Читать книгу Gefangen - Unter Wasser und Beton - Frank Hille - Страница 11
Donnerstag, 22. Oktober 1942, früh, Nähe Amiens, Feldflugplatz
ОглавлениеDer junge Pilot hatte seine Bf 109 „Traudel“ getauft, der Name seiner Verlobten. Auf der Motorverkleidung prangte dieser Schriftzug in sattem Rot. Der Kommodore hatte nichts dagegen, dass seine Männer so etwas taten. Morgen konnten sie tot sein sagte er sich. Mit der Maschine explodiert. Von Geschossen durchsiebt. Nicht aus der Mühle rausgekommen und in einem Feuerball beim Aufschlag verglüht. Sollen sie an ihre Mädels denken, das spornt an. Jeder will ein Held sein und möglichst viele vom Himmel holen.
Er trug den linken Jackenärmel in einer Schlaufe. Der Arm lag seit 1941 irgendwo in Russland in einer Grube, zusammen mit anderen amputierten Gliedmaßen. Seine Karriere begann hoffnungsvoll, die Russen ließen sich zu Beginn des Krieges abschießen wie flügellahme Tauben. Er war talentiert, mit einem Gespür für die Kampfsituation. Schnell hatte er 30 Abschüsse auf seinem Konto. Als er bei einem weiteren Einsatz 5 I16 und 3 Mig herunterholte gab es das Ritterkreuz. Mag sein, dass er zu sehr an sich und seine Fähigkeiten glaubte, eines Tages war er nachlässig und hatte die Rotte Mig übersehen, die aus der Sonne auf ihn stießen. Ehe er reagieren konnte hämmerten die Bordkanonen in den Motor und die Tragflächen. Er war zu tief, um springen zu können. Obwohl sein Arm höllische Schmerzen ausstrahlte schaffte er es doch irgendwie, die Maschine in der Luft zu halten und im Tiefflug über die Wälder zu huschen. Feuer schlug ihm ins Gesicht, denn der Motor lief zwar noch, aber brannte mit einer lodernden Flamme. Er erreichte den Platz, konnte noch landen und dann wusste er nichts mehr.
Als er aufwachte war etwas anders. Der Blick auf die Bettdecke zeigte es ihm. Sein linker Arm bestand nur noch aus einem Teil Oberarm. Ein Arzt trat an sein Bett.
„Da konnten wir nichts mehr tun, ohne Amputation wären Sie tot. Und das mit dem Gesicht ist zwar nicht schön, aber Sie können noch sehen. Nach und nach heilt es auch das Gesicht wieder, es wird allerdings nie wieder so sein wie früher.“
Das mit dem Gesicht?
Der Arzt brachte ihm einen Spiegel.
Ein Monster blickte ihn an. Feuernarben überall, nur um die Augen, wo seine Fliegerbrille gesessen hatte, sah man Inseln gesunder Haut.
Keine Haare mehr.
Er schrie nur noch.
Nach einer Woche konnte er langsam wieder klar denken. Nun war er beinahe froh, dass seine Frau im Hamburg bei einem Luftangriff umgekommen war, denn so wäre er ihr nie wieder entgegen getreten. Auch stand für ihn fest, dass er den Krieg nicht überleben wollte. Als eine Nachricht des Personalamtes eintraf, dass er aufgrund seiner Verwundungen invalidisiert werden sollte, lehnte er ab und bat um eine Frontverwendung gemäß seiner noch verbliebenen Eignung. Er brachte das Ritterkreuz mit ins Spiel. Kurz danach kommandierte ihn das Personalamt nach Frankreich ab, wo er eine Jagdfliegerstaffel übernehmen sollte. Er erbat sich nur den Transport mit einem PKW, denn noch hatte er sein Aussehen nicht akzeptiert und wollte es anderen nicht zumuten. Die Männer der Staffel traten ihm von Anbeginn mit Respekt gegenüber. Das war nicht das Ritterkreuz, sondern sie sahen einen Mann, der geschunden war und trotzdem weiter seine Pflicht tun wollte. Was ihn dazu bewegte, konnten sie nicht ahnen. Fliegen würde er nie wieder können, er konnte ihnen nur mit seiner Erfahrung helfen. Ihnen den Vater ersetzen, denn mit seinen 32 war er für sie uralt.
Als das Telefon klingelte und den Gegner meldete, rannten die Piloten zu den Maschinen. Die Warte halfen ihnen in die Gurte und nach 5 Minuten waren 32 BF 109 in der Luft.