Читать книгу Jäger des verlorenen Zeitgeists - Frank Jöricke - Страница 26
ОглавлениеAusgerechnet Regisseure! Ein Berufsstand, der bis dato (von Ausnahmen wie Hitchcock, John Ford und Billy Wilder abgesehen) als Erfüllungsgehilfe der Produzenten fungierte. Regisseure waren Aufseher, die dafür bezahlt wurden, die Stars in Schach zu halten, während sie das Drehbuch abarbeiteten. Das änderte sich nun. Mit einem Mal wurden Regisseure selber zu Stars. Sie drückten dem Film ihren Stempel auf, indem sie ein Amerika zeigten, wie man es nie zuvor im Kino gesehen hatte.
Ein Paradebeispiel hierfür ist William Friedkins French Connection, fünffacher Oscar-Gewinner 1971 und einer der Klassiker des New Hollywood. Friedkin präsentiert ein New York, in dem man nicht Urlaub machen möchte. Es ist dreckig, schäbig, heruntergekommen. Doch noch schmutziger sind die Menschen, die dort leben. Sie sind von Gier, Lust und Rache getrieben. Und wir reden hier nicht von den Bösen, sondern von den Guten, die auf der Jagd nach den Bösen diesen immer ähnlicher werden. Gene Hackman spielt den „Bad Cop“, dem bei der Verbrechensbekämpfung jedes Mittel recht ist und der am Ende dennoch miterleben muss, wie die Gejagten davonkommen.
Denn ein Happyend – die Bösen wandern ins Gefängnis, die Liebe triumphiert – ist im New Hollywood nicht vorgesehen. Die meisten Werke enden auf einer traurigen oder tristen Note. In Martin Scorseses Erstling Wer klopft denn da an meine Tür vergrault Harvey Keitel seine große Liebe, in Bob Rafelsons Ein Mann sucht sich selbst lässt Jack Nicholson seine schwangere Freundin sitzen, und in John Schlesingers Asphalt-Cowboy geht Dustin Hoffman vor die Hunde. Dem Erfolg tat dies keinen Abbruch. Der Neorealismus jener Jahre traf den Zeitgeist punktgenau. Bis zwei New-Hollywood-Regisseure etwas Neues ausprobierten: Statt realer Menschen übernahmen weiße Haie und Jedi-Ritter die Hauptrolle. Aber das ist eine andere Geschichte, die des Blockbusters.
Zum Weiterschauen – 5 Klassiker des New Hollywood
1969: Easy Rider
1971: Die letzte Vorstellung
1972: Harold & Maude
1975: Nashville
1976: Taxi Driver
Zeitgeistentdeckung Nr. 5:
Der Preis der Spaßgesellschaft: Wer heute ins Kino geht, erfährt nichts mehr über die dunklen Seiten jener Welt, in der wir leben. Kein Wun-der, dass wir an böse Märchen wie Pretty Woman glauben.
Zum Weiterlesen
Peter Biskind: Easy Riders, Raging Bulls. Wie die Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll-Generation Hollywood rettete