Читать книгу Wie Ein Licht Im Dunkeln - Frank Christopher Schroeder - Страница 14

KAPITEL 7

Оглавление

Verhör, die Dritte.

Sie brachten Kissinger wieder in den gleichen Raum, wieder würde er warten müssen, dass etwas passierte. Agent Smith war bereits da.

– „Guten Morgen, Mr. de Luca. Herrgott, was ist denn mit dem passiert?“, fragte Smith in Richtung der Wachen, die Kissinger hereingeführt hatten. Die zuckten mit den Schultern.

– „Der Gefangene hat letzte Nacht versucht, sich zu verletzen, Sir.“

– „Nicht versucht“, korrigierte Kissinger dreckig grinsend und rieb dabei seine verbundenen Hände aneinander. Ihm war bewusst, dass Smith nicht wissen konnte, auf welche Art und Weise sich Kissingers Zustand verändert hatte. Und er hatte nicht die Absicht, diese Tatsache zu früh preiszugeben. Smith legte die Stirn in Falten und musterte Kissinger wortlos. Nach einer kurzen Pause richtete er das Wort an ihn.

– „Heute reden wir Klartext. Die letzten Wochen haben wir Ihnen demonstriert, wozu wir fähig sind. Wir können Sie hier für eine lange Zeit festhalten, ohne dass jemand Sie sucht oder findet.“ Er dehnte das Wort „lange“ so dass es sich wie „laaange“ anhörte.

– „Und an Flucht ist nicht zu denken, da diese gesamte Anlage hermetisch abgeriegelt ist. Keiner kommt rein, keiner kommt raus. Nicht einmal die Wachen.“

– „Sie auch nicht?“

– „Ich auch nicht. Momentan nicht.“

– „Hört sich nach Strafposten an, wenn Sie mich fragen.“ Kissinger lächelte.

– „So sieht’s aus. Und da kommen Sie ins Spiel.“

– „Aha?“

– „Wir haben ein Problem, bei dessen Lösung Sie uns helfen können.“

– „Wie letztes Mal schon gesagt, ich werde Maurie nicht verraten.“

– „Das erwarten wir auch gar nicht. Nicht mehr, um ehrlich zu sein.“

– „Ich verstehe nicht …“

– „Die Geschichte mit Feinstein war ein Test. Wir wollten herausfinden, ob Sie wirklich Ihrem Auftraggeber gegenüber loyal sind. Nicht dass Sie hier rauslaufen und zur nächstbesten Zeitung rennen. Das könnten wir gar nicht gebrauchen. Sind Sie loyal, Kissinger?“

– „Das bin ich. Samurai-Kodex.“

– „Dabei sind Sie nicht einmal Japaner.“

– „Gaijin-Samurai. Ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Ich erwarte gar nicht, dass Sie das verstehen.“

– „Muss ich auch nicht. Wir haben uns mit Mr. Feinstein auf einen Deal verständigt. Er ist jetzt nicht mehr Ziel unserer Ermittlungen. Teil des Deals war, Sie an uns ‚auszuleihen‘.“

– „Verzeihung?“

– „Wir haben Mr. Feinstein … wie heißt es so schön? … wir haben ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte.“

– „Ich glaube kein Wort.“

– „Das war zu erwarten. Daher haben wir uns das Ganze schriftlich geben lassen. Bitte sehr.“

Smith reichte ihm ein Stück Papier. Kissinger las, was dort geschrieben stand, und sagte:

– „Ich glaube nach wie vor kein Wort. Das ist zwar Mauries Handschrift, aber Leute machen alles Mögliche, wenn sie eine Pistole im Nacken haben. Ich bezweifle, dass er überhaupt noch am Leben ist.“

– „Rufen Sie ihn an.“

– „Ernsthaft? Nach all der Zeit darf ich telefonieren? Einfach so? Okay, dann …“

Agent Smith zückte sein Handy und wählte eine Nummer. Mobilfunkempfang inmitten von all dem Stahlbeton. Interessant.

– „Smith hier. Ich verbinde Sie mit Ihrem Schützling.“

Er reichte Kissinger das Mobiltelefon.

– „Maurie?“

– „Ja, Kissinger, ich höre dich laut und klar.“

– „Was zur Hölle ist hier los?“

– „Lennart, hör mir zu: Mach alles, was sie dir sagen. Ich erkläre es dir, wenn du rauskommst.“

– „Was soll der ganze Scheiß?“

– „Kissinger, hör zu, es ist alles okay. Ich muss Schluss machen.“

Klick. Aufgelegt. Smith nahm ihm das Handy wieder aus der Hand. Kissinger war ratlos.

– „Ich verstehe gar nichts. Was wollen Sie von mir?“

– „Nun, während Sie hier waren, haben sich manche Umstände geändert. Ich schenke Ihnen jetzt reinen Wein ein, Mr. De Luca: Als wir sie hochgenommen haben, wollten wir Sie und Ihren Bruder Rico für immer aus dem Verkehr ziehen und Feinsteins Operation zerschlagen. Wir haben Feinstein vor die Wahl gestellt: Entweder er oder Sie und Rico. Sie wissen ja, wie er sich entschieden hat. So viel zum Thema Ehrenmann. Doch jetzt gibt es neue Entwicklungen. Und Sie befinden sich in der glücklichen Lage, dass Sie uns helfen können. Im Gegenzug kommen Sie und Feinstein ungeschoren davon.“

– „Und was wollen Sie?“

– „Das Problem, bei dessen Lösung wir Ihre Hilfe brauchen, heißt Rico.“

– „Rico? Darum geht es hier? Sie wollen, dass ich Ihnen helfe, Rico zu finden?“

– „Hm, ja.“

– „Unabhängig davon, dass ich das im Leben nicht machen würde, könnte ich es nicht einmal. Rico ist weg, untergetaucht. Es gab da diesen Vorfall, wie Sie sicher wissen. Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Ich könnte natürlich nach ihm suchen, aber dazu müsste ich hier raus.“

Kissinger lächelte. Er würde Smith alles Mögliche erzählen, Hauptsache, er kam aus dem Knast.

– „Rico ist wieder da und er ist ein Problem. Er tötet wahllos unsere Leute.“

– „Er tötet Bullen?“

– „Nicht nur Polizeibeamte. Auch Staatsanwälte, Richter, Geschworene, deren Angehörige …“

– „Aaaaaaaahahahaha!“ Kissinger brach in schallendes Gelächter aus. Agent Smith sagte kein Wort. Kissinger hatte auf einen Schlag beste Laune.

– „Das nenne ich mal Ironie des Schicksals“, sagte er grinsend, als er sich wieder unter Kontrolle hatte. „Tja, ich kann ihn verstehen. Er ist wütend. Mehr als wütend. Ihr habt ihn eingebuchtet für eine Tat, die er nicht begangen hat. Wie mich übrigens auch. Im Knast wird er dank seiner Hautfarbe von einer Gruppe White-Power-Arschlöcher erst übel zugerichtet und dann mehrfach vergewaltigt. Seitdem ist er zu allem Überfluss noch HIV-positiv, die Nazis haben ihn absichtlich infiziert und ihm das auch noch gesagt. Ihr habt euch den falschen Schwarzen rausgesucht, der Mann ist kein Opfer. Wissen Sie, dass sein Spitzname ‚Black Panther‘ ist? Er hasst diesen Namen, aber er trifft es. Rico ist eine verdammte Ein-Mann-Brigade. Und was ihr ihm angetan habt, ist unverzeihlich.“

– „Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass das die eine Sache in meiner Karriere ist, die mir wirklich leidtut? Das hätte nie passieren dürfen.“

– „Tja, diese Erkenntnis kommt reichlich spät. Und hilft auch nichts.“

– „Ja, doch, es ist die Wahrheit.“

Kissinger dachte einen Moment nach. Was stimmte hier nicht?

– „Oh, jetzt komm ich drauf: Sie haben ein ganz persönliches Interesse an diesem Fall, Agent Smith, ist es nicht so? Sie waren dabei, als er verhaftet wurde. Er hat Ihnen gedroht, richtig? Sie hängen da mit drin. Sie befürchten, dass es Sie als Nächstes erwischt.“

Agent Smith sagte nichts. Das war auch nicht nötig. Kissinger sah am Gesichtsdruck des Gesetzeshüters, dass er recht hatte. Das Kräfteverhältnis zwischen Kissinger und Smith stand schlagartig unter umgekehrten Vorzeichen.

– „Das geschieht euch recht. Jetzt geht euch der Arsch auf Grundeis, Ihr Scheißbullen.“

– „Agenten.“

– „Agenten, Bullen, was auch immer.“

Kissinger sprach Smith im Plural an, da er – korrekterweise – davon ausging, dass sich hinter dem Spiegelglas in der Wand weitere Beamte aufhielten.

– „Und jetzt wollt ihr, dass ich euch helfe. Das ist eine recht optimistische Haltung, gerade auch wenn man bedenkt, wie ihr mich behandelt habt in der letzten Zeit. Hat er gedroht, sich um eure Familien zu ‚kümmern‘?“

– „Ja.“

– „Nun, dann wird er genau das tun. Das war immer der Plan. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, was er tun würde, wenn ihn die Behörden linken würden. Und genau das ist jetzt eingetreten. Rico wird eure Familien grillen, das versprech ich euch. So, wie ich meinen Bruder kenne, schneidet er sie dann in kleine handliche Teile, packt sie in Gefrierbeutel und dann macht er mit ihnen eine Reise, verbuddelt mal ein Stückchen hier und eines dort. Für euch ist das dann so eine Art landesweites Puzzle, es wird vermutlich ewig dauern, bis ihr die einzelnen Teile wieder zusammenhabt. Und für Rico ist es so eine Art Urlaub, ein Roadtrip, a vacation, a permanent vacation, Miami, New Orleans, Detroit … Why, mama, why?“ Kissinger nahm Fahrt auf. Agent Smith war kreidebleich geworden.

– „Ich habe aber auch gute Nachrichten, man sollte schließlich immer versuchen, das Positive in jeder Situation zu sehen.“

Kissinger genoss jede Sekunde.

– „Rico wird eure Frauen und Kinder nicht unnötig quälen, er wird es schnell machen. Rico ist kein Sadist. Es geht ihm nicht darum, seine Opfer zu quälen oder zu erniedrigen oder was auch immer. Er will euch etwas wegnehmen. Und er nimmt euch das, was ihr am meisten liebt. Unnötig leiden werden sie jedoch nicht. Da könnt ihr ganz beruhigt sein.“

Kissinger grinste. Der Verlauf der Konversation war Smith sichtlich unangenehm.

– „Ihr werdet ihn nicht aufhalten können. Er hat die gleiche Ausbildung genossen wie ich, nur dass für ihn der Kodex nicht mehr gilt, schon gar nicht, was euch betrifft. Jetzt ist es wohl an der Zeit, dass Sie sich warm anziehen, Agent Smith. Und das Ganze macht Rico in seiner Freizeit, wohlgemerkt. Ansonsten wird er jetzt jeden Job annehmen müssen. Er muss immer weitertöten, egal wen, ihr lasst ihm gar keine Wahl. Rico muss Geld verdienen. Haben Sie eine Vorstellung, was gute HIV-Medikamente kosten? Das kann sich mein Bruder nicht an der Fritteuse bei KFC verdienen, so viel ist sicher. Rico ist jetzt ein Abtrünniger, unkontrollierbar, ein Renegat.“

– „Und da kommen Sie ins Spiel, Kissinger.“

– „Tja, Agent Smith, das ist ironisch, denken Sie nicht auch? Sie haben mich unter falschen Vorzeichen eingesperrt. Und Sie wussten die ganze Zeit, dass das ein abgekartetes Spiel war. Von wegen ‚Wir wollen Feinstein ja gar nicht, das war alles nur ein Test Ihrer Fähigkeit zur Loyalität‘. Und auf einmal ist alles anders. Das nenne ich Ironie. Sie wollen Rico erwischen und es gibt nur einen, der das hinkriegt, wenn wir realistisch bleiben wollen: mich. Und wissen Sie was? Ich bin gesprächsbereit. Feinstein hat den Kodex gebrochen? Scheiß auf ihn. Was haben Sie anzubieten?“

Wie Ein Licht Im Dunkeln

Подняться наверх