Читать книгу Jäger des verlorenen Zeitgeists - Frank Jöricke - Страница 28
Der Star – ein armes Würstchen
ОглавлениеWie Bunte, Gala & Co. den Starkult ruinieren
Das Zeitalter der Stars ist vorbei. Daran tragen jene Schuld, die deren Privatleben rund um die Uhr ausleuchten.
Archibald Alexander Leach war ein Scheusal ersten Ranges. Exfrauen, die sich wegen seelischer Grausamkeit von ihm scheiden ließen, gaben vor Gericht zu Protokoll, er habe sie geschlagen, neige zur Tobsucht, trinke zu viel und sei meist mürrisch und missmutig. Dieser rundum unsympathische Herr Leach hatte wenig gemein mit dem sanftmütigen Gentleman Cary Grant. Und doch waren beide dieselbe Person. Nur bekam die Öffentlichkeit von der unschönen Seite ihres Stars praktisch nichts mit. Wenn Cary Grant selbstironisch anmerkte, „Jeder will Cary Grant sein, sogar ich“, steckte dahinter die Einsicht, dass sein Image alles überdeckte. Wen interessierte die Wirklichkeit, wenn das Abbild derart attraktiv war!
Heute wäre eine solche Fassadenmalerei undenkbar. Seitdem eine ganze Industrie davon lebt, die Intimsphäre von Stars öffentlich zu machen, ist Mythenbildung unmöglich geworden. Das freut Bunte und Gala, Exklusiv und Brisant – und ärgert Kinogänger und Musikhörer. Denn Populärkultur lebt von der Illusion, in eine andere Welt einzutauchen. Wenn Robert De Niro den Abstieg eines Boxers glaubhaft darzustellen vermochte, dann lag dies nicht nur an seiner Schauspielkunst. Das Ganze funktionierte auch deshalb, weil über sein Privatleben nur wenig bekannt war. Der Zuschauer ging unvorbelastet ins Kino; er war bereit zu akzeptieren, dass De Niro ein gestörter Taxifahrer, ein erfolgloser Komiker oder der Leibhaftige persönlich sein konnte. Stars wie De Niro waren leere Flächen, auf die man alles projizieren konnte.