Читать книгу Amerika Saga - Frederik Hetmann - Страница 10
Woher Spuyten Duyvil seinen Namen hat
ОглавлениеEine Saga aus New York
Jenes Flussbett, das die äußerste Grenze von Manhattan Island bildet, ist hierzulande unter dem Namen »Spittin' Divvle«, bekannt. Die richtige Bezeichnung hingegen lautet eigentlich »Spuyten Duyvil« und leitet sich von einer Prahlrede her, die ein gewisser Anthony van Colaer zur Zeit der holländischen Kolonie tat.
Dieser furchterregende Ehrenmann, berühmt für seinen buschigen und wildgezwirbelten Schnurrbart, war Trompeter der Garnison von Neu-Amsterdam, das seine Leute gerade für vierundzwanzig Dollar gekauft hatten. Und so laut und schrill stieß er ins Horn, dass bei dem Kampf zwischen Holländern und Indianern in der der Pfirsichplantage an der Dey Street seine Trompetenstöße die Indianer mehr erschreckten als die Flintenschüsse seiner Kameraden. So fanden die Holländer, dass Manhattan wohl allein von Anthony und seiner Trompete bewacht werden könne, denn, so sagten sie sich, solange er zur Stelle war, müsse jedes heranrückende Regiment der Engländer durch den frenetischen Klang seiner Trompete in Taubheit versetzt werden.
Peter Stuyvesant, der Gouverneur von Neu-Amsterdam, bezeugte seine Vorliebe für den Trompeter damit, dass er ihn zum Esquire (also in den niedrigen Adelsstand) erheben ließ. Als der Gouverneur nun die Nachricht vom Heranrücken einer englischen Streitmacht erhielt, die seine unbefestigte Stadt einnehmen wollte, befahl er Anthony, eilig mit seiner Trompete in allen Dörfern am Hudson Kriegsalarm zu blasen. Der neu ernannte Edelmann nahm Hals über Kopf Abschied von den sechs oder acht Damen, die sich seiner Gunst erfreuten, und brach auf: die Trompete auf der einen Seite, eine steinerne Flasche von weit größerem Gewicht auf der anderen Seite
Es war ein stürmischer Abend, und als er am Ende der Insel ankam, lief er eine Weile wütend auf und ab, tat dann einen kräftigen Schluck aus seiner Steinflasche, um sich Mut zu machen, und schwor mit Nachdruck und Pathos, er werde über den Strom schwimmen … dem Teufel zum Trotz.
Er sprang ins Wasser und hatte die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Leibhaftige, den man niemals herausfordern soll, in der Gestalt eines riesigen Fisches erschien, der kochendes Wasser ausspuckte und wild mit der Schwanzflosse um sich schlug. Der furchtbare Fisch packte Anthony beim Bein, aber zuvor konnte der Trompeter noch einmal sein Instrument an die Lippen setzen und gleichsam seinen letzten tiefen Seufzer in das Horn hauchen.
Lang und heulend klang der Ton über den Fluss und durch die Wälder. Dann wurde der arme Anthony von dem Seeungeheuer in die Tiefe gezogen. Ein paar Monate soll man noch das Leuchten seiner roten Nase gesehen haben, dann hatte ihn der Teufel für seinen Vorwitz endgültig in die Hölle auf dem Meeresboden verbannt.
Da er nun aber nicht die Männer aus den Dörfern am Hudson mit seiner Trompete herbeirufen konnte, wurden die Holländer in Amerika geschlagen. Die Engländer gewannen Neu-Amsterdam ohne Blutvergießen, und bald flatterte von jenen Türmen, von denen Anthony der untergehenden Sonne sein Trompetensignal nachgeschickt hatte, die Fahne mit dem Kreuz des heiligen Georg.