Читать книгу Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band! - Frank Rehfeld - Страница 17
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ОглавлениеEin paar Augenblicke später standen wir in einer ehemaligen Waschküche.
Im Boden befand sich ein Gulli, von wo aus ein Schacht in die Tiefe führte. New York gleicht einem Stück Land, das vollkommen von Maulwurfbauten untergraben ist. Bis zu zehn Stockwerke tief erstreckt sich dieses Reich der Tiefe aus Abwasserkanälen und U-Bahnschächten. Teile dieses Netzes sind seit Jahrzehnten stillgelegt. Ich selbst hatte schon als verdeckter Ermittler unter den sogenannten 'Mole People'
fungiert. Dabei handelte es sich um die bedauernswerten Bewohner dieser unterirdischen Labyrinthe.
Dort unten jemanden aufzuspüren war ungeheuer schwer, fast unmöglich.
Lew und ich stiegen trotzdem hinab, gelangten in einen stillgelegten Kanal, der sich wiederum mehrfach verzweigte.
Es war aussichtslos.
Und neben jeden Gullideckel in New York City einen Cop zu stellen, damit dieser darauf achtete, dass keine gesuchte Person aus der Tiefe stieg, das war schlicht und ergreifend unmöglich. Wir mussten uns auf die Kanalzugänge im näheren Umkreis beschränken. Das Problem war, dass der Weg, durch den der Blonde geflohen war, zu einem alten Teilstück des Kanalnetzes gehörte, das vor dreißig Jahren stillgelegt worden war, als man die Umgegend saniert hatte. Bis wir an die alten Pläne herankamen, war unser Mann über alle Berge.
Wir forderten die Kollegen vom Erkennungsdienst an, um Robert 'Birdy' Reinaldos Wohnung unter die Lupe zu nehmen.
Die beiden Kerle, die Lew und ich überrascht hatten, waren nicht ohne Grund in der Wohnung gewesen.
Entweder waren sie hinter Birdy selbst hergewesen oder sie hatten etwas in seiner Wohnung zu finden versucht. Der Zustand in dem sich die Wohnung befand, sprach für die zweite Möglichkeit.
Es dauerte nicht lange und in der Wohnung von
'Birdy' Reinaldo wimmelt es nur so von unseren Spezialisten. Zwei Kollegen nahmen den Hausmeister mit zur Federal Plaza. Ein Psychologe würde sich um ihn kümmern müssen, bevor wir vernünftige Aussagen von ihm erwarten konnten.
Lew und ich kehrten ebenfalls zu unserem Hauptquartier in der Federal Plaza zurück und halfen bei der Erstellung eines Fantombildes des Blonden.
Die Fahndung musste schnell eingeleitet werden. 'Orry'
Delladonna und Cleve Caravaggio vertraten uns unterdessen am Tatort.
Von Sid Caddox erfuhren wir später auch die Neuigkeit, dass Passanten die Leiche von 'Birdy' Reinaldo, irgendwo in einer von Mülltonnen zugestellten Seitenstraße der Lower East Side, gefunden hatten.
"Die Kollegen der City Police haben den Fall aufgenommen", berichtete Sid. "Nach deren Angaben haben sich der oder die Killer nichteinmal besondere Mühe gegeben, Reinaldos Identität zu verschleiern. Captain Gregory vom 45.Revier ist davon überzeugt, dass es Zeugen gibt. Aber von denen wagt niemand etwas zu sagen."
"Das Übliche!", meinte Lew.
Sid zuckte die Achseln.
"Immerhin gibt es da das Projektil, das Reinaldo getötet hat. Vielleicht verrät es uns ja seinen Mörder."
Ich nickte. "Ich wette, da wollte jemand einen lästigen Zeugen aus dem Weg schaffen!"
Anderthalb Stunden später hatte sich die Dämmerung bereits über New York City gelegt.
Lew und ich saßen in unserem Dienstzimmer.
Ich trank meinen dritten Becher Kaffee.
Wir hatten inzwischen das sehr deutliche Fahndungsfoto des Blonden mit den Bilddateien unserer Datenbanken abgeglichen.
Er hieß Stuart Norman und war ein alter Bekannter. Sein Vorstrafenregister war beachtlich.
Der Komplize, den er getötet hatte, hieß Larry Sterne.
Sterne war wegen Totschlags angeklagt gewesen, als er einen Gast im Nachtclub NIGHT FEVER so zusammengeschlagen hatte, dass dieser an den Folgen gestorben war.
Und das NIGHT FEVER war der Laden von Randy Torturro, dem Handlanger der Batistutas.
So schloss sich der Kreis.
Lew blickte auf die Uhr. "Im NIGHT FEVER dürfte der Betrieb jetzt erst so richtig losgehen, Murray!", meinte er.
Ich nahm das verschwitzte und durch die Jagd nach Norman ziemlich ramponierte Hemd, das ich trug, zwischen Daumen und Zeigefinger.
"So lässt mich kein Türsteher rein!", erwiderte ich.
Lew grinste matt.
"Du musstest ja unbedingt noch in den Kanal hinuntersteigen! Bei der Duftnote, die uns seitdem anhängt, hätten wir wohl selbst bei einem blinden Türsteher keine Chance!"
"Mein Appartment liegt ja fast auf dem Weg!", erwiderte ich.
Agent Caddox platzte herein.
"Der Chef will euch nochmal kurz sprechen!", teilte er uns mit.
Eine Minute später saßen wir in Mr. Leighs Büro.
Der Special Agent in Charge machte ein ernstes Gesicht.
"Ich weiß, wie spät es ist", entschuldigte er sich.
Ich sagte ihm, dass wir noch vorhatten, Torturro einen Besuch abzustatten.
Mr. Leigh nickte. "Tun Sie das, aber nehmen Sie besser noch ein paar Kollegen mit."
"Nichts dagegen, Sir", sagte ich.
"Scheuchen Sie Torturro ein bisschen auf. Ich kämpfe gerade darum, dass wir die Telefone einiger Batistuta-Leute überwachen können. Wenn ich Glück habe, kriege ich das in den nächsten Stunde noch auf die Reihe." Er machte eine kleine Pause, kratzte sich am Kinn. Dann fuhr er fort: "Ich wollte Ihnen kurz ein paar Neuigkeiten mitteilen, die Sie unbedingt wissen sollten. Erstens: John Batistuta ist definitiv in Kalifornien nicht aufzufinden. Zweitens habe ich hier einen ballistischen Bericht über den Mord an einem vorbestraften Passfälscher, der laut unseren Erkenntnissen des öfteren für die Batistuta-Familie tätig war. Das besondere ist das Projektil. Es stammt aus einer SIG Sauer P226 - aus genau der Waffe, mit der Rod Vandermoore auf einem Schrottplatz in New Jersey seine 'Befreier' erschoss."
"Das heißt, die 'Bestie' ist wohl wieder aktiv", murmelte Lew.
Mr. Leigh nickte.
"Er wird uns wohl nicht den Gefallen tun, kopflos außer Landes zu flüchten, weil er genau weiß, dass er dann in unser Netz laufen würde."