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Die 90er – das verworrene Jahrzehnt

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Warum die 90er eine geistige Befreiung waren

Gemetzel auf dem Schlachtfeld, Gemetzel auf der Leinwand – und dennoch waren die 90er gar kein so schlechtes Jahrzehnt.

Das Tor zum Paradies stand sperrangelweit offen. Endlich war der Augenblick gekommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Ein neues goldenes Zeitalter stand unmittelbar bevor.

Das zumindest behaupteten 1990 die Leitartikelschreiber der großen Zeitungen. Mit dem Fall der Berliner Mauer wäre – so glaubten sie – nicht nur der Kalte Krieg zu Ende, nein, endlich würde auch der Weltfrieden Einzug halten. Alle Menschen würden Brüder.

An Brudermord hatte dabei leider niemand gedacht. Doch genau das geschah. Die jugoslawische Großfamilie, die jahrzehntelang leidlich miteinander ausgekommen war, zerstritt sich, als das Haushaltsgeld knapp wurde. Der folgende Geschwisterkrieg zwischen Kroaten, Serben, Bosniern und Albanern war die erste Überraschung der 90er: Das neue Zeitalter fühlte sich ziemlich alt an, ein wenig wie 1914.

Die zweite Überraschung war die, dass auch an anderen Orten der Welt kein Friede einkehrte. Solange zwischen den USA und der UdSSR das „Gleichgewicht des Schreckens“ geherrscht hatte, überlegten sich selbst durchgeknallte Drittweltdiktatoren zweimal, ob Sie beim Nachbarn einmarschieren sollten. Nun aber, da die UdSSR in ihre 15 Republiken zerfiel, rumste es an allen Ecken und Enden. Ob Kuwait, Tschetschenien oder Ruanda – plötzlich waren Krieg und Völkermord wieder en vogue. Worum es dabei im Einzelnen ging, war für Menschen, die nicht Peter Scholl-Latour hießen, meist kaum nachvollziehbar. Wer waren die Guten und wer die Bösen im Bergkarabach-Konflikt? Und wo lag dieser Berg Karabach überhaupt?

Jäger des verlorenen Zeitgeists

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