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Ausbildungsförderung als Bestandteil deutscher Schifffahrtsförderung – was bringt sie?

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Fakt ist auch, dass der Wettbewerb in den Fragen der fachlichen Qualifizierung der Besatzungen, hier vor allem der Offiziere/ Ingenieure und Kapitäne eine andere Wertigkeit in der Kostenbetrachtung haben muss. Grundsätzlich vertritt der Autor die Auffassung, dass Kapitäne, Offiziere und Ingenieure und alle anderen Dienstgradgruppen die bestmögliche und nicht minimal nötige Qualifizierung für ihre Tätigkeit an Bord erhalten müssen, denn die Ansprüche steigen von Jahr zu Jahr. Es muss die Forderung bestehen, dass eine erstklassige Qualifikation auf einem ansprechenden Allgemeinbildungsniveau in Naturwissenschaften und natürlich fachspezifischen Kenntnissen basiert, dass sich nicht nur auf Bedienerniveau befinden darf. Die erlebte Praxis zeigt das genaue Gegenteil, naturwissenschaftliche Kenntnisse sind oftmals nur noch fragmentarisch existent. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich Bediener oder Anwender bin, letzterer setzt spezifische technische Kenntnisse voraus. Nur über eine niveauvolle vielseitige Hochschulausbildung für Offiziere, Ingenieure und Kapitäne ist dies zu realisieren, die in einem Diplom Ingenieur oder M Sc. /Eng. münden sollte. Es ist dem Autor klar, dass er sich mit dieser Auffassung auch auf Kollisionskurs mit STCW 95 und Manila 2010 befindet. Doch Fakten und Hintergrundwissen, technisches Verständnis und anwendungsbereite Kenntnisse sind in der heutigen Seeschifffahrt, bei der mehr und mehr komplexen und technisch raffinierteren Ausrüstung auf den Schiffen und dem zunehmenden Einfluss von IT und digitalisierten Verfahren unabdingbar. Und sie können ein nicht zu vernachlässigender positiver Kostenfaktor in Fragen der Wartung, Instandhaltung, Reparatur technischer Systeme an Bord sein. Reine Bedienerlehrgänge für technische Systeme an Bord, wie in STCW 95 und in der Ergänzung Manila 2010 gefordert, sind da aus Sicht des Autors eine hilfreiche Variante, aber als alleinige Ausbildungsausrichtung kontraproduktiv. Die Auffassung des Autors ist nichts anderes, als die Widerspiegelung, der in mehr als 30 Jahren an Bord von Schiffen erworbenen Erfahrungen.

Es ist Tatsache, dass eine Ausbildungskosten reduzierende sogenannte 2-jährige Fachschulausbildung, wie in Deutschland hofiert wird, eben nicht dazu befähigt eine allumfassende Ausbildung zu erhalten, die unter den heutigen Bedingungen an Bord für Nautische Offiziere und Technische Ingenieure dringend erforderlich wäre. Da helfen auch die immer wieder ins Spiel gebrachte Schiffsmechanikerausbildung und der sogenannte Nautische Offiziersassistent nicht weiter. Es wird immer angeführt von den deutschen maritimen Bildungseinrichtungen, dass für Schiffsingenieure eine praxisbezogene Bordausbildung unabdingbar ist. Deswegen wurde das Praktikantenmodell für Ingenieure von diesen auch abgelehnt. Da stimmt der Autor ohne Einschränkungen zu. Allerdings stellt sich die Frage: Wieso wird auf praxisbezogene Bordausbildung bei Nautikern nicht so klar und unmissverständlich Wert gelegt? Und warum wird der Nautische Offizierspraktikant etabliert? Nautische Offiziere sind die künftigen Kapitäne. Und wenn es sich bei den verantwortlichen Gremien, zuständig für die Ausbildungsprofile an den deutschen maritimen Bildungseinrichtungen noch nicht herumgesprochen hat, also auch bei VDR und Ver.di. Die Verantwortung eines Kapitäns, ist mit der eines Chief Ingenieurs absolut nicht zu vergleichen. Auch wenn manche Lehrstuhlinhaber der ingenieurtechnischen Bereiche an maritimen Fach-und Hochschulen das etwas differenzierter sehen, um es höflich zu umschreiben. Das Rüstzeug für einen Kapitän setzt ein Vielfaches mehr voraus, als nur von A nach B zu fahren, nämlich ein äußerst umfangreiches vielseitiges naturwissenschaftliches, nautisch-technisches und rechtliches Wissen in den verschiedensten Bereichen, was es ihm ermöglicht die Entscheidungen zu treffen, die ihm durch nationale und internationale verbindliche Rechtsvorschriften an die Hand gegeben werden. Mit einem Schnellen Brüter kommt man da nicht weiter, da ist Solidität gefragt. Das hat nichts mit Überbewertung des Nautikers zu tun, sondern mit den realistischen Management-Gegebenheiten und dem dafür unbedingt notwendigen Durchsetzungsvermögen, auch im Notfall gegenüber der eigenen Reederei. Entscheidungskompetenz und Durchsetzungsvermögen setzt WISSEN voraus. Also die Fähigkeit Entscheidungen auf Basis fachlicher und sachlicher Analysen zu treffen, die bereichsübergreifend getroffen werden. In diese Position und Situation werden Schiffsingenieure nie kommen, was keineswegs ihre fachliche Qualifikation schmälern soll. Die ist zweifellos sehr gut.

Ein hohes Ausbildungsniveau in der maritimen Ausbildung ist allein schon den permanenten Änderungen und Neuregelungen in der internationalen Schifffahrt geschuldet, die sich besonders in den Umweltstandards dokumentieren. Alle Versuche etwas anderes hinein zu deuten, bedeutet die bestehenden Realitäten zu verniedlichen und den internationalen Anforderungen nicht Rechnung zu tragen. Eine 2-jährige Fachschulausbildung dann auch noch in Deutschland als Ingenieursausbildung zu titulieren ist die Krone bildungspolitischer Mittelmäßigkeit. Ausgerufen durch die verantwortlichen maritimen Bildungskünstler, also genau jenen „Fachleuten“, die die Einführung der STCW 95 (Standards for Training, Watchkeeping and Certification 1995) vehement befürworteten, obwohl die berufsständischen Verbände der Einführung von STCW 95 äußerst skeptisch gegenüber standen. Aus deren fachlicher Sicht allzu verständlich. Jene politischen „Experten“, die es ermöglicht haben, dass hohe fachliche Qualifikationsstandards, wie in etlichen europäischen Staaten vorhanden waren, abgesenkt werden mussten, um den 3. Weltseefahrernationen entgegen zu kommen, hatten überhaupt nicht begriffen, welche Auswirkungen dies für Europa haben wird. Ein Schelm wer Böses denkt.

2 Jahre Fachschulausbildung in der Seefahrt. Ein ganz schlechter Witz, bei der Komplexität der Berufsbilder an Bord. Da müssen im Hotelgewerbe schon mehr Jahre an Berufsschulausbildung, die nichts anderes als eine Fachschulausbildung ist, eingebracht werden, um ein Facharbeiterzeugnis zu erhalten.

Das inzwischen so viel beschworene E-Learning ist eine tolle Idee, aber eben nur zusätzliches Hilfsmittel. Abgesehen von den Entwicklungskosten der E-Learning Programme, die sich jedoch auch in Grenzen halten, wenn es auf eine große Flotte bezogen wird, eine PREISWERTE Alternative.

Durch einige Schifffahrtsunternehmen praktizierte, für neueingestellte Offizieren und Ingenieure entwickelte QHSE-Selbstfindungserfahrungen an Hand von vorgegebenen Prüfungstexten, die an Bord abgearbeitet werden müssen, dabei weder didaktische, noch methodische Logik erkennen lassen und sich auf Klippschulniveau begeben, was in einer Auswendiglerntherapie und Abschreibarbeit gipfelt, sind rein ausbildungstechnisch gesehen motivationsfeindlich und erfüllen nicht im Ansatz den gewünschten Effekt.

Kadettenprogramme gerade für Seeleute der 3. Welt, die alle angeblich eine maritime Collegeausbildung absolviert haben, haben dem Autor wiederholt gezeigt, dass sie nur bedingt praxistauglich sind und dabei wurde die Frage aufgeworfen, welche Bildungspläne an solchen Bildungseinrichtungen Standard sind. Hier bezieht sich der Autor besonders auf die nautische Collegeausbildung.

Interessant wird vor allem das Argument von Crew Managern, die sich dann aufplustern und vehement die Forcierung der Ausbildung an Bord zur Beseitigung bestehender Ausbildungs- und fachlicher Defizite der Kadetten durch Senior Offiziere/ Ingenieure und Kapitäne zur Chefsache erklären. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass Grundlage jeder praktischen Ausbildung an Bord, vorhandenes, an Bildungseinrichtungen erlangtes theoretisches Wissen ist. Oder anders formuliert, der Kadett der an Bord kommt, um sein praktisches Ausbildungsprogramm zu absolvieren, sollte schon eine fachliche Vorbildung aufweisen, die ihn dazu befähigt seine Praktikumsaufgabe zu erfüllen und zu wissen, um was es eigentlich an Bord geht. Die viele Jahre erlebte Kadettenausbildungspraxis an Bord darf mit berechtigter Kritik darauf hinweisen, dass Wunschdenken von Crewmanagern und vorherrschende Realität um Welten auseinanderliegen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Kadetten mit absolut unzureichenden Vorkenntnissen an Bord kommen. Es kann nicht die Aufgabe von Offizieren und Ingenieuren an Bord sein die Aufgabe der Bildungseinrichtungen zu erfüllen. Dazu ist schlicht das Aufgabenspektrum der Kapitäne/ Offiziere/ Ingenieure im Schiffsbetrieb an Bord zu umfangreich. Und es bildet die Hauptaufgabe der Tätigkeit an Bord. Das heißt jedoch nicht, dass Kadetten in ihren Praktikumseinsätzen an Bord durch das Führungspersonal an Bord ignoriert oder vernachlässigt werden. Absolut nicht, um eventuellen Missverständnissen zu begegnen. Die Praktikumsprogramme haben unter der Anleitung des erfahrenen Bordpersonals umgesetzt und auch überwacht zu werden. Aber nochmals, das Grundlagenwissen hat der Kadett mitzubringen, um es dann an Bord in praktische Fertigkeiten und zusätzlichen Erfahrungsgewinn umzusetzen. Erst dann ist eine wirklich effektive Praktikumszeit an Bord garantiert, die dem Kadetten auch wirklich weiterhilft in seiner Entwicklung. Der Autor hat als Senior Officer und Kapitän immer Kadettenprogramme im Interesse der Kadetten gefördert und unterstützt und damit klare Forderungen und Erwartungen an die Kadetten ausgegeben, die unmissverständlich auf Leistungsbereitschaft und den Willen maximalen Erkenntnisgewinn aus ihrem Bordpraktikum für ihre künftige berufliche Entwicklung zu erlangen, fußten.

Überall in der Ausbildung gibt es nur noch ein allgemein verbindliches Kriterium, es soll so wenig wie möglich kosten.

Aus der Sicht des Autors eine fatale Entwicklung und die trägt nicht dazu bei die Sicherheit zu erhöhen.

Wenn Kapitäne nachts auf die Brücke gehen, um ihren Junior-Offizieren sehr genau über die Schulter zu schauen, weil sie die Erfahrung machen durften, dass deren Interpretation von Wachdurchführung gemäß geltender Regeln eine fast grenzenlose Selbstüberschätzung und Auslegung erfährt und erhebliche Zweifel an ihre Fachkompetenz aufwirft, spätestens dann ist in diesem Ausbildungskonzept etwas falsch gelaufen. Was uns heut im internationalen Seeverkehr auf den Weltmeeren, in den Küstengewässern und Meerengen begegnet, was wir heut tagtäglich erleben, auch bei renommierten Reedereien bei Begegnungs-, Überhol-, Ausweichmanövern bei kreuzenden Kursen ist haarsträubend. Da bekommt der Begriff Geisterfahrer eine neue Dimension. Wenn das Fahren bei verminderter Sicht einem „Mensch Ärgere dich nicht“ Prinzip gleichkommt und Wachoffiziere im großen Stil nachweisen, dass sie nur sehr limitierte Kenntnisse geltender internationaler Kollisionsverhütungsvorschriften besitzen, von Anwendung wagt der Autor gar nicht zu sprechen, dann muss etwas am System falsch sein und bedarf schleunigst Korrekturen. Sie denken der Autor übertreibt maßlos in seinen Ausführungen? Nein – es ist eher noch eine Untertreibung und die wird noch absolut pervertiert durch die Vorgabe von Crew Agenturen, dass z. B. für die Anstellung von Kapitänen Alterslimitierungen bis 55 Lebensjahren vorgegeben werden. Eine neue Form der Diskriminierung. Dabei sind sie die Erfahrungsträger und in der Regel hervorragend ausgebildet, weil noch ALTE SCHULE.

Und erstklassige fachliche Qualifizierung kostet nun einmal ein wenig mehr. Vollkommen zu Recht. Der Autor gibt zu, das ist alles sehr hypothetisch und läuft an den derzeitigen vorherrschenden Marktbedingungen vorbei. Aber auch solche Gedanken sollten gedacht werden dürfen, denn ganz so abwegig sind sie nicht.

Und noch ein Gedanke muss ins Feld geführt werden, weil er auf ein Dilemma in der deutschen Seeschifffahrt hinweist. Die deutsche Ausbildungsförderung ist vom Grundsatz her eine begrüßenswerte Idee. Allerdings stellt sich die berechtigte Frage, wieso ausgerechnet die deutsche Seeschifffahrt mit Finanzhilfen für die Ausbildungsförderung per Gesetzgebung förmlich überhäuft wird, wo doch deutsche Reeder, Schiffeigner und Managementgesellschaften noch nicht einmal bereit sind dem maritimen Nachwuchs die Möglichkeit zu geben ihre Patente auf Schiffen unter deutscher Flagge auszufahren und die Schiffsmechaniker sogar nach Plänen des Bundesverkehrsministeriums komplett aus der Schiffsbesetzungsverordnung verschwinden sollen. Welche Motivation soll das Auslösen beim künftigen deutschen maritimen Nachwuchs?

Ebenso muss ganz konkret hinterfragt werden, wo eigentlich das Interesse der deutschen Seeschifffahrt in der Ausbildung des eigenen Nachwuchses liegt? Wo ist die Übernahme eigener Initiativen und Verantwortung durch die deutschen Schifffahrtsunternehmen, dem maritimen Nachwuchs aus eigenem Antrieb heraus bestmögliche Ausbildungsvoraussetzungen zu schaffen und nicht erst auf den großen Spendenhahn deutscher Steuerzahler zu warten? Immer mit der hinhaltenden Begründung man wäre in der internationalen Seeschifffahrt nicht konkurrenzfähig Es ist ein unumstößlicher Fakt, ohne, durch die von der Bundesregierung gewährte Ausbildungsförderungsrichtlinie für die deutsche Seeschifffahrt würde gar nichts in der deutschen maritimen Nachwuchsgewinnung und Ausbildung passieren. Das ist die Wahrheit.

Merkwürdigerweise zaubern deutsche Schifffahrtsunternehmen erhebliche finanzielle Mittel aus ihrem Hut, wenn es darum geht maritime Ausbildungsstätten in Asien aus dem Boden zu stampfen, um sich billiges Seepersonal heranzuzüchten, deren Ausbildungsstand sich an den Minimumerfordernissen von STCW 95/ Manila 2010 orientiert, mit denen dann deutschen und europäischen Seeleuten Konkurrenz gemacht wird,.

Um das ebenfalls in das rechte Licht zu rücken. Der Autor begrüßt die internationale Standardisierung in der maritimen Ausbildung. Sie ergibt Sinn, allerdings begrüßt er nicht die damit einhergehende Absenkung des Bildungsniveaus, weil es aus seiner Sicht der falsche Weg ist, wie weiter oben im Kapitel schon angesprochen wurde. Doch es muss noch einmal mit Nachdruck auf die Stellungnahme des VDR e.V. zu den Leitlinien der Europäischen Kommission von 2012 im vorangegangenen Kapitel verwiesen werden. Die genau zu diesem Punkt in ihrer Deutlichkeit nicht zu übertreffen ist und die Marschrichtung im maritimen Ausbildungszirkus vorgibt.

Wir müssen uns der Frage stellen, was das marktwirtschaftliche Regulativ Schifffahrtsförderung darstellt, wenn eine Branche darauf abzielt, dass ihr Überleben nur durch Subventionen und Steuererlässe gesichert ist. Zumindest nach deren Darstellung. Darin schließe ich ebenso die asiatischen Subventionsarten ein. Während Manager und Vorstände, nicht nur von Schifffahrtsunternehmen, gebetsmühlenhaft beten, dass sich die Politik aus der Wirtschaft herauszuhalten hat, fordern sie gleichzeitig permanent die Wirtschaft zu Lasten der einheimischen Steuerzahler zu subventionieren und Steuererlässe zu kreieren, die sie von der Steuerpflicht entbinden sollen. Was ist das für eine freie marktwirtschaftliche Konkurrenz, die nur durch den Subventionstropf am Leben erhalten wird? Freie Marktwirtschaft sieht auch nach wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis anders aus. Wo finden wir die soziale Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen und den Mitarbeitern?

Das erklärt auch die in Schifffahrtskreisen kursierende Feststellung, dass nicht mit der Seefahrt, sondern an der Seefahrt Geld verdient wird. Wie wahr!

Welche Auswirkungen solcherart Entwicklungen haben, bezogen auf die deutsche Seeschifffahrt und die Arbeitsstellen deutscher Seeleute an Bord von Schiffen in der internationalen Fahrt verdeutlicht das nachfolgende Beispiel der Ausflaggungen.

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