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Die Bedürfnisse hinter dem (versteckten) Wunsch nach psychologischen Tricks

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Oft erreichen mich Anfragen von Menschen in Unternehmen, die sich Unterstützung für schwierige Situationen wünschen. Dabei geht es häufig um Konflikte, die Führungskräfte mit sich selbst oder anderen Personen haben. Es geht in diesen Anfragen jedoch kaum um Sachfragen oder die Organisation von Vertriebswegen, sondern meistens um menschliche und zwischenmenschliche Themen. Kein Wunder, denn schließlich bin ich ja Psychologe. Bei der Feuerwehr ruft man ja auch nur an, wenn’s brennt, und nicht, wenn der Kopierer defekt ist. Bei diesen Anfragen werde ich dann manchmal ganz offen – und manchmal auch ein bisschen hinten herum durch die Blume – nach psychologischen Tricks gefragt (»Können Sie uns mit Ihrem Hintergrundwissen und Ihrer Erfahrung vielleicht ein paar ›hilfreiche Werkzeuge‹ an die Hand geben, mit denen wir das Problem schnell wieder in den Griff bekommen?«). So, als gäbe es ein geheimes, psychologisches Wundermittel, das man sich nur verschaffen und anwenden müsste, um die aktuellen Konflikte fortzuzaubern. Ich kann diesen Wunsch sehr gut nachvollziehen. Da gibt es ein Problem, das einen zur Verzweiflung treibt, das man mit den eigenen Bordmitteln nicht so richtig in den Griff bekommt und das jetzt einfach mal verschwinden soll.

Am Ende kommt dann allerdings meistens etwas ganz anderes zustande als das, was sich der Anfragende ursprünglich vorgestellt hat. Aus der Anfrage nach einem Kommunikationstraining wird dann vielleicht eine Konfliktklärung mit der gesamten Abteilung oder ein Einzelcoaching für die Führungskraft. Was es tatsächlich braucht, um das Problem zu lösen, stellt sich nämlich erst im Prozess des gemeinsamen genaueren Hinsehens heraus.

Was mögen die Bedürfnisse und geheimen Hoffnungen sein, die sich mit dem (versteckten) Wunsch nach Psychotricks verbinden? Und warum wird überhaupt nach Psychotricks gesucht? Die erste Antwort auf diese Frage ist verhältnismäßig banal: weil Psychotricks oftmals funktionieren. Zumindest einmal oder kurzfristig. Damit ist in vielen Situationen das Ziel schon erreicht, denn es geht vielfach nur darum, einen schnellen Erfolg einzufahren. Den nächsten Monatsabschluss positiv hinzubekommen. Die aktuelle Jahresbilanz erfolgreich zu präsentieren. Den Vorstand schnell mal zufriedenzustellen. Den anstrengenden Mitarbeiter erst einmal ruhig zu stellen. Die nächste Wahl zu gewinnen. Den besseren Job zu bekommen. Das drohende Fiasko erst einmal abzuwenden. Und vieles andere mehr. Und somit wäre mit einem psychologischen Trick schon einmal viel gewonnen; später können wir dann ja immer noch weitersehen. Hauptsache, die Kuh ist erst einmal vom Eis.


Die Grundmotivation für den Einsatz von Psychotricks kann allerdings sehr unterschiedlich sein.

Da gibt es Chefs, die ihre manipulativen Winkelzüge ganz bewusst einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Sie wollen ihre eigene Machtposition durchsetzen, Umwege abkürzen oder unliebsame Hemmnisse umgehen. Sie sind davon überzeugt, dass dies ein sinnvoller und Erfolg versprechender Weg ist. Eventuelle Nachteile, die ihr Handeln mit sich bringt, werden entweder bewusst in Kauf genommen, ignoriert oder gar nicht erst wahrgenommen. Einem solchen Chef könnte eine klare Analyse der Folgekosten und Kollateralschäden helfen, das eigene Handeln zu überdenken. Nur wenn in einer glaubwürdigen Kosten- und Nutzenabwägung die Vorteile überwiegen, werden Handlungsalternativen überhaupt in Betracht gezogen. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob derjenige mit einer anderen Überzeugung und Grundeinstellung zu einem anderen Verhalten dazu überhaupt in der Lage wäre. Dies würde nämlich voraussetzen, dass er auch andere Handlungsmuster und Werkzeuge zur Verfügung hat. Oftmals behaupten diese Chefs, dass sie zwar durchaus anders handeln könnten, es aber gar nicht wollen. Damit umgehen sie auf elegante Weise, die behaupteten Handlungsalternativen im Ernstfall unter Beweis stellen zu müssen.

Ein anderer Typus Chef handelt vielleicht ganz schlicht aus einer Überforderung heraus. Er fühlt sich zwar mit seinen manipulativen Interventionen nicht wohl, sieht aber in der momentanen Situation keine wirklichen Alternativen. Er weiß es halt nicht besser. Deshalb greift er in seiner Verzweiflung in die Psychotrickkiste. Das wirkt dann auf sein Umfeld meist etwas halbherzig und unbeholfen, weil es ihm an innerer Überzeugung, Kaltblütigkeit und häufig auch an der notwendigen Übung mangelt. Er hofft darauf, dass seine Unsicherheit und die daraus resultierenden Manipulationsversuche niemandem auffallen. Und falls doch, dann möge man bitte zumindest Verständnis für ihn und seine prekäre Lage haben. Leider tritt sowohl das eine als auch das andere auf Mitarbeiterseite nur in den seltensten Fällen ein. Fast alle Mitarbeiter haben längst bemerkt, welches Spiel hier gespielt wird, und kaum jemand hat deshalb Nachsicht mit dem Chef. Wenn sie sein Spiel mitspielen, dann ebenfalls aus der Ermangelung echter Alternativen (»Was sollen wir denn dagegen schon ausrichten? Er ist ja der Chef und sitzt doch am längeren Hebel!«) oder aus Kalkül (»Wir lassen ihm mal seine Marotten und machen es dann letzten Endes doch so, wie wir es uns vorstellen«).

Überhaupt werden Manipulationsversuche von Mitarbeitern in den meisten Fällen sehr schnell durchschaut. Selbst wenn sich der Chef für besonders listig hält, haben seine Mitarbeiter den Braten schon längst gerochen. Das liegt schlichtweg daran, dass auch die meisten Mitarbeiter mit allen Wassern gewaschen sind, über eigene Berufs- sowie Lebenserfahrung verfügen und mit einer gewissen Grundintelligenz ausgestattet sind, was in Fachkreisen auch als »gesunder Menschenverstand« bezeichnet wird. Und in vielen Fällen besitzen sie selbst auch ihre eigene Psychotrickkiste.


Was die beiden Cheftypen allerdings verbindet, ist, dass sie Psychotricks in vollem Bewusstsein einsetzen. Der eine aus Berechnung, der andere aus Ratlosigkeit.

Es gibt allerdings auch den Fall, dass Führungskräfte psychologische Tricks anwenden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dies ist dann immer der Moment, in dem der Mitarbeiter sich fragt: »Weiß mein Chef eigentlich, was er da anrichtet?« Hier wird in guter Absicht Chaos geschaffen. Und auch in diesen Fällen ist dann »gut gemeint« genau das Gegenteil von »gut gemacht«, denn der Zweck heiligt keinesfalls immer die Mittel. Deshalb werden wir uns im weiteren Verlauf immer wieder damit beschäftigen, woran Sie als Führungskraft solche unbewussten Mechanismen, Phänomene sowie Fallstricke erkennen und was Sie dagegen tun können.

Das weite Feld der psychologischen Tricks beinhaltet Faszination und Fluch gleichermaßen. Dem Wunsch nach einer schnellen Lösung, die der eigenen Vorstellung möglichst vollumfänglich entsprechen soll, steht der Beigeschmack von Manipulation und Gutsherrentum gegenüber. Andererseits geht es auch für Führungskräfte darum, sich vor Manipulation von anderer Seite zu schützen und sich gegen Tricksereien im Haifischbecken mit der Aufschrift »Business und Wettbewerb« zur Wehr setzen zu können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die wichtigen Prinzipien von Ethik und Anstand auf dem Altar des kurzfristigen Erfolgs geopfert werden.

Führen ohne Psychotricks

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