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Vorwort

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Amerika, o Amerika!

Dieses Buch will Geschichte und Geschichten aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika erzählen: wie dieses Land, welches sich das Land der Freiheit nennt, entstand, wie es sich entwickelte, wie es träumte, lebte, arbeitete, wie es Geschichten erzählte, wie es Lieder sang, wie es ein Land wurde, in dem, stärker vielleicht als anderswo, die Menschen ihren Traum vom irdischen Glück, von einem menschenwürdigen Dasein und von einer gerechten Gesellschaft zu verwirklichen trachteten.

Die Absicht ist die eines Abenteuers. Unsere Fantasie soll durch die Geschichte, durch die Legenden, Sagen, Märchen, Balladen und Lieder dieses Landes streifen. Die Szenerie für dieses Abenteuer ist das große Viereck, das sich auf unseren heutigen Landkarten etwa durch die Städte Boston, New Orleans, San Francisco und Seattle markieren ließe.

Die Szenerie ist eine Landmasse, die in ihren Grenzen fast alle Landschaftsformen der Erde vereinigt, in der es Wüsten und fruchtbare Ebenen, große Wälder und Steppen, mächtige Ströme, hohe Gebirge, Salzseen, schroffe Felsküsten und palmenbestandene Sandstrände gibt. Eine Landmasse, die fast alle Wunder der Natur und all ihre Schätze birgt und auf der sich drei menschliche Rassen begegnen: Indianer, Schwarze und Weiße.

Die Szenerie ist ein weiter Raum, wo in den Jahren seiner Besiedlung ebenso wie noch heute Platz war für Helden, Feiglinge, Wohltäter und Bösewichte, für Idealisten und Realisten, für Träumer und Pioniere, für Abenteurer und Weise. Die Szenerie ist ein Staat, der unvollkommen blieb wie alle menschlichen Einrichtungen, dessen Bürger aber bis heute den Sinn für die Würde des Menschen und für seine Grundfreiheiten bewahrt haben, und die für die Vervollkommnung dieser Prinzipien und ihre Erhaltung im eigenen Land wie in allen anderen Ländern dieser Erde bereit sind, sich einzusetzen und zu kämpfen.

Die Geschichte und die Geschichten dieses Landes sind gemeinsam zu erzählen, denn eines kommt ohne das andere nicht aus, und beides hat seine Bedeutung und seine Richtigkeit. Weder die nüchterne Tatsache noch die Vorstellung der Fantasie allein enthält die ganze Wahrheit. Erst für den, der beide sieht, hört, bedenkt und prüft, wird der Blick frei auf das wahre Schicksal des Menschen, das Menschen immer wieder am meisten bewegt hat, noch dazu, wenn es sich unter so einzigartigen Umständen vollzieht.

Vielleicht vermag ein kurzer Bericht über die Entstehung dieses Buches am besten etwas über seine Absicht auszusagen. Als Kind und als Jugendlicher lebte ich in jenem Teil Deutschlands, der hinter dem Eisernen Vorhang lag. Für uns Schuljungen der Jahre 1945 bis 1948 war Amerika nicht nur ein Indianertraum, vielmehr verband sich dieses Wort in unserer Vorstellung mit den Gedanken an Reichtum und Überfluss, aber auch an politische Freiheit. Daraus aber formte sich in unserer Fantasie eine schimmernde Seifenblase. Amerika, o Amerika! Amerika war unser Land der Fantasie schlechthin. In gewissem Sinn hat mich meine Neugier dazu gebracht, diesem Traum von Amerika, dem Traum von der Neuen und ganz anderen Welt bis heute auf der Spur zu bleiben. Sechs Jahre lang sammelte ich amerikanische Volkslieder, Sagen, Legenden, Märchen. Ernüchterungen, aber auch erneutes Staunen waren das Ergebnis.

Wen die Fantasie einmal mit einem großen Traum infiziert hat, der wird allergisch gegen Träume, die in Konfektion hergestellt werden. Sooft ich einen Wildwestfilm sah, sagte ich mir, dass die Wahrheit erregender, fantastischer und zugleich auch erstaunlicher gewesen sein müsse, als es die Drehbuchschreiber von Hollywood uns vorgaukeln. So kam ich dazu, Gerichtsakten des Staates Texas zu studieren und die verschiedenen Versionen von Volksliedern in der Alten und in der Neuen Welt zu vergleichen und die Geschichten um den Schinderhannes Amerikas, Jesse James, an der Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges zu messen; und plötzlich war ich mittendrin in jener schimmernden Seifenblase, die für den Schuljungen unerreichbar fern über den Horizont geschwebt war. Ich betrachtete sie nun von innen, aber siehe da, sie schimmerte noch immer.

Sich dem Wesen eines Landes auf dem Umweg über die Gebilde seiner Fantasie nähern: So könnte man den Versuch umschreiben, den dieses Buch unternimmt. Dass wir dabei auf manches Bekannte, aus der eigenen Sagen- und Märchenwelt Vertraute stoßen werden, muss uns nicht wundem, denn im Reich der Fantasie bestand die Gemeinschaft zwischen Diesseits und Jenseits des Atlantik schon lange, ehe die Politiker den Zusammenhang zwischen Europa und Amerika in Bündnissen zu formulieren versuchten.

Frederik Hetmann

Amerika Saga

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