Читать книгу Wenn du zerbrichst - Franziska Wild - Страница 8

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Es war der erste September.

Am dritten ging die Schule in England los und die ersten zwei Tage waren Kennenlern-Tage. Sowohl die Schule, als auch die neuen Mitschüler, sollten kennengelernt werden.

Wir sollten in London am Flughafen abgeholt werden. Die neuen aus Deutschland.

Meine Großeltern und Kobold standen am Gate und knuddelten mich abwechselnd.

Alle weinten, auch der Hund. Am meisten mein Opa. Dann zog ich meinen kleinen Koffer zur Tür und ging hindurch ohne mich noch einmal umzusehen.

Man soll nicht zurückblicken.

Im Flugzeug schob ich meinen Handgepäckskoffer in die Gepäckklappe, zog meinen I-Pod heraus, stöpselte ihn an und sah mir einen Film an.

Dann schnallte ich mich an, als die erste Stewardess vorbeilief und schob mir einen Kaugummi in den Mund. Ich wusste noch nicht, dass praktisch der halbe Flieger voller Brighton Studenten war, von denen ich einige noch näher kennenlernen würde.

Wir flogen drei Stunden.

Neben mir saß ein Mädchen, das mich prompt ansprach.

„Hast du deine neuen Klamotten schon bekommen?“ fragte sie mich mit einem schüchternen lächeln.

„Hä was?? Was willst du?“ fragte ich kopfschüttelnd und zupfte mir die Stöpsel aus den Ohren.

„Ob du deine Schuluniform schon bekommen hast, oder kriegen wir die erst in England?“ fragte sie mich mit neugierigen Augen.

Scheinbar sah ich für sie erfahren und informiert aus.

Aber das war ich nicht. Nicht im Geringsten.

„SCHULUNIFORM!!“ brüllte ich durch den gesamten Passagierraum.

Kurz starrten mich alle an. Dann widmeten sie sich wieder ihren Sitznachbarn oder Laptops.

„Ja natürlich. Das ist eine Eliteschule. Also hast du deine noch nicht bekommen. Hm.“ sagte sie nachdenklich nickend und fasste sich mit der Hand ans Kinn.

Ich sank in meinen Sitz und starrte die Nackenlehne meines Vordermannes an.

Schuluniform? Das hatte mir niemand gesagt.

Ich wusste auch wieso. Sie wusste, dass ich nicht in den Flieger gestiegen wäre, wenn ich das gewusst hätte.

Jetzt war es zu spät.

Aber ich könnte mir den Fallschirm schnappen und dann runter springen. So frei nach dem Motto, auf nimmer wieder sehen Brighton.

Leider war das nur ein wundervoller Tagtraum.

Der Landeanflug war die Hölle, ich hatte keine Kaugummis mehr und jetzt einen megamäßigen Druck auf den Ohren.

Der Londoner Flughafen war gigantisch. Unsere Koffer waren bereits vom Fließband geholt worden und in einen riesigen Van geworfen.

Eine Frau im Kostüm stand am Gate und nahm die halbe Flugbesatzung in Empfang.

Ich überlegte kurz ob ich einfach nicht antworten sollte wenn mein Name aufgerufen wurde und mich heimlich in einen Rückflug schleichen sollte.

Doch dazu war es jetzt zu spät.

„Marie Gebrecht?“ rief Ms. Hosenanzug.

Und wie auf Befehl schrie ich „Hier!“

Mist!!

Wir wurden in einen Bus gequetscht, der uns an die schreckliche Schule bringen sollte.

Drei Stunden Bus fahren, mit einer Meute an nervösen Eliteheinies.

Gibt es was schöneres?

Meine Antwort: „Ooooooh Jaaaaa!“

Als wir aus dem Bus gerufen wurden, hatte man unsere Koffer schon auf unser Zimmer gebracht.

„Hallo liebe Brighton Elite Schüler, willkommen in der Snarehood - School. Eure Zimmer wurden bereits für euch ausgesucht und eure Zimmerkollegen bewusst so gewählt. Umtausch ausgeschlossen. Hahaha.“ lachte sie über ihren eigenen Witz.

„Also Stellt euch jetzt bitte nach Zimmernummern zusammen.

Zimmer eins: Manuel Reiser, Simon Ertel, Adam Norris und Baruth Baram.

Zimmer zwei: Karin Simons…..

….

Zimmer 45: Nathalie Brauer, Enjana Paulsen, Babsie Johannsen und Marie Gebrecht.“

Ich lief zu meinen Kolleginnen sah sie mir an und hörte ihnen ein wenig zu.

„Ach das ist ja süßes Kleidchen Enjala!“

„JA nicht! Ich liebe es so sehr aber deine Nägel sind auch so schön Babsie.“

„Danke Süße. Ach Nathalie ist das ein Gucci Koffer. Gott ich liebe Gucci.“

„Ja total ich auch.“ Nathalie war mir am unsympathischsten. Sie war Blond, hatte blaue Augen, eine Figur wie Heidi Klumm, getuschte Wimpern bis zu den Brauen, Lippenstift, mindestens drei Schichten rubinrot. Und Make-Up bis zum abwinken.

„Das äh… ist ein netter Koffer Marie.“ sagte Enjala und versuchte ernsthaft interessiert an seiner Herkunft zu klingen.

„Danke… nuschelte ich… ist von Dolce und Gabbana.“ Und schwups war ich in Ihre Clique aufgenommen.

„Sag bloß!!“ quietschte Nathalie.

Konnte mein Leben noch schlimmer werden??

Und liebes Leben, das ist eine rhetorische Frage und keine Herausforderung gewesen!! Nur um das klarzustellen.

Aber ich kannte das Leben. Natürlich würde es schlimmer werden!

Wir brachten unsere Handtaschen in unsere Zimmer. Sogar die Betten waren vorbereitet.

Auf jedem lag ein Namenskärtchen. So kamen schon keine Streitereien auf, wer wo schlief.

Wir öffneten die Schränke an der Wand. Für jede war jeweils ein Schrank mit einer Bodenfläche von zwei Quadratmeter und einer Höhe von zweieinhalb Meter vorgesehen.

Er war in mehrere Fächer unterteilt. In ein paar größere und ein paar kleinere.

An jeder Schranktür war ein Namensschild angebracht und hinter den Türen waren feinsäuberlich sortiert, unsere Klamotten.

An der Tür standen vier Wäschepuffer, an ihnen hing ein Schild: „werden täglich geleert.“ Auch sie waren mit Namensschildern versehen.

Ich sah mich um. „Kein Badezimmer??“ fragte ich in die Runde.

„Du Scherzkeks. Hihi. Natürlich gibt es ein Badezimmer. Den Flur runter. Komm ich zeig es dir.“ sagte Babsie.

Ich folgte ihr, mit dem schlimmst möglichen Gedanken im Hinterkopf, dass es ein Gemeinschaftsbad war. Doch noch hoffte ich, dass es das nicht war.

Tja, wie ich schon sagte, das Leben ist grausam und unfair.

Natürlich war es ein Gemeinschaftsbad.

Mir fielen alle Schatten aus dem Gesicht. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Ich lehnte mich an die Wand und rutschte sie hinunter.

Wie sollte ich meine zerschnittenen Arme verstecken in einer Gemeinschaftsdusche?

Wie sollte ich mir überhaupt weiter in die Arme schneiden, wenn ich mir mit drei Prinzessinnen das Zimmer teilen musste und wahrscheinlich die ganze Zeit unter Beobachtung stand??

Ich hoffte nur irgendeinen Gleichgesinnten zu finden, der schon länger hier war, und wusste wie man hier seine Ruhe bekam.

„Alles in Ordnung Marie?“ fragte Babsie besorgt und kniete sich neben mich.

„Nein, ja alles in Ordnung. Komm wir gehen wieder ins Zimmer.“ sagte ich.

Scheinbar nicht sehr überzeugend, denn Babsie musterte mich immer noch schief.

Aber das war mir egal.

Wir gingen zurück. Die Tür zum Zimmer, ließ sich mit einem Chip öffnen, den jede von uns bei ihrer Ankunft in ihrem Schrank vorgefunden hatte.

In unserem Flur, wohnten sowohl Mädchen als auch Jungs. Direkt nebenan, wohnten drei Jungs.

Wir hatten den ganzen Tag Zeit, uns einzufinden.

Mir wurde es auf dem Zimmer zu langweilig und so ging ich in den Flur und sah mich um.

Zur selben Zeit etwa, ging die Tür der drei Jungs von nebenan auf und ein blonder, niedlicher, etwa siebzehn Jahre alter Junge streckte seinen Kopf aus der Tür.

Er trat auf den Flur und sah mich an.

„Hi ich bin Marie, und du?“ fragte ich ihn unverhohlen.

„Kibo. Du wohnst nebenan?“ fragte er und nickte auf unsere Zimmertür.

„Ja. Wo kommst du her?“ fragte ich und ging einen Schritt auf ihn zu.

Ich lehnte mich an die Wand und sah ihn mir genau an.

Seine Augen reflektierten das Licht der Lampen im Flur in einem strahlenden blau und seine Lippen, waren eine schmale und sanfte Einheit.

Das einzige was ins Bild schnitt, war seine Nase. Die Nase selbst, war nicht hässlich oder so. Sie war normalgroß und kantig, so als wäre sie schon einmal gebrochen worden. Doch an seinem rechten Nasenflügel schillerte ein silberner Ring.

Auch an seinem linken Ohr, waren, entlang der Muschel, mehrere kleine silberne Ringe.

Er sah wunderschön aus.

Er gefiel mir. Er wirkte so, … so … ruhig und sanft. Und doch stark genug einen LKW zum Stehen zu bringen.

„Braunschweig.“ sagte er.

Ich schüttelte mich.

„Wie bitte?“ er hatte mich voll aus meinen Gedanken gerissen.

„Braunschweig, du wolltest doch wissen woher ich komme.“ sagte er und grinste.

„Und du?“ Ich merkte wie er mich ansah. Genau so eindringlich wie ich ihn eben.

Meine Knie wurden weich und ich stammelte „Berlin… naja aus der Nähe von Berlin. Aus einem verdammten, nichts bedeutenden Vorort, in dem lauter Reiche Idioten wohnen. Hi ich bin Ms. Perfekt… aber das Perfekt kannst du gleich wieder streichen. Ich hab in den Augen meiner Großeltern viel zu viele Macken.“

„Mhm.“ summte er. Und sah mir in die Augen. Viel zu lange standen wir so da, als dass sich nichts hätte bewegen können, in unseren Herzen.

Irgendwann sah ich auf den Boden und sagte: „Tja war schön dich kennenzulernen. Ich denke wir sehen uns.“ Ich wollte mich wegdrehen, doch er hielt mich fest.

„Ich und meine Mitbewohner machen heute Abend eine kleine Zimmerparty.“ dann starrte er an die Wand und pulte etwas Putz aus einem Loch, das wahrscheinlich von einer herausgerissenen Schraube stammte.

„Möchtest du vielleicht vorbeischauen?“ fragte er und sah mir wieder in die Augen.

„Gerne.“ Sagte ich leise und ging dann.

„Bis heute Abend. Ach und Mary,“ er wartete kurz als wollte er sehen wie ich auf seinen Spitznamen reagierte. Als ich nichts machte, sprach er weiter.

„pass auf, wenn du rüber kommst, nach acht Uhr, dürfen wir unsere Zimmer nur noch verlassen um pinkeln zu gehen.“ Sagte er und grinste.

Dann gingen wir endgültig zurück in unsere Zimmer.

Ich horchte an der Wand, was er jetzt wohl tat.

Außer mir war niemand im Zimmer und so konnte ich ihn hören.

Er sprach mit einem seiner Mitbewohner.

„Hey Raffi. Das glaubst du mir nie. Zu den „Drei Prinzessinnen“ ist eine Rebellin gezogen.“ sagte er und ließ sich auf eines der Betten fallen.

„Wie meinst ‘n das jetzt?“ fragte der andere.

„Ich sage doch das glaubst du mir nie. Marie heißt sie. Das totale Gegenteil von Natha, Enja, und Babsie. Die hat Charakter.“ sagte er in einer ziemlich verträumten Tonart.

„Und das weißt du woher?“ fragte Raffi wieder.

„Ich hab sie eben im Flur getroffen, Hammer sag ich dir. Lange schwarz gefärbte Haare, riesige blaue Augen und einen Body wie Cameron Diaz!! Und nett und frech ist sie auch noch.“ sagte er.

„Du stehst auf sie, was?!“ sagte der andere und lachte.

„Na wann denkst du hast du sie soweit?“ fragte er und man konnte das Grinsen in seiner Fresse förmlich hören.

„Was meinst du damit? Soweit wofür?“ erwiderte Kibo verwirrt.

„Stell dich doch nicht dümmer, als du bist!! Wann du sie hier in deinem Bett liegen hast und so richtig mit ihr… bam bam bam!!“ sagte Rafael und klatschte dabei in die Hände.

„Bist du verrückt?? Das ist keine die man einfach so bumst. Das ist ne Frau zum verlieben Raffi. Ich sag’s dir. So toll…“ erwiderte Kibo wieder in dieser verträumten Tonlage.

„Das ist dein ernst was?“ fragte Rafael in einem für ihn ungewöhnlich, ernstem Ton.

„Ich meine, dass sie dir gefällt.“

„Ja. Ich denke schon.“ sagte Kibo scheinbar über sich selbst erstaunt.

Ich sank auf mein Bett und blickte an die Decke. Ich fand in mir auch so ein Kribbeln, aber ich wollte nicht verletzt werden. Bisher hatte ich alle meine Erfahrungen, also geknutscht und gefummelt, nur mit wildfremden Typen ohne irgendwelche Gefühle gemacht.

Wenn ich das zuließ, dann konnte ich nur verletzt werden, denn ich wollte hier weg. Und wenn ich das schaffte, dann blieb er zurück.

Babsie und Nathalie kamen ins Zimmer.

„Hast du schon mal rausgeschaut?! Man da draußen ist Sonne pur und geniales Wetter, dafür das schon September ist. Dumm dass diese Infoveranstaltung in der Aula stattfindet.“ sagte Babsie und lehnte sich auf die Fensterbank.

„Ja zu dumm.“ Nuschelte Nathalie.

„Wo habt ihr eigentlich Enjala gelassen?“ fragte ich und hätte mich dafür Ohrfeigen können. Ich wollte mit diesen dummen Puten doch eigentlich nichts zu tun haben.

Andererseits konnte es nicht schaden, in einer solchen Hölle, ein paar Vertraute zu haben.

„Sie ist bei Rubina und Ronja. Sie sind Zwillinge und waren letztes Jahr mir ihr im Cricketteam.“ Antwortete Babsie.

„Apropos wir sollten sie jetzt vielleicht mal wieder einsammeln, die dumme Veranstaltung geht gleich los.“ fügte sie an.

„Naja dann mal los.“ sagte Nathalie.

Ich stand mit auf und ging in die Aula hinunter.

Wenn du zerbrichst

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