Читать книгу Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band! - Frank Rehfeld - Страница 13
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ОглавлениеZusammen mit unseren Innendienst-Fahndern Walter Flint und Sid Caddox versuchten Lew und ich die Identität der Toten vom Schrottplatz herauszukriegen.
Die vermeintlichen Polizisten hatten außer einem Handy nichts bei sich gehabt, was ihre Identität hätte verraten können.
Der Führerschein, den der Fahrer in der Tasche gehabt hatte, war eine plumpe Fälschung. Die Kerle waren auf Nummer sicher gegangen.
Die Handy-Lizenz lautete auf den Namen Lawrence Johnson, geboren am 14. April 1969. Wir stellten fest, dass Johnson schon seit fünf Jahren auf dem St.Joseph's Cemetary lag, einem Friedhof in Hoboken. Unser Mann hatte die Identität eines Toten verwendet.
Seinen wahren Namen bekamen wir dann über den Abgleich der Bilddateien heraus.
Der Kerl mit dem Handy hatte Vince Dozinsky geheißen und war einschlägig vorbestraft gewesen. Es gab mehrere Verurteilungen wegen Körperverletzung und außerdem einen Freispruch aus Mangel an Beweisen in einem Mordprozess.
Die anderen waren von ähnlichem Kaliber.
Tom Magnus, Rick Celera und Partrick Ridley waren immer wieder mit der Justiz in Konflikt geraten. Magnus war sogar noch auf Bewährung draußen gewesen. Und Celera hatte Verbindung zu Randy Torturro gehabt, der als Mann fürs Grobe im Batistuta-Clan galt. Celera hatte als Rauschmeißer in Torturros Nachtclub NIGHT FEVER gearbeitet.
"Torturro ist eine Nuss, die schwer zu knacken sein wird", meinte Sid Caddox. "Der hat sich sich bislang immer schön im Hintergrund gehalten, damit er nicht in die Schusslinie gerät. Er stand zwar in zwei Mordfällen vor Gericht, allerdings nur als Mittäter und beide Male reichten die Indizien nicht für eine Verurteilung."
"Wenn man die Anwälte der Batistuta-Familie an seiner Seite hat, lässt sich wohl so manche Anklage überstehen", kommentierte Lew.
Sid Caddox blickte auf die Uhr. "Torturros Nachtclub müsste bald öffnen. Ihr könntet dem Kerl ja mal ein bisschen auf den Zahn fühlen."
Ich nickte. "Bringt wahrscheinlich mehr, als dieser aalglatten Schwiegertochter des großen John Batistuta noch einmal zuzusetzen."
"Fragt sich, wer da wem zusetzen würde!", stichelte Lew.
Ich sah ihn an. "Was soll das denn heißen, Alter?"
"Nur, dass ich deine Konzentrationsschwierigkeiten in Gegenwart dieser Spitzen-Lady sehr wohl bemerkt habe!"
"Ha, ha!" Ich wandte mich an Sid. "Ich möchte wissen, worum es in dem Mordprozess ging, in den dieser Vince Dozinsky verwickelt war."
"Kein Problem", meinte Sid und seine Finger klapperten in rasendem Tempo über die Computerttastatur.
Der Mordfall, in dem Dozinsky angeklagt gewesen war, lag schon ein paar Jahre zurück. Eine junge Börsenmaklerin namens Rose Pelham war in ihrem Appartment umgebracht worden. Den Akten nach ein Raubmord. Mitangeklagter war damals ein gewisser Robert 'Birdy' Reinaldo gewesen.
Beiden hatte die Tat letztlich nicht nachgewiesen werden können, obwohl es eine Reihe belastender Indizien gegeben hatte.
"Hatte dieser 'Birdy' Reinaldo vielleicht auch irgendeine Verbindung zu Torturro oder den Batistutas?", fragte ich.
Sid durchforstete das Datenmaterial. Der einzige Zusammenhang war, dass ein Anwaltsbüro damals Reinaldos Verteidigung übernommen hatte, das normalerweise für Torturro tätig war.
"Ich brauche die gegenwärtige Adresse von diesem
'Birdy'!", sagte ich.
Lew hob die Augenbrauen.
"Hast du eine Eingebung oder habe ich da irgend etwas nicht kapiert?"
"Robert 'Birdy' Reinaldo könnte der fünfte Mann sein, Lew."
"Der Überlebende."
"Ja."
Eine Viertelstunde später machten wir uns auf den Weg zu Birdys letzter Adresse in der Stanton Street, Lower East Side.
Ich saß am Steuer des roten Jaguars, den die Fahrbereitschaft des FBI mir zur Verfügung stellte. Lew hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Es dauerte nur wenige Minuten und wir steckten mitten im dicksten Rush Hour-Verkehr, der die Fahrt um ein paar Häuserblocks zu einer halben Weltreise machen konnte.
"Vandermoore ist eine Mordmaschine", sagte Lew irgendwann in die Stille hinein. "Ein Mann, der ohne Bedenken jeden Mordauftrag ausführt." Er machte eine Pause und atmete tief durch. "Was würdest du an seiner Stelle tun, Murray?"
Ich zuckte die Achseln.
"So weit wie möglich flüchten!"
"Er sitzt in der Falle und kann das Land nicht verlassen."
"Wieso nicht?"
"Weil die Leute, die ihm dabei helfen müssten, versucht haben, ihn umzubringen!"
"Dann wird er sich an andere wenden."
Lew hob die Augenbrauen.
"Wenn wirklich die Batistutas hinter der Sache stecken, dann dürfte es kaum einen anderen geben, der es wagen würde, einen Mann zu schützen, der auf der Todesliste eines großen Bosses steht."
"Du meinst, dafür käme nur ein anderer großer Boss in Frage."
"So kann man es auch sehen."
Die Fahrt in die Lower East Side zog sich hin. Inzwischen erreichte uns ein Anruf aus dem Headquarter. Mr. Leigh war am Apparat. Die Kollegen in Kalifornien, wo ja auch mein geschätzter Neffe Will seinen Dienst beim FBI tat, hatten versucht, John Batistuta in seiner Villa aufzutreiben.
Vergeblich. In die Villa war eingebrochen worden und das offenbar schon vor einiger Zeit, wie die Spurensicherung ergab. Dass keiner der Nachbarn davon etwas bemerkt hatte, war nicht verwunderlich, da das Anwesen auf einem recht weiträumigen Gelände lag. Aber ich erfuhr, dass es eine Alarmanlage gab, von der die Täter offenbar sehr genau gewusst hatten, wie man sie ausschalten musste. Und von Batistutas Security-Leuten, die normalerweise den Besitz ihres Bosses kompromisslos schützten, war offenbar auch nichts zu sehen gewesen, als der Einbruch geschehen war.
"Wir werden der schönen Alana noch ein paar unangenehme Fragen stellen müssen", stellte Lew fest.
Aber zuerst stand dieser 'Birdy' auf unserer Liste. Mein Instinkt sagte mir, dass wir uns beeilen mussten, wenn wir Birdy noch in die Finger bekommen wollten. Wenn er der fünfte Mann war, dann musste er seinen Auftraggebern erklären, wieso er und seine Komplizen versagt hatten.
Gut möglich, dass die Auftraggeber Birdy nun als gefährlichen Mitwisser ansahen und auszuschalten versuchten.
Möglicherweise war Birdy daher inzwischen unterge-taucht.
Wir fuhren über die Delancey Street in die Lower East Side, bogen dann am Roosevelt Park ein, um schließlich die Stanton Street zu erreichen.
Das Mietshaus, in dem sich Birdys Adresse befand, war schon ziemlich renovierungsbedürftig. Ein Graffiti-Sprayer hatte sich mit seiner Signatur verewigt.
Birdys Wohnung lag im dritten Stock. Wir nahmen den Aufzug.
"Immerhin ist sein Namensschild noch an der Tür", kommentierte Lew, als wir vor der Wohnung standen.
"Das muss nichts heißen", erwiderte ich.
Die Klingel war defekt.
Ich klopfte.
"Mr. Reinaldo?", rief ich.
Keine Antwort.
"Scheint als wollte Birdy nicht mit uns reden", raunte Lew.
Ich versuchte es noch einmal.
"Mr. Robert Reinaldo? Hier ist der FBI! Machen Sie die Tür auf!"
Ein Geräusch war von der anderen Seite der Tür zu hören.
Lew und ich griffen in derselben Sekunde zu den Dienstwaffen, traten zur Seite.
Ein wummernder, ohrenbetäubender Laut ertönte.
Projektile schossen uns durch die Tür hindurch entgegen. Sie rissen faustgroße Löcher in das Holz und pfiffen dicht an uns vorbei.
Dann begann eine MPi zu knattern.
Ein Cluster von deutlich kleineren Löchern entstand.
Lew und ich befanden uns rechts und links der Tür. Wir duckten uns, um nicht von Querschlägern getroffen zu werden.
Die Kugeln ließen auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs den Putz von den Wänden rieseln. Handgroße Stücke wurden aus dem Mauerwerk herausgesprengt, kleinere Brocken schossen regelrecht durch die Luft.
Wir warteten die ungeheure Wut dieses Bleihagels einfach ab.
Es mussten zwei Gegner sein.
Mindestens.
Auf jeden Fall war aus zwei verschiedenen Waffen geschossen worden, mit unterschiedlichem Kaliber.
Sie mussten verdammt nervös gewesen sein.
Anders war diese Kurzschlussreaktion nicht erklärbar.
Der Geschosshagel verebbte. Aus der Wohnung drang das Geräusch von Schritten. Etwas wurde umgestoßen, kam scheppernd auf den Boden.
"Gib mir Feuerschutz!", rief ich Lew zu.
Ein Tritt und das, was von der Tür übriggeblieben war sprang zur Seite. Ein Scharnier brach heraus, das andere ächzte. Ich ging in die Hocke, die SIG im Beidhandanschlag, den Körper so ausgerichtet, dass er möglichst wenig Zielfläche bot.
"Waffen weg! FBI!", schrie ich.
Niemand zu sehen.
Mein Blick taxierte die Wohnung.
Es sah dort aus, wie auf einem Schlachtfeld. Eine Couch war umgestoßen worden, die Kissen aufgeschlitzt. Federn segelten durch die Luft.
Ein Mann tauchte plötzlich hinter der umgestoßenen Couch hervor, schnellte in Richtung der Tür auf der linken Seite.
Dabei riss er den Lauf seiner MPi in meine Richtung.
Die Waffe knatterte los.
Ich feuerte ebenfalls, warf mich seitwärts, rollte herum und tauchte dann hinter einem umgestürzten Tisch wieder hervor.
Aber mein Gegenüber war bereits durch die Tür des Nachbarraums verschwunden.
Ich hörte seine schnellen Schritte.
Mein Gegner feuerte eine MPi-Salve durch die Tür zum Nachbarraum.
Ich rettete mich mit ein paar Sätzen neben den Türrahmen, presste mich gegen die Wand.
Als das Feuer abebbte, tauchte ich hervor, feuerte die SIG dreimal kurz hintereinander ab und stürzte dann in den Nachbarraum.
Die Balkontür stand offen.
Mein Gegner war bereits draußen.
Er trug eine Baseballkappe und eine Sonnenbrille, die aussah, als ob er sie auch zum Schweißen benutzen würde.
Er ließ die MPi erneut losknattern.
Ich warf mich zur Seite, rollte auf dem Boden ab.
Glas splitterte.
Die Projektile zerfetzten den Wandschmuck und verfehlten mich nur um Haaresbreite.
Ich feuerte zurück, verfehlte aber. Gerade noch sah ich, wie mein Gegner sich über die Balkonbrüstung schwang.
Dann war er verschwundden.
Ich schnellte hoch, stürzte mit der SIG in der Faust hinaus auf den Balkon und blickte hinab.
Der Kerl mit der Baseballkappe war nirgends zu sehen.
Die klassischen New Yorker Feuertreppen führten auf dieser Seite des Hauses die Fassade hinunter in einen Innenhof. Der Kerl hätte mit einem Sprung vom Balkon aus eine von ihnen erreichen können. Aber es war unmöglich, dass er so schnell in den Hof hinuntergelaufen war und sich dort versteckt hatte.
Es gab nur eine schmale Ausfahrt zur Straße, ansonsten war der Hof von allen vier Seiten durch Häuserfronten begrenzt.
Genau unter dem Balkon befanden sich überquellende Müllcontainer, daneben ein großer Haufen von Pappkartons unterschiedlicher Größe mit der Werbeaufschrift einer großen Supermarktkette.
"Alles klar, Murray?", hörte ich Lew.
Er erreichte die Balkontür.
"Mit mir ja", antwortete ich, "aber unser Mann hat sich in Luft aufgelöst!"
Ich starrte auf den Kartonhaufen.
Der Mann mit der Baseballmütze war vielleicht einfach hinuntergesprungen. Stuntmen benutzten solche Kartonhaufen, wenn sie zu einem Freiflug über mehrere Stockwerke ansetzten.
Ich schwang mich jetzt ebenfalls über die Balkonbrüstung. Mit einem Sprung landete ich auf dem Absatz der Feuertreppe, der aus einem Rost bestand.
Auf dem Rost lag ein messingfarbenes Feuerzeug. Die Initialen L.S. waren eingraviert, außerdem ein Totenkopf.
Sah aus wie eine Sonderanfertigung. Vielleicht hatte der Kerl mit der Baseballmütze es verloren. Ich steckte es ein.
Lew forderte unterdessen Verstärkung an.
Sowohl unsere Leute als auch Kollegen der City Police, die sich in der Nähe befanden und schnell am Tatort sein konnten.
Ich stürmte inzwischen die Feuertreppe hinunter.
Ein durchdringendes, schepperndes Geräusch entstand dabei.
Aus einem der gegenüberliegenden Fenster blickte jemand hinaus und stierte mich an.
Verdammter Narr!, dachte ich. Wenn der Kerl mit der Baseball-Kappe noch irgendwo in der Nähe lauerte, konnte es auch für diesen Zuschauer brenzlig werden.
Ich erreichte den Fuß der Feuertreppe, blickte mich um.
Die SIG hielt ich schußbereit in der Rechten, den Lauf leicht nach oben gerichtet.
Mein Instinkt meldete sich.
Ich konnte die Gefahr geradezu körperlich spüren. Ein Geräusch ließ mich erstarren.
Der Kerl war hier und beobachtete mich.
Ich machte ein paar vorsichtige Schritte voran, umrundete die Container und den Kartonhaufen. Auf der anderen Seite des Innenhofs waren einige Pkw abgestellt worden. Auch dort konnte unser Mann sich verkrochen haben.
In der Ferne hörte man die Sirenen der NYPD-Kollegen.
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich eine Bewegung.
Ein Karton hob sich, ganz leicht nur.
Einen Sekundenbruchteil später zuckte darunter etwas Rotes hervor.
Das Mündungsfeuer einer MPi.
Unvermittelt knatterte die Waffe los. Ich warf mich zur Seite, hechtete mich hinter einen der Container. Die Kugeln der MPi-Salve zerfetzten das Metall. Manche der Kugeln traten auf der anderen Seite des Containers wieder aus.
Ich wartete, bis der Geschosshagel verebbte.
Der Kerl musste in heller Panik sein. Er war in Kartons hineingesprungen, hatte sich in den Haufen regelrecht hineingegraben. Vielleicht war er auch verletzt.
"Hier spricht Agent Deiser, FBI!", rief ich zu ihm hinüber. "Sie haben keine Chance, hier herauszukommen!
Kommen Sie mit erhobenen Händen aus Ihrem Versteck! Sie sind verhaftet!"
Das einzige, was unser Gegenüber tun konnte war, uns mit seiner MPi eine Weile in Atem zu halten. Aber eine Chance davonzukommen, gab es nicht.
Lew konnte von oben schließlich alles überblicken. Und sobald sich der Mann zeigte, befand er sich im Schussfeld meines Kollegen.
Aber wo der Komplize geblieben war, das mochte der Teufel wissen.
Ich hörte ein Stöhnen.
"Nicht schießen!", krächzte eine heisere Stimme.
"Die Waffe zu uns herüber!", befahl Lew.
Er gehorchte, arbeitete sich unter den Kartons hervor und schleuderte die MPi im hohen Bogen davon.
Ich tauchte hinter dem Container hervor, Lew kam die Feuertreppe hinunter.
Der Kerl mit der Baseballmütze sah bleich wie die Wand aus. Er steckte immer noch bis zur Brust in den Kartons.
"Kommen Sie raus!", befahl ich.
"Ich kann nicht!", rief er. "Ich bin verletzt. Mein Fuß! Ich glaub', da ist was gebrochen."
"Wenn das ein Trick sein sollte, dann kommt er zu spät!", meinte Lew. Ein Teil seiner Worte ging im Sirenengeheul der Einsatzwagen verloren, die jetzt die enge Einfahrt zum Innenhof passierten. Zwei Chevys der City Police. Die Türen öffneten sich, die Kollegen sprangen heraus und bracten ihre Waffen in Anschlag.
Lew arbeitete sich durch die Kartons hindurch auf den Verhafteten zu, der inzwischen die Hände gehoben hatte.
Die Männer der City Police bildeten einen Halbkreis.
In diesem Moment bellte ein Schuss auf.
Ein Schrei folgte.
Ein Ruck ging durch den Mann mit der Baseballkappe. Die Kugel hatte ihn am Kopf erwischt. Blut rann unter dem Mützenschirm hervor. Er sank in sich zusammen. Der Kopf sackte nach vorn. Die Kartons verhinderten, dass der Kerl zu Boden schlug.