Читать книгу Charlottas fantastische Reise nach Flüsterleise - Frank Didden - Страница 8
ОглавлениеWir befinden uns zwar noch ziemlich am Anfang der Geschichte, dennoch ist es bereits an dieser Stelle zwingend erforderlich, die Daddel einzuführen. Berechtigterweise werden Sie die Frage stellen, was in Drei-Teufels-Namen ein Daddel ist? Durch eine Ironie, die mir nicht im Mindesten zusagt, ist diese Frage zugleich Antwort. Denn leider ist der Name der Daddel für mich gleichbedeutend mit dem Namen der drei Teufel. Es steht natürlich vollkommen außer Frage, dass Sie augenblicklich nur Bahnhof verstehen. Auf eine recht ärgerliche Weise steht leider auch der Begriff Bahnhof in engem Zusammenhang mit den Daddel. Aber ich will Sie nicht überfordern. Fangen wir ganz langsam an.
Wenn Sie einen menschlichen Standpunkt wählen – und im eigentlichen Sinne des Wortes ist dies ein Punkt auf der Erde, auf dem Sie stehen – ist ein Daddel nichts Weiter als eine außerirdische Lebensform. Wenn Sie nun alle Zweifel über die Existenz solcher außerirdischen Lebensformen einmal beiseitelassen, sind Sie auf einem guten Weg. Die Daddel sind Außerirdische. Wie auch die Guhftis, die Plötzer, die Munkus, die Tramps und viele weitere. Es wäre sicherlich eine sehr anstrengende und mühselige Arbeit, Ihnen alle außerirdischen Lebensformen näher zu erörtern. Und gleich, wenn Sie oftmals schon vermutet haben, dass Sie auf der Erde von Außerirdischen umgeben sind, glauben Sie mir, es sind nicht so viele, wie Sie vielleicht meinen.
Die Daddel hingegen spielen eine Rolle in dieser, also in Charlottas Geschichte. Aus diesem Grund sehe ich es als meine traurige Pflicht an, Sie ein wenig über die vermaledeiten Daddel aufzuklären. Die Daddel sind eine sehr alte Lebensform. Wahrscheinlich sogar eine der ältesten Lebensformen unter den derzeit bekannten Lebensformen, einschließlich der Menschen, die noch verhältnismäßig jung sind. Wie die genaue Entwicklung der Daddel bis zum heutigen Tag aussieht, lässt sich vortrefflich in der großen Bibliothek von Pst recherchieren. Auch bekannt als der Tempel der Wahrheit und der superhypermega-coolste Ort von Pst und vielleicht sogar des ganzen Universums. Dort kann man im Übrigen so ziemlich alles recherchieren. Leider können nur wenige Fachleute und Gelehrte die sogenannten Einträge der Daddel wirklich verstehen. Der Grund liegt in der sehr komplizierten Sprache der Daddel. Auch, wenn nicht mehr vollständig überliefert ist, wie es zu dieser Form der Entwicklung kam, so ist heute doch eines sicher: Die Daddel praktizieren die wohl schwierigste Sprache des bekannten Universums. Das gleichfalls Faszinierende dieser Tatsache ist das vollständige Fehlen von Buchstaben.
›.,.., !!,…. !,!,..,,! !!!!!....?‹
Übersetzt heißt dies: Wo ist der vermaledeite Fahrradschlüssel? Und dabei sei noch betont, dass ich im Zuge einer leichteren Verständlichkeit für Sie das Fragezeichen falsch eingesetzt habe. Nach neuer daddelanischer Rechtschreibung wird nämlich kein Fragezeichen mehr verwendet. Mit dem Ziel einer leichteren interplanetaren Verständigung – und damit die kleinen Daddelkinder nicht so viel lernen müssen – hat der hohe Bahnhofvorstand der Daddel vor ungefähr fünfhundert Erdenjahren das Fragezeichen offiziell abgeschafft. Aktuell diskutiert der hohe Bahnhofvorstand eine Erweiterung der .,!!!., also der sogenannten Sprach- oder Satzzeichen-Klausel. Diese Erweiterung ist inhaltlich eigentlich eine Einschränkung und sieht die verminderte Nutzung des Punktes vor. Um Sätze zu verkürzen. Da mittlerweile die Daddel ohne Omni-Translator, also Universal-Übersetzer, keiner mehr versteht, scherzen die Medien anderer Lebensformen in ihren Schlagzeilen über die ›Sinnlose Diskussion der Schuschu-Klausel!‹. Dummerweise verstehen die Daddel keine Buchstaben, sondern nur das Ausrufezeichen von ›Sinnlose Diskussion der Schuschu-Klausel!‹. Ein einzelnes Ausrufezeichen bedeutet frei übersetzt so viel wie Platzreservierung, ein in der Daddelsprache ausgesprochen lobendes Wort höchster Zufriedenheit und Wertschätzung. Man darf also von einer baldigen Abschaffung des Punktes durch den hohen Bahnhofvorstand der Daddel ausgehen.
Sieht man einmal von dieser eigenartigen Kommunikationsform ab, so sind noch zwei weitere Punkte über die Daddel für Charlottas Geschichte erwähnenswert. Zum einen wäre da der Heimatplanet der Daddel. Dessen Name wäre selbstverständlich grundsätzlich für jeden Nicht-Daddel unaussprechlich, hätte man sich im Rahmen des intergalaktischen Handels zwischen den Völkern nicht auf einen für alle aussprechbaren Namen geeinigt. Furunkulum.
Alle Nicht-Daddel-Völker fanden diesen Namen für den Heimatplaneten wegen seiner, sagen wir ungewöhnlichen Erscheinung, sehr zutreffend. Die Daddel fanden den Namen einfach nur schön melodisch. Und so hatten sich alle Lebewesen auf diesen Namen geeinigt und den Heimatplaneten der Daddel auf Furunkulum getauft. Danach brach der Tourismus zum Heimatplaneten der Daddel für Außenstehende auf nachvollziehbare Weise schlagartig zusammen. Aber das ist ein anderes Thema.
Der dritte und letzte erwähnenswerte Punkt über die Daddel ist die große, gesellschaftliche Struktur, die über allem steht, was irgendwie mit Daddel zu tun hat. Daddel sind Reisende. Reisende zwischen den Sternen, den Welten, den Völkern. Und dabei machen sie das Reisen für viele Lebewesen überhaupt erst möglich. Zwar gibt es durchaus Völker, die über eigene Fortbewegungsmittel zwischen den Planeten verfügen, trotzdem ist für die meisten Lebewesen D&DT die erste Wahl bei der Reise zu ihren Verwandten und Freunden im Ausland. Also im Land noch weiter weg. Hinter dem Ausland. Auf anderen Planeten. D&DT, oder Daddel & Daddel Transport ist die größte und schnellste Personentransportgesellschaft zwischen den bewohnten Planeten. Außerdem ist es auch noch die sicherste Art zu reisen. Und die Einzige. So wundert auch nicht die Übersetzung des Werbeslogans von D&DT: ›Reise mit uns zu den schönsten und atemberaubendsten Orten in der Galaxis – oder bleib Zuhause!‹
Die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung der Daddel hin zu einem reisenden Volk war natürlich bei genauerer Betrachtung der Umstände nach dem Zusammenbruch des Tourismus nicht wirklich überraschend. Schließlich konnten die Bewohner Furunkulums auf eine ausgezeichnete und komfortable Reisetechnologie zurückgreifen, die in der Galaxis sicherlich unangefochten war. Außerdem konnten die daddelanischen Bedienungsanleitungen zum interstellaren Flug ohnehin von niemandem gelesen werden. So boten also die Daddel kurz nach der Schließung des letzten Hotels auf Furunkulum die ersten Personenflüge zwischen den bewohnten Welten an. Und das war eine rasante Entwicklung, denn mangels Gästen und Reservierungen lagen zwischen der Schließung des ersten Hotels und des letzten Hotels auf Furunkulum nur ungefähr 38 irdische Standardminuten.
Seitdem entwickelte sich die Gesellschaft der Daddel vollständig in das Personentransportwesen hinein. Der oberste, vorher demokratisch gewählte Rat der Daddel musste einem Bahnhofvorstand weichen. Wo vorher 21 Minister die Geschicke in Umwelt-, Krisen oder Verkehrsfragen lenkten, entschied jetzt der Bahnhofvorstand. Dieser bestand nun nur noch aus sechs Verkehrsvorstehern, die einzig und allein den Verkehr regelten, oder so ähnlich. Da es keine oberste Instanz zur Entscheidung von zum Beispiel Bildungsfragen mehr gab, entfiel langfristig in der Gesellschaft der Daddel auch ein Bildungssystem. Im Grunde gab es nur noch einen Bildungsweg: Schaffner.
Schaffner? Sie denken jetzt sicherlich, wieso langweile ich Sie so mit diesem ganzen Krimskrams über die Daddel? Die Antwort ist einfach: Schaffner. Die Schaffner sind der Schlüssel zum Zug. Möchte man in den Zug, oder wie auch immer Sie das Fortbewegungsmittel nennen möchten, so benötigen Sie eine gültige Fahrkarte. Und an dieser Stelle kommt jetzt wieder das vermaledeite Kind namens Charlotta ins Spiel. Sie erinnern sich, dass Charlotta eben noch das traurige Dahinscheiden Kossins mit ansehen musste. Wie dieses kleine, fingernagelgroße Kerlchen der vermaledeiten Heldin den Hinweis auf Ewöm gab, der murmelgroßen Kugel an der Absturzstelle. Sie haben natürlich unlängst erkannt, dass Ewöm nichts anderes bedeutet als Möwe. Selbstverständlich hat auch Charlotta dies schon erkannt und fragt sich kurz nach Kossins Tod, welchen Zusammenhang es zwischen Ewöm, einer Möwe und dieser kleinen metallischen Kugel wohl geben kann. Wieso heißt die Kugel wie ein Tier?
Es kam, wie es kommen musste. Nach allen unsäglichen Zufällen dank Friedolin, Ben, Opa, Berufsverkehr und des vermaledeiten Kossins, geschah etwas, was sicherlich so vorhersehbar war, wie der Sonnenaufgang. Charlotta berührte die Kugel. Was für eine Überraschung? Ein neugieriges Kind, das etwas berührt, was es nicht kennt. Ziemlich vermaledeit das Ganze. Diese Folge an Zufällen.
Ein Zisch, ein Wusch und ein rosa-bläuliches Blitzen und Blinken später stand es direkt vor dem zurückgeschreckten Mädchen. Ungefähr einen halben Kopf kleiner als Charlotta, also ungefähr einen Meter groß. Tiefgrün von Kopf bis Fuß, wobei glücklicherweise wenig erschreckend mit nur einem Kopf und zwei Beinen ausgestattet. Zwei kleine Stummelbeinchen und ein ei-förmiger Kopf. Drei lange Arme, wovon zwei aus etwas vergleichbarem wie menschlichen Schultern wachsend und ein dritter Arm, wo bei einem Menschen ein Bauchnabel zu finden ist. Der Oberkörper als solches zeigte Ähnlichkeiten mit einer Kugel, nur unförmiger, also furunkuliger. Aus diesem Grund gab und gibt es in der Körperlehre der Daddel nicht nur die gängigen Formen, wie Kugel, Kubus und ähnliche, sondern auch das sogenannte Furunkulumus. Mathematisch beinah unmöglich zu beschreiben, wenn man kein Fragezeichen verwenden darf. Langes schwarzes Haar auf dem Kopf. Ein großes Glubschauge und ein winzig-kleiner Mund. Ein Daddel! Ein Daddel mit einem Becher in der Hand. Ein Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit langsam zum Mund führend.
»!!!. .,.,., !!!!., ..!.!«