polizei gehört. Aber immer war es der Freund eines Freundes, der Bekannte einer Bekannten, denen die Ungeheuerlichkeiten widerfahren waren. Peter selbst hatte keine Erfahrungen mit der Polizei gemacht, weder gute noch schlechte. Bis zu diesem Tag auf dem Campus.

Liebrich hatte Daten zur Hand, die Peter schockierten. Da war von toten Beamten, schwer- und schwerstverletzten Polizisten die Rede. Von Steinen, aus einer anonymen Menge geworfen, die Augenlichter gekostet, Schädel gebrochen und Gesichter verstümmelt hatten.

»Die politische Landschaft verändert sich. Gesichter und Programme kommen und gehen. Was bleibt, sind die Polizisten, die den ganzen Ärger stellvertretend ausbaden dürfen«, hatte der Kommissar gesagt.

»Sie meinen, die Polizisten kriegen das ab, was man den Politikern nicht um die Ohren hauen kann? Weil sie entweder nicht mehr im Amt oder aber unerreichbar sind?«

»Unter anderem, mein Junge. Unerreichbar, da wir sie beschützen. Das ist ja der Hohn an der Sache.« Liebrich hatte humorlos gelächelt. »Aber es ist noch mehr: Vieles an den Zuständen, gegen die die Menschen auf die Straßen gehen, hat Gründe, die kaum einer nachvollziehen kann. Wer will schon sagen, wann von wem die großen Fehler bei der Arbeitsplatzsicherung gemacht wurden? Die, die es wissen, behalten es für sich. Aus guten Gründen zumeist. Aber ansonsten? Bei welcher Entscheidung welchen Politikers welcher Partei fing die Scheiße an zu dampfen? Wenn du die Ausdrucksweise entschuldigen willst.«

Peter hatte gelächelt. »Und weil man die dampfende Scheiße niemand genau zuordnen kann, weil alles gesichtslos und abstrakt ist, hält man sich an die, die immer greifbar sind: die Bullen?«

»Du hast es erfasst, mein Junge!« Liebrich hatte noch zwei Bier bestellt und dann hinzugefügt:

»Und weil du so ein schlaues Kerlchen bist, verrate ich dir noch etwas:

Manchmal ist die Wut auf unsere Leute durchaus gerechtfertigt. Nicht alle sind Polizisten geworden, weil sie den Gedanken vom barmherzigen Samariter so toll finden. Es gibt auch bei uns schwarze Schafe.«

»Selbstverständlich nur als Ausnahme«, konnte Peter sich nicht verkneifen.

Der Grauhaarige lachte sein trockenes Lachen.

»Selbstverständlich. Sheriffs, die sich erst in Uniform stark vorkommen. Kleingeister, die nach oben buckeln und nach unten treten. Leider können wir sie nicht alle rausschmeißen.«

»Warum nicht?« Peter war ernsthaft interessiert.

»Ganz einfach. Weil wir nicht genug Polizisten haben. Also müssen wir mit dem leben, was da ist.«

Peter spürte langsam die Wirkung des Alkohols, während Liebrich nichts anzumerken war. Es wurde Zeit zu gehen. Peter tastete nach seinem Geld, aber der Alte winkte ab.

»Lass mal, mein Junge. Ich übernehme das.« Liebrich sah Peter ernst ins Gesicht und aller Schalk war verschwunden.

»Eins möchte ich dir noch mitgeben: Es ist immer einfach, in Opposition zu gehen. Zu kritisieren bedarf es keiner großen Leistung. Die wahre Herausforderung liegt darin, etwas besser zu machen.«

Mit dem Gedanken war Peter schließlich nach Hause gegangen. Aus dem Gedanken hatte sich ein Entschluss geformt, aus diesem ein Plan.

Ein paar Tage später hatte Peter das Studium geschmissen und sich für den höheren Polizeidienst beworben.

Jetzt, am Ufer der Havel, den Kopf voller ungelöster Probleme, dachte Peter Johnson an Heiner Liebrich. Der alte Mann, - er musste jetzt Anfang Siebzig sein – war ihm ein guter Freund und Mentor geworden. Peter hatte in den frühen Jahren immer wieder einmal mit ihm zu tun gehabt. Liebrich hatte so manches Mal seinen Einfluss geltend gemacht und seine schützende Hand über Peter gehalten, wenn dem Jungen mal wieder die Gäule durchgegangen waren. Auch nach Liebrichs Pensionierung waren sie in Kontakt geblieben. Peter mochte die Gespräche mit dem Älteren. Er war eine der wenigen Konstanten in seinem Leben.

Er drehte sich um und ging zum Wagen zurück. Es war an der Zeit, einen Besuch zu machen.

Auf den ersten Blick hätte man ihn für nicht einmal zwanzig gehalten. Weite, an den Knien zerrissene Jeans, schmutzige Sneakers, T-Shirt bis fast zu den Knien. Die ausgewaschene Collegejacke voller Löcher, scheinbar zufällig angeordnet und doch einem, dem Uneingeweihten nicht erklärlichen, Modediktat folgend. Die Haare halblang, blond und schwarz gesträhnt. Mit Gel sorgfältig zu einem Look geformt, der den Eindruck vermittelte, der Träger sei gerade aus dem Bett gefallen.

Ein zweiter Blick ins Gesicht des Mannes erzeugte das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht zusammenpasste. Die blauen Augen mochten einmal geglänzt haben. Jetzt waren sie stumpf und von dicken Augenringen untermalt. Die Haut war fahl, durchzogen von roten Äderchen. Spuren eines Lebens am Rande der Gesellschaft, die sich eingebrannt und ihn frühzeitig hatten altern lassen. Zu viele Zigaretten, Alkohol und Drogen.

Wer es schaffte, einen dritten Blick zu wagen, sah noch etwas anderes: Angst.

Alexander Brinkmann, den jeder nur Alex nannte, hatte beunruhigende Neuigkeiten erfahren. Seit Jahren hatte er das Szenario durchgespielt, hatte Pläne geschmiedet, Alternativen durchdacht, den Fall der Fälle im Kopf längst gelöst. Aber da war der Tag X jedes Mal noch so weit entfernt gewesen. Irgendwie war Brinkmann in den Planungen immer stecken geblieben, hatte sich mit Floskeln selbst beruhigt. Wenn es soweit ist, fällt dir schon was ein. Das Dumme an der Sache: Jetzt war es soweit. Und es traf ihn völlig unvorbereitet.

In Gedanken versunken ging er die Müllerstraße entlang zu seiner Wohnung in der Utrechter Straße. Zu ärgerlich. Sein Appartement war nicht gerade der pure Luxus. Aber trotzdem: Es war seine Bleibe und er fühlte sich dort wohl, wenn man von den allgegenwärtigen Gerüchen absah. Türkische Küche und der Mief von alten Leuten. Pöbeleien an der Tagesordnung. Graffiti an den Hauswänden, im Treppenhaus, selbst an manchen Wohnungstüren.

Es war kühl und feucht, hatte den ganzen Tag über immer wieder geregnet. Jetzt wurde es langsam dunkel und der beginnende Abend raubte die letzte Wärme des Tages. Brinkmann spürte nichts davon. Er schwitzte, war zu klarem Denken nicht fähig. Nicht ohne einen Drink.

Er beschleunigte seine Schritte, hatte dennoch das Gefühl, auf Gelee zu laufen. Er brauchte dringend etwas zu trinken, jetzt! Die letzten Meter lief er. Er sah nicht die Gestalt, die ihm in sicherem Abstand gefolgt war und jetzt etwas in ein Notizbuch schrieb.

Brinkmann hetzte die drei Treppen hoch, ließ den Schlüssel fallen, bekam ihn schließlich ins Schloss und knallte die Tür hinter sich zu. Er atmete schwer, schwitzte am ganzen Körper. Zitternd riss er den Kühlschrank auf, fand die Wodkaflasche. Gierig trank er einen großen Schluck und dann noch einen. Er spürte nicht, wie ihm der Wodka aus den Mundwinkeln herauslief, schluckte wieder und wieder, bis ihm die Luft ausging. Mit einem erleichterten Stöhnen sank er mit dem Rücken an der Kühlschranktür hinunter zu Boden. Langsam beruhigte sich sein Atem. Besser, dachte er. Entschieden besser.

Was also tun? Er ließ seinen Blick umherwandern, sah das dreckige Geschirr, das sich im Becken stapelte. Er sah übervolle Aschenbecher, die Kippen aufgequollen durch verschüttete Flüssigkeit, sah die Flecken im Teppich, der seit Monaten keinen Staubsauger erlebt hatte. Nicht schade drum.

Seine Hi-Fi-Anlage. Das einzige Stück von Wert. Vorverstärker und Endstufe mit vergoldeten Blenden, satte 200 Watt auf jedem Kanal. Die Standboxen, viel zu groß für die kleine Wohnung, ein Vermögen wert, ergaunert und mit dem Einsatz seines Körpers erarbeitet. Scheiße. Er konnte sie nicht mitnehmen, nicht jetzt. Er wusste, er musste abhauen, für eine Weile untertauchen, besser noch für immer verschwinden. Sein Einsatzgebiet verlagern. Für seine Art von Arbeit fand sich immer ein Markt, egal wo.

Wenn einer der Jungs aus dem Off Limits sie holen würde? Wem konnte er vertrauen? Das war der Nachteil, wenn man in seiner Branche tätig war. Man konnte niemandem trauen. Er war sich nicht sicher, wie er selbst in einer ähnlichen Situation handeln würde. Es gab keine wirklichen Freundschaften unter den Leuten, die die Off Limits Bar und ähnliche Etablissements frequentierten. Immer auf der Suche nach dem schnellen Geld, sei es durch Drogenverkauf oder die billige Nummer in einer dunklen Hausecke.

Er musste lächeln. Er würde die Anlage einkassieren, wenn ihn einer von denen um einen solchen Gefallen bitten würde. Einsacken und zu Geld machen. Und die würden es genauso tun, da war er sicher. Besonders wenn er durchblicken ließ, dass er verschwinden musste. Ohne die Angst, das Gesicht zu Brei verarbeitet zu bekommen – und wie sollte er das tun, wenn er die Stadt verlassen hatte – wäre die Versuchung zu groß. Scheiße, verdammte Scheiße!

Er trank einen weiteren Schluck, fühlte sich stark genug, eine Entscheidung zu treffen. Die Anlage konnte warten.

Er begann ein paar Sachen einzupacken. Kleidung zum Wechseln. Ein paar CDs. Den Umschlag mit dem Geld, etwas über 2000 €, seine gesamte Barschaft. Er würde mit dem Koksen aufhören müssen, das verschlang einfach zu viel Kohle. Nur wie, verdammt? Er hätte längst einen gewissen Wohlstand erreicht, wenn er es geschafft hätte, clean zu werden. Aber das war nicht so einfach.

Er ging zum Fenster, sah auf die Straße hinaus. Das Licht der traurigen Laternen reichte nicht aus, um viel erkennen zu können. Es regnete wieder. Den Mann, der sich in den Schatten des Hauseingangs gegenüber zurückgezogen hatte und sein Fenster beobachtete, sah er nicht.

Brinkmann gab sich einen Ruck. Trank die Flasche aus, ließ noch einmal den Blick schweifen. Sein Tagebuch! Das durfte er nicht vergessen. Die Vorstellung, dass jemand seine Aufzeichnungen lesen würde, ließ ihn schaudern. Es war sowieso eine dämliche, sentimentale Anwandlung, seine Gedanken aufzuschreiben, festzuhalten, was ihm passiert war. Aber an so manchem kalten Morgen, in der grauen Dämmerung, erschöpft, aber zu aufgedreht zum Schlafen, hatte er einen gewissen Trost darin gefunden. Wenn der Ekel vor sich selbst zu stark und die Einsamkeit zu groß war. Wem sonst hätte er sein Herz ausschütten können?

Er stopfte das zerfledderte Buch in die Sporttasche mit der Kleidung und verließ die Wohnung, ohne sich noch einmal umzusehen.

Er würde sich in einem billigen Hotel einquartieren, ein paar Tage abwarten, einige Nachforschungen anstellen und dann entscheiden, was mit seiner Anlage geschehen sollte. Er fühlte sich jetzt besser. Es war gut, endlich etwas zu unternehmen.

Auf der Straße blieb er einen Moment stehen. In den Pfützen spiegelte sich verzerrt das Licht der Straßenlampen. Ein kräftiger Wind kräuselte das Wasser zu einer fließenden Bewegung. Brinkmann machte sich auf den Weg. Kurze Zeit später löste sich der Andere von dem dunklen Hauseingang und folgte ihm.

Angela Hansen schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf, stellte die Einkaufstüten ab und lauschte. Nichts. Natürlich nicht. Sie durfte jetzt keine Paranoia entwickeln. Trotzdem ging sie in jedes Zimmer und vergewisserte sich, dass sich niemand in der Wohnung aufhielt. Sie traute Kerner alles zu.

Erst nach ihrem Rundgang zog sie die nasse Jacke aus. Sie drückte noch einmal die Klinke der Wohnungstür herunter. Natürlich hatte sie abgesperrt.

Sie trug die Tüten in die Küche, räumte den Wein und das Fleisch in den Kühlschrank. Dann setzte sie Wasser für Kaffee auf, füllte mechanisch ein paar Löffel in die Cafetiere, trank einen Schluck Mineralwasser. Sie ging zum CD-Ständer, überlegte einen Moment und entschied sich dann für die Stones. Beggars Banquet. Sympathy For The Devil, schon wieder. Das Lied schien eine magische Anziehungskraft zu besitzen. Sie lächelte ein freudloses Lächeln.

Die Wohnung sah aufgeräumter aus als am Tag zuvor. Die Pflanzen hatten wieder Wasser bekommen, die CDs waren, wo sie hingehörten. Kein Staub mehr, keine Anzeichen von Auflösung. Es hatte sich einiges verändert.

Sie goss sich einen Becher Kaffee ein, fügte etwas Milch hinzu, setzte sich auf die Couch, neben sich die zweite Tüte. Es war nicht ganz einfach gewesen, den Inhalt zu besorgen. Nun, wenigstens ein Gutes hatte ihre Beziehung zu Charles doch noch gebracht, dachte sie. Charles war Nickys Vater gewesen. Sein Erzeuger, korrigierte sie sich. Durch ihn hatte sie ein paar Leute kennengelernt, von denen sie weder damals noch heute wissen wollte, wie sie ihr Geld verdienen.

Die meisten dieser alten Bekannten waren längst im Gefängnis gelandet oder – wie Charles – einfach verschwunden. Aber einen gab es doch, der in Berlin geblieben war und dessen Name ganz offen im Telefonbuch zu finden war. Heinz Jonker hatte einen kleinen Secondhand-Laden in Tempelhof, handelte offiziell mit allen möglichen gebrauchten Waren und, etwas weniger offiziell, mit allem, was man nicht unbedingt im aktuellen Amazon-Angebot finden würde.

Er war misstrauisch gewesen, und es hatte sie den Einsatz ihres ganzen Charmes gekostet, ihn zu überzeugen. Letztlich hatte sie sich durchgesetzt.

Sie entnahm der Tüte das in Wachstuch eingeschlagene Päckchen, öffnete die Lederbändchen, die alles zusammenhielten und hielt ein kleines, glänzendes Stück Metall in den Händen. Eine halbautomatische Beretta, 7,5 mm. Mit geübten Händen schob sie den Magazinstreifen in den Schaft und zog den Lauf zurück. Mit einem satten Klick schob sich die erste Patrone in den Lauf. Auch ihre Fähigkeit im Umgang mit einer Waffe hatte mit Charles zu tun. Damals, in den verrückten Tagen, hatte sie regelmäßig Zeit auf dem Schießstand verbracht, weil das zu Charles und seiner Clique dazugehört hatte. Imponiergehabe, harmlose Spinnerei oder Begleitumstände eines kriminellen Lebens – was immer es damals gewesen war, das Charles und seine Leute und damit auch sie zum ständigen Üben mit Schusswaffen gebracht hatte: Es spielte keine Rolle mehr. Jetzt half es ihr, sich auf die Umstände einzustellen und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Nachdenklich entlud sie die Waffe, sicherte sie und schob sie zurück in das kleine Holster, das ebenfalls Bestandteil des Päckchens war.

Sie trank einen Schluck Kaffee, zögerte, griff nochmals nach der Pistole. Hielt sie in beiden Händen, suchte im Zimmer nach einem Ziel. Fand eins in der Bronzestatue auf einer der Lautsprecherboxen, ein Bildnis eines Mannes, gebückt gegen den Wind angehend. Visierte mit ruhiger Hand den Kopf an, entschied sich dann anders und zielte auf den Unterleib.

»Peng!«, sagte sie leise.

Kerner saß seit zwanzig Minuten regungslos im Studierzimmer seines Dahlemer Apartments und starrte Löcher in die Wand. Aus der Stereoanlage dröhnte in ohrenbetäubender Lautstärke Wagners Ring des Nibelungen. Kerner nahm es nicht wahr, war auf Gedankenreise, malte sich in blutigroten Fantasien aus, wie er gerade rücken würde, was vor sieben Jahren verschoben wurde. Dass er während seines Anrufs bei der Schlampe plötzlich den Bullen am Apparat gehabt hatte – und nur er konnte es gewesen sein, das wusste er einfach -, hatte ihn für eine Weile aus dem Konzept gebracht. Aber nicht lange.

Der Mistkerl vögelte sie bestimmt. Sie, die ihm, Kerner, gehörte. Egal. Der Bulle konnte sich nicht immer um sie kümmern. Kerners Chance würde kommen und der Gedanke daran, was er mit ihr anstellen würde, ließ ihn hart werden. Erst die kleine Nutte, der er den arroganten Ausdruck aus dem Gesicht prügeln würde, bevor er sich nähme, was sie ihm damals verweigert hatte. Dann der Bulle. Der Scheißkerl hatte ihm zwei Zähne ausgeschlagen, damals, bei dieser lächerlichen Verhaftung. Er würde weit mehr verlieren. Kerner erregte sich immer mehr, spürte gar nicht bewusst, dass er begonnen hatte zu onanieren. Immer schneller, mit geschlossenen Augen, Speichel in den Mundwinkeln, bearbeitete er seinen Penis, Wirbel aus Gewalt, Sperma und Blut im Kopf. Und dann wartet da noch einer, schrie es in seinem Inneren, als das Telefon klingelte. Ohne in seinem Tun nachzulassen, fingerte er mit der freien Hand nach dem Hörer, kreischte ein schrilles »Ja??« hinein. Der Schrei eines Wahnsinnigen.

»Ich hab ihn gefunden«, sagte eine konsternierte Stimme am anderen Ende.

Mit einem langgezogenen Jaulen entlud sich Kerner auf den Teppich, ließ dabei einen ratlosen Privatdetektiv zurück, der das Handy in seiner Hand anstarrte und sich fragte, worauf er sich eingelassen hatte.

Wer bist Du wirklich?

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