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– Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett – Die Wahl und das Waschbärfell

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Da wir gerade von Wahlen reden, möchte ich eine kleine Anekdote erzählen, die den Leuten im Osten klarmachen soll, wie wir solche Dinge im Grenzland handhaben. Das war, als ich zum ersten Mal für den Kongress kandidierte. In meinem Jägerhemd und mit meiner Büchse über der Schulter machte ich mich auf, um an den Wegkreuzungen zu reden. Viele Wähler versammelten sich dort, um einen Eindruck von der dem rednerischen Talent ihrer Kandidaten zu bekommen.

Job Snelling, ein eitler Yankee, den man irgendwo bei Plymouth-Bay wohl aus der See gefischt haben mochte, um ihn dann mit einer Ladung Kabeljau und Rum in den Westen zu schicken, hatte sich zu diesem Zweck extra einen Schuppen bauen lassen. Es hatte sich bereits eine beachtliche Menschenmenge eingefunden und mein Rivale hatte schon ein gutes Stück seiner Rede vom Stapel gelassen, als ich dazu kam. Ich schlenderte einen Büchsenschuss weit vom Lager umher und tat so, als ob mich das alles gar nichts anginge.

»Da kommt Crockett«, sagte einer.

»Wollen doch mal hören, was er zu sagen hat«, meinte ein anderer. Ich kletterte auf den Baumstumpf, der als Rednerpult diente, und hielt eine improvisierte Rede, eben so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Es dauerte nicht lange, da wurde die Menge so laut, dass ich meine eigene Stimme kaum noch hören konnte. Meine Wähler ließen mich wissen, dass es ihnen unmöglich sei, meinen Ausführungen über ein so trockenes Thema wie das Wohl der Nation länger zu folgen, ohne zuvor ihre Kehlen angefeuchtet zu haben. Ich sollte sie freihalten. Also stieg ich von meinem Sockel hinunter und führte sie zum Schuppen. Sie folgten mir und schrien: »Hussa für Crockett!«, und: »Crockett soll leben!«

Als wir Jobs Schuppen betraten, schenkte der Mann fleißig aus, das Geschäft blühte. Ich verlangte ein Quart vom Besten, aber dieser gemeine Geizkragen wies als Antwort nur auf ein Schild über der Theke, auf dem mit Kreide geschrieben stand: Gezahlt wird heute – geborgt wird morgen! Das brachte mich in ziemliche Verlegenheit, und ich sah auch keinen Ausweg, denn bares Geld ist im Westen sehr rar, und mir ging es gerade zu dieser Zeit ganz ab.

Als die Wähler meine Verlegenheit sahen, wechselten sie die Seiten, und ich stand allein da, so wie die Regierung, wenn sie keine Ämter mehr zu vergeben hat. Mir war sonnenklar, dass die öffentliche Meinung nun gegen mich war und dass, falls ich nicht auch irgend woher Rum beschaffen konnte, ich die Wahlen so sicher verlieren würde, wie es Schlangen in Virginia gibt. Und es musste schnell Rum her, sonst würde mich selbst dieses Feuerwasser nicht mehr retten. Popularität hängt wahrlich manchmal von sehr geringfügigen Kleinigkeiten ab, in diesem Fall von einem Quart Neu-England-Rum.

Nun, das war eine Krise; also ging ich in den Wald mit meinem Gewehr über der Schulter, das in Zeiten der Not sich noch immer als mein bester Freund erwiesen hat. Ich war eine Viertelstunde gelaufen, da wollte es ein gütiges Geschick, dass ich einen fetten Waschbären sah, der gerade auf einen Baum kletterte. Ich drückte ab, und da lag er – tot. Ich zog ihm sein haariges Fell vom Leib und lenkte meine Schritte wieder zum Schuppen und ging zur Theke. Diesmal war ich nicht allein, ein halbes Dutzend Wähler folgten mir. Ich warf das Waschbärfell auf die Theke und verlangte ein Quart Rum, und Job, obwohl er mächtig damit beschäftigt war, auszuschenken, vergaß diesmal tatsächlich auf seine mit Kreide hingeschmierte Hausordnung zu deuten, denn er wusste sehr wohl, dass ein Waschbärenfell allemal ein Quart Rum wert ist, ob nun im Westen oder in New York.

Meine Wähler drängten sich nun wieder um mich und riefen: »Hussa für Crockett! Crockett soll leben!« Als ich merkte, dass die Stimmung wieder umgeschlagen war, erzählte ich ihnen ein paar Schnurren, um sie bei guter Laune zu halten, und bestieg, nachdem ich mich hinreichend über den Wert von Waschbären ausgelassen hätte, wieder draußen den Holzstoß, um ihnen von oben herab zu erklären, was ich, falls sie mich wählten, für das Wohl der Nation zu tun gedächte. Aber ehe ich auch nur die Hälfte meiner Rede hinter mich gebracht hatte, wurden Stimmen laut, die verlangten, man sollte sich nun erst einmal an den Extrakten aus Maiskolben und Melasse in Job Snellingers Schuppen laben. Also zogen wir wieder an die Bar, und unterwegs stellte ich meine Betrachtungen darüber an, in wie starkem Maße das Wohl und Wehe unseres Staates von der Tatsache abhängig sei, ob es einem gelingt, einen Waschbären zu erlegen oder nicht.

Als ich so vor der Theke stand und recht verlegen wurde, da mich Jobs Hausordnung in blasser Kreideschrift tückisch anstarrte, entdeckte ich einen Fetzen Waschbärenfell zwischen den Stangen, die die Bar trugen. Job hatte mein Fell in aller Eile dorthin gestopft. Mit einem raschen Griff zog ich daran und warf es mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt auf die Theke. Job, der sich nicht träumen ließ, was hier gespielt wurde, schob mir eine zweite Flasche herüber, die meine Wähler in übermütiger Stimmung eilig leerten, denn einige hatten meinen Trick bemerkt. Als die Flasche leer war, gingen wir hinaus und wandten uns wieder dem Wohl des Staates zu.

Ich weiß auch nicht warum, jedenfalls waren alle Wähler bald wieder durstig, wieder gingen wir in den Schuppen, und wieder steckte das Fell zwischen den Stangen. Wieder wurde der Rum über die Theke gereicht, und wieder war die Flasche schnell leer. Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich nicht mit ein und demselben Waschbärenfell an diesem Tag zehn Flaschen Rum einhandelte, und dies von einem Burschen, der ansonsten wirklich auch nicht auf den Kopf gefallen war.

Dieser Spaß half mir die Wahl zu gewinnen, denn Berichte davon verbreiteten sich unter meinen Wählern mit der Schnelligkeit eines Präriebrandes, und diese folgerten (nicht ganz zu Unrecht, will ich meinen), dass ein Mann, der Job Snelling in einem fairen Geschäft übervorteilen konnte, wohl auch mit dem Präsidenten fertig werden müsse »und deshalb der richtige Mann für den Kongress sei«. Nach gewonnener Wahl erstattete ich Job Snelling den Betrag für die geprellte Zeche, und ich muss sagen, er war ein guter Verlierer. Er lachte und strich das Geld ein.


Bei der Kongresswahl im Juli 1835 unterlag Crockett seinem Gegenkandidaten mit zweihundertunddreißig Stimmen. Bei dieser Wahl, war es zu beträchtlichen Unregelmäßigkeiten gekommen. Der Präsident Andrew Jackson hatte Staatsgelder, die auf einer Privatbank deponiert waren, abgehoben und damit Stimmen gekauft. 25 Dollar war damals eine Wählerstimme wert. Angewidert von solchen Praktiken, fasst Davy Crockett den Entschluss, »die Vereinigten Staaten so lange zu verlassen, bis die Zeit kommt, da auch ein ehrlicher und unabhängiger Mann seinen Weg in der Politik machen kann.« – »Und«, so fährt er fort, »da mir bis dahin wohl hinreichend lange Musestunden verbleiben würden, entschloss ich mich, den Texanern auf ihrem Weg in die Freiheit helfend meine Hand zu reichen. Ja, dergleichen hat mir immer Spaß gemacht, denn wenn es auf dieser Welt etwas gibt, was das Leben lebenswert macht, so ist es die Freiheit.«

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