Читать книгу Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band! - Frank Rehfeld - Страница 16
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ОглавлениеIch war völlig wehrlos.
Nicht eine Sekunde hatte ich daran gezweifelt, dass der Blonde auf mich schießen würde.
Blitzschnell riss ich das metallene Feuerzeug aus der Tasche. Noch ehe sich ein Schuss aus dem gewaltigen Colt Magnum gelöst hatte, schleuderte ich es dem Blonden mit einem Wurf aus dem Handgelenk entgegen.
Das Ding traf den Blonden am Kopf, ließ ihn eine reflexartige Bewegung machen.
Im selben Moment löste sich der Schuss aus dem Magnum-Revolver des Blonden.
Die Kugel ging ins Leere.
Ich warf mich zur Seite. Mit voller Kraft prallte ich gegen die Tür zu einem Kellerraum. Die Scharniere waren vom Rost zerfressen, brachen ächzend aus ihren Halterungen.
Zusammen mit der Tür fiel ich in den Raum hinein.
Der Blonde feuerte noch einmal.
Ich rollte mich am Boden ab, kam auf die Beine und fand mich in einem Abstellraum wieder. Hohe Metallregale standen hier in mehreren Reihen hintereinander. Flaschen, Gläser und Kisten standen darin.
Es war ziemlich dunkel.
Nur aus dem Flur drang Licht herein.
Ich hechtete mich hinter eins der Regale und verhielt mich ruhig.
Der Blonde tauchte zusammen mit seiner Geisel im Türrahmen auf. Wie ein dunkler Schattenriss zeichnete er sich gegen das Neonlicht im Flur ab.
Die Geisel ächzte.
Der Blonde hielt den Mann mit einem Arm brutal im Würgegriff.
Eine Sekunde lang hörte man keinen Laut, dann ein klickende Geräusch, als der Blonde den Hahn des 45er Magnum spannte.
Er trat einen Schritt vor, suchte den Lichtschalter.
Dieser befand sich direkt neben dem Türrahmen. Der Blonde betätigte ihn mit dem Lauf des Magnum-Revolvers.
Irgendwo flackerte eine Neonröhre kurz auf und begann zu surren.
Defekt.
Es blieb dunkel.
Der Blonde schickte noch
einen mehr oder weniger ungezielten Schuss in den Abstellraum hinein.
Gläser zersprangen.
Dann zerrte er seine Geisel mit sich und hetzte mit ihr weiter den Kellergang entlang.
Nur einen Augenblick später war ich wieder auf den Beinen.
Ich wartete, bis die Schritte des Blonden verklungen waren, ehe ich in den Flur hinaustrat. Der Kerl war mit seiner Geisel hinter der nächsten Biegung verschwunden.
Ich ging zu dem am Boden liegenden Brenders. Es gab nichts mehr, was ich für ihn tun konnte.
Er war tot. Wut keimte in mir auf.
Ich nahm Brenders die Dienstwaffe ab und schnellte hinter dem Blonden her, pirschte mich an die nächste Biegung heran und stürmte dann mit der SIG in beiden Händen vor.
Es war niemand im Flur.
Am anderen Ende stand eine feuerfeste Stahltür.
Es gab auf dem Weg dorthin noch zwei weitere Türen, je eine rechts und eine links. Die linke stand einen Spalt offen. Dahinter herrschte Dunkelheit.
Ich lief bis zu ersten Tür, ließ sie mit einem Tritt zur Seite fliegen. Seitlich fand ich den Lichtschalter und blickte dann in einen Abstellraum, in dem sich ein Haufen von Gerümpel angesammelt hatte. Ein Stapel Kisten, davor ein Fahrrad und ein sorgsam aufgeschichteter Satz Winterreifen.
Aber keine Spur von dem Blonden.
Schritte ließen mich herumfahren.
Lew stand mit der SIG in der Hand plötzlich da und ließ die Waffe sinken, als er mich erkannte.
"Unser Mann ist blond, mindestens ein Meter neunzig groß, sehr kräftig und hat eine männliche Geisel", sagte ich.
"Und er hat einen Kollegen getötet", stellte Lew düster fest.
Er war schließlich an Brenders vorbeigekommen.
Ich nickte.
"Das Haus ist abgeriegelt. Er kann hier unmöglich rauskommen", war Lew überzeugt.
"Ich denke, das kann sich unser Mann an den Fingern einer Hand ausrechnen."
"Fragt sich nur, welches Naturell er hat. Ob er vernünftig ist oder..."
"...Amok läuft?"
"Genau."
Ich nickte düster. Der Kerl hatte Brenders brutal über den Haufen geschossen. Es war nicht anzunehmen, dass er das Leben seiner Geisel schonen würde.
Lew und ich gingen den Kellergang entlang.
Lew verständigte unterdessen die Kollegen per Handy.
Und dann ging das Licht aus.
Es war stockdunkel. Man konnte nicht die Hand vor Augen sehen.
Schlau eingefädelt!, dachte ich. Zweifellos hatte der Blonde für den Stromausfall gesorgt.
Ich hatte eine kleine Stabtaschenlampe dabei, etwa so groß wie ein etwas dickerer Kugelschreiber.
Besonders groß war der Lichtkegel nicht, den die Lampe warf. Aber es reichte, um sich einigermaßen zu orientieren.
"Totaler Stromausfall im Kellerbereich!", meldete Lew
'nach oben', zu unseren Kollegen.
Wir erreichten die Stahltür.
Vorsichtig öffnete ich sie.
Mit der SIG in der Rechten schnellte ich hinter einen Betonpfeiler.
Lew nahm in einer Nische Deckung. Die Tür fiel ins Schloss. Das Geräusch, das dabei entstand hallte mehrfach wider. Schon der kurze Schwenk des Lichtkegels zeigte, dass wir uns in einem größeren Raum befanden.
Ein paar Meter entfernt befand sich ein Lastenaufzug.
Ich hoffte nur, dass der Blonde nicht den Weg nach oben genommen hatte und bei seiner Flucht möglicherweise weitere Hausbewohner gefährdete.
Ein Stöhnen drang durch den Raum.
Jemand atmete schwer, ächzte.
Eine schattenhafte Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit heraus, wankte mit taumelnden Bewegungen auf uns zu.
"Waffe weg! FBI!", rief ich.
Die Gestalt erstarrte.
Im Schein meiner Taschenlampe blinkte der riesige Colt Magnum auf.
"Nicht schießen!", schrie eine dünne, zittrige Stimme.
"Die Waffe weg!", wiederholte ich.
Der Magnum segelte zu Boden.
Lew stürzte aus der Deckung.
Der Strahl meiner Lampe traf das Gesicht unseres Gegenübers. Es handelte sich um den Hausmeister, den der Blonde als Geisel genommen hatte.
"Wo ist er?", rief Lew.
"Da!" Mit panisch verzerrtem Gesicht deutete der Mann in die Dunkelheit. Aber dort war nichts zu sehen, so sehr ich den spärlichen Lichtkegel auch suchend umherfahren ließ.
Im nächsten Moment ging das Licht an. Es brannte grell in den Augen. Die Geräusche von Stimmen und Schritten mischten sich. Der Lastenaufzug rumorte. Die Schiebetür öffnete sich und ein halbes Dutzend Kollegen der City Police stürmten heraus. Jeder mit der Waffe im Anschlag und in kugelsicherer Kevlar-Weste.
Die blanken Läufe waren auf uns gerichtet, senkten sich aber rasch.
"Der Kerl hat mich gezwungen, diese Waffe in der Hand zu halten!", stotterte der Hausmeister.
"Wo ist er?", wiederholte ich.
Es gab neben der Tür, durch die wir gekommen waren, zwei weitere Zugänge.
"Er war dort!", rief der Mann und deutete hinter sich.
"Und er hat mir gedroht, mich von hinten zu erschießen, wenn ich nicht mit der Waffe in der Hand auf Sie zulaufe." Der Mann war völlig außer sich. "Er wollte dass Sie auf mich schießen, dieser Hund!" stieß er hervor.
"Der Kerl kann sich nicht in Luft auflösen!", meinte Lew düster.
Die Geisel starrte mit leeren Augen durch mich hindurch.
Ich packte den Mann bei den Schultern.
"Hat er Sie nach einem Zugang zum Abwassersystem gefragt?"
Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er legte die Stirn in Falten. Seine Augenbrauen bildeten plötzlich eine geschwungene Linie.
"Ja!"
"Wo ist der?"
"Ich zeig's Ihnen!"