Читать книгу SOS - Deutsche Seeleute in Not - Fred Rockstroh - Страница 4
Wie sieht die deutsche Wirklichkeit in der deutschen Seeschifffahrt aus?
ОглавлениеWir erleben derzeit eine gnadenlose Verdrängung deutscher Seeleute aus ihrem Beruf zugunsten „billiger“ Seeleute aus der Dritten Welt (Sri Lanka, Indien, Bangladesch, Myanmar, Indonesien, Philippinen u.a.m.) und Osteuropa. Als Hauptargument der deutschen Schiffseigner und des Verbandes deutscher Reeder muss immer wieder herhalten:
Der deutsche Seemann ist im internationalen Vergleich in der Seeschifffahrt zu teuer!!!
Der ehemalige CFO der Reederei NSB GmbH & Co. KG Lutz Weber hatte das so erklärt:
„Der maritime Standort Deutschland bietet europäischen und deutschen Seeleuten leider keine Perspektive!“
„.... nicht gelungen ist den Förderrahmen für die deutsche Flagge auf ein Niveau zu bringen, das langfristig eine internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Beschäftigter auf See sicherstellt und das maritime Know-how am Standort Deutschland sichert.“
Quelle Zitat: Mr. Lutz Weber, CFO NSB GmbH & Co. KG - in “Deutsche Seeschifffahrt Januar/ Februar 2015– Journal of German Ship Owners Association”, page 14
Solche Aussagen dürfen als Armutszeugnis eines Unternehmensfinanzvorstandes bezeichnet werden. Was zweifellos auch die Frage nach seinem finanzwirtschaftlichen Sachverstand aufwirft und als eine schallende Ohrfeige für alle deutschen /EU Seeleute auf ISR registrierten Schiffen unter deutscher Flagge gewertet werden muss. Doch es wird noch etwas anderes ausgesagt. Deutsche Seeleute interessieren nicht. Es geht um das „große Ganze“, um europäische Beschäftigte auf See. Welche Auswirkungen das auf die Deutsche Flagge und die Beschäftigung deutscher Seeleute hat, soll mit diesem Buch aufgezeigt werden. Deutsche Seeleute waren gestern. Und es bedeutet nichts Geringeres, als die Ankündigung, das Maritime Bündnis zu Grabe zu tragen. Herr Weber, dieser, nicht nur ihrer Meinung, werden die nachfolgenden Ausführungen hoffentlich ausreichend Stoff zum Nachdenken bieten. Es soll ihnen verdeutlichen, dass ihre einseitige Reeder/ Schiffseigentümer gerichtete Sichtweise mit eine der Ursachen der heutigen Situation in der Seeschifffahrt ist. Sie belegt unverkennbar die unverfrorene Nehmermentalität der deutschen Schiffseigner. Abseits jeder sozialer Verantwortung.
Es geht dem Autor aber auch hierbei darum klarzustellen, dass alle jene deutschen Reeder und Schiffseigner, die sowohl zur Deutschen Flagge und damit der Beschäftigung deutscher Seeleute in ihren Unternehmen an Bord ihrer Schiffe stehen und sich damit ihrer unternehmerischen, gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung stellen, dazu aufzurufen in ihren Bestrebungen nicht nachzulassen die deutsche Flagge zu stärken, damit die Beschäftgung deutscher Seeleute auf der Basis der Schiffbesetzungsverordnung von 2013 zu forcieren. Es darf in dem Bestreben nicht nachgelassen werden, sich ganz bewusst dem deutschen Seemann und dem Erhalt des deutschen Schifffahrtsstandortes zu verschreiben, dem damit verbundenen international konkurrenzfähigen Erhalt maritimen Knowhows, sowie der unbestritten international hervorragenden fachlichen Qualifikation deutscher Seeleute das Vertrauen zu schenken und somit eine reale Chance zu geben.
Wir haben deutsche Pfunde, was sich zwar nationalistisch anhört, aber nicht im nationalistischen Sinne, sondern im nationalen Interesse gemeint ist, mit denen wir international wuchern können, eine erstklassige maritime Ausbildung, fachlich kompetente Offiziere/ Ingenieure und Kapitäne. Was der Autor aus eigener Erfahrung von den Kollegen der 3. Welt nicht immer sagen kann. Im Moment scheint das aber nur eine untergeordnete Rolle im Spiel der Profitmaximierungsjongleure zu spielen. Über die soziale Verantwortung von Schiffsfondseignern bzw. deren Anteilseigner zu schwadronieren macht keinen Sinn. Sie haben sich in ihrer Anlageform der maximalen mittel-/langfristigen Rendite verschrieben, da hat soziales Gewissen keinen Platz. Wie überall im heutigen Wirtschaftsleben, da bildet die Seeschifffahrt keine Ausnahme.
Das sich die deutsche Seeschifffahrt dem internationalen Wettbewerb, der Konkurrenz und dem damit verknüpften international bestehenden Subventions- und Tonnagesteuersystemen stellen muss, steht außer Frage. Die Frage ist nur, wie man sich diesem Wettbewerb stellt. Die Entwicklung in der deutschen Seeschifffahrt gibt Anlass zu berechtigter Sorge, dass der deutsche Seemann und das damit verbundene Fachwissen und die Erfahrung auf der Strecke zu bleiben drohen. Und das dürfte ernsthafte gesamtvolkswirtschaftliche Auswirkungen haben, die sich heute nicht in Zahlen bemessen lassen. Ein ganzer Berufsstand droht wegzubrechen mit weitreichenden Folgen für die deutsche maritime Wirtschaft. Aber Herr Weber hat es unmissverständlich zum Ausdruck gebracht und seine Auffassung ist keine Einzelmeinung. Sie entspricht der Auffassung der Mehrheit der deutschen Schiffseigner. Das Zukunftslesen in Glaskugeln überlässt der Autor anderen, er orientiert sich nur an den seit längerer Zeit beobachteten Entwicklungen, Fakten und Tatsachen. Und die sprechen eine sehr deutliche Sprache.
Wie wir inzwischen wissen hat die Bundesregierung den Spendenaufruf von Herrn Weber für die deutschen Schiffseigner erhört und es zeichnet sich ab, dass ab 2016 den deutschen Schifffahrtsunternehmen und Schiffseignern goldene Zeiten beschert werden. Vorankündigungen deutscher Politiker und Regierungsmitglieder deuten darauf hin. Den deutschen Schiffseignern stehen Steuer- und Finanzgeschenke ins Haus als wären Weihnachten und Ostern gleichzeitig, zu Lasten des deutschen Steuerzahlers und des deutschen Seemanns. Worauf begründen sich eigentlich diese Subventionen, was sind deren rechtliche Grundlagen?