Читать книгу Charlottas fantastische Reise nach Flüsterleise - Frank Didden - Страница 10
Оглавление»Fahrkarte? Aber ich habe keine Fahrkarte«, erwiderte das kleine verblüffte Mädchen.
»!!!. .,.,., !!!!., ..!.! .,.,…! ,,.!!!!,.. .,., ,,,«
Es war das typische Daddelschnalzen, das Charlotta deutlich von dem kleinen grünen Wesen vernahm. Das und das etwas entferntere Hämmern von Friedolins Presslufthammer. Ach ja, und das leise Schlürfen des Daddels, wie er seine Flüssigkeit trank.
»Du meinst Ewöm? Die Kugel?«, fragte Charlotta mit großen Augen.
»!...!..!.! ,,,,,, ..!....! ,.!«, schnalzte und klackerte es ziemlich unaufgeregt aus dem winzigen Daddelmund. Wieder wurde geschlürft.
»Entschuldigung«, druckste Charlotta. »Das wusste ich nicht.«
».,!«
»Wieso Tourist?«
».,! ..,..,..,!!! ,!..«
»Aber ich muss pünktlich zum Essen zurück sein. Sonst schimpfen Mama und Papa. Außerdem dachte ich, wir fliegen nach Metallerra?«
»..!!..!!, .,!!!,.. ,,.!«
Darauf erwiderte Charlotta nichts. Schweigen. Schweigen und ungerührtes Schlürfen. Drei Augen sahen sich gegenseitig an ohne eine Regung des anderen erkennen zu lassen. Drei Augen. Zwei menschliche Kinderaugen und ein Glubschauge. Ein Außenstehender hätte für einen kurzen Augenblick vermuten können, die drei Augen warten auf ein viertes, aber so war es nicht. Ungeduld zog im Gesicht des Daddel auf. Dabei äußert sich daddelanische Ungeduld stets mit einer Vielzahl zuckender Bewegungen des dritten Armes auf Bauchnabelhöhe.
»..!!..!!, .,!!!,.. ,,.!«
Charlotta schaute den Daddel mit seinem unkontrolliert wackelnden Arm am Bauch fasziniert an.
»Aber ich sollte doch leise sein.«
»..!!.!,,,,!!«
»Na, weil du pst gesagt hast.«
»,,,.,, ..,. ,,. ,, ….!!! ,.., ! ,,!!!« Schnalzte der Daddel sichtlich aufgeregt und verständnislos, während er mit einem Armen energisch auf das Handgelenk des dritten Armes wies. Beinah hätte er seine dampfende Flüssigkeit verschüttet.
»Was soll das heißen: Hast du mal auf den Tacho geschaut?«, staunte Charlotta. »Was ist ein Tacho?«
Was nun folgte, war eine aufgeregte, energische und vollkommen unausgeglichene Komposition von Schnalz- und Klackgeräuschen, begleitet von daddelanischen Arm-, Bein- und Kopfbewegungen. Charlotta bestaunte dies mit offenem Mund. Sie kannte das. Dieselben Geräusche und Bewegungen machte auch immer Papas Wackeldackel auf dem Armaturenbrett, wenn Papa mal wieder zu schnell die Kopfsteinpflasterstraße bei Charlottas Schule entlang brauste. Nun hatte Sie verstanden.
»Ach so, du hast es eilig!«
Mit einem tiefen Schnaufgeräusch ließ der Daddel alle drei Arme zu Boden sinken. Der Becher war offenbar leer. Mit offenem Mund starrte er Charlotta an. Das große Auge glubschte.
»Pst ist bei uns ein Ausdruck, um leise zu sein, weißt du?«
»!,,.,!,, ..,!«
Das große Auge starrte Charlotta an.
»Ich dachte, das würde dich interessieren?«
»..!..,.!«
Ein kurzes Zwinkern.
»Tut es nicht?«
»..,..«
Ein weiteres Zwinkern.
»Sicher?«
»..!..«
Kein weiteres Zwinkern.
»Okay.«
»..,.!! ,.,! …!!,.«
»Was will ich denn auf Pst? Kossin wollte doch, dass ich nach Metallerra fliege?«
»!! ..,.!.«
»Ich dachte, das wüsstest du.«
»..,..«
»Ich heiße übrigens Charlotta.«
»,,.,,,! !!,.!!«
»Hallo I chwi llurl aub. Bin ich denn zum Abendessen zurück?«
»,.!! ,,,,...!!..,! ..,!!!!«
Schwungvoll landete der Becher im nahegelegenen Gebüsch.
»Ist dir egal?«
Mit diesem Satz endete das Gespräch auf der Wiese hinter Opas Haus zwischen dem vermaledeiten 8-jährigen Menschenkind Charlotta und dem Daddel I chwi llurl aub. Ja, ganz richtig, es war ein Gespräch. Von allen bisherigen unmöglichen Wahrscheinlichkeiten übertraf dieses Gespräch wahrscheinlich alles Bisherige und noch Kommende. Charlotta verstand Daddelanisch. Verstehen Sie vielleicht jetzt, warum mir so häufig das Wort „Vermaledeit“ entgleitet? Stunde um Stunde sind Fred und ich schon die Wahrscheinlichkeiten dieser Zufälle miteinander durchgegangen. Stunde um Stunde haben Fred und ich einander hilfesuchend angeschaut auf der Suche nach der Unmöglichkeit der Wahrheit, die sich hinter diesen ganzen Ereignissen versteckte. Ich, sinnsuchend in der entspannenden wohlig-warmen Badewanne, und Fred, auf dem Wannenrand hüpfend in der Ausgelassenheit seines Möwencharakters.
Wie konnten wir in dem Umstand einen Sinn finden, dass Kossin direkt vor der Nase des einzigen Lebewesens des Planeten Erde landet, das Daddelanisch spricht. Abgesehen einmal von der absoluten Unwahrscheinlichkeit, dass auf der blauen Kugel im Weltraum überhaupt ein Wesen diese Sprache versteht. Wie konnte das sein? Wie konnte es sein, dass dieses vermaledeite Kind einen Daddel verstand? Wo doch gerade zwei Tage zuvor Frau Messken, Charlottas Deutschlehrerin, in einem Gespräch mit Herrn Kulikul, Charlottas Mathelehrer, bestätigt hatte:
»Wenn dieses vermaledeite Kind nicht zu faul wäre zum Lesen, dann würde Sie vielleicht auch mal verstehen, was der Inhalt des Buches ist.«
Nun ja, offensichtlich war diese Kind zu faul zum Lesen. Deshalb verstand sie auch keine Buchstaben. Dafür aber Satzzeichen, also Daddelanisch. Vermaledeite Frau Messken. Wenn diese Frau nicht eine so inkompetente Deutschlehrerin wäre, hätte die Geschichte auf der Wiese hinter Opas Haus ein Ende gefunden. Aber nein, ausgerechnet dem einzigen Wesen mit daddelanischen Grundkenntnissen auf der Erde fällt Kossin mit Ewöm vor die Füße.
Was für ein Zufall? Und nein, Fred, wir diskutieren jetzt nicht wieder den Einfluss von Friedolins monotonem Presslufthammer auf die Intonation von Daddelschnalzen und den damit einhergehenden Schwingungsüberlagerungen, wodurch sich I chwi llurl aub angehört hat, wie ein volltrunkener Kölner mit fränkischem Dialekt. Schließlich wissen wir ja schon, dass die Kommunikation zwischen Charlotta und den Daddel auch ohne Friedolins Presslufthammer funktioniert hat. Wir können sicher sein, es lag an Frau Messkens schlechtem Deutschunterricht. Sie müssen verstehen, Fred und ich diskutieren gerne. Über alles Mögliche. Die Welt, das Universum, die Lebewesen, die Zeit, den Sinn des Lebens und in der letzten Zeit den Sinn von Charlottas Leben zu dieser bestimmten Zeit im Universum. Na ja, worüber man halt so diskutiert, wenn man nackt in einer Badewanne liegt und sich mit einer Möwe unterhält.
Sie wollen aber sicher wissen, wie es denn mit diesem vermaledeiten Kind weiterging, oder? Na, dieses unsägliche Gör flog nach Pst. Oder zumindest war das der Plan. I chwi llurl aub, der Daddel, der natürlich nicht wirklich so hieß, wie der Wunsch, den er zum Ausdruck gebracht hatte, hatte Charlotta den Einlass in Ewöm gewährt. Nach einigen Debatten über die Länge der Reise, die Dauer des Aufenthaltes und einen angemessenen Sitzplatz, kamen Charlotta und der Daddel überein, dass man die Reise beginnen konnte. Der Schaffner stellte sich entsprechend höflich seinem einzigen Passagier mit seinem daddelanischen Namen vor:
»!!!!!!!...,.,..,,,.,,.!!,.,!,,.,!.,,!,!...!,!.,!!!,,,.,.,.,,,!....,!,.,.,.!,,,,,!!!!!.,.,.,.!!!«
Mit den Worten »Hallo Rüdiger« machte es sich Charlotta auf dem einzigen freien Sitzplatz bequem. Ewöm setzte zum Start an. Ewöm, die Möwe, die Kugel. Wie dies nun technologisch genau vonstattenging, würde den Rahmen unserer kleinen Geschichte wohl sprengen. Berechtigterweise stellen sich Ihnen nun Fragen, wie zum Beispiel: Hä?
Aber das ist mehr als verständlich. Nur so viel: Die Kugel, die Charlotta auf der Wiese gesehen hat, war das Fluggerät Ewöm. Eine kleine metallische Kugel vollgestopft mit der absolut höchstentwickelten und schier unglaublichen, daddelanischen Highester-Higher-High-End-Tech-Technologie. Bei Reisen durch den Weltraum nimmt dieses Fluggerät die Form einer lebenden Möwe an. Sicherlich sehr viel größer als die kreischenden, kleinen Verwandten auf der Erde. Sitzplätze gibt es meistens zwei. Einen für den Schaffner, einen für den Reisegast. Einige Möwen tragen auch bis zu zehn Passagiere, aber diese Vögel sind meistens sehr langsam und ausgesprochen fettleibig. Da diese Piepmatz Erscheinungsform aber zu einigen, sagen wir Unfällen auf diversen Planeten, mit einer Vorliebe für Geflügel auf dem Speiseplan, geführt hat, entwickelte man die Formänderung zur Kugel. Da Größe bekanntlich ebenso unwichtig wie relativ ist, bauten die Daddel einen Formänderungsmechanismus in jedes ihrer Fluggeräte ein. Dieser macht aus einer lebenden Möwe, sei sie auch noch so fett, eine kleine metallische Kugel, sobald diese in die Atmosphäre irgendeines Planeten eintritt. Das erhält nachhaltig das Leben der Möwe, der Reisenden und spart enorm viel Platz in Parkhäusern. Der Verkleinerungsprozess der Passagiere wird beim Aussteigen rückgängig gemacht. Sehr zum Leidwesen dicker Passagiere.
Den Flug als Solches fliegen die Möwen von allein. Wie schon erwähnt, sieht der daddelanische Bildungsweg nur den Abschluss als Schaffner vor, weswegen die Befähigung eine Möwe zu fliegen nicht ausgebildet oder in irgendeiner Form trainiert wird. Sie werden sich jetzt sicherlich auch fragen, wie denn nun die Reise abläuft? Woher weiß die Möwe, wohin sie fliegen muss? Die Lösung ist mal wieder denkbar einfach. Der Schaffner, in Charlottas Fall also Rüdiger, teilt Ewöm, also der Möwe, nur das Ziel mit.
».,!!!,«
Da sich Möwen bestens mit der die Grammatik betreffend korrekten Verwendung von Satzzeichen auskennen, reicht die Nennung des Ziels dem Vogel vollkommen. Das von Rüdiger genannte Ziel hieß Pst. Von da an gab es für das liebe Federvieh kein Halten mehr. Von der Kugel langsam zum wunderschönen Vogel geformt, stieg Ewöm auf, immer weiter hinauf um letztlich abzutauchen in die unendlichen Weiten dieser vermaledeiten Geschichte. Ja, mit elegantem Flügelschlag und gleichfalls elegantem Schrei dem Ziel entgegen, trieb Ewöm Charlotta weiter in diese Geschichte. Mit dem scharfen Blick der Möwe schnurgerade in Richtung Ziel. Denn hat der messerscharfe Blick des Vogels einmal den Bestimmungsort erkannt, gibt es kein Weichen mehr. Ja, messerscharf ist ihr Blick. Über Lichtjahre hinweg verfehlen die daddelanischen interstellaren Flugmöwen niemals ihr Ziel. Nie! Niemals nicht nie! Oder sagen wir, fast nie.
Friedolin, Ben, Berufsverkehr, Kossin, ein daddelanisch sprechendes Menschenkind. Wie viele Zufälle kann es an einem einzigen Tag in diesem Universum geben? Wie viele vermaledeite Zufälle? Keiner weiß es. Nicht mal Fred.