Читать книгу Seewölfe Paket 34 - Fred McMason - Страница 48

4.

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„Deck!“ Der Ruf Bills aus dem Ausguck ließ die Arwenacks aufhorchen. „Steuerbord voraus treibt etwas im Wasser. Es könnte sich um ein Wrackteil handeln.“

„Wrackteile sind kein gutes Omen“, murmelte Old O’Flynn.

Er war inzwischen zum Achterdeck auf geentert, und sein zerfurchtes Gesicht ließ nach wie vor erkennen, daß er wegen des Pfeifens von Sir John absolut nichts Gutes erwartete.

Hasard lächelte, als er die finsteren Blicke des Alten sah.

„Du solltest nicht gleich den Teufel an die Wand malen, Donegal. Bis jetzt wissen wir nicht mal, ob Bill wirklich ein Wrackteil gesichtet hat. Selbst wenn es so sein sollte, wäre das ja wohl nichts Außergewöhnliches, nicht wahr? Die Erfahrung hat uns bisher leider gezeigt, daß hier genauso oft die Fetzen fliegen wie in anderen Gewässern.“

Eine ergänzende Meldung Bills ließ nicht lange auf sich warten.

„Deck!“ tönte es aus dem Ausguck. „Wahrscheinlich sind es Schiffsbrüchige. Ich sehe eine Gräting, auf der zwei Gestalten liegen. Sie klammern sich offenbar daran fest.“

„Auch das noch“, grummelte Old Donegal. „So was bedeutet immer, daß ungebetener Besuch an Bord erscheint. Weiß der Kuckuck, was wir uns da wieder einhandeln.“

Hasard schüttelte den Kopf. „Dir scheint heute wirklich eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. Ich jedenfalls möchte das trockene Plätzchen auf dem Achterdeck unserer Schebecke nicht gerade mit einer im Wasser treibenden Gräting vertauschen.“

„Ich auch nicht“, pflichtete ihm Ben Brighton bei. „Außerdem wird unser verehrter Mister O’Flynn ja wohl nicht behaupten wollen, Sir John habe die Gräting samt den Schiffbrüchigen herbeigepfiffen. Mir sind Schiffbrüchige jedenfalls lieber als ein Sturm.“

Old Donegals Gesicht verzog sich jetzt tatsächlich zu einem Lächeln. Doch es war ein Lächeln, das die Überlegenheit der Wissenden über die Unwissenden zum Ausdruck brachte.

„Warum muß es eigentlich immer ein Sturm sein? Pfeifen auf hoher See ruft Sturm und Unglück herbei. Manchmal kommt das Unglück eben allein. Woher, zum Beispiel, willst du, Mister Brighton, wissen, ob wir uns mit den Schiffbrüchigen nicht vielleicht Unglück an Bord holen?“

„Das weiß niemand im voraus, Donegal“, sagte der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton fuchtig. „Im Augenblick weiß ich nur, daß du mir mit deiner ständigen Schwarzmalerei auf den Geist gehst. Und wenn du uns jetzt noch weiter nervst, spitze ich zusammen mit Hasard die Lippen, und wir pfeifen im Duett.“

Old Donegal wich einen Schritt zurück – als habe ihm jemand das leibhaftige Erscheinen des Bösen angekündigt.

„Ben hat recht“, fügte zu allem Überfluß noch der Seewolf hinzu. „Wenn es sein muß, pfeife ich mit. Ich bin schließlich auch nicht abergläubisch. Außerdem sollten wir uns jetzt besser um die Schiffsbrüchigen kümmern.“

Das war zuviel für Old Donegal.

Er vollführte eine abrupte Kehrtwendung und stakte auf den Backbordniedergang zu. Dabei brummelte er etwas von geheimnisvollen Dingen zwischen Himmel und Erde, die nur jene begreifen könnten, die auch den nötigen Grips im Kopf hätten. Außerdem sei er nicht für kommendes Unheil verantwortlich, er habe ja schließlich nicht gepfiffen. Da würde er schon lieber den Wundbrand am Hintern kriegen, als die Lippen zu solch schändlichem Treiben zu spitzen.

Hasard und Ben grinsten hinter ihm her.

Wenig später wurden auf Befehl des Seewolfs die Segel ins Gei gehängt und ein Boot abgefiert. Edwin Carberry und sechs weitere Männer gingen an Bord und trieben es mit kräftigen Riemenschlägen auf die Schiffbrüchigen zu.

Die beiden Männer, die bäuchlings auf der Gräting lagen, waren nicht nur völlig durchnäßt, sondern schienen auch ziemlich entkräftet zu sein. Einer von ihnen löste von Zeit zu Zeit eine Hand und versuchte überflüssigerweise zu winken.

Der Seewolf und Ben Brighton verfolgten die Rettungsaktion vom Achterdeck aus.

„Wenn mich nicht alles täuscht, gehörten die Männer zur Schiffsführung“, sagte Hasard. „Wie gewöhnliche Decksleute sind sie nicht gekleidet. Das kann man auch bei diesem Zustand ihrer Kleidung erkennen.“

Seine Vermutung sollte sich schon bald bestätigen.

Der Profos und seine Mannen zogen die Gräting mit einem Haken an das Boot heran und hievten die beiden schlaffen Körper über das Dollbord ins Trockene.

Einer von ihnen war von kräftiger, untersetzter Gestalt, der andere war eher spindeldürr und hatte ein auffallend schmales und knochiges Gesicht.

„Danke, Senhores, der Himmel möge Ihnen diese gute Tat vergelten“, flüsterte der Untersetzte mit schwacher Stimme.

Carberry verdrehte die Augen. „Dons. Auch das noch!“

„Das war Portugiesisch“, erklärte Sam Roskill.

„Na und?“ Der Profos rieb sich das Kinn. „Ob Dons oder Halb-Dons – sie stammen alle aus derselben Ecke. Zur Zeit werden sie sogar vom selben König regiert. Aber was soll’s. Als tugendhafte Christenmenschen werden wir die Senhores schon wieder auf die Beine bringen.“

Kurze Zeit danach lieferten er und seine Mannen die beiden Portugiesen an Bord der Schebecke ab. Dort wurden sie zunächst dem Kutscher übergeben, der sie in die Krankenkammer bringen ließ.

„Wenn sich die Zahl der Patienten noch weiter erhöht, werden wir wohl doch noch ein Hospital eröffnen müssen“, meinte der Feldscher grinsend.

Eine längere Behandlung schien jedoch nicht notwendig zu sein, denn der Kutscher meldete sich bereits nach dem nächsten Glasen bei Hasard auf dem Achterdeck.

„Wie geht es den Senhores?“ Die eisblauen Augen des Seewolfs waren abwartend auf den Feldscher gerichtet.

„Sie erholen sich schnell“, lautete die Antwort. „Zum Glück haben sie keinerlei Verletzungen. Außerdem trieben sie erst seit den frühen Morgenstunden mit der Gräting im Wasser. Meiner Meinung nach werden sie rasch wieder auf den Beinen sein. Ich habe zunächst jedem zur besseren Blutzirkulation eine Einreibung verpaßt und für trockene Kleidung gesorgt. Zur Zeit trinken sie heißen Tee mit einem kräftigen Schuß Rum, das weckt die Lebensgeister. Sie möchten unbedingt mit dir reden, Sir.“

„Dem steht von meiner Seite aus nichts im Wege“, erwiderte Hasard. Er übergab Ben das Kommando und folgte dem Kutscher zur Krankenkammer.

Dort saßen die beiden Schiffbrüchigen in trockenen, aber viel zu weiten Hemden und Hosen auf einer Bank, schlürften heißen Tee und musterten den über sechs Fuß großen, breitschultrigen Mann, der sich als Kapitän der Schebecke vorstellte, mit unverhohlener Neugierde. Dabei warf der Schein der Tranlampe, die mitten im Raum hing, bizarre Schatten auf ihre Gesichter.

„Ich freue mich, daß Sie sich einigermaßen wohl fühlen, Senhores“, sagte Hasard in einwandfreiem Portugiesisch. „Wir haben einen ausgezeichneten Feldscher, er wird sich gründlich um Sie kümmern.“

„Wir sind Ihnen und Ihren Männern zu großem Dank verpflichtet, Senhor“, erwiderte der Untersetzte. „Wir hätten gewiß nicht überlebt, wenn Sie uns nicht zufällig begegnet wären. Gestatten Sie, daß wir uns vorstellen.“ Der Mann versuchte mühsam, aufzustehen.

„Aber nicht doch, bleiben Sie ruhig sitzen“, sagte Hasard und beförderte ihn mit einem sanften Händedruck auf die Schulter auf seinen Platz zurück. „Wir legen hier keinen besonderen Wert auf Förmlichkeiten.“

„Ich danke Ihnen, Senhor“, fuhr der Untersetzte fort. „Nun, mein Name ist Miguel de Pereira. Ich bin der rechtmäßige Kapitän der portugiesischen Handelsgaleone ‚Madre de Deus‘, und dieser Mann hier“, er deutete zu dem Dürren mit dem knochigen Gesicht, „ist Rafael Cegos, mein Erster Offizier. Leider sind wir Opfer einer Meuterei geworden.“

„So etwas Ähnliches dachte ich mir bereits, als Sie sich als der ‚rechtmäßige‘ Kapitän bezeichneten“, sagte der Seewolf.

„Leider habe ich zu spät bemerkt, welches Komplott da heimlich gegen mich vorbereitet wurde“, fuhr de Pereira fort, „sonst hätte ich entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet. So aber wurden wir völlig überrascht. Ein Teil der Besatzung scharte sich um einen Aufrührer namens Jorge Alameda. Er ist der Schiffszimmermann und verfolgt wohl, Gott sei’s geklagt, das schändliche Ziel, die ‚Madre de Deus‘ in ein Piratenschiff zu verwandeln. Alle meine Versuche, die Männer zur Vernunft zu bringen, scheiterten. Diejenigen, die mir im Kampf gegen die Meuterer treu zur Seite standen, wurden erbarmungslos ermordet. Senhor Cegos und mir hatte man wohl einen besonders langsamen und qualvollen Tod zugedacht. Man band mich auf eine Gräting und stieß sie über Bord. Senhor Cegos wurde hinterhergeworfen und konnte nur mit äußerster Mühe die Gräting schwimmend erreichen. Das war unser beider Glück, denn er konnte mich mit einem kleinen Messer, das ich stets im rechten Stiefelschaft mit mir führte, von meinen Fesseln befreien. Nun, Senhor – der Rest des tragischen Geschehens ist Ihnen bekannt.“

Hasard nickte. „Nun, um diese Situation sind Sie bestimmt nicht zu beneiden. Der Verlust des Schiffes und womöglich seiner Ladung mag Sie hart treffen, dennoch haben Sie großes Glück im Unglück gehabt …“

„Ich werde der Madonna auf den Knien dafür danken, daß wir Ihrem Schiff begegnet sind“, unterbrach de Pereira. „Und auch Ihnen gegenüber werde ich mich erkenntlich zeigen, sobald ich dazu wieder in der Lage bin. Sie sind Engländer, Senhor, und da Engländer und Portugiesen – gerade hier in Asien – leider nicht besonders gut aufeinander zu sprechen sind, rechne ich Ihnen diesen selbstlosen Akt der Hilfe um so höher an. Erlauben Sie mir noch, daß ich meine Bewunderung darüber zum Ausdruck bringe, wie gut Sie unsere Sprache beherrschen.“

„Man kommt eben ein bißchen in der Welt herum und lernt überall etwas dazu“, sagte Hasard. „Was unsere Hilfe betrifft, so erwarte ich dafür keinerlei Entschädigung. Für uns war das völlig selbstverständlich. Sie haben sich bedankt, und damit ist die Sache erledigt. Sollte ich einmal mit meinen Leuten in Bedrängnis geraten und Sie sehen eine Möglichkeit, uns zu helfen, dann nehme ich Ihre Hilfe ebenso dankbar an.“

„Das ist eine sehr lobenswerte Einstellung, Senhor.“ Man sah de Pereira an, daß er seiner schmeichelhaften Bemerkung am liebsten einen Kratzfuß hinzugefügt hätte. Natürlich nur, um seine Person in ein angenehmes Licht zu rücken.

Der Seewolf winkte ab. „Lassen wir das. Ich mag kein Lob für Selbstverständlichkeiten. Reden wir lieber über Ihre Zukunft, Senhor de Pereira. Wie ich bereits erwähnte, sind wir ebenfalls Kauffahrer und befinden uns auf der Reise nach Bombay. Ich schlage deshalb vor, daß Sie und Senhor Cegos uns bis dorthin als Gäste begleiten. In Bombay dürfte es kein Problem für Sie sein, auf einem portugiesischen Schiff weitere Hilfe zu erhalten.“

„Das ist ein sehr guter Vorschlag, Senhor. Ich stimme ihm gern zu. Vielleicht kann ich sogar mit Hilfe meiner Landsleute die ‚Madre de Deus‘ finden und die Meuterer ihrer gerechneten Strafe zuführen, noch bevor diese Bande das ehrbare Handelsschiff zu einem Piratenschiff umfunktioniert. Glauben Sie mir, Senhor, mir bricht es fast das Herz, wenn ich nur an so etwas denke.“

Miguel de Pereira bekräftigte seine Worte mit einem scheinheiligen Augenaufschlag, und Rafael Cegos deutete mit einem eifrigen Nicken an, daß er der gleichen ehrenhaften Meinung sei. Über die einträglichen „Nebengeschäfte“, denen die „Madre de Deus“ bereits seit einiger Zeit unter ihrer Führung nachgegangen war, verloren die beiden Ehrenmänner natürlich kein Wort.

Hasard schickte sich an, die Krankenkammer zu verlassen. Am Schott angelangt, drehte er sich noch einmal um.

„Ich hoffe, Sie sind bis zum Backen und Banken wieder einigermaßen bei Kräften. Eine warme Mahlzeit wird Ihnen guttun.“

Die Portugiesen bedankten sich überschwenglich.

Als Hasard kurz danach auf das Achterdeck zurückkehrte, sah ihn Ben Brighton lächelnd an.

„Na, haben die Senhores ihre Herzen ausgeschüttet?“

„Das kann man wohl sagen“, entgegnete Hasard und berichtete in knappen Sätzen von den Vorgängen auf der „Madre de Deus“. „Die Geschichte, die die beiden erzählt haben“, fügte er noch hinzu, „mag in groben Zügen stimmen. Nur die ehrenwerten Senhores selber sind mir – zumindest im Hinblick auf die Art, in der sie auftreten – um einige Grade zu schmierig.“

Seewölfe Paket 34

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