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Gummibärchen

Tierischer Genuss

Vorbei die Zeiten, in denen Frauen sich die Zukunft in dunklen Höhlen oder mit Kristallkugeln voraussagen ließen: Heute greift man in eine Tüte und zieht fünf Gummibärchen heraus; im Internet verrät das »Gummibärchen-Orakel« dann die Zukunft.

Hans Riegel würde über so viel Unsinn wahrscheinlich nur verwundert den Kopf schütteln. Am 3. April 1893 wird er in der Nähe von Bonn geboren, nach der Schule folgt die Ausbildung zum Bonbonkocher. Als der Erste Weltkrieg vorüber ist, wird Riegel zunächst Geschäftspartner einer Süßwarenfabrik, macht sich 1920 dann mit einer eigenen Firma selbstständig. Aus den Initialen seines Namens und seiner Heimatstatt Bonn kreiert er einen Firmennamen, der heute weltweit bekannt ist: »Haribo«.

Per Fahrrad werden die ersten Bären ausgeliefert

Ein Sack Zucker, so steht es in der Firmenhistorie, ist Riegels Startkapital. In einem Kupferkessel verkocht der Bonner den süßen Rohstoff zu Bonbons und walzt ihn aus. 1922 hat der junge Unternehmer dann die Idee, die ihn zu Weltruhm führen wird: Er schnitzt kleine Bärenschablonen und füllt sie mit süßer Gummimasse; die ersten Haribo-Bären sind geboren. Riegel selbst erinnert seine Kreation an die Tanzbären, die damals als Attraktion auf Jahrmärkten und der Kirmes gezeigt werden – und so nennt er auch seine Bonbons »Tanzbären«. Damit hat er offenbar den Nerv seiner Kunden getroffen. Zwei Bären gibt es für einen Pfennig, und Riegels Frau Gertrud muss kräftig in die Pedale treten. Autos sind in den 1920er-Jahren teuer, und so werden die Süßigkeiten mit dem Fahrrad ausgeliefert. Der einstige Familienbetrieb wächst beständig, zu den Bären kommen bald Lakritzschnecken und -stangen. 1930 arbeiten bereits 160 Mitarbeiter für Haribo; Deutschland kann flächendeckend mit den Leckereien versorgt werden. Der im niederländischen Exil lebende Kaiser Wilhelm II. nannte den Bären gar »das Beste, was die Weimarer Republik hervorgebracht hat!«

Mit dem Zweiten Weltkrieg werden die Rohstoffe knapp, und entsprechend geht es mit der Produktion bergab. Daran kann auch der Werbeslogan »Haribo macht Kinder froh« nichts ändern, der in den 1930er-Jahren erfunden wurde. Als kurz vor dem Ende des Krieges Hans Riegel stirbt, übernimmt seine Witwe Gertrud die Leitung der Firma, kurz darauf die Söhne Paul und Hans Riegel junior.

Vom »Tanzbären« zum »Goldbären«

Schnell zeigt sich: Der Bär ist noch immer in aller Munde. Die Firma floriert und die Gummitiere, deren Hauptbestandteil Gelatine ist, kann man wieder überall kaufen; entweder in einer Blechdose oder einzeln am Kiosk oder im Tante-Emma-Laden. Das Wirtschaftswunder wirkt sich auch auf die Bären aus, nicht nur eine neue Verpackung aus Cellophan erhalten sie, auch der Bär verändert seine Form. Etwas kleiner wird er, seine Füße sind nicht mehr nach außen gedreht, und er wirkt gedrungener, niedlicher – der »Goldbär« ist geboren. 1967 wird er als Warenzeichen anerkannt.

Schon damals gibt es ihn in den fünf Farben, die auch heute noch in jeder Tüte zu finden sind: rot, orange, grün, gelb und weiß, jede mit einem anderen Geschmack – auch wenn es immer wieder Zeitgenossen gibt, die meinen, keinen Unterschied zwischen roten (Himbeere), grünen (Erdbeere) und weißen (Ananas) Bären schmecken zu können. Seit Sommer 2007 gibt es den »Goldbären« auch in der Geschmacksrichtung Apfel. Besonders beliebt sind die roten Gummibären, von ihnen sind daher auch die meisten in den Tüten zu finden.

Allerdings: So tiefrot, wie sie früher einmal waren, sind die Gummibärchen heute nicht mehr. Denn als in den 1980er-Jahren künstliche durch natürliche Farbstoffe abgelöst wurden, nahmen auch die bunten Goldbären eine neue, blassere Farbe an. Und da sich mit natürlichen Farbstoffen keine blauen Gummibärchen färben lassen, wird es diese auch künftig nicht geben.

Im Laufe der Jahre expandierte das kleine Unternehmen aus Bonn in die ganze Welt, jeden Tag laufen allein bei Haribo rund 80 Millionen der gut zwei Zentimeter großen Süßigkeiten vom Fließband.

Mit der wachsenden Verbreitung der Gummibärchen, die auch von anderen Firmen in ihr Sortiment aufgenommen wurden, wuchsen aber auch die Schwierigkeiten. Denn Gelatine ist einer der wichtigsten Inhaltsstoffe, durch sie werden die Bärchen erst so elastisch. Gelatine aber wird meist aus Schweineschwarten gemacht – für Muslime, aber auch für viele Vegetarier sind die Süßigkeiten daher tabu. Doch die Industrie hat sich den Bedürfnissen ihrer Kunden angepasst: In islamischen Ländern wird ausschließlich Rindergelatine verwendet; als Ersatz kann auch Stärke oder Pektin eingesetzt werden. Dann sind die Gummibären zwar etwas trüber gefärbt als die Originale, schmecken aber auch Muslimen und Vegetariern. Wohl keine andere Süßigkeit beschäftigt die Menschen so sehr wie die Gummibärchen. Im Internet lassen sich die seltsamsten Bären-Blüten finden. Neben dem erwähnten »Orakel«, das es auch in Buchform gibt, hat sich gar eine eigene Gummibären-Forschung entwickelt. Psychologen der Universität Heidelberg haben sich mit dem Verhalten der süßen Bären befasst und lange Fachartikel geschrieben, die sehr amüsant zu lesen sind.

»Das Beste, was die Weimarer Republik hervorgebracht hat!«

Kaiser Wilhelm II. über den Haribo-Bären

Angeboten wird der Gummibär inzwischen auch als Lampe, als Plüschtier und sogar als Kartenspiel – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, vielmehr wird sie von den bunten Bären beflügelt: Von Erich Kästner weiß man, dass er immer ein paar Goldbären vorrätig hatte, wenn er Kinderbücher schrieb. Angeblich hatte auch Exaußenminister Hans-Dietrich Genscher stets einige Tüten in seinem Gepäck. Kein Wunder, dass der Goldbär unter die »50 Deutschen Stars« der »Partner für Innovation« gewählt wurde – in bester Gesellschaft mit Aspirin, Buchdruck und Relativitätstheorie.

Christian Breuer

Zipp und zu!

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