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Mit einem Schlag war die glückliche Zeit vorüber, und trotz strahlenden Sonnenscheins erschien Cornelia der Himmel und grau düster. Gaius Lactimus verbrachte fast jeden Nachmittag und Abend in ihrer Nähe. Er begleitete sie bei ihren Einkäufen, er ging mit ihr spazieren, er kam mit in den Kerker. Keinen Augenblick schien er sie aus den Augen zu lassen. Und wenn nicht er auf sie achtete, dann verfolgte Octavia jeden ihrer Schritte. Cornelia fühlte sich wie eine Gefangene, und die Nähe zu Gaius war ihr unerträglich. Keinen Augenblick konnte sie vergessen, welchen Verrat er an ihr und Duncan geübt hatte. Außerdem hatte der Offizier die gleiche überhebliche Art, von den Kelten zu sprechen, wie ihre Mutter. Oft bezähmte sie nur mühsam ihren Wunsch, ihm ins Gesicht zu schlagen. In gleichem Maße wie ihr Haß gegen Gaius wuchs Cornelias Sehnsucht nach Duncan. Unter den wachsamen Augen des Offiziers blieben ihnen nur flüchtige Berührungen, Blicke und wenige, belanglose Worte. Sie vermißte die Wärme seines Körpers, seine leidenschaftlichen Küsse und Umarmungen. Duncans blaue Augen verrieten ihr, daß auch er kaum in der Lage war, sein Verlangen nach ihr zu bezähmen. Manchmal war Cornelia kurz davor, alle Vorsicht außer acht zu lassen und Duncan zu umarmen, nur um die Bewegungen seiner Muskeln oder das Kitzeln seiner langen blonden Haare auf ihrer Haut zu spüren. Allein das Bewußtsein, daß Gaius Duncan dafür leiden lassen würde, hielt sie davon ab.

Es war bereits Ende August. Cornelia schritt ruhelos durch den Garten. Weder Lactimus noch ihre Mutter waren in ihrer Nähe. Der Offizier versah seinen Dienst, und Octavia Julia ließ sich im Bad von ihrer Sklavin massieren. Dennoch konnte Cornelia sich nicht entspannen. Schließlich setzte sie sich an den Rand des Wasserbeckens in der Mitte des Gartens und betrachtete die Seerosen, ohne sie wirklich zu beachten. Die Stimme von Sylvia ließ Cornelia kurz aufblicken.

»Was gibt es?«

Die Dienerin setzte sich neben Cornelia, ergriff ihre Hand und vergewisserte sich mit einem kurzen Blick über die Schulter, daß niemand außer ihnen im Garten war. Dennoch sprach sie im Flüsterton.

»Ich habe gute Neuigkeiten für Euch! Ihr erinnert Euch doch an Flavius?«

»Der junge Soldat, der ›Sicilianus‹ genannt wird und mit dem du dich triffst?« Cornelia runzelte gereizt die Stirn. Sie war nicht in der Stimmung, über die Liebesabenteuer ihrer Dienerin zu reden. »Was ist mit ihm?«

»Heute nacht hält er Wache im Kerker. Und zufällig weiß ich, daß er allein sein wird!« Die Augen der Sklavin leuchteten. »Wir können nach Einbruch der Nacht zum Gefängnis schleichen. Ich werde mich um Flavius kümmern. Seid gewiß, er wird Euch nicht bemerken!«

Cornelias Herz schlug schneller, und plötzlich erschien ihr der Himmel nicht mehr ganz so düster. Ihre Augen füllten sich mit Tränen der Rührung über ihre liebevolle Sklavin.

»Was würde ich nur ohne dich anfangen, Sylvia? Es gibt wohl keine andere Dienerin, die sich mehr um das Wohl ihrer Herrin sorgt!« Sie ergriff Sylvias Hand. »Eines Tages werde ich dir dafür die Freiheit schenken!«

Einige Stunden später, als im Haus alles ruhig war und auch der letzte Diener sich zum Schlafen niedergelegt hatte, schlichen Cornelia und Sylvia heimlich zum Kerker. Cornelia hielt sich im Schatten einer Mauer versteckt, während die Dienerin den Soldaten, der im Vorraum zum Kerker an einem Tisch saß, begrüßte. Erst als Cornelia das leise Lachen der beiden jungen Leute hörte, wagte sie sich aus ihrem Versteck. Vorsichtig schlich sie zu der schweren, eisenbeschlagenen Tür. Doch ihre Besorgnis war unbegründet. Flavius und Sylvia lagen engumschlungen auf einer Strohmatte in einer Ecke, und der junge Soldat war zu beschäftigt, um Cornelia zu bemerken. Leise öffnete sie die Riegel und verschwand im Kerker.

Im Gefängnis war es still, einige der Männer schnarchten. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, schritt Cornelia über die Schlafenden hinweg. Es brannte keine Fackel, und mehr als einmal wäre sie beinahe auf eine Hand oder ein Bein getreten. Ohne daß jemand wach wurde, erreichte sie Duncan. Schwaches Sternenlicht fiel durch einen der schmalen Schlitze in der Gefängnismauer auf sein Gesicht. Er schlief tief und fest, und behutsam berührte Cornelia seine Schulter. Unwillig bewegte er sich und blinzelte sie verschlafen an. Als er Cornelia erkannte, war er jedoch mit einem Schlag hellwach.

»Es tut mir leid, daß ...«

Was Cornelia eigentlich sagen wollte, ging in seinem leidenschaftlichen Kuß unter. Es dauerte lange, bis sie sich voneinander lösten. Cornelia glättete ihre durchwühlten Haare, doch Duncan zog sie lächelnd erneut in seine Arme.

»Du hast mir gefehlt!«

Wie stark ihre Sehnsucht gewesen war, merkte Cornelia erst jetzt. Hatte sie wirklich auch nur eine Stunde ohne seine Nähe leben können? Zärtlich glitten ihre Finger durch sein volles, langes Haar und über seinen schlanken Körper. Als sie seine rechte Ranke berührte, zuckte er zusammen und nahm ihre Hand fort. Cornelia sah ihn besorgt an.

»Was ist los, Duncan? Hast du Schmerzen?«

Er schüttelte lächelnd den Kopf und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Doch Cornelia wurde mißtrauisch und schob sein Hemd hoch. Erschrocken hielt sie den Atem an. Die Spuren von Stockschlägen und Peitschenhieben auf seinem Körper waren kein ungewohnter Anblick für sie. Immer wieder hatte sie ihn gebeten, im Haus ihres Vaters zu arbeiten, um den Mißhandlungen zu entgehen. Doch Duncan war eigensinnig und stolz. Einmal war er so zornig geworden, daß er sie anschrie. Daraufhin hatte sie sich geschworen, dieses Thema nicht mehr anzusprechen. Bisher hatte sie sich daran gehalten. Doch jetzt konnte sie nicht mehr schweigen. Duncans rechte Seite war bis zur Hüfte geschwollen und blutunterlaufen, selbst ihre sanfte Berührung schien schmerzhaft zu sein. Deutlich sah sie zahlreiche Schürfwunden, die von den Eisenbeschlägen eines Stockes stammten – Publicus! Cornelia spürte heißen Zorn in sich.

»Jemand hat dich geschlagen! Publicus hat dir das angetan, nicht wahr? Ich werde dafür sorgen, daß du in der Stadt ...«

Duncan legte ihr einen Finger auf den Mund.

»Wir haben eine Abmachung, Cornelia! Wir wollten nicht mehr darüber reden!«

»Hat sich wenigstens der Arzt um dich gekümmert?«

Duncan schüttelte lächelnd den Kopf.

»Es ist doch nichts gebrochen! Und den blauen Fleck habe ich in ein paar Tagen vergessen.«

Ihre Angst machte Cornelia noch wütender. Wie konnte Duncan nur so sorglos sein?

»Vielleicht ist diese Verletzung tatsächlich in einigen Tagen abgeheilt. Aber was kommt als nächstes? Soll Publicus dir erst den Schädel einschlagen, bevor du einsiehst, daß er gefährlich ist? Ich habe dir doch erzählt, was Brennius gehört hat. Publicus will dich töten, Duncan!«

Er wickelte eine Strähne ihres dunklen Haares um seinen Finger und zuckte mit den Schultern.

»Dann soll er es tun! Ich habe keine Angst vor dem Tod!«

»Und was ist mit mir? Ist dir schon in den Sinn gekommen, daß ich mir Sorgen um dich mache? Ich kann und will nicht ohne dich leben. Aber ich habe es satt, jeden Morgen mit dem Gedanken aufzuwachen, daß ich dich am Abend vielleicht nicht mehr wiedersehe, weil ein rachsüchtiger Zenturio dich erschlagen hat! Begreifst du das?«

Duncan ergriff lächelnd ihr Handgelenk.

»Komm her, meine Wildkatze!«

Cornelia befreite sich aus seinem Griff, ihre Augen funkelten zornig.

»Jetzt ist nicht die Zeit für Neckereien! Ich bin wütend, Duncan, sogar sehr wütend! Und ich erwarte eine Antwort von dir!«

»Dann gib mir eine Chance, und hör mir zu!« Widerstrebend ließ sie sich in seine Arme ziehen. »Sieh dich um, Cornelia, sieh dir die Männer an! Jeder von ihnen bekommt den Zorn der Soldaten zu spüren, nicht nur ich. Wir sind Gefangene, unser Leben hängt allein vom Wohlwollen der Römer ab!«

»Aber das gilt doch nicht für dich! Man sollte dich besser behandeln. Schließlich bist du ein Fürst!«

»Du hast recht, ich bin der Sohn eines Fürsten.« Sein Gesicht war ernst. »Deshalb trage ich auch eine Verantwortung, der ich mich nicht entziehen kann. Diese Männer hier sind keine Berufssoldaten, die für ihren Dienst bezahlt werden, wie eure Legionäre. Sie zogen in den Krieg, um ihre Freiheit zu verteidigen und weil sie meinem Vater die Treue geschworen haben. Der Preis, den sie für ihren Eid zahlen müssen, ist hoch. Dennoch ertragen sie die täglichen Demütigungen und harren aus. Eines Tages, wenn ich das Erbe meines Vaters angetreten hätte, wären sie mir bis in den Tod gefolgt. Und ich soll sie nun im Stich lassen, um meine eigene Haut zu retten?« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ihr von euren Herrschern erwartet. Aber für uns gehört ein Fürst an die Seite seiner Männer, sein Schicksal ist untrennbar mit dem ihren verbunden. Sollte ich nun dein Angebot annehmen, verrate ich diese Männer. Ich könnte ihnen, die ich bereits seit meiner Kindheit kenne, nicht mehr in die Augen sehen, geschweige denn jemals wieder meinem Vater gegenübertreten. Ich wäre ein Verdammter, der für alle Ewigkeit die Gunst der Götter verloren hat!« Er schüttelte erneut den Kopf. »Lieber würde ich durch eigene Hand in den Tod gehen!«

Das Feuer in seinen Augen ließ Cornelia erschauern. Sie legte einen Arm um seine Hüften und schmiegte sich an ihn. Ihr Zorn war bereits verflogen.

»Wir sollten nicht mehr darüber reden!« flüsterte sie.

Duncan nickte und schlang die Arme um sie. Während sie sich liebten und ihre Körper zu einem verschmolzen, schien die Zeit stillzustehen, und alle Sorgen und Probleme verschwammen zu einem Nichts.

Als sie etwas später müde nebeneinander lagen, deutete Duncan zu dem schmalen Fenster hoch, durch das sich der erste Schimmer der Morgenröte seinen Weg bahnte.

»Die Morgendämmerung bricht an. Du mußt gehen.«

»Ich würde viel dafür geben, um bei dir zu bleiben!« Cornelia seufzte und zog ihr Kleid an. »Am Abend komme ich wieder. Lactimus wird mich zwar begleiten, aber ich werde an heute nacht denken, an jede Einzelheit.«

Duncan lächelte. Seine Hände streichelten sanft über ihren Körper, während seine Lippen ihren Mund berührten.

»Wenn Lactimus wüßte, was unter seinen wachsamen Augen geschieht!«

Sie umarmten sich zum Abschied, ehe Cornelia den Kerker lautlos verließ. Sylvia und Flavius schliefen Arm in Arm auf der Strohmatte, und niemand sah, wie sie heimlich in das Haus ihres Vaters schlich.

Im Steinbruch brannte die Sonne unbarmherzig auf die Männer herab, Staub und Hitze machten ihnen zu schaffen. Duncan und Dougal arbeiteten schweigend nebeneinander und schlugen mit ihren Hacken Steine aus dem Felsen. In geringer Entfernung arbeiteten zwei andere Gefangene. Die beiden Männer unterhielten sich leise. Plötzlich drangen Gesprächsfetzen zu Duncan – »Römerhure«, »Verräter«. Auch Dougal hatte die Worte gehört. Besorgt sah er die Zornesfalten auf Duncans Stirn. Er befürchtete eine Schlägerei, bei der Duncan mit Sicherheit der Unterlegene sein würde. Der eine der beiden Männer, Kevin, war nämlich ein breitschultriger, bärenstarker Hüne. Seine Nase zeugte von den zahlreichen Schlägereien, in die er im Laufe seines Lebens verwickelt worden war. Und aus denen, so erzählte man sich, er stets als Sieger hervorgegangen war.

»Höre nicht hin, Duncan! Laß sie reden.«

Doch vergeblich versuchte er seinen Freund zurückzuhalten. Duncan war bereits aufgesprungen und stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor den beiden Männern.

»Was gibt es, Kevin? Worüber zerreißt du dir das Maul?«

»Wir haben uns nur über diese kleine Römerin unterhalten, die dich gestern nacht besucht hat! Ihr scheint ...«

»Das geht dich nichts an!«

»So?« Kevin sprang ebenfalls auf. »Wir sind nicht in unserem Dorf, Duncan. Hier kannst du dich nicht als Herrscher aufspielen. In dieser Stadt gibt es keine Fürsten und Knechte mehr, sondern nur Gefangene! Wir sitzen alle im gleichen Boot. Und wenn sich einer von uns mit einer römischen Hure einläßt, dann ist das Verrat!«

»Nimm das sofort zurück!«

Duncans Stimme senkte sich zu einem Fauchen, seine Augen sprühten Funken.

»Das tue ich nicht. Ich höre noch deine Worte: ›Ich gehöre zu meinen Männern. Mein Schicksal ist untrennbar mit dem ihren verbunden!‹« Kevin ahmte Duncans Stimme nach. »Geschwätz! Nichts als leere Worte! Ihr Fürsten seid nicht besser als die Römer. Ihr saugt das Volk aus und knechtet uns. Du magst erst jetzt in Gefangenschaft geraten sein, wir waren noch nie frei! Und während wir hier schuften, treibst du es mit dieser ...«

Im gleichen Moment traf Kevin ein unerwarteter Faustschlag, und er biß sich auf die Lippe. Blut lief ihm über das Kinn, doch er grinste höhnisch.

»Du willst dich also schlagen?« Kevin krempelte seine Ärmel hoch und entblößte dabei seine gewaltigen Oberarme.

»Vorsicht, Duncan!« rief der andere Mann höhnisch. »Kevin wird dir dein hübsches Gesicht polieren! Die Römerhure wird dann nichts mehr von dir wissen wollen!«

Kevin lachte.

»Wahrscheinlich ist ihr ein anderes Körperteil wichtiger!«

Duncan stürzte sich auf den Mann vor ihm. Daß seine Hände und Füße mit Eisen gefesselt waren, schien ihn nicht zu stören. Mit beiden Fäusten schlug er zu, unterstützt vom Gewicht der Ketten an seinen Handgelenken. Er traf Kevin an der Schläfe, doch der Hüne wankte nicht einmal. Grinsend holte er zu einem mächtigen Faustschlag aus. Duncan ging benommen in die Knie. Doch sein Zorn trieb ihn weiter. Statt sich geschlagen zu geben, nutzte er seine Position, um Kevins Fußfesseln zu pakken und ihn zu Fall zu bringen. Das morsche Holz des Gerüsts ächzte, als der mächtige Körper stürzte. Sofort warf sich Duncan auf seinen Gegner. Die beiden Männer wälzten sich auf den schmalen Brettern, bis sie unter ihrem Gewicht nachgaben. Gemeinsam fielen sie zwei Meter in die Tiefe und schlugen hart auf den Steinen auf. Doch sie prügelten sich weiter, als ob nichts geschehen sei. Keiner von beiden spürte den Schmerz.

Die anderen Kelten ließen ihre Arbeit liegen und beobachten interessiert den Kampf. Kevin war zwar stärker, doch dafür war Duncan schneller. Sie waren fast ebenbürtige Gegner. Schon nach kurzer Zeit begannen die Umstehenden, die beiden Männer anzufeuern, die sich im Staub wälzten und nicht voneinander abließen. Selbst die römischen Soldaten schauten belustigt zu. Schließlich sah Dougal sich gezwungen, die beiden Kontrahenten zu trennen. Er packte beide Männer bei den Armen und zog sie mit aller Kraft auseinander. Staubig und verschwitzt, mit blutigen Gesichtern und Fäusten standen sie sich schwer atmend gegenüber.

»Der Kampf gilt als unentschieden. Daher mußt du dich bei Duncan für die Beleidigungen entschuldigen, und du bittest Kevin um Verzeihung!« Streng sah Dougal die jungen Männer an. Beiden schien es sichtlich schwerzufallen, und keiner sah den anderen an, als sie ihre Entschuldigung hervorpreßten. »Und nun reicht euch die Hände!«

Flüchtig gaben sie sich die Hand und wandten sich voneinander ab. Die Kelten kehrten wieder an ihre Arbeit zurück.

Duncan rang nach Luft. Sein Kopf und seine Arme schmerzten, seine von Publicus geschundene rechte Seite tat höllisch weh, und von einem Schlag in die Magengrube war ihm so übel, daß er glaubte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Dennoch lehnte er mit einer zornigen Geste Dougals Anerbieten, ihn zu stützen, ab. Duncan wußte nicht, was ihn mehr ärgerte: daß Dougal den Kampf vorzeitig abgebrochen hatte, oder daß der Freund ihn dadurch gerettet hatte. Nur kurze Zeit später wäre er zu Boden gegangen und hätte verloren.

Dougal begleitete kopfschüttelnd seinen Freund zu dem Wasserfaß. Der Junge war hitzköpfig und stolz. Wäre er klug gewesen, hätte er sich nicht auf einen Kampf mit Kevin eingelassen.

Duncan tauchte seinen Kopf in das Faß und spülte sich den Mund aus, um den Geschmack seines Bluts loszuwerden. Er hatte sich auf die Zunge gebissen, und wahrscheinlich würde er eine Zeitlang Probleme beim Essen haben. Er wollte fluchen, doch dafür fehlte ihm die Kraft. Erschöpft fuhr er sich durchs Haar. Allmählich verrauchte sein Zorn, und gegen seinen Willen mußte er sich eingestehen, wieviel Glück er gehabt hatte. Kevin wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, ihm mit bloßen Händen das Genick zu brechen. Dabei hatte er nicht einmal einen Zahn eingebüßt.

Dougal legte ihm besorgt eine Hand auf die Schulter.

»Alles in Ordnung?« Duncan nickte, und Dougal schüttelte den Kopf. »Wie töricht von dir, dich mit diesem Kevin einzulassen! Du konntest den Kampf nicht gewinnen!«

Duncan runzelte zornig die Stirn. Das waren nicht gerade die Worte, die er jetzt hören wollte! Doch bevor er etwas erwidern konnte, schnitt Dougal ihm mit einer ärgerlichen Geste das Wort ab.

»Ich habe gehört, was er gesagt hat. Aber du solltest ebenfalls über seine Worte nachdenken!«

»Aber ...«

»Wer bestellt die Felder deines Vaters? Du etwa?«

»Nein, das machen unsere Bauern. Wir haben ...« Duncan brach mitten im Satz ab und warf ärgerlich den Kopf in den Nacken. »Bei den Göttern, wir sind Adlige, Dougal! Wir haben die Leute in unserem Dorf immer gut behandelt. Niemand braucht zu hungern, keinem geschieht Unrecht. Wir beschützen das Leben und den Besitz der Bauern, dafür arbeiten sie für uns. Das ist doch nur gerecht!«

Dougal hob spöttisch die Augenbrauen.

»Das behaupten alle Fürsten von sich. Du solltest jedoch mal miterleben, wie die Wirklichkeit aussieht! Während die Adligen an reich gedeckten Tischen sitzen und sich Fleisch und Wein schmecken lassen, ernähren sich die meisten ihrer Untertanen das ganze Jahr über von Gerstengrütze!« Er legte Duncan beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. »Verstehe mich nicht falsch, Junge. Ich weiß, daß du ein aufrichtiger Mann bist, und vielleicht gehört auch dein Vater zu den wenigen gerechten Herrschern. Aber gerade weil du ein ehrliches Herz hast, wirst du zugeben müssen, daß Kevin nicht ganz unrecht hat!«

Duncan senkte den Blick. Hatte Dougal wirklich recht? Aber dann ... Die Übelkeit verstärkte sich. Sein Magen fühlte sich an, als wäre er mit flüssigem Metall gefüllt.

»Es gibt jedoch noch ein Problem. Kevin ist kein Dummkopf. Er weiß, daß ich den Kampf vorzeitig beendet habe, um dich zu schonen. Er wird dich töten, Duncan. Es sei denn, du kommst ihm zuvor!«

Duncan konnte nur noch nicken, bevor er sich heftig erbrach.

Einige Tage später traf Frontinus in Eburacum ein. Da der Statthalter kein Freund großer Zeremonien war, wurde er nur von den höchsten Beamten der Stadt formell empfangen, bevor er sich in sein Schreibzimmer zurückzog. Er ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine aus. Müde fuhr er sich über das Gesicht. Seine Ankunft in Eburacum hätte eigentlich mit dem Gefühl des Triumphes einhergehen sollen. Dies war seine Stadt, sie entstand nach seinen Plänen, und die Bauarbeiten waren ausgezeichnet vorangeschritten. Doch zur Zeit plagten ihn große Sorgen, und während der vergangenen Nächte hatte er kaum Schlaf gefunden. Die Silurer, die ihm seit seiner Ankunft in Britannien vor zwei Jahren nur Schwierigkeiten bereitet hatten, schienen seine Karriere als Statthalter nun endgültig zu ruinieren. Er kam gerade mit seinen Truppen aus der Gegend von Caerleon. Der rothaarige Kelte Kenneth war dort seit nahezu zwei Jahren der von Rom eingesetzte Fürst, und Frontinus hatte sich selbst davon überzeugen wollen, daß alles nach seinen Plänen verlief. Auf dem ersten Blick schien die Situation entspannt und friedlich zu sein. Connor, der entmachtete Fürst, nahm am gesellschaftlichen und politischen Leben keinen Anteil, während Kenneth die Macht in Händen hielt. So schien es wenigstens. Doch bereits wenige Tage nach seiner Ankunft mußte Frontinus einsehen, daß dieser Schein trog. Unter der friedlichen Oberfläche gärte es. Connor hatte zwar offiziell seine Macht verloren, doch seinen Einfluß bei seinen Stammesangehörigen hatte er keinesfalls eingebüßt. Vor jeder Entscheidung, die getroffen wurde, kamen die Männer zu ihm, um seinen Rat zu hören. Auch wenn er nicht selbst an den Beratungen teilnahm, so war es dennoch sein Wille, nach dem entschieden wurde. Kenneth hatte keine Macht, die Einführung römischer Sitten und Bildung bei den Silurern stagnierte, und mehr als einmal fiel das Gut eines dort angesiedelten römischen Veteranen den Flammen zum Opfer. So sehr sich Kenneth auch bemühte, diese Übergriffe einzudämmen, die Brandstifter blieben unauffindbar. Frontinus hatte lange überlegt, wie man die Situation entspannen könnte, bis ihm endlich der scheinbar rettende Gedanke kam: Connor hatte eine hübsche Tochter, und Kenneth war mehr als erfreut, als Frontinus ihm vorschlug, Nuala zu heiraten. Eine Verbindung mit der Tochter des ehemaligen Fürsten sollte Kenneth das notwendige Ansehen vor seinem Stamm geben. Außerdem würde Connor es wohl kaum wagen, seinem Schwiegersohn weiterhin Steine in den Weg zu legen und damit auch seiner Tochter zu schaden. So schien alles in bester Ordnung zu sein, und die Hochzeit wurde für den zehnten Tag nach Lugnasad festgelegt. Unglücklicherweise hatte Frontinus jedoch nicht mit dem Widerstand des Mädchens gerechnet. Am Tag der Hochzeit fand man Nuala tot auf dem Grab ihres Geliebten, der zwei Jahre zuvor im Kampf gegen die Römer gefallen war.

Die Geschichte der Fürstentochter, die sich das Leben nahm, um dem Schicksal einer von Römern gestifteten Ehe zu entfliehen, machte schnell die Runde. Durch die Dörfer ging ein Aufschrei der Empörung, und der Zorn und Haß der Silurer gegen die römischen Eroberer fand neue Nahrung. Kenneth mußte um sein Leben fürchten, deshalb wurden die Wachen um sein Haus verdreifacht. Connor war außer sich vor Wut und Trauer. Nur die Drohung, seinen in Eburacum gefangengehaltenen Sohn hinzurichten, hatte ihn davon abgehalten, zu den Waffen zu greifen. Dennoch standen die Männer in den umliegenden Dörfern bereit, und die römischen Soldaten mußten sich von Frauen und Kindern beschimpfen und mit Unrat bewerfen lassen.

Das war der Stand der Dinge, als Frontinus das Dorf verlassen hatte. Seitdem erwartete er stündlich die Nachricht zu erhalten, daß die Silurer die römischen Lager in Caerleon angegriffen hätten. Das Bild von wilden, blaubemalten Kriegern, die sich auf die Legionäre stürzten, verfolgte ihn bis in seine Träume. Frontinus wurde übel bei dem Gedanken, daß der Kaiser eine Erklärung für den erneuten Krieg gegen die Silurer fordern würde, die schließlich als befriedet galten. Aber wie hätte er auch ahnen können, daß dieses törichte Mädchen Selbstmord begehen würde? Doch es mußte einen Ausweg geben. Schließlich hatte er immer noch Connors Sohn als Geisel in der Hand! Frontinus setzte sich auf und rief seinen Diener, der augenblicklich erschien.

»Ihr habt nach mir gerufen, Herr?«

»Schicke Boten zu Claudius Vergilius, Marcus Brennius und Gaius Lactimus. Ich wünsche sie noch in dieser Stunde hier, in meinem Schreibzimmer, zu sprechen. Und beeile dich, es ist von größter Wichtigkeit!«

Der Diener verbeugte sich und eilte hinaus, um den Befehl seines Herrn sofort auszuführen. Frontinus erhob sich und ging mit langen Schritten durch den Raum. Die Spuren der Müdigkeit waren von seinem Gesicht verschwunden und jenem entschlossenen Gesichtsausdruck gewichen, der stets den Beginn einer Schlacht begleitete. Endlich war das Grübeln und das Warten auf Rettung vorbei. Ihm war ein Gedanke gekommen, der die verzwickte Lage entwirren konnte. Und nun hieß es handeln!

Es dauerte nicht lange, bis die drei Männer bei Frontinus eintrafen. Er empfing sie stehend, wie bei einer Schlachtbesprechung, und begann ohne Umschweife.

»Vergilius, Brennius, Lactimus, ich danke Euch für Euer rasches Erscheinen! Wir haben eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit zu erörtern.« Frontinus ließ seinen Blick über die Männer schweifen. »Ich weiß nicht, ob die Nachricht von den Zuständen in Caerleon bereits bis nach Eburacum vorgedrungen sind, deshalb werde ich kurz berichten.« Er schilderte, was geschehen war, ohne seine eigene Rolle in diesem Spiel zu erwähnen. »Die Silurer machen uns für den Tod des Mädchens verantwortlich. Sie sind bereit, sofort zu den Waffen zu greifen, sobald Connor den Befehl dazu gibt!«

»Bei Mithras!« entfuhr es Marcus Brennius. »Das bedeutet Krieg!«

»Ganz recht, das bedeutet Krieg! Krieg gegen einen Stamm, der dem Göttlichen Vespasian bereits als befriedet und ihm treu ergeben gemeldet wurde!« Die Männer schwiegen betroffen. Jeder wußte, daß der Kaiser wenig Geduld und Verständnis für Rückschläge aufbrachte. »Aber noch ist es nicht soweit!«

»Was hält die Silurer davon ab, zu kämpfen?«

Frontinus blieb stehen. Angesichts der ernsten Lage wirkte er überraschend zuversichtlich.

»Ein Glücksfall, Lactimus! Ein Geschenk, das uns die Götter vor zwei Jahren machten, als sie mir Connors Sohn Duncan als Geisel in die Hände spielten! Ich habe gedroht, ihn hinrichten zu lassen, falls die Silurer sich nicht friedlich verhalten. Connor wird aus Angst um ihn keinen Angriff unternehmen. Solange dem Jungen nichts geschieht, herrscht auch Ruhe in Caerleon!« Frontinus ballte die rechte Hand zur Faust. »Doch das reicht mir nicht. Ich will die Silurer ganz auf unsere Seite ziehen, sie sollen treu ergebene Untertanen werden. Dabei kann uns Duncan helfen. Wenn es uns gelingt, aus ihm einen römischen Bürger zu machen, haben wir den Stamm gewonnen!«

»Das ist unmöglich! Er ist eigensinnig und haßt die Römer!«

»Natürlich würde er sich dagegen wehren, wenn ihm römische Bildung und Lebensart aufgezwungen würden. Aber Duncan ist ein Fürst! Warum also soll ihm diese Position verwehrt sein? Er soll sich in Eburacum ohne Bewachung frei bewegen dürfen und für die Belange seiner Landsleute sprechen. Dafür muß er natürlich erst unsere Sprache beherrschen, vielleicht sogar lesen und schreiben lernen. Es wäre günstig, wenn ein anderer Kelte Duncan unterrichtet. Wißt Ihr einen Mann, der für diese Aufgabe in Frage kommt?«

»Mein Diener Ceallach beherrscht die römische Sprache, auch in der Schrift.«

»Ein guter Gedanke, Brennius. Ist er zuverlässig?«

»Ja. Er trägt die Toga!«

»Verzeiht, wenn ich Einwände erhebe!« Lactimus verbarg mühsam seine aufkeimende Nervosität. Er hatte das Gefühl, daß der Plan des Statthalters nichts Gutes für ihn bedeutete. »Aber Ihr seid oft abwesend, daher kennt Ihr Duncan nicht so gut wie wir. Er ist ungehorsam und rebellisch. Ich halte es für gefährlich, ihm mehr Freiheit einzuräumen!«

Frontinus hob mißbilligend die Augenbrauen.

»Ich kenne diesen Burschen und bin nicht so einfältig, zu glauben, daß ein wenig Freiheit seinen Haß gegen uns besänftigen könnte. Doch was die Peitsche bisher nicht erreicht hat, könnte einer jungen, schönen Römerin gelingen!« Frontinus ging wieder durch den Raum. »Sobald Duncan unsere Sprache beherrscht, wird eine Frau ihm unsere Art zu leben zeigen. Duncan wird Umgang mit Römern haben, er wird in die Thermen gehen, unsere Speisen essen und Werke römischer Poeten hören.« Der Statthalter lächelte. »Glaubt mir, der Junge wird nicht merken, daß er allmählich seine barbarischen Gewohnheiten ablegt und ein zivilisierter Römer wird!« Frontinus blieb stehen und drehte sich zu den anderen Männern um. »Nur eine Frau wie zum Beispiel Cornelia Vergilia kann diesen Wilden zähmen!«

»Cornelia?!« schrie Vergilius, der mit einem Schlag nüchtern zu sein schien. »Ihr sprecht von meiner Tochter!«

»Ja. Sie ist schön, sie ist klug, und sie ist eine ungebundene Witwe!« Frontinus verschränkte die Arme hinter seinem Rükken und wippte auf den Zehenspitzen. »Der Silurer wird ihr nicht widerstehen können. Und sobald er unsere Lebensart angenommen hat, erhält er das römische Bürgerrecht und kehrt zu seinem Stamm zurück, um dort als Fürst in unserem Sinne zu herrschen. Noch Fragen?«

Auffordernd blickte der Statthalter in die Runde. Brennius schüttelte den Kopf, Lactimus war vor Zorn sprachlos, und Vergilius wich dem forschenden Blick des Feldherrn aus. Zufrieden nickte Frontinus.

»Gut, Ihr seid also einverstanden! Von diesem Tag an haben die Soldaten seinen Befehlen Gehorsam zu leisten, als wäre er ein römischer Offizier. Jede Art von Züchtigung ist bei Strafe verboten! Das gilt natürlich nicht, wenn ihm Verrat nachgewiesen werden sollte. In diesem Fall wird er behandelt wie jeder Gefangene! Aber«, Frontinus lächelte siegesgewiß, »dazu wird es nicht kommen!«

Das werden wir noch sehen! dachte Lactimus voller Haß und ballte die Hände zu Fäusten, so daß sich seine Fingernägel tief in die Handflächen gruben.

»Wann soll Euer Plan in die Tat umgesetzt werden?«

»Sobald wie möglich, Brennius. Jeder Tag ist kostbar, denn die Situation in Caerleon ist äußerst gespannt. Je früher Duncan sein Haar kürzt und die Toga trägt, um so besser! Nehmt ihm noch heute die Ketten ab!«

Mit einem Wink entließ Frontinus die drei Männer. Mit langen, ungestümen Schritten verließ Lactimus den Raum. Blut quoll aus seinen geballten Fäusten. Brennius, der sich fühlte, als hätte er soeben einen glorreichen Sieg errungen, bemerkte die Blutstropfen auf dem Boden mit einem spöttischen Lächeln. Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf Vergilius. Der schmächtige Mann war leichenblaß und schien sich kaum auf den Beinen halten zu können. Wie im Fieber bewegten sich seine trockenen Lippen und murmelten immer wieder die gleichen Worte.

»Octavia wird nicht einverstanden sein. Ihr wird dieser Plan gar nicht gefallen!«

Die Nacht war kühl und klar. Tief atmete Duncan die frische Luft ein. Es war das erste Mal seit seiner Gefangennahme, daß er sich ohne Ketten in Eburacum bewegen durfte. Es war das erste Mal, daß keine Soldaten seine Schritte bewachten. Das Geräusch seiner Stiefel auf den Pflastersteinen hallte von den Wänden der Häuser wider. Die Stadt schien zu dieser Stunde verlassen zu sein. Nur manchmal störte das Bellen eines Hundes die Stille. Duncan hatte den Abend bei Ceallach verbracht, und nachdem er sich von dem Druiden verabschiedet hatte, durchstreifte er die Stadt. Er wußte, daß Dougal sich Sorgen um ihn machen würde und Cornelia vergeblich auf ihn wartete. Doch nach allem, was ihm Ceallach erzählt hatte, verspürte Duncan das dringende Bedürfnis, allein zu sein. Der brennende Schmerz in seiner Seele verlangte nach Einsamkeit, und nicht einmal Cornelias Nähe hätte ihn zu lindern vermocht.

Duncan fühlte sich so müde und kraftlos, daß er sich in einer schmalen Gasse auf dem Pflaster niederließ. Er lehnte sich gegen die kalte Mauer eines Hauses und blickte zum nächtlichen Himmel empor. Diese Sterne schienen auch über seinem Dorf, über dem Haus seines Vaters, dem Grab seiner Schwester ... Ceallach sprach von Widerstand. Aber wozu sollte er noch kämpfen, wo seine Familie tot war? Worin bestand der Sinn, wenn man ihm bereits alles genommen hatte? Duncan nahm den Gegenstand, den er aus dem Haus von Marcus Brennius entwendet hatte, und betrachtete ihn. Es war ein Dolch, wie er zum Säubern von Fischen verwendet wurde, kaum größer als seine Handfläche. Die Waffe wirkte fast wie ein Spielzeug, doch die Klinge war von tödlicher Schärfe. Er würde nicht einmal starke Schmerzen empfinden, wenn er sich die Adern öffnete. Ruhig entblößte Duncan seine Arme. Nur noch ein schneller Stich am Handgelenk trennte ihm vom Tod, von seiner Mutter, von Nuala, von Alawn ...

Duncan setzte das Messer an, als ein leichter Wind durch sein langes Haar wehte. Er sah auf und spürte Alawns Anwesenheit. Beinahe zärtlich strich der Wind über seine feuchten Wangen, trocknete seine Tränen, und plötzlich wußte Duncan, daß sein Freund nicht allein zu ihm kam.

»Nuala!« sagte er leise und lächelte. »Du bist bei ihm! Jetzt kann euch niemand mehr trennen!« Duncan erhob sich, seine Müdigkeit war verflogen. »Ich hatte unrecht, beinahe hätte ich aufgegeben. Doch das soll nie wieder geschehen. Das schwöre ich bei allen Göttern!« Der Wind wurde immer heftiger. Und je stärker ihm der Wind ins Gesicht blies, um so mehr wurde Duncan von Zuversicht erfüllt. Er sah lächelnd auf den Dolch in seiner Hand. »Diesen Kampf haben die Römer verloren!«

Als Duncan zum Verlies zurückkehrte, brach die Morgendämmerung an.

Am folgenden Tag begab sich Gaius Lactimus zur achten Stunde in das Haus der Familie des Vergilius. Ein alter Diener öffnete auf sein Klopfen die Tür. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat Gaius in die Halle.

»Ich muß unbedingt mit Octavia Julia sprechen!«

»Aber die Herrin ist zur Zeit unabkömmlich!«

»Dann sag ihr, daß die Angelegenheit äußerst wichtig ist!«

Der Diener, eingeschüchtert durch die laute, vor Ungeduld bebende Stimme des Offiziers, verbeugte sich ergeben und führte ihn in das neben dem Bad befindliche Ruhezimmer.

Octavia saß zurückgelehnt in einem bequemen Sessel, ihr Kopf lag auf einer gepolsterten Stütze. Eine Sklavin war um sie bemüht und zupfte ihr die dunklen Augenbrauen zu einer feingeschwungenen Linie. Als sie Gaius bemerkte, hob Octavia ihren Kopf.

»Was wollt Ihr, Gaius?« Sie lehnte sich wieder zurück, obwohl die Sklavin bereits fertig war. »Bereite mir nun eine Gesichtsmaske!«

»Aber, Herrin, das ist heute bereits die dritte!«

Octavia fuhr wütend auf.

»Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt?«

Das Mädchen wich erschrocken zurück. Octavia schien ausgesprochen schlechter Laune zu sein. Dem ängstlichen Ausdruck in den Augen der jungen Dienerin und den roten Striemen auf ihren bloßen Armen nach zu urteilen, dauerte dieser Zustand bereits den ganzen Tag. Gehorsam rührte das Mädchen aus Mehl und Stutenmilch einen weißen Brei an, und Octavia lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück.

»Frontinus hat sehr merkwürdige Pläne, die den Silurer und Eure Tochter betreffen.«

»Ich weiß. Claudius hat mir bereits davon berichtet.«

»Was haltet Ihr von den Plänen, Octavia?«

»Frontinus ist ein Narr! Was er vorhat, ist ein Skandal!« Ihre Stimme bebte vor Zorn.

»Ihr habt recht. Dabei merkt dieser Narr noch nicht einmal, daß er dem silurischen Bastard genau in die Hände spielt.«

Octavia richtete sich auf. Ihr Gesicht war mit dem weißen Brei bedeckt, der nur die Augen frei ließ. Dämonisch funkelten diese aus der weißen Maske hervor.

»Ihr seid nicht unbeteiligt, Gaius!« Octavias Stimme glich dem Zischen einer Schlange. »Nicht allein, daß Ihr viel zu lange gewartet habt, mich aus Aquae Sulis zurückzuholen. Ihr habt nichts getan, um Frontinus umzustimmen! Ebenso wie Claudius habt Ihr nur dagestanden und zugesehen, wie er unsere Pläne durchkreuzt hat!«

»Was hätte ich denn tun sollen?« fauchte Gaius. »Frontinus ist der Statthalter, und sein Befehl gilt!«

Octavia schnaubte verächtlich.

»Es wären nur etwas Verstand und ein wenig Mut notwendig gewesen!« Sie machte eine ärgerliche Geste. »Aber die Würfel sind gefallen. Deshalb müssen wir uns darum kümmern, wie wir trotz dieser ärgerlichen Situation unsere Interessen wahren können. Es wird Zeit, daß Ihr diesen Duncan ausschaltet!«

»Frontinus hat den Soldaten sogar die Züchtigung dieses Bastards bei Strafe verboten. Kein Soldat wird Hand an ihn legen!«

Octavia lächelte mitleidig.

»Wo bleibt nur Euer Verstand! Häuser können einstürzen oder in Flammen aufgehen – ich spreche von einem Unfall!« Sie beugte sich vor. »Ich will daß dieser blonde Silurer seine Reise zur Unterwelt antritt, je eher, desto besser! Laßt Euch etwas einfallen!« Octavia erhob sich und trat an den Offizier heran. Ihre langen Fingernägel gruben sich schmerzhaft in seine Schultern, während sie mit lockender Stimme in sein Ohr flüsterte: »Wenn Ihr mein Schwiegersohn werden wollt, werdet Ihr einen Weg finden, meine kleine Bitte zu erfüllen. Sonst muß ich mich nach einem würdigeren Ehemann für Cornelia umsehen!«

Gaius biß die Zähne zusammen, um seinen aufkeimenden Zorn zu unterdrücken.

»Wir haben bereits eine Abmachung getroffen, Octavia!«

»Verträge können unter Umständen ihre Gültigkeit verlieren, Gaius, es liegt allein bei Euch!« Sie lächelte boshaft. »Sorgt dafür, daß der Silurer stirbt, und Cornelias Hand gehört Euch!«

»Bei Mithras, das verspreche ich!«

»Seht Ihr, das ist die Antwort eines klugen Mannes!«

Octavia küßte ihn, und der Offizier erschauerte. Noch Stunden danach glaubte er, die kühlen, gefühllosen Lippen auf seiner Wange zu spüren.

Die letzten Söhne der Freiheit

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