Читать книгу Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner - Страница 33

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Anna stand auf der Terrasse in der Nähe eines sehr schön gedeckten Tisches. Sie schaute auf die Uhr. Toni trat neben sie und legte den Arm um ihre Schultern.

»Wartest schon ungeduldig, wie?«

»Ja, ich bekomme selten Besuch aus meiner alten Heimat.«

Anna lehnte den Kopf an Tonis Schultern.

»Höre ich da ein bissel Heimweh heraus?«, flüsterte er leise.

Toni drückte Anna einen Kuss auf das blonde Haar. Anna hob den Kopf und lächelte ihn an.

»›Heimweh‹, das ist ein starkes Wort, Toni. Nein, Heimweh habe ich nicht. Waldkogel und die Berghütte ist mir zur Heimat geworden. Das weißt du doch. Wenn ich einmal von hier fortmüsste, dann hätte ich Heimweh.«

Toni sah, wie Annas Augen strahlten.

»Weißt du, Toni, irgendwie ist es mir immer noch unbegreiflich, wie es geschehen ist. Es ist einfach ein Wunder. Sue hatte mich damals nach Waldkogel gebracht – praktisch gegen meinen Willen. Und mit mir ist etwas geschehen. Mein Herz schlug ruhiger. In mir war ein Gefühl, als hätte ich etwas gefunden, wonach ich schon immer gesucht hatte. Dabei war mir vorher nicht bewusst, dass ich es suchte. Dann hast du mir die Berghütte gezeigt und von deinen Plänen erzählt. Da wusste ich plötzlich, ich gehöre hierher. Das ist der Platz auf der großen weiten Welt, der meine Heimat ist.«

Sie küssten sich.

»Toni, trotzdem freue ich mich, wenn ich Besuch bekomme. Du bist hier in Waldkogel aufgewachsen. Wenn du Burschen aus deinem Jahrgang triffst, dann redet ihr über die Kindheit und Jugendzeit in den Bergen. Das vermisse ich gelegentlich. Einfach so ein wenig zu tratschen. So, weißt du noch damals? Erinnerst du dich? Es ist einfach schön, die alten, lustigen Geschichten aufzuwärmen. Das gibt ein warmes Gefühl im Herzen. Jedenfalls freue ich mich auf Alexandra.«

»Das weiß ich, du bist ja ganz aus dem Häuschen gewesen, als ihr Brief ankam.«

»Mit Alex, wie sie damals gerufen wurde, verband mich viel und verbindet mich immer noch sehr viel. Ihre Mutter und meine Mutter waren Freundinnen. Ihre Großeltern mütterlicherseits und meine sind Nachbarn. Immer wenn ich bei den Bremer Großeltern in den Ferien war, dann waren Alexandra und ich unzertrennlich. Eine Nacht schlief sie bei uns und die nächste Nacht schlief ich bei ihr. Sie liebte die Neufundländer meiner Großeltern genauso wie ich. Wir spannten meistens zwei der Hunde vor einen kleinen Wagen und fuhren damit spazieren, manchmal waren es auch vier Hunde.«

Toni lächelte Anna an.

»Ich weiß, du hast mir Fotos gezeigt.«

»Es war eine sehr glückliche Zeit, damals in der Kindheit. Alex und ich waren uns sehr nah. Ich war ein Einzelkind, und Alex ersetzte mir weitgehend die Zweisamkeit, die es zwischen Schwestern geben kann. Ich bin jedenfalls sehr glücklich, dass Alexandra den Sommer über in Waldkogel bleiben will. Sie wird sicherlich oft zu uns heraufkommen. Es ist wunderbar, dass sie die leerstehende Almhütte mieten konnte.«

»Ja, das ist schön! Die Hütte liegt auch gut. Sie hat es nicht weit bis zur Oberländer Alm, wenn sie Butter, Käse und Milch braucht. Außerdem hat die Hilda versprochen, ein Auge auf Alexandra zu werfen.«

Anna lachte.

»Die Oberländer Hilda wird sie bemuttern«, lachte Anna. »Da bin ich mir ganz sicher!«

»Und der alte Wenzel wird sie verwöhnen. Du weißt doch, dass es ihm immer noch die schönen, feschen Madln antun. Es ist ja auch nix dabei. Soll er in seinem Alter ruhig die Freude an einem schönen Anblick haben.«

»Ich bin gespannt, wie das wird. Alex wird arbeiten und ihre Ruhe haben wollen. Deshalb kommt sie in die Berge.«

»Aber man kann doch nicht ständig arbeiten!«

Anna lächelte.

»Weißt du, die Alex wollte schon immer Malerin werden. Jetzt hat sie es geschafft. Sie ist eine anerkannte Künstlerin, deren Bilder sehr gute Preise erzielen und um die sich Galerien und Sammler reißen. Himmel, ich gönne es ihr!«

»Anna, du nimmst dir viel Zeit für deine Jugendfreundin, solange sie hier ist. Besuche sie drunten, so oft du willst.«

Anna wollte etwas einwenden. Toni legte ihr liebevoll seinen Finger auf die Lippen.

»Pst! Keine Widerrede, Anna! Ich bestehe darauf! Sicher haben wir Hochsaison und die Berghütte ist voll. Aber du sollst dir Zeit nehmen. Du darfst dabei kein schlechtes Gewissen haben. Versprichst mir des?«

Anna schmunzelte.

»Ich werde schon einen Mittelweg finden, Toni. Erst muss Alex mal ankommen, und dann muss ich sehen, wie viel Zeit sie hat. Ich will sie auch nicht von ihrer Arbeit abhalten.«

»Des wirst schon net!«

In diesem Augenblick kam eine junge Frau den Pfad herauf und stapfte über das Geröllfeld auf die Berghütte zu.

»Alexandra! Alex!«, schrie Anna und winkte.

Die junge Frau in den engen Jeans, die sie bis unter die Knie aufgerollt hatte, winkte zurück.

»Doro!«, schrie sie.

Alexandra blieb stehen und streckte die Arme aus. Anna lief los mit ausgebreiteten Armen. Toni blieb auf der Terrasse stehen und freute sich an dem herzlichen Bild. Die beiden Freundinnen sanken sich in die Arme. Sie drückten sich. Toni sah, wie beide sich die Freudentränen aus den Augen wischten. Dann kamen sie Arm in Arm auf die Berghütte zu.

»Alex, das ist mein Mann, Antonius Baumberger, gerufen wird er Toni!«

Toni streckte ihr die Hand entgegen:

»Grüß Gott, Alex! Willkommen auf der Berghütte! Schön, dass du da bist! Mei, die Anna konnt’s kaum abwarten.«

»Guten Tag, Toni!« Alexandra lachte. »An das ›Grüß Gott‹ und dass Doro Anna gerufen wird, daran muss ich mich erst gewöhnen. Ja, ja, meine gute und beste Freundin Dorothea Annabelle wurde hier zu Anna!«

Alex warf Anna einen Blick zu und schaute sie von oben bis unten an.

»Aber ›Anna‹, das passt zu dir! Siehst gut aus in dem Dirndl!«

»Ja, meine Anna ist ein richtig fesches Madl!«, strahlte Toni. »Und nun setzt euch! Die Anna hat schon den Tisch gedeckt, extra schön für dich, Alex!«

»Sieht wunderbar aus! Das ist ja richtig festlich mit einem weißen Tischtuch! Das wäre doch nicht nötig gewesen!«

»Doch, doch, das war es!«, verteidigte sich Anna. »Es hat mir Freude gemacht!«

»Sonst ist es etwas rustikaler auf der Berghütte. Aber berühmte Persönlichkeiten verirren sich selten hierher, außerdem bist du noch Annas beste Freundin«, sagte Toni. »Ihr beiden setzt euch jetzt hin und ich hole den Kaffee. Dann lass ich euch allein!«

Die beiden Freundinnen setzten sich.

»Du hast eine traumhafte Aussicht hier, Doro, pardon, Anna!«

»Ist schon gut, ist doch gleich, ob du Doro oder Anna sagst!« Anna lachte fröhlich. »Obgleich es die Doro nur noch in der Erinnerung gibt, das war die elegante Bankerin in Hamburg.«

»Nicht nur, es war auch die gute Freundin! Aber das bist du immer noch. Vermisst du dein elegantes Leben in Hamburg nicht? Es war doch dein Traum. Du wolltest es als Frau bis in die Vorstandsetage schaffen.«

»Ja, das wollte ich einmal, Alex! Ich wollte immer hoch hinauf.«

Anna lachte fröhlich.

»Aber die Berghütte liegt so hoch wie kein Büro einer Vorstands­etage auf der ganzen weiten Welt. Und ich wusste gleich beim ersten Anblick der Berghütte, das ist es!«

»Das Glück leuchtet dir richtig aus den Augen! Dein Toni scheint ein wunderbarer Mann zu sein«, und leise fügte Alex hinzu, indem sie sich etwas über den Tisch neigte, »und gut sieht er auch aus.«

»Ja, Toni ist ein wirklich fesches Mannsbild, wie man hier sagt.«

»Übrigens, es tut mir leid, dass ich damals nicht zu deiner Hochzeit kommen konnte. Aber ich war in Amerika und studierte an dieser Kunstschule. Das Stipendium, das ich gewonnen hatte, ließ mir zeitlich und finanziell keinen Spielraum. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen?«

»Aber sicher, Alex! Du hast es damals in deinem lieben Brief geschrieben. Toni und ich konnten das verstehen. Was eine richtige Freundschaft ist, muss das auch aushalten. Es hat dir doch etwas gebracht! Du hast es geschafft. Du bist eine weltweit gefeierte Malerin. Eine Senkrechtstarterin! Davon hast du immer geträumt.«

Alexandra seufzte.

»Was ist? Dein Seufzer kam aus tiefstem Herzen. Hast du Kummer?«

Toni brachte frischen Bohnenkaffee. Anna schenkte der Freundin ein. Sie begannen zu essen. Anna sah, dass Alexandra nachdachte. Sie ließ ihr Zeit. Endlich sagte Alex:

»Weißt du«, Anna, alles im Leben hat zwei Seiten. Beruflich bin ich anerkannt. Ich bin durch die ganze Welt gereist, hatte Ausstellungen auf allen Kontinenten und ich habe ein Studio in New York. Meine Bilder erzielen Höchstpreise. Aber manchmal würde ich tauschen. Ich würde zum Beispiel auf der Stelle mit dir tauschen. Du wirst geliebt. Du hast Toni, lebst hier ruhig und wunderbar auf der Berghütte, hast die Kinder. Wo sind sie?«

»Sie sind bei Freunden im Forsthaus. Aber sie kommen heute Abend wieder.« Anna blinzelte Alexandra zu. »Ich habe sie einige Stunden ausgelagert, damit ich mehr Zeit für dich habe.«

Anna lachte laut.

»Nein, so schlimm sind sie nicht! Es war Zufall, dass sie heute bei ihren Freunden sein wollten. Aber es traf sich gut. Doch ich würde nie mit dir tauschen. Mein Toni, die Kinder, die Berghütte und auch den alten Alois – niemals! Doch was ist mit dir? Jetzt rede, Alex!«

Alexandra seufzte erneut.

»Mein Leben ist trotz aller Erfolge leer. Und dieser Trubel, die Ausstellungen, Kunstagenten, Inter­views! Du kannst es dir nicht vorstellen. Das ist eine einzige oberflächliche Show. Küsschen hier und Küsschen da! Dabei denke ich an die Männer. Es war noch keiner dabei, für den sich mein Herz wirklich begeistern konnte. Sicher hatte ich Beziehungen, mal kürzere, mal längere. Aber irgendwie ging immer alles schief. Entweder waren es auch Maler, die mich nur ausnutzen wollten, um über mich bekannt zu werden, einfach Trittbrettfahrer. Oder es waren Kunstagenten, die mich noch mehr ausnutzten. Irgendwann kam ich immer dahinter, dass sie Liebe nur heuchelten. Jedes Mal hoffte ich und wurde wieder enttäuscht.«

»Das ist bitter! Das muss dir sehr weh getan haben, Alex!«

»Danke, Anna, für dein Mitgefühl! Es ist schön, mit dir darüber zu reden. Das tut mir richtig gut. Ich weiß, dass du mich verstehst und ich mich bei dir nicht verstellen muss.«

Alexandra seufzte tief.

»Vielleicht finde ich nie jemanden? Vielleicht ist das der Preis, den ich dafür bezahlen muss, dass sich mein Kindheitstraum erfüllt hat, was meinst du?«

»So ein Unsinn!« Anna schüttelte den Kopf. »Alex, das ist doch verrückt. So etwas darfst du nicht denken. Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun.«

Alexandra zuckte mit den Schultern.

»Anna, ich weiß nicht recht. Ich habe mit Männern einfach kein Glück! Immer geht es schief. Ich kann machen, was ich will, ich gerate immer an den falschen Mann. Es ist fast schon wie ein Fluch!«

»Alexandra Herzig, hör auf, solchen Unsinn zu reden! Sofort! Es war einfach nicht der Richtige dabei! So einfach ist es!«

Anna trank einen Schluck Kaffee.

»Sieh mal! Ich war in Hamburg auch fest mit einem Mann zusammen. Wir dachten daran, irgendwann zu heiraten. Das Thema Männersuche hielt ich für abgeschlossen. Dann begegnete ich Toni, und es machte einfach Peng! Da habe ich Gefühle in meinem Herzen gespürt, von denen ich nicht einmal wusste, dass es solche Gefühle gibt. Meine Welt geriet aus den Fugen. Ich sage dir, ich habe mich zuerst gewehrt. Aber die Liebe, die uns zusammengeführt hat, die war eben stärker. Es stimmte einfach.«

Anna griff über den Tisch und streichelte Alexandras Hand.

»Wenn es soweit ist, dann wirst du es wissen! Du wirst vor Glück schweben wie ein glückliches Vöglein im Sonnenschein. Alles, was du vorher für einen Mann empfunden hast, wird dagegen verblassen. Es wird zur völligen Unbedeutsamkeit zusammenschrumpfen. Also noch einmal, wenn es soweit ist, wirst du es wissen. Das ist so ein tiefes neues Gefühl, wie du es noch niemals zuvor empfunden hast.«

»Klingt schön, so wie du es beschreibst, Anna!«

»Ich habe es erlebt! Ich habe die Liebe nicht gesucht. Ich dachte ja, ich hätte sie schon gefunden. Aber es war nicht der Mann, der für mich vorgesehen war. Der Mann für mich war Antonius Baumberger, mein Toni, mit seinem Traum von der Berghütte und Bello, seinem jungen Neufundländerrüden.«

»O ja, stimmt! Wo ist Bello? Ich habe ihn noch nicht gesehen.«

»Die Kinder haben ihn mit ins Forsthaus genommen!«

Alexandra trank einen Schluck Kaffee.

»Jedenfalls habe ich aufgehört zu suchen, und ich habe die Hoffnung aufgegeben. Auch deshalb wollte ich den Sommer hier in den Bergen verbringen, fernab dieser aufgedrehten Kulturszene. Das ist ein richtiger Zirkus. Und ständig macht sich jemand an mich heran, sobald bekannt wird, dass ich wieder Single bin. Oder man versucht mich zu verkuppeln. Ich bin im Winter kaum zum Malen gekommen.«

»Die Entscheidung, hier in die Berge zu kommen, war genau richtig. Hier findest du Ruhe. Hier weiß niemand, dass du die berühmte Malerin Sandy Blue bist. Wie bist du übrigens zu diesem Namen gekommen?«

»Das war eine Idee meines Kunstagenten in New York und Teil seines Marketingkonzeptes. Nun ja, seine Rechnung ging auf. Als Alexandra Herzig hätten sich meine Bilder nicht so gut verkauft, sagte er. Anfangs war ich damit sehr unglücklich, doch jetzt weiß ich, dass es gut so war. Jetzt kann ich als Alexandra Herzig hier sein, als die, die ich wirklich bin.« Sie lächelte.

»Ich freue mich jedenfalls auf diesen Sommer hier! Und ich will mich auch noch mal herzlich bei dir und Toni bedanken, dass ihr mir geholfen habt, die Almhütte zu bekommen.«

»Gern geschehen! Wir haben doch nicht viel getan, dir nur die Adresse gegeben! Bist du mit dem Besitzer klargekommen?«

»Ja, ich glaube, er war sehr froh, dass ich die Almhütte gemietet habe. Er würde sie sogar verkaufen. Es ist ja keine Almhütte, zu der viel Land gehört. Es gehört nur ein kleines Grundstück dazu. Vielleicht erwerbe ich sie, dann sind wir fast Nachbarn.«

»Das wäre großartig, Alex! Dann könnte ich hoffen, dass du öfter kommst.«

»Ja, die Aussichten stehen gut dafür, sehr gut! Die Hütte ist einfach ein Traum. Sie ist noch ganz im alten Zustand. Kennst du sie?«

»Nein, das heißt, nur von außen. Aber ich werde dich besuchen, wenn ich dich nicht von der Arbeit abhalte?«

»Schmarrn, so heißt das doch in den Bergen oder?«

»Ja, es heißt so!«

»›Schmarrn‹ ist ein wunderbares Wort! Ich liebe es! Ihr habt hier in den Bergen so eine erfrischend direkte, tief ehrliche Sprache. Das gefällt mir sehr! Komme ruhig, so oft du willst, Anna! Ich freue mich auf jede Minute mit dir. Erinnerst du dich, wie du mir Modell gesessen hast?«

Sie lachten beide laut.

»O ja! Ich durfte mich nicht bewegen!« lachte Anna.

»Ich werde dich auf jeden Fall besuchen, Alex!«

»Es wird schön werden. Ich bin gespannt, wie dir meine Bilder gefallen. Du warst damals eine schonungslose und absolut ehrliche Kritikerin, Anna. Ich habe in den letzten Jahren, wenn ich unsicher war, oft an dich gedacht. Oh, wenn Doro jetzt hier wäre, dachte ich, sie könnte ich fragen und bekäme eine ehrliche Antwort.«

Sie lächelten sich an. Alex erzählte, sie habe viele Bilder mitgebracht, denen sie noch den letzten Schliff geben wollte. Es waren mehr oder weniger Pflichtarbeiten, die ihr Kunstagent in New York ihr aufgetragen hatte, weil solche Motive sich gut verkaufen ließen.

»Aber in New York kam ich kaum noch zum Malen!«, stöhnte Alexandra. »Doch das wird sich hier ändern. Ich freue mich schon auf das wunderbare Licht in den Bergen und die Einsamkeit.«

»Das versteh ich! Aber ich hoffe auch, dass du uns oft auf der Berghütte besuchst. Wir machen hier öfter Hüttenabende. Genug fesche Burschen zum Tanzen gibt es dann schon. Meistens kommen viele Burschen von der Bergwacht in Kirchwalden. Einer von Tonis besten Freunden ist Leonhard Gasser.

Er wird Leo gerufen und ist Leiter der Bergwacht. Er bringt uns auf den Hubschrauberübungsflügen das Bier herauf. Das ist eine große Erleichterung für uns, da es ja keine Straße herauf zur Berghütte gibt. Dafür sind wir auch froh. So kommen nur echte Bergler zu uns, die sich die Mühe des Aufstiegs machen. Es sind alles fabelhafte Burschen.«

Alexandra schmunzelte.

»Danke für die Einladung, Anna! Aber ich will mir auch eine Auszeit gönnen, was Männerbekanntschaften angeht. Ich will es dir ganz klar sagen. Im Augenblick habe ich die Nase davon voll. Ich habe so viele schlechte Erfahrungen gemacht, dass ich erst einmal alleine sein will. Ich will einfach auf Abstand gehen, mich auf mich besinnen. Ich habe mir vorgenommen, die Männer zu meiden wie der Teufel das Weihwasser, verstehst du?«

»Den Ausspruch kennen wir, Alex! Des ist zwar ein bissel extrem, was du da sagst, aber du kannst ja noch mal drüber nachdenken«, bemerkte Toni, der an den Tisch gekommen war.

Er setzte sich.

»Alex, ich habe gehört, was du gesagt hast! Das machst du schon richtig. Höre auf dein Herz! Komme zur Ruhe! Die Liebe kann man nicht erzwingen. Sie ist ein Geschenk. Wenn sie kommt, wirst du es wissen. Geschenken kann man nicht nachjagen, schon gar nicht der Liebe. Vielleicht musst du dir auch erst darüber klar werden, wen du suchst, wie dein Traummann sein sollte?«

»Das weiß ich genau! Er sollte mich lieben, Alexandra Herzig und nicht Sandy Blue!«

Toni nickte.

»Des wird dir in den Bergen sicherlich leichter gelingen, als sonst irgendwo. Hier kennt niemand eine Sandy Blue. Und so wird es auch bleiben!«

»Danke«, sagte Alexandra leise.

Sie trank ihren Kaffee aus.

»Toni, Anna! Ich mache mich wieder auf den Weg. Ich bin ja erst heute Morgen angekommen und habe noch nicht einmal richtig ausgepackt. Dann will ich noch einkaufen gehen. Außerdem will der Besitzer der Almhütte kommen. Wir wollen reden.«

»Toni, Alex will vielleicht die Hütte kaufen«, sagte Anna.

»Mei, des ist eine gute Idee! Teuer wird sie nicht sein, weil ja nix modernisiert ist.«

»Toni, wenn sie modernisiert wäre, würde ich sie nicht wollen. Gerade so ursprünglich, wie sie ist, gefällt sie mir! Ich bin total begeis­tert.«

»Das ist gut, Alex. Des solltest du aber für dich behalten, sonst steigt der Preis«, lachte Toni.

Er gab Alexandra einige Tipps. Sie hörte aufmerksam zu und versprach, darüber nachzudenken. Dann verabschiedete sie sich. Anna wollte bald mit den Kindern und Bello zu Besuch kommen.

»Du bist natürlich jederzeit gern hier gesehen, Alex!«, betonte Toni.

»Das weiß ich, Toni! Ich werde euch auch so oft besuchen, wie es möglich ist. Ihr habt es wunderschön hier!«

Sie hängte sich ihre kleine Umhängetasche um, umarmte Anna und schüttelte Toni herzlich die Hand. Dann ging sie davon.

*

Die Hüttengäste waren alle schlafen gegangen. Toni und Anna hatten die letzten Handgriffe in der Berghütte gemacht. Alles war wieder sauber und für den nächsten Tag vorbereitet.

»Gehen wir schlafen, Toni?«, sagte Anna.

Toni warf einen Blick auf die Wanduhr in der Wirtstube der Berghütte. Die Zeiger schoben sich auf Mitternacht zu.

»Gehe schon mal vor, Anna. Ich komme gleich nach.«

»Dir geht die Sache mit dem Fellbacher und dem Gemeindewappen im Kopf herum, stimmt es?«

»Ja, Anna! Dir nicht?«

»Doch, Toni! Es ist eine Ehre, dass uns Bürgermeister Fellbacher eingeweiht hat. Sehr schmeichelhaft für uns.«

Toni lächelte.

»Für dich vor allem, Anna. Der Fellbacher hoffte, dass du einen Geistesblitz hast. Du hast den Ruppert Schwarzer damals ausgetrickst.«

»Jetzt übertreibst du, Toni! Ich habe nur ein wenig nachgeholfen mit meinen Ersparnissen.«

»Naa, Anna! Des war es net alleine. Es war schon sehr trickreich wie du, als Fremde, den Pfarrer Zandler eingespannt hast.«

»Es ist nicht sicher, dass Schwar­zer dahinter steckt, Toni. Vielleicht verrennt ihr euch alle in etwas. Komm mit schlafen, Toni. Morgen ist auch noch ein Tag. Grübeln hilft nicht immer. Da dreht man sich nur im Kreis.«

»Stimmt schon, Anna. Ich setze mich einen Augenblick an den Kamin. Ich komme bald nach. Ich ordne nur noch meine Gedanken.«

Anna ging zu ihrem Mann und küsste ihn. Dann ging sie schlafen.

Toni löschte die Lampen im großen Wirtsraum der Berghütte. Jetzt wurde er nur vom Kaminfeuer erhellt. Toni legte ein weiteres Stück Holz in die Glut. Er sah in die Flammen, die langsam sich ins trockene Holz fraßen. Es knackte, dann und wann sprühten Funken. Die Flammen loderten in den Farben rot und gelb.

Toni rieb sich die Stirn, als könnte er dadurch Ordnung in seinen Kopf bekommen.

Am Morgen hatten sie unerwarteten Besuch bekommen. Bürgermeister Fritz Fellbacher und Pfarrer Zandler waren gekommen. Bald hatten Toni und Anna mit ihnen zusammen im Wohnzimmer der Berghütte gesessen, damit sie ungestört waren, der alte Alois versorgte die Hüttengäste.

Wie in einem Film ließ Toni die Bilder der Erinnerung in seinem Kopf ablaufen. Bürgermeister Fritz Fellbacher war ziemlich zerknirscht gewesen. Dass es ihm seit einiger Zeit nicht gut ging, hatten viele in Waldkogel bemerkt. Fellbachers Stimmung wechselte ständig zwischen Gereiztheit und Zurückgezogenheit. Beides kannten die Waldkogeler von ihrem Bürgermeister nicht. Dass er am Stammtisch öfters sein Bier nicht austrank und einfach früher ging, heizte die Phantasie aller an. Zuerst war spekuliert worden, dass er krank sei, vielleicht seelisch. Es wurde spekuliert, dass er mit politischen Intrigen zu kämpfen hatte, über die er mit niemand sprechen wollte. Andere vermuteten eine Ehekrise bei den Fellbachers oder Schwierigkeiten innerhalb der kinderreichen Familie.

Bürgermeister Fellbacher war auf Tonis Einladung einige Tage auf die Berghütte gekommen. Er war alleine gekommen, wie jemand der Urlaub macht. Der Abstand vom Amt hatte ihm offensichtlich gut getan. Aber geäußert hatte sich Fellbacher während der beiden Tage seines Aufenthaltes nicht. Er war mit Sebastian und Franziska, die so etwas wie seine Patenkinder waren, wandern gewesen.

Umso überraschter waren Toni und Anna gewesen, als Bürgermeister Fellbacher zusammen mit seinem langjährigen Freund aus Kindertagen, dem jetzigen Pfarrer von Waldkogel Heiner Zandler, auf die Berghütte kam. Fellbacher hatte Toni und Anna um ein vertrauliches Gespräch ersucht.

Dann war es herausgekommen.

Fritz Fellbacher fürchtete um sein Ansehen und seine politische Karriere. Angefangen hatte alles schon vor Wochen. Damals erhielt Pfarrer Zandler Besuch von einem alten Mann aus Kirchwalden, einem ehemaligen Schmied. Um seine spärliche Rente aufzubessern, machte dieser Reparaturarbeiten und kleine Schmiedearbeiten in seiner häuslichen Hobbywerkstatt. Der über Achtzigjährige hatte Pfarrer Zandler nicht gebeichtet, sondern nur seine Bedenken anvertraut. Er war nämlich von einem Kunden gebeten worden, nach Vorlage ein Siegel herzustellen. An sich war das nichts Besonderes, denn viele Familien ließen sich in letzter Zeit für private Zwecke ein Familiensiegel machen. Doch dann erinnerte sich der alten Schmied an das Siegel von Waldkogel. Die Ähnlichkeit war sehr groß, der Unterschied von einem Laien kaum zu bemerken. Der alte Schmied hatte beiläufig erfahren, dass sein Kunde sich das Motiv als Marke hatte schützen lassen. Das beunruhigte den alten Mann sehr. Pfarrer Zandler war darüber auch sehr erstaunt gewesen, als er es gehört hatte.

Wie konnte so etwas geschehen?

Jedenfalls führte Pfarrer Zandler mit dem Bürgermeister ein vertrautes Gespräch. Daraufhin suchte Bürgermeister Fellbacher nach den amtlichen Unterlagen, die das Wappen mit den beiden Dreiecken, einem dunklen und einem hellen im Wappenschild, amtlich beschrieben und deshalb verbindlich waren. Bürgermeister Fellbacher wollte beim Amt für Markenschutz dagegen vorgehen. Doch im Rathaus gab es keine amtliche Urkunde darüber, keine Dokumente. Sie waren nicht auffindbar.

Waren sie verloren gegangen? Waren sie gestohlen worden?

Diese und weitere Fragen bereiteten dem Bürgermeister seit Wochen Kopfzerbrechen. Sicher waren im letzten Jahrhundert alle Gemeindewappen und Siegel in der staatlichen Wappenrolle eingetragen worden. Doch darüber waren keine Unterlagen zu finden. Toni begriff, dass die Gemeinde Waldkogel nicht amtlich belegen konnte, dass das Siegel mit dem Wappen wirklich mit Fug und Recht Amts­charakter hatte.

Zuerst hatte Toni versucht, auf Fellbacher einzureden und ihn zu beruhigen. Es war vergebliche Mühe gewesen. Obwohl die Regis­trierung der Wappen von seinem Vorgänger und dessen Vorgänger veranlasst worden war, fühlte sich Fellbacher dafür verantwortlich. Er lehnte es auch ab, mit der übergeordneten Behörde zu reden. Er glaubte, dass dies einen Makel, vielleicht sogar das politische Aus für seine Karriere bedeuten könnte. Toni verstand Fellbacher. Es würde mit Sicherheit an die Öffentlichkeit dringen, dass im Rathaus von Waldkogel eine solche Unordnung herrschte, dass sogar wichtige Urkunden und Dokumente unauffindbar waren.

Toni grübelte nach. War es ein Diebstahl? Wem von den Angestellten im Rathaus war so eine freche Tat zuzutrauen? Die einzige Spur führte zu Ruppert Schwarzer, auch wenn es im Augenblick reine Spekulation war. Diese Möglichkeit wurde von der Tatsache untermauert, dass Ruppert Schwarzer vor Jahren ein Haus vom Neffen des alten Ludwig Moderer gekauft hatte, der Bürgermeister von Waldkogel gewesen war. Den Kauf dieses Bauernhofes, der lange Jahre nach dem Tode des alten Moderers leer stand, durch Ruppert Schwarzer, konnte damals nicht verhindert werden. Der renovierte Hof wurde von einem von Schwarzers Mitarbeitern bewohnt, der auch im Gemeinderat saß, von Franz Huber. Er war dessen Strohmann und hinterbrachte seinem Chef alle Interna.

Die Verbindung von Ruppert Schwarzer zu dem ehemaligen Hof von Ludwig Moderer heizte Fritz Fellbachers Phantasie so an, dass es nach Tonis Meinung schon an Verfolgungswahn grenzte.

»Mei, Toni! Amtskette, Amtssiegel und Urkunde, dafür stehe ich gerade!«

Toni hörte Fellbachers aufgeregte Stimme im Ohr, als sitze dieser neben ihm am Kamin.

Toni, Anna und Pfarrer Zandler hatten beschwichtigend auf Fellbacher eingeredet. Dieser hatte bereits mit einem Anwalt seines

Vertrauens gesprochen. Um gegen die markenrechtliche Anerkennung vorzugehen, genügte auch eine Kopie aus der Wappenrolle, hatte der Anwalt gesagt. Sollte es zum Prozess kommen, würde er die Wappenrolle des Staates als Beweisgrundlage zur Einsicht des Gerichtes vorlegen lassen. Sobald eine Kopie der amtlichen Wappenrolle vorliegen würde, wollte der Anwalt tätig werden.

So waren Fellbacher und Pfarrer Zandler auf die Idee gekommen, dass Anna versuchen könnte, eine Kopie aus der Wappenrolle zu erhalten. Schließlich war sie Bürgerin von Waldkogel. Beide trauten Anna zu, dass sie das bewerkstelligen könnte, ohne dass jemand Verdacht schöpfen würde.

Anna erklärte sich dazu bereit. Sie hatte auch gleich eine Geschichte parat, falls sie etwas begründen sollte, nämlich Ahnenforschungen für Freunde in Amerika. Außerdem wollte sie Sebastian mit auf das Amt nehmen. Wenn ein Bub dabei ist, der sich für Wappen und Wappenkunden interessierte, würden vielleicht keine Fragen gestellt werden.

Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt. Toni trank sein Bier aus. Er gähnte. Es war Zeit ins Bett zu gehen.

Welch eine verdrehte Geschichte, dachte Toni. Er verstand Fritz Fellbachers Angst vor einem Skandal nur zum Teil. Fellbacher war seit Jahren Bürgermeister. Er hatte sich nichts zu schulden kommen lassen. Warum er in die Defensive ging, verstand Toni nicht ganz. Wer kontrollierte schon, ob alle Urkunden und jeder Schriftverkehr auch vollständig waren?

Vielleicht tauchte die Urkunde wieder auf, überlegte Toni. Vielleicht ist es damit genauso wie mit anderen Dingen, die gesucht werden im täglichen Leben. Wird etwas gesucht, wird es nicht gefunden. Kaum sucht man nicht mehr danach, fällt es einem in die Hände. Diese Erfahrung hat doch jeder schon einmal gemacht, dachte Toni.

Toni stand auf, brachte seinen Bierseidl in die Küche und ging ins Schlafzimmer.

»Hast du jetzt deine Gedanken geordnet, Toni?« fragte Anna.

»Du schläfst noch nicht?«

»Du weißt doch, dass ich erst einschlafen kann, wenn du neben mir liegst, Toni. Bist du zu einem Ergebnis gekommen?«

Toni zog sich aus und kam ins Bett.

»Ja, ich bin zu einem Ergebnis gekommen. Wir werden dem Fellbacher helfen, eine Kopie aus der Wappenrolle zu erhalten. Warum er sich so aufregt, verstehe ich nicht ganz, Anna. Wenn der alte Mann nichts gesagt hätte, wenn es ihm nicht aufgefallen wäre, dann hätte Fellbacher nie nach dem Dokument gesucht und alles wäre in schönster Ordnung. Mei, Anna, es bringt nichts, sich verrückt zu machen.«

»Da stimme ich dir zu, Toni! Aber es kann doch sein, dass jemand nur will, dass Fellbacher unruhig wird und einen Fehler macht, der ihn das Amt kostet. Das wäre für die Opposition ein gefundenes Fressen. Ich stimme dir zu, Toni. Es ist eine doofe Sache. Da ist etwas an die Oberfläche gekommen, was völlig unnötig ist. Gehe morgen noch mal bei Fellbacher vorbei. Rede mit ihm, Toni. Er soll die Sache nicht so ernst nehmen. Es ist im Leben doch oft so, dass es Dinge gibt, die sich von selbst erledigen. Außerdem steht Waldkogel unter dem Schutz der Engel vom ›Engelssteig‹.«

Anna kuschelte sich in Tonis Arm.

»Gute Nacht, Toni«, sagte sie.

»Gute Nacht, Anna! Ich liebe dich!«

Sie küssten sich.

*

Es war schon nach Mitternacht. In der Szenebar im Bankenviertel der Frankfurter Innenstadt herrschte gedämpftes Licht. Ein Klavierspieler spielte leise Musik auf einem großen roten Flügel. Männer in Designeranzügen, Seidenhemden und handgearbeiteten Schuhen, die dicke protzige Uhr am Handgelenk, schlürften Cocktails. An ihrer Seite setzten sich Frauen in extravaganten Kleidern und extrem hochhackigen Sandaletten ins Blickfeld.

In einer Nische saß eine Gruppe aus mehreren Männern und Frauen, die Männer waren dabei in der Überzahl.

»Fabian, was ist jetzt? Machst du das Motorcross mit? Und wenn ja, mit wem? Eine Beifahrerin brauchst du schon!«

Fabian orderte beim Kellner eine weitere große Flasche Champagner.

»Die geht auf mich!«, sagte Fa­bian lässig, als würde er im Supermarkt ein Sonderangebot in den Einkaufswagen legen.

»Ob ich mitmache? Wann soll das Rennen stattfinden?«

Jean, der sich im Ledersessel gegenüber lümmelte, auf dessen breiten Lehne eine Blondine saß, nannte Fabian den Termin. Fabian griff in die Innentasche seines Maßanzuges und holte sein Kombigerät aus Handy und elektronischem Notizbuch hervor. Mit dem Stift tippte er eine Weile auf dem Display herum.

»Das mit dem Wochenende wird knapp werden. Ich habe noch einen Termin für einen Segeltörn im Mittelmeer, will mit Freunden zu einer Free-Climbing-Tour in die Pyrenäen und muss mein neues Ultraleichtflugzeug abholen.«

»Nun jammer nicht, Fabian! Uns geht es doch allen so! Wir haben auch unsere Terminengpässe. Aber bitte, wenn du nicht willst?«, bemerkte Marcel.

»Davon kann keine Rede sein!«, verteidigte sich Fabian.

Er tippte wieder auf seinem Display herum.

»Und was ist jetzt, Fabian! Musst du dafür erst ein Projektpapier erstellen?«, fragte Pascal grinsend, der Fabians Hang zur Gründlichkeit oft zu spüren bekam, denn Fabian war sein Chef innerhalb des großen internationalen Bankhauses, das sich auf Aktien und Wertpapiere spezialisiert hatte.

»Nein, das schaffe ich gerade noch so!«, rief Fabian gut gelaunt. »Also, ich bin dabei. Ich nehme unsere kleine Privat-Rallye als Anreise nach Italien, von dort aus geht es dann zum Segeltörn und anschließend über Spanien auf die französische Seite der Pyrenäen. So, liebe Freunde, alles bestens! Alles okay!«

»Die Modalitäten kennst du ja!«

Fabian nickte. Es war ein Privatrennen, in dem es auch um Geld ging. Jeder, der daran teilnahm, musste vorher einen größeren Betrag überweisen. Davon wurden die Übernachtungen in den Hotels be­glichen und die Begleitfahrzeuge mit den Mechanikern bezahlt. Dem Sieger der Rallye winkte ein Silberpokal.«

»Fabian, du hast uns noch nicht verraten, wer deine Beifahrerin sein wird«, bemerkte Ingo.

Nervös strich sich Fabian über das glattrasierte Kinn. Dann spielte er lässig mit dem breiten goldenen Band an seiner Uhr. Dann sah er die schöne Frau an, die neben Marcel auf einem zweisitzigen Lederpols­ter saß.

»Wie ist es mit dir, Claire? Fährst du mit mir? Anschließend machen wir gemeinsam den Segeltörn und nach meiner Klettertour brausen wir nach Paris zum Shopping. Dann siehst du deine Heimat mal wieder. Wie ist es?«

Es entstand eine Stille am Tisch. Alle schauten Claire an. Marcel legte besitzergreifend seinen Arm um ihre Schultern.

»Sorry, Fabian! Claire hat sich schon für mich entschieden!« Marcel grinste überlegen. »Ich bin auch der bessere Autofahrer. Mit Sicherheit werde ich in diesem Jahr wieder gewinnen. Claire steht eben auf Siegertypen.«

Er warf Claire einen Blick zu, diese lächelte ihm gewogen zu.

»Ich dachte, du wolltest mit mir fahren?«, sagte Fabian etwas leiser.

Er räusperte sich und trank einen Schluck Champagner. Es hatte ihn getroffen. Claire gefiel ihm, und er hatte es ihr auch schon gesagt.

»Cheri, ich fahre mit Marcel! Er ist auch Franzose, und ich bin nun mal auch eine Patriotin. Das musst du verstehen, Cheri!«

Dass Claire Fabian mit Cheri titulierte, das hatte nichts weiter zu bedeuten. Claire redete so fast mit jedem. Doch so schnell gab Fabian nicht auf.

»Okay! Ich bin ein fairer Mitspieler! Dann wünsche ich dir eine gute Fahrt mit Marcel, meine liebe Claire.«

Er lächelte sie an.

»Aber ein wenig enttäuscht bin ich schon, meine Süße. Aber ich weiß auch schon, wie du es wieder gut machen kannst!«

»So, Cheri, dann bin ich aber neugierig?« Claires Augen blitzten.

Fabian wurde heiß. Die Maxiflasche Champagner wurde an den Tisch gebracht und die Gläser neu gefüllt. Sie tranken.

»Also, so viel ich weiß, ist es nicht unbedingt Pflicht, eine Beifahrerin zu haben ... dann fahre ich eben alleine. Dann kann ich noch schneller sein. Und wenn ich gewinne, Claire, dann kommst du mit mir zum Segeltörn und anschließend nach Frankreich, wie ich es geplant habe. Bist du einverstanden?«

Claire warf ihre Locken nach hinten und lachte. Sie schmiegte sich an Marcel. Dieser grinste siegessicher.

»Du kannst ihm zusagen, Claire! Er wird nicht gewinnen!«

»Wenn du meinst, Marcel. Ich würde auch viel lieber mit dir noch einige gemeinsame Tage nach dem Rennen verbringen, Cheri!«

»Das werden wir! Musst keine Bedenken haben. Ich werde das Rennen gewinnen wie jedes Jahr. Du kennst doch Fabian. Er ist zwar ein ausgezeichneter Extremsportler, aber ich bin der bessere Auto­fahrer und habe den schnelleren Wagen mit dem stärkeren Motor. Keine Sorge, wir beide werden als erste durch das Ziel fahren.«

»Wenn du meinst, Cheri!« Claire schmiegte sich an Marcel.

Sie warf Fabian einen verschleierten Blick zu. »Vielleicht im nächsten Jahr, Fabian – Cheri!«

»Gut, dann fahre ich die Strecke alleine!« Fabian grinste. »Wir wissen hier doch alle, dass die Beifahrerinnen tagsüber nicht unbedingt vonnöten sind. Sie sind für etwas anderes dabei!«

Alle Männer lächelten wissend. Sie dachten an die Nächte.

Man wechselte das Thema und trank weiterhin Champagner. Der Pianist spielte sanft perlende Musik. Später gelang es Fabian noch, mit Claire zu tanzen.

»Ich bin ein wenig enttäuscht, Claire. Ich dachte, dir liegt etwas an mir. Ich weiß, dass du eine Schwäche für Siegertypen hast. Aber ich bin auf der ganzen Linie, beruflich, sportlich und privat ein Siegertyp. Das weißt du. Wie kommt es also, dass du dich für Marcel entschieden hast?«

»Cheri! Marcel hat mich zuerst gefragt. Du weißt doch, dass Frauen nicht gerne warten. Bist eben zu spät gewesen. Und außerdem ist da noch mein tiefer Patriotismus. Da konnte ich nichts dagegen machen, Cheri. Aber wenn du gewinnst …« Claire schaute Fabian tief in die Augen.

»Wenn du Sieger bist, werden wir eine schöne Zeit haben, mon Cheri.«

Fabian zog Claire enger an sich, und sie tanzten schweigend weiter.

Fabians Ehrgeiz, Claire weiter zu erobern, war damit noch mehr angestachelt. Er glaubte, Claire ganz gut einschätzen zu können. Sie treibt ihr Spiel mit mir, dachte er. Ich will sie. Ich werde sie bekommen. Sie will mich nur ein wenig eifersüchtig machen. Ich lasse ihr das Spiel. Ich werde die Rallye gewinnen, dann hat sie keine Ausrede mehr.

Der Tanz war zu Ende. Fabian führte Claire zurück. Sie setzte sich wieder neben Marcel, der sich in seiner Eroberung sonnte. Kurz da­rauf forderte Marcel Claire zum Tanz auf. Fabian ließ die beiden nicht aus den Augen.

Was er sah, gefiel ihm nicht. Die beiden wirkten sehr harmonisch. Entweder ist es die perfekte Show oder sie sind auf dem besten Weg, ein Paar zu werden, schoss es Fa­bian durch den Kopf. In Gedanken zählte er die Tage bis zur Rallye, auf der sich für ihn so viel entscheiden würde. Er war besessen, Claire endgültig zu erobern.

Als Fabian in den frühen Morgenstunden in seine hochmoderne Penthouse-Eigentumswohnung am Main-Kai zurückkehrte, ging er nicht sofort schlafen. Er setzte sich an sein Notebook und arbeitete sich die Routen aus. Danach machte sich ein tiefes befriedigendes Gefühl in ihm breit. Er hatte einen Schleichweg entdeckt. Die Regeln sahen vor, dass die Teilnehmer des Rennens jeden Tag die Entfernung zum nächsten abendlichen Boxenstopp zurücklegen mussten. Entscheidend war, wer dort zuerst ankam.

Jeder konnte sich seine Strecke selbst aussuchen. Es war gleich, auf welchen Straßen er das Ziel erreichen würde.

Fabian rieb sich die Hände. Er zog an seiner teuren Zigarillo und blies genüsslich den Rauch aus.

»Ich werde siegen!«, sagte er laut vor sich hin.

Dabei ballte er zur Bekräftigung die Faust. Fabian hatte keinen Zweifel. Sicher war die von ihm ausgearbeitete Strecke riskant. Aber was war im Leben schon ohne Risiko? In seinem Beruf ging er jeden Tag große Risiken ein, und immer war es gut gegangen. Ich bin eben der Siegertyp, dachte er.

Fabian trank den Cognac aus und ging schlafen. Draußen stieg die Sonne über der langsam erwachenden Stadt auf. Die Wellen auf dem Main glänzten silbern. Vom silbernen Glanz überstrahlt waren auch Fabians Gedanken, die er mit hi­nüber in den Schlaf nahm. In einem Arm hielt er den silbernen Pokal, im anderen Arm Claire.

*

Zehn Tage waren vergangen. Alexandra hatte sich eingelebt. Jeden Morgen stand sie bei Sonnenaufgang auf. Dann trat sie vor ihre Almhütte, denn sie hatte sie gekauft. Sie streckte die Arme in den Morgenhimmel und atmete die klare Luft tief ein. Dann rannte sie barfuß über die Almwiesen und genoss die Feuchtigkeit des Morgentaus auf den Gräsern.

Es hatte sich so ergeben, dass Alex jeden Morgen auf der Oberländer Alm bei Hilda und Wenzel Oberländer frühstückte. Alexandra mochte das alte Ehepaar sehr, und die beiden Alten genossen es, so eine nette Gesellschaft zu haben. Nach dem Frühstück half Alexan­dra meistens Hilda das Geschirr zu spülen und schaute ihr zu, wie sie die Milch zu Käse verarbeitete. Am besten gefiel Alexandra, dass Hilda und Wenzel so wenig sprachen, wenn sie einer Tätigkeit nachgingen. Sie verrichteten einfach ihre Arbeit. Das machten sie mit einer Hingabe und Intensität, die Alexandra berührte. Meistens saß sie dabei, ihren Skizzenblock auf dem Schoß und zeichnete: Hilda, mit ihrem gebeugten Rücken, das Kopftuch im Nacken gebunden, die geblümte Schürze über dem dunklen Dirndlkleid, das war das wunderschöne Bild einer in sich ruhenden, sehr zufriedenen Frau.

Später saß Alexandra unter dem vorgezogenen Dach an der Staffelei und malte. Dabei lief leise im Hintergrund ihr CD-Player. Er wurde mit Batterien betrieben, denn auf Alexandras Almhütte gab es keinen Stromanschluss, genau wie auf Tonis Berghütte. Alexandra hatte sich überlegt, ob sie sich einen kleinen Generator kaufen sollte. Auf der Berghütte gab es einen Generator. Den warf Toni nur an, wenn Anna die Waschmaschine anstellen wollte oder wenn ein Handy aufgeladen werden musste. Die ersten Abende, die Alexandra bei den Freunden auf der Berghütte verbracht hatte, waren ihr etwas altmodisch vorgekommen, doch bald hatte sie die versteckte Lebensqualität in dieser traditionellen Einfachheit entdeckt. So hatte sich Alexandra entschlossen, auf ihrer Almhütte die Technik weitgehend auszusperren. Technik habe ich in New York genug, dachte sie. Hier kann ich einen einfachen und schlichten Lebensstil pflegen. Bald hatte Alexandra Routine im Anzünden des alten Küchenofens in der Almhütte, auf dem sie Tee- und Kaffeewasser erhitzte und kochte. Hilda Oberländer hatte ihr gezeigt, wie man in der Röhre des alten Ofens Kuchen backen konnte. Von Anna hatte Alexandra das Brotbacken gelernt.

Alexandra spürte, wie aus diesen einfachen Tätigkeiten ihr Kraft zufloss, die ihre Malerei wieder beflügelte. Das Malen ging ihr so gut von der Hand wie schon lange nicht mehr. Fast jeden Tag entstand ein neues Bild, einmal in Öl, dann wieder in Aquarellfarben oder in Kreide.

Alexandra bewahrte die Bilder in einem der hinteren Räume der Almhütte auf, die vorher wohl so etwas wie eine Vorratskammer oder Käsekammer gewesen war. Außer diesem Raum gab es einen großen Wohn-, Küchen- und Arbeitsraum und eine kleine Kammer mit einem Bett, einen zweitürigen Schrank, einem Stuhl und einer Ecke mit einem Heiligenwinkel. Darin schlief Alexandra.

Anna besuchte die Freundin, die um einige Jahre jünger war, fast jeden zweiten Tag. Anna hatte ihr geholfen die Almhütte zu säubern. Gemeinsam hatten sie neue Gardinen an den kleinen Fenstern aufgehängt. Auf Annas Anregung hin hatte Alexandra begonnen, die wenigen Kammertüren zu bemalen, ebenso wie die einfachen Holzmöbel. Jeden Tag nahm sich Alexandra ein anderes Stück vor, mal war es die Sitzfläche eines Hockers, mal war es eine Schublade der alten Kommode oder die Kante eines Wandregals.

Diese Malerei machte Alexandra viel Freude. Sie hatte das Gefühl, dass sie dabei mit dem Geist der Berge verschmolz. Immer öfter dachte sie daran, ihr Studio in New York ganz aufzugeben. Ihren Kunstagenten konnte sie beibehalten. Wenn sie ihn besuchen musste oder bei einer Ausstellung ihre Anwesenheit erforderlich war, dann könnte sie bei Bekannten wohnen oder in einem Hotel. Der Gedanke reizte Alexandra immer mehr. Aber der Sommer war noch lang, und sie wusste, dass sie sich mit dieser Entscheidung Zeit lassen konnte.

Die Abende waren für Alexandra etwas ganz Besonderes. Wenn sie nicht auf der Berghütte war, dann saß sie vor ihrer Hütte und ließ den Sonnenuntergang auf sich wirken. Sie trank die Farben, in denen die Berge im Abendlicht leuchteten. Sie sah, wie die Schatten aus dem Tal immer höher krochen, bis sie schließlich die Gipfel mit ihrer Dunkelheit verschlangen und nur im Westen am Himmel noch ein zartes Rosa zu sehen war. Alexandra blieb meistens lange auf. Sie lauschte den Geräuschen der Nacht, den Melo­dien der Berge, wie sie es nannte. Da war eine tiefe Stille, die jedes Geräusch verstärkte und wiedergab, auch wenn es noch so weit entfernt war. Wenn der Wind günstig stand, hörte sie gelegentlich sogar die Musik von der Berghütte, wenn der alten Alois auf seiner Ziehharmonika spielte. Dann wehten leise Klänge über das Tal und mischten sich mit den Tönen der Natur. Da war ein gelegentliches Knacken der Felswände. Manchmal hörte man, wie irgendwo ein Steinschlag abging. Aber am schönsten war, wenn die Kirchturmuhr die Mitternachtsstunde verkündete. Dann hingen die Töne der Glockenschläge über dem Tal. Es dauerte lange, bis sie verklungen waren und das Echo nicht mehr zurückkam. Alexandra kam es dann jedes Mal so vor, als wollten die Glockenschläge die Menschen daran erinnern, dass oben im Himmel jemand über sie wachte. Alexandra kannte die Geschichten über die Engel auf dem »Engelssteig«. Anna hatte in ihren Briefen davon geschrieben. Wenn sie in der Nacht die Glocken schlagen hörte, dachte sie daran und lächelte still vor sich hin. Vielleicht sollte ich auch einmal mit den Engeln reden, überlegte Alexandra schon mehrere Tage. Wenn es stimmt, was die alten Sagen und Legenden berichten, dann könnte ich die Engel bitten, mir die wahre Liebe zu senden. Jemand, der mich liebt, der fehlt mir, ansonsten bin ich glücklich. Doch das Leben ist einsam. Es wäre schöner, es mit jemandem zu teilen, mit einem liebenden Herz.

Eines Abends, es war schon fast dunkel, hörte Alexandra ein Brummen. Zuerst war es ganz leise, dann wurde es immer lauter. Es war ihr, als käme das Geräusch, das seine Klangfarbe mehrmals wechselte, immer näher. Alexandra empfand es als störend. Es war ein fremdes Geräusch. Was kann es nur sein? Sie überlegte und hörte genau hin. Das fremde aufdringliche Geräusch kam näher.

Es war das Geräusch eines Autos.

»Wer fährt da mitten in den Bergen herum?« sagte sie leise vor sich hin. »Noch dazu bei Nacht!«

Es hatte am Abend geregnet. Der Himmel öffnete in Abständen immer wieder die Schleusen. Es fiel dann ein kurzer und heftiger Regen. Alexandra stand auf, ging einige Schritte vor der Almhütte auf und ab und lauschte. Viel konnte sie nicht sehen. Wolken verdeckten das sonst so hell scheinende Mondlicht.

Dann erkannte sie oberhalb auf dem Milchpfad am Berg zwei helle Punkte. Es müssen Autoscheinwerfer sein, überlegte Alexandra. Vielleicht will jemand zur Oberländer Alm und dann weiter zur Berghütte. Vielleicht hat sich jemand bei der Anreise verspätet, weil er im Stau stand. Immerhin ist es Hochsaison, dachte Alexandra.

Sie setzte sich wieder in den Schaukelstuhl und zog die Decke enger um sich. Es war kühl in dieser Nacht. Aber diese Kühle in den Bergen nach diesen sehr trockenen und heißen Tagen empfand sie als sehr angenehm.

Alexandras Gedanken flogen über den Atlantik. Sie dachte an ihre Abende in New York und ver­glich sie mit den Abenden im schönen Waldkogel. Das Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks breitete sich in ihrem Herzen aus.

Plötzlich schreckte sie von einem Geräusch auf. Es traf sie wie ein Schlag und riss sie aus ihren Gedanken. Es war das Kreischen eines Motors, das von einem Quietschen noch übertönt wurde. Das Geräusch hallte als Echo in den Bergen wider. Dann erfolgte ein Knall. Es krachte, ein berstendes Geräusch zerriss die Luft, wie sie nur zersplitterndes Glas und sich verformendes Blech machen konnten. Der Lärm wurde noch von anderen Tönen überlagert, die Alexandra nicht deuten konnte. Außerdem ging alles ganz schnell, gleichzeitig spürte Alexandra, wie die Holzdielen auf der kleinen Terrasse vor der Almhütte bebten. Die Tür hinter ihr fiel mit einem Knall ins Schloss, die Fensterscheiben der Almhütte zersprangen mit lautem Knall. Ein ohrenbetäubender Lärm erfüllte die Luft. In dem großen Raum stürzten Töpfe und Pfannen von den Wänden.

Alexandra sprang einem Instinkt folgend, von ihrem Schaukelstuhl auf und hechtete unter den freien Himmel, der wieder seine Schleusen geöffnet hatte. Es dauerte noch Sekunden, bis es wieder still war. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie fasste sich an die Brust, als wollte sie es festhalten.

»Himmel, stehe mir bei, was war das? War das ein Erdbeben?«, flüsterte sie fast tonlos vor sich hin.

Mit angehaltenem Atem lauschte Alexandra in die Nacht.

»Hallo? Hallo!!«, eine Stimme drang an Alexandras Ohr.

Es bestand kein Zweifel. Es kam ganz aus der Nähe.

»Hört mich keiner? Hiiiilfe! Haaallooo! Hiiiilfe! Ich bin eingeklemmt!«

Es war die Stimme eines Mannes. Langsam ließ Alexandras Schockzustand nach. Ihr Herz klopfte immer noch. Diese Hilferufe heizten ihre Angst wieder an. Am ganzen Körper zitternd, ging sie in weitem Bogen um die Almhütte herum, denn sie hatte inzwischen die Richtung der Hilferufe ausgemacht.

Plötzlich hörte es auf zu regnen. Die Wolkendecke riss auf, und der Mond stand wie eine Laterne am Himmel. Was Alexandra da im Mondlicht sah, konnte sie zuerst nicht glauben. Sie blieb stehen und zog die Decke enger um ihren Körper.

In der hinteren Giebelwand ihrer Almhütte steckte ein rotes Auto. Die Motorhaube war nicht mehr zu sehen. Das Auto steckte bis zur Hälfte in der Wand!

»Hallo, Sie! Sie dort! Helfen Sie mir! Ich bin hier drin! Die Türen lassen sich nicht mehr öffnen!«, schrie ein Mann.

Alexandra hörte ihn nur wie von Weitem, wie durch einen Schleier.

»Nun hören Sie doch! Sind Sie taub? Helfen Sie mir sofort hier heraus!«, schrie der Mann.

Langsam löste sich Alexandra aus ihrer Erstarrung. Sie ging hin. Sie konnte kaum begreifen, was sie da sah.

»Sie – Sie, Frau da! Nun helfen Sie mir endlich!«, brüllte der Mann wieder.

Alexandra hatte keine Ohren dafür. Sie wusste nur, hinter der Wand war die Kammer mit ihren Bildern. An der Wand hatte sie die schönsten und gelungensten aufgehängt. Ihr Herz zog sich zusammen. Ein großer Schmerz jagte ihr durch die Brust. Wut, eine grenzenlose Wut stieg in ihr auf.

»Meine Bilder! Meine schönen Bilder«, flüsterte sie vor sich hin.

»Wunderbar! Sie können also reden! Das ist ja schon mal ein Trost. Stumm sind Sie also nicht! Kommen Sie her und helfen Sie mir hier heraus!«

Alexandra ließ die Decke fallen, die sie umgehängt hatte und trat näher zum Auto heran.

»Ziehen Sie außen an dem Griff! Vielleicht bekommen wir die Tür so auf. Gibt es hier einen Autoverleih im Ort? Ich habe es eilig! Ich muss sofort weiter! Aber ich komme natürlich für den Schaden auf.«

Alexandra blieb ganz ruhig stehen. Sie starrte den Mann an, den sie nur undeutlich erkennen konnte. Aber es erfasste sie ein seltsames Gefühl.

»Sie bluten!«, sagte sie.

»Ja, ich weiß. Das kommt von dem Zerbersten der Scheiben. Ich habe mit der Hand die Glasscheiben hinausgedrückt. Nun, machen Sie schon!«, brüllte er. »Und wegen dieser alten Almhütte müssen Sie sich keinen Kummer machen. Wird alles ersetzt!«

Alexandra rührte sich nicht von der Stelle.

Dieser Kerl, der jetzt noch frech ist, hat meine Hütte kaputtgemacht und meine Bilder zerstört. Im Mondlicht sah Alexandra, dass die ganze Almhütte schief war und das Dach schräg darauf hing. Ihr war klar, dass es lebensgefährlich sein konnte, hinein zu gehen. Dabei war der Drang groß, nach ihren Bildern zu sehen.

»Hören Sie, Frau …, hören Sie! Ich kann verstehen, dass Sie geschockt sind. Aber es ist doch nur Sachschaden. Ihnen ist nichts geschehen und mir auch nichts! Sie waren doch nicht im Haus, oder?«

Er stockte.

»Oder war noch jemand in der Almhütte?«

Alexandra schüttelte den Kopf.

»Gott sei Dank!«, seufzte der Mann.

»Haben Sie ein Handy?«, fragte Alexandra.

»Der erste kluge Satz von Ihnen! Hier bitte!«

Er reichte ihr sein Handy aus dem Seitenfenster des roten Autos, in dessen Rahmen noch Glassplitter hingen.

Alexandra wählte die Nummer von Tonis Handy. Sie musste sie mehrmals eingeben, weil sie sich in der Aufregung immer wieder vertippte.

Endlich läutete es hin, und Toni meldete sich.

»Tonis Berghütte!«, drang es an Alexandras Ohr.

»Toni, Gott sei Dank! Hier Alex! Die Almhütte ist zerstört. Meine Bilder sind kaputt! Hinten ist er reingekracht! Toni, ich weiß nicht, was ich machen soll!«

»Sie sollen außen an der Tür ziehen!«, brüllte der Mann im Auto.

»Alex! Wer war das? Was brüllt er?«, fragte Toni, der es gehört hatte.

»Das war er! Dieser Mann! Er ist im Auto eingeklemmt. Ich soll ihn rausholen. Er will gleich weiter! Das will ich nicht! Er hat alles kaputtgemacht! Toni!«

Alexandra versagte die Stimme. Sie schluchzte nur noch und brachte keine zusammenhängenden Sätze mehr heraus.

Toni wurde aus der ganzen Sache nicht schlau. Er gab Anna das Handy.

Anna redete erst mal beruhigend auf Alexandra ein. Dann stellte sie ihr Fragen.

Langsam konnte sich Anna ein Bild machen.

»Ganz ruhig, Alex! Wir kommen! Ich schicke Bello zu dir! Bleibe, wo du bist! Rühre dich nicht von der Stelle und betrete auf keinen Fall die Almhütte. Wir beeilen uns!«

Anna legte auf.

»Toni, da ist ein Unglück geschehen! Soweit ich Alex verstanden habe, ist ein Auto in ihre Almhütte gerast. Die Hütte muss ziemlich zerstört sein. Alex bangt um ihre Bilder. Der Fahrer ist noch im Auto, will aber Fahrerflucht begehen, soweit ich Alex verstanden habe!«

»So ein Rowdy!«, schimpfte Toni.

Er ging von der Küche in die Wirtsstube der Berghütte und hob die Arme.

»Hört mal alle her! Da ist ein Unglück geschehen. Ein Auto ist in der Nähe der Oberländer Alm in eine Almhütte gerast. Ich werde die Bergwacht verständigen und drunten in Waldkogel Bescheid sagen. Der Alois bleibt hier! Anna und ich schauen mal nach. Des Madl, dem die Hütte gehört, ist eine Freundin von Anna. Wer will sich uns anschließen?«

Alle männlichen Hüttengäste bekundeten, dass sie mitkommen würden.

»Also, wir brauchen alle Lampen! Jemand nimmt den Erste Hilfe-Kasten mit! Dann Seile und Werkzeug. Im Schuppen sind Planen.«

In der Berghütte brach binnen Sekunden Geschäftigkeit aus. Die Männer zogen Jacken an, Toni verteilte die Ausrüstung, die er mitnehmen wollte.

Anna füllte Bellos Packtaschen mit Kannen voller warmem Tee und Bechern. Toni steckte eine Stablampe hinein und eine große Packung Leckerli, die Alexandra dem Hund geben konnte.

Anna kniete sich auf die Terrasse der Berghütte neben Bello und redete leise und eindringlich auf den Hund ein. Dann gab sie ihm einen liebevollen Klaps, und Bello rannte los. Bald war er in der Dunkelheit der Nacht verschwunden. Bello kannte den Weg zu Alexandra. Anna hatte ihn oft mit zur Freundin genommen. Anna war sicher, dass der kluge Hund direkt zu Alexandra laufen würde.

Toni telefonierte mit der Bergwacht in Kirchwalden. Dann weckte Toni Doktor Martin Engler, der seine Arztpraxis in Waldkogel hatte. Er versprach, sofort mit dem neuen Krankenwagen zu kommen. Zuletzt telefonierte er mit dem Polizeiwachtmeister von Kirchwalden, Gewolf Irminger, von allen Wolfi gerufen.

Alle versprachen, sich sofort auf den Weg zu machen. Wolfi hatte Toni noch zugesichert, dass er die Freiwillige Feuerwehr von Waldkogel mobilisieren würde.

Binnen zehn Minuten gab es in Waldkogel kaum ein Haus mehr, in dem keine eifrige Aktivität ausbrach. Bald bewegten sich hintereinander mehrere Fahrzeuge mit Blaulicht und Sirenengeheul den Milchpfad hinauf, angeführt vom Krankenwagen mit Doktor Martin Engler am Steuer. Neben ihm saß seine junge Frau Katja. Dahinter reihten sich weitere Fahrzeuge mit freiwilligen Helfern. In den Bergen hielt man zusammen und packte zu, wenn es nötig war.

Die Gruppe der Helfer von der Berghütte, angeführt von Toni und Anna und die Retter aus Waldkogel kamen ungefähr gleichzeitig bei der Almhütte an.

»Anna!«, schrie Alexandra und flüchtete in deren Arme.

Katja Engler und Anna nahmen sich der völlig verstörten Alexandra an.

Die Männer packten an. Die Autotür des roten Wagens war nicht zu öffnen. Die Freiwillige Feuerwehr von Waldkogel setzte die große Rettungsschere an und schnitt das Auto auf. Währenddessen stellten andere Scheinwerfer auf, die mit dem Feuerwehrauto verbunden wurden, dessen Generator Strom erzeugte. Bald erstrahlten die Almhütte und die Umgebung in hellem Licht wie Flutlicht auf einem Sportplatz. Erst dann wurde das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar.

Es dauerte nicht mehr lange, dann näherten sich zwei Hubschrauber der Bergwacht. Im Scheinwerferlicht ihrer Suchscheinwerfer setzten sie auf einer nahen Almwiese auf.

Leo und seine Kameraden kamen angelaufen.

Kopfschüttelnd standen sie am Unglücksort.

»Mei, Toni! Das es so etwas gibt?« Leo schüttelte den Kopf. »Ich habe ja schon viel gesehen, aber des hier, des übertrifft alles!«

Doktor Martin Engler kümmerte sich mit einem Arzt der Bergwacht um den Mann im Auto. Zuerst tas­teten sie ihn vorsichtig ab, schauten seine Pupillen an und machten einige neurologische Tests mit ihm. Dann holten sie ihn vorsichtig aus dem Auto.

»Danke, mir geht es gut! Hier ist meine Karte! Meine Versicherung wird alle Kosten übernehmen! Wo kann ich ein Auto leihen?«

Die Männer brachen in Gelächter aus. Der Mann drehte sich um und wollte davongehen.

»Martin, der steht unter Schock!«, sagte einer.

»Bin schon dabei! Haltet ihn mal fest!«

Doktor Martin Engler zog eine Ampulle in eine Spritze.

Vier Männer griffen zu. Martin setzte dem Mann, der sich heftig wehrte, eine Spritze. Es dauerte nur Sekunden, dann ließ sein Widerstand nach. Sie hoben ihn auf die Trage und schoben ihn in den Krankenwagen. Martin überwachte den Transport hinten im Krankenwagen. Seine Frau Katja fuhr den Rettungswagen. Zwei weitere Helfer fuhren mit.

Toni trat neben Gewolf. Sie beobachteten beide, wie die Feuerwehr und die Bergwacht das in der Almhütte steckende Auto vorsichtig herauszogen. Dabei stürzte die Rückwand der Almhütte völlig ein und ein Teil des Daches dazu. Alexandra schluchzte auf. Anna hielt sie fest im Arm und versuchte sie zu trösten. Sie hielt die Freundin ganz fest, streichelte ihr immer wieder über den Rücken und über das Haar, wie man es bei Kindern machte.

»Ganz ruhig, Alex! Hauptsache, dir ist nichts passiert!«

Die nächsten Stunden waren die Männer damit beschäftigt, die beschädigte Almhütte zu sichern. Es wurde genagelt und gehämmert, dass es weit schallte.

Hilda und Wenzel Oberländer, die von dem Sirenenlärm und dem Hubschraubergetöse aufgeschreckt worden waren, waren herüber gekommen. Hilda schlug vor, Alexandra erst einmal zur Oberländer Alm zu bringen.

»Nein, nein! Ich gehe nicht!«, schluchzte Alexandra. »Ich bleibe hier! Er hat alles kaputtgemacht! Meine ganzen Bilder!«

Anna legte von der einen Seite den Arm um Alexandras Schultern und Hilda Oberländer von der anderen Seite. So gingen sie mit Alexandra langsam in Richtung Oberländer Alm. Bello lief nebenher und wich nicht von ihrer Seite.

»Wolfi, kannst du dir da einen Reim drauf machen, wie des passieren konnte?«, fragte Toni.

»Da wird Verschiedenes zusammengekommen sein, Toni. Ich denke, der hat einen ganz schönen Affenzahn draufgehabt. Dann wollte er ausweichen, hat die Kontrolle über das Auto verloren und ist den Hang runter, bis ihn die Almhütte stoppte. Es hatte geregnet. Auf dem feuchten Gras konnte er den Wagen net zum Stehen bringen. Droben auf dem Milchpfad liegen einige große Steine. Ich vermute einmal, es gab einen kleinen Steinschlag. Nach dem Regen heute ist des net allzu verwunderlich. Der Fahrer ist erschrocken, hat ausweichen wollen, hat dann das Lenkrad zu stark herumgerissen und ist vom Weg abgekommen. Dann bum, peng, krach und er stand bei der Alex in der Hütte!«

»Ja, so könnte es gewesen sein!«

»Toni, wenn der Typ morgen seinen ersten Schock überwunden hat, werde ich ihn vernehmen! Darauf freue ich mich schon! Den werde ich hart rannehmen! Des scheint ein ganz besonderer Hallodri zu sein. Wer kann sich schon einen solchen Luxusschlitten leisten? Weißt, Toni, Leute wie er einer ist, die meinen, für sie gelten die Gesetze nicht. Aber da wird er von mir eines Besseren belehrt werden.«

Einer der Helfer kam auf Toni zu.

»Hier, Toni! Das musst du dir mal ansehen! Das lag auf dem Beifahrersitz!«

Toni und Wolfi steckten die Köpfe über dem Packen Papier zusammen.

»Mei! Himmelherrgott! Denkst du, was ich denke, Wolfi?«

»Mei, nach diesen Unterlagen ist des eindeutig! Der hat an einem Rennen teilgenommen. Des soll ganz modern sein unter solchen reichen Leuten. Des gibt denen den Kick! Es ist eigentlich verboten. Doch des beweist einiges! Er wird mir des erklären müssen. Mei, der soll froh sein, dass er noch lebt!«

»Und dass der Alexandra nix geschehen ist!«

»Ja, des stimmt, Toni! Dieses Mal hat es keine Schwerverletzte gegeben. Aber bei solch illegalen Rennen kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Des ist bekannt!«

Toni grinste. Er deutete auf das Auto.

»Des ist hin! Da hat er einen Teil seiner Strafe schon!«

Wolfi grinste ebenso.

»Des stimmt, Toni! Wenn ich beweisen kann, dass das ein illegales Rennen war, dann zahlt die Versicherung weder seine Schrottkiste, von der ich annehme, er hat sie Vollkasko versichert, noch den anderen Schaden. Dann wird ihm des richtig weh tun, da, wo es ihn wirklich schmerzt, im Geldbeutel nämlich.«

Gewolf Irminger lachte.

»Aber wo genau die Schmerzgrenze bei diesen Typen liegt, des weiß ich net. Solche Leut’, die sind nach meiner Meinung ein bissel durchgeknallt. Die haben einfach zu viel Geld. Die haben jedes Maß verloren, denken, sie könnten sich mit ihrem Geld die Welt und des Leben nach ihren Wünschen zusammenschustern. Mir kommt die Galle hoch, wenn ich an diese Typen denke, Toni.«

»Da sagst du ein wahres Wort!«

Toni schaute Wolfi einen Augenblick ruhig an. Dann nahm er ihm am Arm und ging mit ihm ein Stück über die Wiese.

»Toni, was hast?«

Toni rieb sich das Ohrläppchen.

»Mir ist da gerade ein Gedanke gekommen, Wolfi. Ich weiß net recht, wie ich des sagen soll.«

»Mei, Toni, mach keine großen Vorreden. Wir sind Freunde!«

Toni seufzte leise.

» Also, Wolfi, ich will dich net davon abhalten, deine Pflicht zu tun. Du musst des recht verstehen. Aber es gibt im Leben Situationen, die kann man so oder so auslegen, verstehst? Die Almhütte gehört einer Freundin von Anna. Die Alex hat schon genug gelitten, dass ihre Bilder zerstört wurden. Wenn die Versicherung von dem Typen net zahlt, dann kann des Madl unter Umständen …«

Wolfi Irminger nickte.

»Ruhig, Toni! Musst net weiterreden! Ich habe dich schon verstanden! Sag mal, hast du eine Ahnung, was du da von mir verlangst? Des ist … des ist …«

»Des ist ein Freundschaftsdienst, mehr net, Wolfi! Außerdem hast du die Unterlagen nicht gefunden, und ich habe sie dir nie gegeben!«

Toni nahm Gewolf den Packen Papier aus der Hand und steckte ihn unter seine Jacke.

»Warten wir doch erst mal ab, wie sich der Typ weiter verhält. Den Joker hier, den haben wir immer noch, Gewolf. Wenn es hart auf hart kommt, dann werden die Unterlagen eben später wieder gefunden, dann, wenn Alexandra entschädigt worden ist. Wenn sie Geld für ihre zerstörten Bilder bekommen hat und die Almhütte wieder aufgebaut ist. Dann kann sich die Versicherung, der wir die Sache zuspielen, sich immer noch an den Typen halten, Wolfi. Aber des geht dann die Alexandra nix mehr an. Des ist dann nicht ihre Sache. Ich will dich doch nur bitten, ein bissel abzuwarten. Es ist eben eine Frage des Timings, wie des jetzt modern heißt, verstehst, Wolfi?«

Gewolf Irminger rieb sich das Kinn und dachte einen Augenblick nach. Er grinste Toni an.

»Mmm! Soso! Auslöser, ein plötzlicher Steinschlag«, sagte er leise.

»Es liegen ja auch dicke Brocken auf dem Milchpfad! Du hast es selbst gesagt, Wolfi!«

»Mmm! Ja, ja! Das habe ich gesagt und gesehen! Und sonst hab’ ich nix gesehen.«

Toni legte Wolfi die Hand auf die Schulter.

»Bist ein guter Kamerad!«

Sie schauten sich an.

Gewolf Irminger warf ein Blick in Richtung der zerstörten Almhütte.

»Ich werde morgen mal mit dem Weisgerber vom Sägewerk reden. Der hat bestimmt noch Holz, das er entbehren kann. Dann trommele ich alle Burschen zusammen und wir kommen und richten die Almhütte her, soweit es geht.«

»Des ist doch ein Wort, Wolfi! Da bin ich dabei! Der Leo und die Kameraden von der Bergwacht machen sicherlich auch mit, genauso wie einige meiner Hüttengäste. Wir hier in Waldkogel halten doch zusammen, wie?«

»Ja, das tun wir! Dann sehen wir uns morgen Abend vielleicht schon!«

»Genau! Ich rede mit dem Fellbacher! Der kann bestimmt auch irgendwie helfen!«

Die Freunde waren sich einig. Sie gingen die wenigen Meter zurück zur Almhütte. Dort wurde immer noch gesichert.

»Was geschieht mit dem Auto?«, fragte Leo.

»Des lassen wir erst mal hier stehen!«, sagte Wolfi. »Darum muss er sich morgen selbst kümmern, dieser durchgeknallte Yuppie.«

So ging das die nächsten Stunden weiter. Als die Sonne aufging, war die Almhütte soweit gesichert, dass sie nicht weiter in sich zusammenstürzen konnte und unter Planen gegen weiteren Regen geschützt war, falls es nochmal regnen sollte. Aber so sah es nicht aus. Der Himmel über Waldkogel war wolkenlos. Alle machten sich auf den Heimweg.

Toni lief mit den anderen Hüttengästen zur Oberländer Alm. Anna hatte inzwischen mit Hildas und Wenzels Hilfe Alexandra weitgehend beruhigt. Sie nahmen sie mit auf die Berghütte.

Dort packte Anna die Freundin erst mal im Wohnzimmer der Berghütte auf das Sofa. Sie flößte ihr eine Tasse Kräutertee ein, frisch aufgebrüht, aus einer Spezialkräutermischung von Ella Waldners, die beruhigte. Das wußte Anna aus Erfahrung. Bald darauf schlief Alexandra tief und fest ein.

*

Das Läuten eines Handys drang von weitem an Alexandras Ohr. Langsam kam sie zu sich. Sie schaute sich um und erinnerte sich wieder. Die Wanduhr in Tonis und Annas Wohnzimmer zeigte, dass es früher Nachmittag war. Das Handy klingelte. Alexandra angelte es aus ihrer Jackentasche, drückte die grüne Taste und lauschte.

»Hi, Cheri! Ich bin es, Claire! Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Wo bist du? Warum bist du nicht gekommen, Cheri?«

Alexandras Herz fing an zu klopfen.

»Hallo, Cheri? Warum antwortest du nicht?«

Alexandra räusperte sich.

»Hallo, wen wollten Sie sprechen?«, fragte Alex.

»Oh, wer sind Sie?«

»Ich frage, wer Sie sind?«

»Ich frage mich, warum Sie an Fabians Handy sind?«

»Oh, so! Der Typ heißt Fabian! Gut, dass Sie mir das sagen!«

»Wieso haben Sie sein Handy? Wieso nehmen Sie sein Gespräch an, wenn Sie nicht einmal wissen, wie er heißt?«

»Vielleicht liegt ja eine Verwechselung vor? Falsche Nummer? Wie sieht dieser Fabian aus und was für ein Auto fuhr er?«

»Oh, er sieht gut aus! Hat einen großen roten Sportwagen aus Ita­lien!«

»Ja, von dem Mann habe ich das Handy ausgeliehen!«

»Dann geben Sie es ihm umgehend wieder zurück! Ich mache mir Sorgen. Ich muss unbedingt mit ihm reden!«

»Wer sind sie?«

»Claire! Eine Freundin! Seine Freundin!«, betonte sie mit Nachdruck.

Es blieb bei Alexandra nicht ohne Wirkung.

»Oh – so!«, hauchte Alexandra leise.

»Hören Sie! Sagen Sie ihm, er soll mich sofort anrufen! Wir sind alle sehr besorgt! Nein, das stimmt nicht! Nur ich bin besorgt! Er soll mich unbedingt anrufen. Ich warte im Hotel in Davos auf ihn, sagen Sie ihm das!«

»Und Ihr Name war Claire?«

»Ja, mein Name ist Claire, Claire de Clermont, Marquise de Clermont!«

»Ich werde es versuchen! Auf Wiedersehen! Nein, besser nicht! Ich will nichts mit ihm zu tun haben und nichts mit irgendjemand, den er kennt. Er hat mir genug angetan!«, stöhnte Alexandra und legte auf.

Gleich darauf läutete das Handy wieder. Alexandra sah an der Nummer, dass es wohl wieder diese französische Adelige war. Wütend schaltete Alexandra das Handy ganz aus.

Dann sah Alexandra, dass auf dem Tisch ein Tablett mit Frühstück stand. Daneben lag ein Zettel. Da­rauf stand:

Guten Morgen, liebe Alex! Hier draußen ist viel los! Ich glaube, halb Waldkogel ist auf die Berghütte gekommen. Sie waren vorher alle bei deiner Almhütte. Trink erst einmal in Ruhe Kaffee und iss etwas. Dann kannst du dich immer noch der Meute stellen.

Liebe Grüße, Anna

Alexandra schmunzelte. Die liebe Anna, dachte sie. Sie goss sich Kaffee ein und machte sich ein Brot mit Butter und Marmelade. Sie aß es genüsslich auf. Dann hörte sie ein Kratzen an der Tür. Sie öffnete die Tür einen Spalt, und Bello drückte sich herein. Er sprang erst einmal an Alexandra hoch und schleckte ihr das Gesicht ab.

»Bello, willst du mich waschen! Lass das, du Schlingel!«

Bello sprang auf das Sofa und legte sich hin.

Alexandra musste schmunzeln. Sie ging zu ihm und kraulte ihm das Fell.

»Bist ein guter Hund! Komm, ich gebe dir ein Stück Wurst!«

Bei einem Stück blieb es dann nicht. Alexandra verfütterte den ganzen Wurstteller an Bello. Damit hatte sie endgültig sein Herz erobert. Er bellte laut.

Anna hörte es draußen im Wirtsraum der Berghütte und kam he­rein.

»Guten Morgen, Alex! Wie geht es dir?«

»Guten Morgen, Anna! Wie soll es mir schon gehen? Danke erst einmal für das Asyl und das wunderbare Frühstück.«

»Freut mich! Es scheint dir ja geschmeckt zu haben! Die Wurst war von unserem neuen Metzger!«

Alex lachte.

»Keine Ahnung, wie sie geschmeckt hat. Das musst du Bello fragen!«

Die beiden Frauen lachten.

»Sind immer noch so viele Neugierige draußen?«

»Nein, Toni wurde ärgerlich und hat sie fortgeschickt! Aber verdenken kann man es ihnen nicht. Es passiert ja nicht jeden Tag, dass ein Auto in eine Almhütte fährt und dazu noch ein italienischer Nobelsportwagen.«

Alexandra stand auf.

»Gut, dass es ruhiger ist! Ich muss mich wohl jetzt auch auf den Weg machen. Hoffentlich lungern nicht zu viele um meine Hütte herum.«

»Alexandra! Du musst hierbleiben! Du kannst in deiner Almhütte nicht wohnen. Sie ist einsturzgefährdet. Es ist viel zu gefährlich für dich, sie zu betreten. Aber Toni hat schon mit Leo von der Bergwacht und einigen von der Freiwilligen Feuerwehr geredet. Sie kommen heute Abend und bergen deine Sachen.«

»Oder was noch davon übrig ist, Anna«, warf Alexandra ein.

Anna schlug Alexandra vor, bis zum Abend auf der Berghütte zu bleiben. Dann würde man weitersehen.

»Setz dich auf die Terrasse und stell dir vor, dass du hier in Urlaub bist, Alex«, sagte Anna.

Sie gingen gemeinsam hinaus.

Den ganzen Nachmittag verbrachte Alexandra mit Sebastian und Franziska. Die beiden Kinder hörten interessiert zu, wie Alexan­dra ihnen von früher erzählte, als Anna und sie noch Kinder waren. Davon konnten Franzi und Basti nicht genug hören. Vor allem die Geschichten über die Neufundländer-Hunde der Bremer Großeltern.

»Unterhaltet ihr euch gut?«, fragte Anna.

Sie brachte den drei Limonade an den Tisch.

»Ja«, strahlte Franzi. »Die Alex weiß so viele Geschichten über Hunde.«

Anna lächelte.

»Die Alex hat neben meinen Großeltern gewohnt. Sie war fast jeden Tag bei ihnen und half bei der Hundezucht. Ich war nur in den Ferien dort. Ihr wisst ja, dass ich mit meinen Eltern in Hamburg gelebt habe und nach ihrem Tod dort bei der Mutter meines Vaters geblieben bin.«

»Können wir mal hinfahren, Anna? Können wir deine Großeltern besuchen?«, fragte Franziska und legte den Kopf an Anna.

»Ja, das wollen wir, Anna! In Hamburg bei den Verwandten waren wir schon zu Besuch. Aber deine anderen Verwandten«, Basti schmunzelte verlegen und verbesserte sich sofort, »unsere anderen Verwandten kennen wir nicht.«

»Stimmt, Basti!«, sagte Anna, sie war jetzt auch überrascht.

»Stimmt, aber das geschah nicht mit Absicht. Du weißt doch, dass ich oft mit den Großeltern Bremer telefoniere.«

»Das ist zwar nicht so wie ein Besuch. Und ich würde so gern die vielen Neufundländer Hunde sehen! Gibt es da auch ganz kleine Welpen?«

Anna schmunzelte.

»Wir können es einrichten, dass wir zu Besuch hinfahren, wenn es Welpen gibt!«

»Super!« Franziska stand die Freude im Gesicht. »Wann fahren wir?«

Anna streichelte Franziska über ihre blonden Locken.

»Vielleicht in den Herbstferien oder in den Winterferien. Aber die Großeltern sind alt. Ihre Hundezucht ist nicht mehr so groß. Es gibt nicht mehr viele Menschen, die sich so ein riesiges Wollpaket wie einen Neufundländer ins Haus holen.«

»Pah, die wissen nicht, was sie versäumen«, gab Basti altklug von sich.

»Wenn ich später einmal verheiratet bin und Familie habe, dann haben wir auch Neufundländer!«

»Sicher, Basti! Aber bis dorthin ist noch etwas Zeit! Erst machst du mal die Schule zu Ende, lernst einen schönen Beruf und dann siehst du weiter.«

»Ich kann auch einfach Hüttenwirt werden wie Toni. Dann brauche ich nicht lange zu studieren!«

Anna lachte und wuschelte Sebas­tian mit den Fingern durch sein Haar.

»Das würde dir so passen, mein guter Basti! Sicher kannst du Hüttenwirt werden. Toni würde sich darüber sehr freuen. Es gibt sicher nichts, was ihn mehr freuen würde. Aber die Berghütte, die läuft dir nicht davon. Man weiß nie, was noch kommt. Das Leben hat gelegentlich Überraschungen bereit, mit denen man nicht rechnet. Deshalb ist es schon gut, einen schönen Schulabschluss zu haben und einen ordentlichen Beruf. Aber das müssen wir nicht heute entscheiden, Basti.

Du kannst alles lernen, was du willst, Basti. Ich dachte, du wolltest Architekt werden?«

»Oh, Architekt ist ein schöner Beruf«, warf Alex ein. »Wenn ich damals an der Kunstschule in New York nicht genommen worden wäre, dann hätte ich hier Architektur studiert. Ich liebte es, Pläne zu zeichnen.«

Anna lachte. Sie wusste, dass Sebastian und Alexandra ein weiteres unerschöpfliches Thema gefunden hatten und ließ sie alleine.

»Dann kannst du die Pläne für deine neue Almhütte selbst zeichnen«, sagte Basti.

Alexandra überlegte einen Augenblick.

»Ja, das könnte ich! Wenn ich mir so ins Gedächtnis rufe, wie das Chaos heute Nacht ausgesehen hat, dann ist es wohl am besten, die Almhütte wird zerlegt und komplett neu aufgebaut. Dabei könnte ich die Wände anders setzen. Hast du Papier, Basti?«

»Ich hole dir einen Block!«, rief Basti begeistert. »Außerdem können wir den Grundriss mit Steinen auf dem Geröllfeld auslegen. So etwas habe ich schon oft gemacht. Das macht Spaß.«

Sebastian rannte davon, um Zeichensachen zu holen. Es dauerte etwas.

Als er zurück kam stand Alexandra auf der Terrasse der Berghütte und hielt sich am Geländer fest. Sie starrte über das Geröllfeld. Doktor Martin Engler kam mit einem Mann auf die Berghütte zu. Alexandra drehte sich um und ging schnellen Schrittes in den Wirtsraum der Berghütte, dabei rannte sie Sebastian fast um. Er schaute ihr überrascht nach.

»Weiber!«, brummte Basti leise vor sich hin.

»Toni, Anna! Er kommt!«, schrie Alexandra und rannte im Wirtsraum der Berghütte auf und ab.

»Wer, Alex?«, fragte Toni.

Er stand hinter dem Tresen und zapfte Bier.

»Dieser Mann, der heute Nacht in meine Almhütte gerast ist. Der, der meine ganzen Bilder …«

Weiter kam Alexandra mit der Erklärung nicht. Doktor Martin Engler betrat mit dem Mann, den Alexandra nur im Mondlicht gesehen hatte, den Wirtsraum der Berghütte.

»Grüß Gott, Martin! Wen hast da bei dir?«, fragte Toni.

»Grüß Gott, Toni! Tu net so unschuldig. Gesehen hast ihn schon. Des ist der Fabian Metzger, du weißt schon, der ganz besondere Sportwagenfahrer. Da hat er ganze Hänge, auf denen er herumkutschieren könnte, aber nein, er muss­te auf Alexandras Almhütte zusteuern. Er hat mich gebeten, mitzukommen und ein gutes Wort für ihn einzulegen.«

Fabian stand neben Martin und hatte einen hochroten Kopf.

»Guten Tag«, sagte er leise.

Er blickte in Richtung Alexandra. Schnell wandte sie den Blick ab. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Alex, behalte die Nerven, befahl sie sich selbst.

»Also, ich möchte mich in aller Form entschuldigen, dass ich in die Almhütte gerast bin. Ich brachte das Auto einfach nicht zum Stehen. Ich bin glücklich, dass nichts weiter passiert ist.«

»Ja, da habt ihr beide wohl einen Schutzengel gehabt«, sagte Toni.

»Du hast gut reden, Toni!«, brach es plötzlich aus Alexandra hervor. »Meine Almhütte ist zerstört und alle meine Bilder. Ich muss schon sagen, dass die Schutzengel nur halbe Arbeit geleistet haben, höchstens! Ich bin ärgerlich und diese … diese …« Alexandra sah Toni an. »Toni, was gibt es für richtig kräftige Schimpfwörter in den Bergen?«

Toni unterdrückte ein Lächeln und zählte auf:

»Da gibt es Hornochs, Saupreiß, Himmelhund, Hoizfuchs, Minirambo ...«

»Minirambo, das passt zu ihm«, unterbrach Alexandra Toni.

Sie atmete tief ein.

»Also, Sie Hornochse, Saupreiß, Himmelhund, Hoizfuchs und vor allem Minirambo, was denken Sie sich? Sie kommen hierher und wispern eine Entschuldigung und denken, dass Sie damit alles aus der Welt schaffen können. Das funktioniert bei mir so nicht! Ich … ich … ich …« Alexandra atmete aus und wieder ein. »Das können Sie vielleicht bei Ihrer Claire so machen, aber mit mir nicht! Pah, so ein Schmarrn! Wenn ich das schon höre! Ich möchte mich in aller Form entschuldigen! Schmarrn! Das ist nicht wiedergutzumachen. Verschwinden Sie zu ihrer Claire! Sie wartet im Hotel in Davos! Hier ist das Handy!«

Alexandra griff in die Jackentasche und knallte das Handy auf den Tresen. Die Gefahr, dass es dabei kaputtgehen könnte, störte sie nicht.

»Claire? Woher kennst du Claire?«

»Seit wann duzen wir uns?«, brüllte Alexandra. »Sie gehören nicht zu meinem Freundeskreis, Sie Minirambo! Sie zerdeppern mir alles, und dann tauchen Sie einfach hier auf. Es tut mir leid? Aber wundern tut es mich nicht! Sie … Sie … Ach, gehen Sie! Ich will Sie nicht mehr sehen!«

Bei diesen Worten verschlang Alexandra Fabian mit den Augen. Himmel, was für ein Mann, schoss es ihr durch den Kopf. Sie spürte, wie ihr Herz klopfte und wie er sie in seinen Bann zog. Sie war weniger wütend auf ihn, als auf sich. Alexandra steigerte sich immer mehr in ihre Wut hinein. Es kam einfach über sie. Dabei wäre es für sie leicht gewesen, die von ihm gereichte Hand anzunehmen und seine Entschuldigung anzunehmen. Aber zu was das führen würde? Davor hatte Alexandra Angst. Dieser Mann, Besitzer eines knallroten Sportwagens, konnte ihr gefährlich werden, und das wollte sie nicht. Zwar war sein Auto nur noch einen Haufen Schrott, so wie ihre Almhütte ein Haufen Bretter war, aber es ging ein höchst gefährlicher Zauber von ihm aus. Und da wollte sich Alexandra vorsehen.

»Nun sei net so, Alex!«, versuchte Toni zu beschwichtigen. »Wir wissen alle, wie schlimm das mit deinen Bildern ist. Aber auch deine Wut macht die Sache nicht ungeschehen. Was geschehen ist, ist geschehen. Es ist auch Christenmenschenpflicht, einem reuigen Sünder zu verzeihen.«

»Toni, sicher ist es das. Aber das ist kein reuiger Sünder, sondern ein überdrehter Lackaffe! So sagen wir dazu! Du hättest ihn gestern Nacht mal hören sollen, wie er versuchte, mich herumzukommandieren. Da war kein ›bitte‹ zu hören! Ein Herr Wichtigtuer ist er! Er soll verschwinden, am besten Luftlinie nach Davos zu dieser Comtesse Claire de Dingsbums … Wie sie auch immer heißen mag … Los! Die Claire wartet auf ihren Cheri in Davos!«

Martin und Toni sahen Alexandra sprachlos an.

»Mei, heut’ bist aber ganz schön feurig, Alex! Da bin ich doch überrascht!«, staunte Toni. »Ich habe mir immer etwas auf meine Menschenkenntnis eingebildet. Aber bei deiner Beurteilung habe ich mich völlig geirrt. Ich hab’ dich für ein ruhiges, liebes Madl gehalten. Mei, jetzt erkenne ich, dass du voller Temperament steckst.«

Alexandra stemmte die Arme in die Seite.

»Toni!« Ihre Stimme klang streng. »Wenn dir so etwas geschehen wäre wie mir, dann würdest du auch über dich hinauswachsen. Stell dir vor, jemand würde deine Berghütte zu Kleinholz machen. Wie würdest du dann mit demjenigen verfahren?«

Toni grinste.

»Was ich mit dem machen würde? Mei, des kannst dir net vorstellen, Alex. Er würde mich schon kennenlernen, des kann ich dir sagen!«

»Bravo, Toni! Danke, Toni! Du hast mich verstanden! Jetzt hilf mir bitte, dass der Typ wieder geht!«

Toni wusste nicht, was er sagen sollte. Martin kam Toni zuvor.

»Alexandra, ich darf dich doch so nennen, oder?«

Alex nickte.

»Schau mal, der Fabian war ganz geknickt, als ihm heute Morgen klarwurde, was er angestellt hatte. Nach der Spritze hat er erst mal tief geschlafen. Aber als er aufgewacht war, da dämmerte es ihm. Er war wirklich zerknirscht. Du, ich sage dir etwas. So, wie ich den Fabian einschätze, würde er lieber mit zwei gebrochenen Armen und Beinen im Streckverband liegen. Das musst du mir glauben. Es tut ihm wirklich leid. Er würde alles tun, wenn er es wiedergutmachen könnte. Er hat sich nicht alleine hier herauf getraut. Deshalb bin ich mitgekommen.«

»Feige ist er auch noch!«, lachte Alexandra. »Das wird ja immer schöner – großes Auto – große Klappe – und dann feige – pah!«

Anna trat zu ihr und legte den Arm um ihre Schultern.

»Ich denke nicht, dass er feige ist, Alex. Sonst wäre er nicht hier. Er schämt sich doch. Das musst du doch sehen. Außerdem scheint er wirklich entschlossen zu sein, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen, soweit es irgendwie möglich ist. Jetzt sei nicht so ablehnend, Alex. Du musst ihm ja nicht sofort verzeihen. Aber reden über den Schaden, das solltest du mit ihm. Das kann nur zum Vorteil für dich sein!«

Anna zog Alexandra in die Küche.

»Alex, den Typ würde ich aus Rache ausnehmen wie eine goldene Gans! Rupfe ihn, bis er keine Federn mehr hat. Dann fühlst du dich besser«, flüsterte Anna ihrer Jugendfreundin zu.

Alexandra schaute Anna an. Diese blinzelte ihr zu. Alex schmunzelte.

»Du hast recht, Anna! Warum nicht!«

Alexandra ging wieder hinaus in die Wirtstube der Berghütte. Sie musterte Fabian eingehend.

»Na gut, dann reden wir!«, sagte sie.

Fabian strahlte.

»Dann wird meine Entschuldigung angenommen?«, fragte er, und Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.

»Ich werde darüber nachdenken. Wir können uns draußen auf die Terrasse setzen und reden, wenn Sie wollen?«

»Gleich?«, staunte Fabian.

»Sicher, Sie werden ja nicht bleiben, wo Ihre Claire so sehnsüchtig wartet«, zischte Alexandra, und ihre Augen funkelten.

Toni und Anna und Martin warfen sich Blicke zu. Der Tonfall kam ihnen bekannt vor. So konnte nur eine eifersüchtige Frau zischen. Anna schmunzelte. Sie ging in die Küche, um ihr Grinsen vor Alexandra zu verstecken. Denn eines war ganz klar, Alexandra gefiel dieser Fabian. Deshalb wehrte sie sich so. Anna verstand Alexandra noch besser als Toni. Sie wusste, dass die Freundin sich immer heftig gewehrt hatte, wenn sie von großen Gefühlen überwältigt worden war. Dann fuhr Alex die Krallen aus. Das war nicht gegen den anderen, das war mehr gegen sich selbst gerichtet. Es war eine Art Schutzmechanismus.

»Dann setzt euch draußen hin, Alex. Ich bringe euch zwei Bier!«, sagte Toni.

Alexandra ging voraus. Fabian folgte ihr. Sie setzten sich und sahen sich an. Alexandra spürte, wie ihr Herz klopfte. Das ist nur Wut, sagte sie sich. Behalte bloß die Nerven, ermahnte sie sich selbst.

Toni brachte das Bier.

Fabian seufzte leise. Er hob den Bierseidl.

»Also, ich will noch einmal anfangen! Ich möchte mich vorstellen! Mein Name ist Fabian Metzger! Martin sagte mir, hier in den Bergen seien die jungen Leute alle per du, das wäre so üblich unter Bergkameraden. Deshalb habe ich es gewagt, Sie zu duzen, Frau …«

»Alexandra Herzig!«

Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

»Ja, was Martin sagt, das stimmt schon. Ob dazu auch Rennfahrer gehören, die Almhütten demolieren und Bilder zerstören, das weiß ich nicht. Aber ich will mal nicht so sein! Also, meinetwegen und weil es Tradition ist, ich bin die Alexandra, ich werde Alex gerufen.«

Sie sah ihm an, wie erleichtert er war, dass sie einen Schritt auf ihn zugegangen war.

»Fabian!«

Sie prosteten sich mit dem Bierseidl zu und tranken. Alexandra sah, dass Fabian nur am Bier nippte.

Bier wird zu gewöhnlich für ihn sein, dachte sie. Der Typ wird nur Schampus gewöhnt sein. Als hätte er Alexandras Gedanken lesen können, sagte er:

»Ich habe mir ein Schleudertrauma geholt und jede Mengen Prellungen. Martin hat mir starke Schmerzmittel gegeben. Da muss ich mit dem Bier vorsichtig sein.«

»Wasser?«, fragte Alex.

Sie wartete seine Antwort nicht ab, ging hinein und holte einen Krug mit Quellwasser.

Als sie herauskam, sah sie, wie Fabian der Tastatur seines Handys einen Text eingab. Sie schenkte ihm ein großes Glas Wasser ein und setzte sich.

»Ich habe einige Termine abgesagt«, sagte Fabian leise.

Hat er auch Claire abgesagt, schoss es Alexandra in diesem Augenblick durch den Kopf. Sie fühlte, wie ihr warm wurde. Schnell sprang sie auf und lief zu Anna in die Küche der Berghütte.

Alexandra lehnte sich in den Türrahmen und schloss die Augen.

»Was hast du, Alex?«, fragte Anna.

Alexandra stöhnte laut.

»Der Kerl hat nicht nur mein ganzes, so schön geordnetes Leben durcheinander gebracht. Er macht mich mit seiner bloßen Anwesenheit völlig konfus.«

Anna lächelte still. Insgeheim dachte sie, das nennt man Liebe. Aber sie wusste, dass es noch zu früh war, Alexandra darauf anzusprechen.

Das würde bei ihr nur einen Sturm des Protestes hervorrufen. So sagte Anna:

»Das ist doch verständlich! Keiner zwingt dich, irgendetwas zu überstürzen. Lass ihn reden. Er soll dir erklären, wie er sich die Wiedergutmachung vorstellt. Du hörst nur zu!«

»Mm, gute Idee, Anna! Dann muss ich mal wieder hinaus in die Höhle des Löwen.«

Anna schmunzelte.

»Für Tierliebhaber sind Löwen herzige Kuscheltiere! Ich finde ihn nicht so schlecht!«

»Was soll das heißen, Anna?« Alex wurde sofort laut.

»Ruhig! Ganz ruhig, Alex! Immerhin ist er persönlich gekommen, um sich bei dir zu entschuldigen. Das ist schon ungewöhnlich für einen solchen Cityboy!«

»Cityboy, nennst du ihn? Was meinst du damit, Anna?«

»In meiner alten Branche, also im Bankensektor, bezeichnet man Leute wie ihn mit ›Cityboys‹. Sie handeln meistens mit Aktien und Wertpapieren, werden größtenteils nur nach Gewinn bezahlt, verdienen sehr viel Geld und leben entsprechend. Sie haben in der Stadt einen besonderen Ruf. Er ist geprägt von Geld, von allem, was man mit Geld kaufen kann und man redet darüber, wie so viel Geld das Leben dieser Leute prägt.«

»Aha! Man kann das Wort ›Cityboy‹ so oder so sehen, gut oder schlecht, aufwertend oder abwertend«, sinnierte Alexandra.

Anna lächelte.

»So, wie du das sagst, hast du dir noch keine Meinung von ihm gebildet.«

»Oh, doch, die habe ich! Schließlich durchbricht nicht jeden Tag jemand meine Wand, zerstört meine Bilder und demoliert mein kleines Heim. Da bekommt man zwangsläufig eine Meinung!«

»Es war ein Unglücksfall! Ein Geschehen, das es rein statistisch nicht geben kann, Alex! Du kannst nichts dafür und er auch nicht!«

»Du nimmst ihn jetzt auch noch in Schutz? Soll ich das so verstehen, dass du auf seiner Seite bist, vielleicht aus alter Solidarität innerhalb deiner alten Arbeitsszene? Einmal Bankerin – immer Bankerin!«

Anna schüttelte den Kopf.

»Du müsstest mich besser kennen, Alex!«, seufzte Anna.

»Nein, Alex, das tue ich auf keinen Fall. Ich weiß, wie schlimm das alles für dich ist. Aber es ist eben Schicksal. Eines kannst du ihm nicht anhängen. Er hat es nicht mit Absicht getan!«

»Ja, stimmt schon! So doof ist kein Mensch, dass er mit Absicht in eine Almhütte rast!«

»Siehst du, Alex! Jetzt bist du schon einen Schritt weiter! Im Grunde sitzt ihr im gleichen Boot. Ihr habt es euch nicht ausgesucht. Ihr könnt nur das Beste daraus machen, und dabei hast du alle Trümpfe in der Hand, Alex!«

Alexandra seufzte.

»Ich gehe dann mal wieder hi­naus!«

Anna drückte Alex ein Körbchen mit frischen Laugenbrezeln in die Hand.

»Hier, nimm die mit! Dann habt ihr etwas zu knabbern!«

Draußen stand Toni bei Fabian. Alexandra sah, wie sich die beiden unterhielten. Sie ging zum Tisch am Ende der Terrasse.

»Da bist du ja wieder!«

Fabian stand auf und schob Alex den Stuhl zurecht. Sie sah, dass ihm die Bewegung schwer fiel und er die Zähne zusammenbiss.

»Du hast Schmerzen?«, bemerkte sie.

»Ja! Martin sagt, die würden auch noch etwas anhalten. Ich soll in den nächsten zwei Wochen jeden Tag zu ihm in die Praxis kommen.«

Alexandra schaute überrascht. Toni lächelte.

»Fabian bleibt die nächste Zeit in Waldkogel, Alex! Er will den Aufbau deiner Almhütte überwachen, auch wegen der Versicherung und wegen seiner Behandlung bei Martin. Der lässt dich übrigens schön grüßen, Alex. Er ist schon fort, muss­te in die Praxis und hatte noch Hausbesuche.«

»Ich hoffe, es stört dich nicht allzu sehr, wenn ich einige Tage in deiner Nähe bleibe?«, fragte Fabian.

Alexandra spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.

»Es wird schon irgendwie gehen. Vielleicht ist es auch besser so! Dann müssen wir jetzt nicht reden, wir können uns Zeit lassen!«

Alexandra stand auf.

»Toni, ich mache einen kleinen Spaziergang! Ich muss erst mal selbst Klarheit in meinen Kopf bekommen! Bis irgendwann später, Fabian!«

»Wo gehst hin?«, wollte Toni wissen.

»Hinüber zum ›Erkerchen‹!«

»Gute Idee, Alex! Die Anna soll dir Proviant mitgeben!«

Alexandra nickte. Sie lächelte Fabian scheu zu und sagte dann leise: »Man sieht sich! So groß ist die Welt hier nicht!«

Fabian wollte aufstehen und Alex verabschieden.

»Bleib sitzen! Ich erkenne die gute Absicht an, aber du musst dich nicht quälen«, sagte sie leise und ging davon.

Fabian griff nach einer Brezel und schaute Alex nach. Ihm war nicht vollkommen bewusst, dass er sie in Gedanken mit Claire verglich. Er hatte eine ganz besondere Erwartungshaltung, was Frauen betraf. Dieses Muster lief unbewusst in seinem Kopf ab, wenn seine Augen eine Frau sahen. Aber beim Anblick von Alexandra funktionierte das irgendwie nicht. Wenn er sie sah, dann klopfte sein Herz, und es machte sich eine neugierige und gleichzeitig sehnsuchtsvolle Erwartung in seinem Herzen breit. Doch dieses Gefühl war anders als alles, was er jemals empfunden hatte. Kurz, er erkannte, dass er noch niemals so einer Frau wie Alexandra nahe gekommen war und dass sie ihn, bei all ihrer Kratzbürstigkeit, magisch anzog. Nur deshalb war er auf die Berghütte gekommen, obwohl es eine Qual für ihn gewesen war und ihn jeder Schritt geschmerzt hatte. Aber seit er sie in der Nacht auf der Wiese hinter der Almhütte hatte stehen sehen, war etwas mit ihm geschehen. Erst hatte er gedacht, dass es der Unfallschock war. Doch dann war ihm mehr und immer mehr bewusst geworden, dass der Anblick der jungen Frau etwas Neues, etwas ihm völlig Unbekanntes in ihm ausgelöst hatte. Alexandra zog ihn in ihren Bann, wie er es noch niemals zuvor verspürt hatte. Dabei war ihm klar, dass er sich keine Hoffnungen machen durfte. Ihr Zusammentreffen hatte unter den schlechtesten Voraussetzungen stattgefunden, die es geben konnte.

*

Alexandra hatte die Bank beim »Erkerchen« erreicht. Sie ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten und sich auf die Bank fallen. Sie lehnte sich an und schloss die Augen. Sie atmete durch und sammelte sich.

»Ganz ruhig!«, redete sie sich leise zu. »Komm endlich zur Ruhe! Ordne deine Gedanken!«

Alexandra spürte, wie ihr Herz klopfte. Sie rief sich Tonis Ratschlag ins Gedächtnis. Er hatte ihr geraten, nicht so viel zu denken. Sie sollte einfach nur lauschen. Die Berge werden zu dir flüstern, hatte Toni gesagt. Die Stille und die Ruhe der Berge werden dein Herz erfüllen, und du wirst klar sehen und wissen, was zu tun ist. Alexandra hörte deutlich Tonis Worte in ihren Ohren klingen. Sie bemühte sich ja, aber es gelang ihr nur langsam, sich der Stille hinzugeben. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Schönheit der Berge, der Anblick des Tales mit Waldkogel in der Mitte, ein Gefühl der Ruhe über sie brachte.

Alexandra seufzte tief.

Was geschehen ist, ist geschehen, sagte sie schließlich. Niemand kann es ungeschehen machen. Sie erinnerte sich an Annas kurzes Gespräch mit Sebastian, bei dem sie Zeuge war. Anna hatte Basti gesagt, dass das Leben oft Überraschungen bereithalte.

Ja, das was heute Nacht geschehen war, das war eine dieser Überraschungen gewesen, dessen war sich Alexandra sicher. Sie kam sich vor wie bei einem Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel. Ich bin aus dem Spielfeld geworfen worden. Ich muss wieder von vorne beginnen oder aufgeben. Für einen Augenblick dachte sie darüber nach, dass sie einfach in ein Flugzeug steigen und zurück nach New York fliegen könnte.

Der Gedanke daran beruhigte sie nicht, ganz im Gegenteil. Sie spürte deutlich, dass sie das nicht glücklicher machen würde. Nein, es gab etwas, das sie hier festhielt, das ihrem Herz leise zuflüsterte: bleibe Alex, bleibe.

Alexandra seufzte.

Sie kramte in dem Rucksack, holte einen Apfel heraus und aß ihn. Dabei ließ sie ihren Gedanken freien Lauf. Plötzlich drängte sich eine Erkenntnis in ihre Gedanken.

Vielleicht war es zu etwas gut?

Auch wenn ich noch nicht weiß, wozu es gut war, so ist es besser, dieses Schicksal anzunehmen. Irgendwie wird es schon weitergehen, dachte sie.

Hundegebell war zu hören. Alexandra wandte den Kopf um. Wie sie richtig erkannt hatte, war es Bello. Er stürmte auf sie zu, sprang an ihr hoch und freute sich mächtig, sie gefunden zu haben.

Atemlos kamen Sebastian und Franziska mit Abstand hinterher gerannt.

Die Kinder ließen sich auf die Bank neben Alexandra fallen und rangen erst einmal nach Atem.

»Alex, Alex!«, keuchte Basti.

»Nun mal langsam!«, beruhigte sie Alexandra.

Sie nahm die Wasserflasche aus dem Rucksack und reichte sie Franziska. Diese trank sie in einem Zug halb aus und gab sie dann an ihren Bruder weiter, der sie bis zum Rest leerte.

»Besser jetzt?«, fragte Alexan­dra.

Die Kinder nickten.

»Alex, Toni und Anna schicken uns! Anna wäre gern selbst gekommen, aber sie hat keine Zeit. Deshalb hat sie uns gebeten, dich zu holen. Der Fabian hat einen Anruf bekommen, dass eine Unterkunft gebracht wird. Genau habe ich es nicht verstanden, nur dass es ein Haus ist, das noch heute auf einem großen Lastwagen gebracht wird.«

Alexandra runzelte die Stirn.

»Ja, ist der jetzt ganz verrückt geworden!«, rutschte es ihr heraus. »Das wird er mir erklären müssen. Bei diesem Spinner scheint man vor Überraschungen nicht sicher zu sein! Dann gehen wir mal besser schnell zurück!«

Sebastian zuckte mit den Schultern.

»Musst dich nicht beeilen, Alex! Der Fabian ist nimmer auf der Berghütte. Der ist schon los gegangen! Will dort sein, wenn des Ding kommt!«

»Egal! Kommt, Kinder! Auf, Bello!«

Alexandra packte die leere Flasche in den Rucksack und hob ihn über die Schultern. Dann ging sie mit den Kindern zurück.

Anna kam ihnen auf dem Geröllfeld entgegen. Sie gab Sebastian und Franziska ein Zeichen. Die beiden verschwanden mit Bello in Richtung Berghütte.

»Wir setzen uns einen Augenblick an den Gebirgsbach, Alex!«, sagte Anna.

»Kannst du mir das alles erklären? Was soll das mit dem Lastwagen und dem Haus?«

Anna schmunzelte.

»Dieser Fabian scheint recht vermögend zu sein und außerdem das buchstäblich wandelnde schlechte Gewissen. Er hat sich schon heute Morgen, als er noch beim Martin war, überlegt, was er dir Gutes tun könnte. Er wollte dir Ersatz für dein zerstörtes Heim besorgen.«

Anna lachte.

»Und weil bei Fabian wohl alles etwas größer ausfällt, hat er eine Fertigcontainerfirma angerufen. Sie bringen jetzt eine komplette Wohnmöglichkeit, zwei Zimmer, Küche, Bad und Veranda, auf einem Tieflader auf die Alm. Der Bürgermeister hat eine Sondergenehmigung zur Aufstellung erteilt, bis deine Almhütte wieder aufgebaut ist.«

Alexandra wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Ihr stand einfach nur der Mund offen. Sie hörte weiter zu, was Anna erzählte.

»Du bist vorhin kaum fortgewesen, da erhielt Fabian die Nachricht, dass sie die Wohneinheit heute noch bringen. Du hättest sehen sollen, wie er sich gefreut hat. Du, er meint es wirklich gut. Er leidet wirklich darunter, was er dir angetan hat. Ich glaube, er ist nur äußerlich so ein unnahbarer Cityboy. Im Innern ist er ein ganz guter und weichherziger Kerl. Davon ist auch Toni überzeugt. Er hat länger mit ihm gesprochen als ich. Also, nun mache gute Miene zum Spiel, Alex. Jedenfalls hast du eine schöne Unterkunft.«

Anna schaute auf die Uhr.

»Es dauert nicht mehr lange, dann kommen Leo und die anderen aus Waldkogel und holen dir deine Sachen aus der einsturzgefährdeten Almhütte. Du räumst alles in diese Wohneinheit um und lebst dort, bis deine Almhütte wieder bezugsfertig ist. Fabian sagt, du musst dich um nichts kümmern. Du sollst nur sagen, wie du es gerne hättest und er würde dafür sorgen, dass es so gemacht wird.«

Anna lächelte Alexandra an.

»Du, er will wirklich alles wiedergutmachen! Du solltest nicht so hart gegen ihn sein!«

Alexandra errötete tief. Verlegen räusperte sie sich.

»Na ja, immerhin bemüht er sich, Anna! Das muss ich ihm lassen. Und er geht dabei sehr schnell und wirksam vor. Aber er hätte mich schon fragen können. Besonders höflich ist er nicht. Wie kann er einfach so entscheiden?«

»So sind diese Cityboys im Allgemeinen. Sie haben einen Plan, und der wird dann sofort verwirklicht. Eine Möglichkeit, die sie geprüft und für gut befunden haben, wird sofort in die Tat umgesetzt. Sie verlieren dabei keinen Augenblick. Dass er dich vielleicht erst fragen sollte, das kam ihm nicht in den Sinn. Leute wie er sind einfach Macher und Einzelgänger. Sie entscheiden und handeln. Sie sind gedrängt von der Angst, irgendjemand könnte ihnen zuvorkommen und dann auch verhindern, dass sie die Lorbeeren ernten.«

»Die Engel vom ›Engelssteig‹ mögen mir beistehen, Anna!«, rief Alexandra aus tiefstem Herzen aus. »Wer weiß, was ihm noch einfällt?«

Anna lachte herzlich, als sie Alexandras große Augen sah.

»Die Engel werden dir beistehen! Da bin ich ganz sicher! Am besten lässt du ihn gewähren. Er wird es schon richten. Es kann sein, dass du dich bei Fabian noch so über manches wundern wirst. Aber eines ist er mit Sicherheit, voller Tatkraft ist er. Nichts kann ihn aufhalten, wenn er etwas für gut und richtig erkannt hat. Darf ich dir einen Rat geben? Lass es mit ihm nicht auf eine Diskussion ankommen, Alex. Du kommst dann gut mit ihm klar, wenn du dich auf eine hundertprozentige Zustimmung oder auf eine totale Ablehnung einstellst. Er kennt nur ›Plus‹ und ›Minus‹, also entweder alles oder nichts. Schattierungen sind nichts für Cityboys. Sie lieben die Extreme. Sie brauchen immer die Superlative. Alles oder nichts! Du verstehst? Du kannst wenig mit solchen Menschen bereden. Du musst immer ganz klare Fragen stellen!«

Alexandra dachte einen Augenblick nach.

»Mm! Ich begreife, was du mir damit sagen willst, Anna. Ich muss ihm ganz klar sagen: ›Ja‹ oder ›Nein‹! Und ich muss ihn so fragen, dass er nur die Wahl hat, zuzustimmen oder klar abzulehnen! So meinst du es doch, Anna?«

»Genau, Alex! Jetzt gehe ihm nach! Ich und vielleicht auch Toni werden später nachkommen. Ich muss jetzt wieder rein. Es ist gleich Zeit für das Abendessen!«

»Kannst du mir Bello mitgeben, Anna?«, fragte Alex leise.

Anna schmunzelte.

»Sicher, wenn du dich damit besser fühlst!«

Sie standen auf und gingen zurück zur Berghütte. Anna rief Bello herbei.

Sie gab Alexandra die Leine und schickte die beiden los.

Bello raste in großen Kreisen um Alexandra herum, während sie über das Geröllfeld ging und den Pfad anstrebte, der hinunter zur Oberländer Alm führte. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zu Alexandras Almhütte.

Toni und Anna sahen ihr nach.

»Des ist eine ganz schön komplizierte Sache dieses Mal, Anna. Ich meine mit den beiden. Sie tun so, als wären sie Hunde und Katze, könnten sich nicht leiden.«

»Toni, nur Alex tut so!«

»Richtig! Nur Alex tut so! Sie ist die Katze. Fabian ist der große junge, übermütige Hund, der gern mit der Katze spielen möchte und nicht genau weiß, wie er sie dazu bringen kann.«

»Oh, das wird schon werden, Toni! Bello und Max haben auch einen Weg gefunden, sich zu vertragen!«

»Wo ist Max? Ich habe den Kater schon seit Tagen nicht mehr gesehen?«

»Dann würde ich dir raten, mal in den Schuppen zu gehen«, grinste Anna.

»Was gibt es da?«

Anna legte ihren Arm um Tonis Mitte.

»Nun, immer mit einem Hund zu spielen, war Max wohl zu langweilig. Er hat sich jemanden geholt.«

»Was du nicht sagst? Sag bloß, er hat sich eine Katze angelacht?«

»Ja, so kann man es sagen! Es ist ein ganz junges Tier, höchstens einige Wochen alt und noch lange nicht geschlechtsreif. Er hat die neue Spielgefährtin auf einer Alm gestohlen, vermute ich. Ich kann auch nur vermuten, dass es ein weibliches Tier ist. Nachgesehen habe ich noch nicht.«

»Weiß Franzi davon?«

»Nein, noch nicht! Sie hat sich die letzten Abende aber bei mir beschwert, dass ihr Kater nicht mehr bei ihr im Zimmer schläft.«

Anna und Toni lächelten.

»Du solltest mit Beate reden, Toni! Ich will auf der Berghütte keine Katzenzucht haben, bei aller Liebe zu den Tieren.«

»Das werde ich, Anna! Ich werde mir die Sache später mal ansehen.«

»Ja, jetzt verlangen die Hüttengäste nach uns! Alois wird den Eintopf fertig haben!«

Sie gingen in die Küche der Berghütte.

*

Als Alexandra mit Bello zu ihrer Almhütte kam oder zu dem, was von ihrer schönen Almhütte noch übrig war, staunte sie.

Die Burschen der Freiwilligen Feuerwehr Waldkogel und die Kameraden der Bergwacht aus Kirchwalden unter Leos Leitung waren schon kräftig bei der Arbeit. Albert Weisgerber war auch anwesend. Er war der Sägewerkbesitzer in Waldkogel und Mitglied im Gemeinderat. Auf dem Milchpfad oben am Hang stand einer von Weisgerbers Pritschenwagen. Er war mit Bauholz beladen. Weisgerber redete mit Bürgermeister Fellbacher. Etwas abseits, dort wo Fabians Unfallwagen auf der Wiese stand, sprach Martin mit Fabian. Fabian winkte Alexandra zu, als er sie sah. Langsam schlenderte sie hinüber. Staunend blieb sie vor dem Autowrack stehen, das sie zum ersten Mal bei Tageslicht sah.

»Himmel, das ist wirklich nur noch ein Schrotthaufen«, bemerkt sie.

»Ja, Alex! Wenn man des hier so sieht, dann kann man kaum glauben, dass da einer lebend und ohne größere Verletzungen herausgekommen ist«, sagte Martin mit einem Blick auf Fabian. »Wirst du dir einen neuen Wagen dieser Art kaufen?«

Fabian schüttelte den Kopf.

»Ich denke nicht! Sie sind für das Gelände eher ungeeignet. Ich werde wohl auf stabile Geländewagen umsteigen.«

»So?«, staunte Doktor Martin Engler. »Die sind aber für die Stadt weniger geeignet oder heißt des, dass du die Liebe zu den Bergen entdeckt hast?«

»Ja, so kannst du es sehen! Waldkogel gefällt mir gut. Es ist ein wunderbarer Ort mit freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Kurz, mir gefällt es hier gut. Ich werde in Zukunft öfter herkommen.«

Doktor Martin Engler konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

»Des ist schön! Am besten, du gibst vorher Bescheid, dann setze ich die Feuerwehr und die Bergwacht schon mal in Alarmbereitschaft. Hallo, hier ist Martin! Ich will Alarm geben, Fabian ist auf dem Weg in die Berge! Bitte sämtliche Almhütten sichern!«, lachte Martin.

Fabian musste schmunzeln.

»Ich weiß schon, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«, sagte er lachend.

Dabei hielt er sich die Rippen.

»Hast du noch große Schmerzen, Fabian? Ich könnte dir eine Spritze geben.«

»Ja, ich habe Schmerzen, aber es geht noch. Ich habe Angst vor deinen Spitzen. Ich will nicht wieder schlafen! Ich muss mich hier um die Sache kümmern. Das ist mir im Augenblick am Wichtigsten, Martin.«

»Bist mir schon ein Held, Fabian! Hast auch viel Glück gehabt. Dazu kam, dass du sportlich gut durchtrainiert bist, sonst wäre dein Abenteuer anders ausgegangen.«

»Aber dem Sport habe ich für die nächsten Wochen abgesagt. Bin froh, wenn ich mich nicht mehr als unbedingt nötig bewegen muss. Was ich bräuchte, wäre ein Wundermittel.«

Martin lachte.

»Ich bin Doktor der Medizin und kein Wunderheiler! Aber so ein Wundermittel gibt es wirklich! Wir haben hier in Waldkogel die alte Ella Waldner, die wir liebevoll und mit viel Respekt als unsere Kräuterhexe bezeichnen. Sie lebt in einer Kate im Wald und stellt Tees, Tinkturen und Salben aus allerlei Kräutern her. Ich kann dir nicht sagen, was sie hineinmischt. Ich kann dir nur sagen, dass Ellas geheimnisvolle Kräutermedizin schon oft wahre Wunder vollbracht hat. Wenn du ganz lieb zu der Alexandra bist, dann besorgt sie dir vielleicht eine Dose mit dem Kräuterbalsam. Ich weiß zum Beispiel, dass die Hilda von der Oberländer Alm immer Kräuterbalsam vorrätig hat.«

Fabian warf Alexandra einen Blick zu. Er wagte es aber nicht, sie zu fragen.

Das Holz war oben am Milchpfad vom Lastwagen abgeladen worden. Das war gut, denn der Tieflader mit der Wohneinheit quälte sich im Schneckentempo den Berg hinauf, gefolgt von einem Kran. Es dauerte dann doch noch gut zwei Stunden, bis die Wohneinheit aufgestellt war.

»Hier bitte, Alexandra! Hier ist der Schlüssel!«

Fabian reichte ihr den Schlüsselbund.

»Danke!«

Alexandra schloss die Tür auf und schaute sich die Räume an. Sie kam wieder heraus.

»Gut!«, sagte sie knapp.

Dann gab sie den Wohncontainer zur Besichtigung frei. Dabei stand sie neben der Eingangstür und achtete darauf, dass sich die Männer auch sorgfältig die Schuhe säuberten.

Danach halfen alle bis auf Fabian mit, Alexandras Sachen herüberzutragen. Die Sonne stand mittlerweile tief über den Bergen, und man beschloss an diesem Abend, nicht mehr mit der Reparatur der Almhütte zu beginnen.

Alle stiegen in ihre Autos und fuhren davon. Nur Fabian blieb zurück. Alexandra sah ihm an, wie er die Zähne zusammenbiss. Die Prellungen schmerzten wohl sehr. Alexandra nahm ihr Handy und rief Anna auf der Berghütte an. Sie erfuhr, dass sie später kommen wollte. Alex bat Anna, etwas von dem Kräuterbalsam mitzubringen.

Dann machte sich Alexandra ans Einräumen. Fabian stand immer noch auf der Wiese vor dem Container. Alex schnappte sich einen Stuhl und trug ihn hinaus.

»Hier, setz dich! Du kannst dich ja kaum noch auf den Beinen halten!«

»Danke«, sagte er leise.

Fabian sank auf den Stuhl und wischte sich mit dem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. Es dauerte nicht lange, dann hatte Alexandra die nötigsten Sachen verstaut. Sie kam heraus und griff sich ihre beschädigten Bilder, die auf der Wiese neben der Tür aufgestapelt waren.

Fabian räusperte sich.

»Es tut mir leid, das mit deinen Bildern! Malst du nur aus Hobby oder ist es dein Beruf?«

»Malen war mein Lebenstraum! Ich hatte Glück, und mir gelang es, einen Beruf daraus zu machen. Aber sicher ist er nicht. Wenn sich der Kunstgeschmack ändert, dann kann Malen schnell zu einer brotlosen Kunst werden. Aber im Augenblick geht es ganz gut! Ich bin zufrieden. Zufriedenheit ist für mich wichtig. Sicher kann man immer mehr wollen. Es ist auch gut, Ziele zu haben. Ich hatte ein Ziel. Ich wollte malen, und das habe ich erreicht. Deshalb bin ich zufrieden. Nicht jeder kann das verstehen.«

Fabians Herz fing an zu klopfen. Er wagte kaum etwas zu sagen. Das war das erste Mal, dass Alexandra sich ganz normal mit mir unterhalten hat, dachte er. Wie wunderbar ihre Stimme klingt und wie ungekünstelt sie über ihr Leben spricht. Wie bodenständig sie ist. Er war von ihr noch mehr fasziniert.

»Deine Bilder sind sehr schön! Darf ich sie mir alle ansehen?«

Fabian versuchte aufzustehen. Alexandra sah, wie viel Mühe es ihm machte.

»Bleib sitzen! Schone dich! Ich lehne die Bilder an die Außenwand des Containers. Das Licht ist zwar nicht mehr so gut, bald wird es dunkel, aber etwas kannst du noch sehen. Sie sind auch nicht alle beschädigt. Ich meine, so schwer beschädigt, dass ich sie wegwerfen muss.«

»Du willst sie entsorgen? Schade! Kann man da nichts machen? Ich kann sie für dich zu einem Restaurator bringen lassen.«

»Sonst noch etwas? So wertvoll sind sie nicht!« Alexandra spielte den Wert herunter. »Ich behalte sie. Vielleicht mache ich kleinere Bilder daraus. Es sind Auftragsarbeiten. Ich werde sie neu malen. Es wird etwas Arbeit machen. Aber mache dir deswegen keine Gedanken. Ich komme damit schon klar. Was nicht zu ändern ist, muss man so annehmen und sich damit abfinden. Ich werde das beste daraus machen. Das mit der Restaurierung ist Unsinn! Also, ich sage ein klares Nein. Nur, dass du hinter meinem Rücken nicht wieder irgendetwas planst, verstanden? Ich will das nicht!«

Sie sah ihn an und sah seinen erstaunten Blick.

»Du meinst das ehrlich, wie? Wirklich?«, fragte Fabian unsicher.

Alexandra lachte. Sie schaute ihm in die Augen und sah seine Unsicherheit.

»Du bist nicht gewohnt, dass jemand ehrlich zu dir ist, wie?«

Fabian strich sich mit der Hand über die Rippen.

»Du hast es genau getroffen, Alex! In der Welt, aus der ich komme, ist vieles mehr Schein als Sein. Und meistens sind die Menschen auch etwas verlogen. Sie sagen es so und meinen etwas anderes. Das hast du gut erkannt.«

Fabian lächelte zaghaft.

»Vielleicht gibt es so etwas wie Schicksal! Jedenfalls ist es für mich schön, hier in Waldkogel zu sein. Das klingt vielleicht in deinen Ohren sonderbar. Aber trotz des Unfalls und all der Unannehmlichkeiten ist es hier schön, wirklich schön. Ich werde so lange in Waldkogel bleiben, wie es nur geht. Es kommt mir wie das Paradies vor. Es ist, als hätte sich eine Tür geöffnet und ich hätte ein Wunderland betreten dürfen.«

Alexandra schaute ihn ernst an. Sie blickte ihn lange an. Dann sagte sie leise:

»Es war keine Tür, Fabian! Es war eine Wand, eine ganze Wand. Es war die Wand meiner Almhütte!«

»Ja, und es war auch kein zaghaftes Eintreten, sondern ich wurde mehr oder weniger hineingeschleudert.«

»Ich glaube kaum, dass du sonst jemals auf die Idee gekommen wärst, eine Almhütte zu betreten.«

»Ja, davon kannst du ausgehen!«

Alexandra lächelte ihm zu. Sie sammelte ihre Bilder ein und trug sie hinein.

»Ich mache mir etwas zu essen. Darf ich dich einladen?«

Fabian strahlte.

»Gern! Ist das ein Friedensangebot?«

»Wenn du es so sehen willst. Ja, es ist ein Anfang! Du hast dich mächtig ins Zeug gelegt. Das muss ich anerkennen. Ich glaube dir, dass es dir leid tut, das mit meiner Almhütte.«

»Danke!«, sagte Fabian.

Alexandra sah, wie erleichtert er war.

»Du warst sehr böse auf mich, Alex. Das verstehe ich! Du hängst sehr an der Almhütte, wie?«

»Ich habe sie gerade erst gekauft. Mein Leben war etwas turbulent. Hier hatte ich das Gefühl von Heimat und Ruhe. Ich fühlte mich geborgen!«

»Ich will alles tun, dass du dich wieder geborgen fühlst, Alex!«

Sie sahen sich an.

»Danke für die Absicht, Fabian. Ich bin mir sicher, dass du alles tun wirst, was man mit Geld kaufen kann.«

»Ich kann vielleicht noch mehr tun?«

»So? Was soll das sein?«

»Das werde ich dir schon noch sagen! Ich denke, erst sollte ich mich um dort diesen Scherbenhaufen kümmern«, sagte er und deutete auf die Almhütte.

»Gute Idee! Immer schön einen Schritt nach dem anderen! Willst du mit mir in die Küche kommen?«

»Gern!«

»Kannst du allein aufstehen oder soll ich dir helfen?«

»Danke, es geht am besten, wenn ich es alleine mache. Ich weiß, wo es mir weh tut und bewege mich langsam!«

Alexandra ging hinein. Fabian kam nach. Er setzte sich am Tisch auf die Eckbank und sah zu, wie Alexandra kochte. Es gab Nudeln mit Tomatensoße und einen Salat. Dazu sammelte sie auf der Wiese frische Kräuter, die sie kleinschnitt und darunter mischte.

Sie aßen.

Mitten im Essen stand Alexandra auf.

»Bello, komm, Anna will dich abholen!«

Sie lief hinaus. Fabian sah, wie sie Anna entgegenging, die über die Wiese kam. Die beiden Frauen blieben stehen und redeten miteinander. Fabian hätte zu gerne gewusst, worüber sie sprachen. Aber die Entfernung war zu groß. Er konnte nur sehen, wie Anna Alex eine Tasche gab. Dann verabschiedeten sich die Freundinnen, und Anna ging mit Bello zurück.

Alexandra kam wieder in die Küche, setzte sich und aß weiter.

»Es schmeckt gut!«, sagte Fabian.

»Wirklich?« staunte Alex. »Ich dachte, du magst nur Essen aus Sternerestaurants.«

»Du unterschätzt mich! Deine Soße ist wirklich gut. Kann ich mich für die Zeit, die ich hier in Waldkogel bin, mich … Ich meine, ich würde gerne öfters bei dir essen. Aber ich will mich nicht aufdrängen.«

»Schmarrn!«, sagte Alexandra. »Schmarrn, so sagt man hier in den Bergen, wenn etwas Unsinn ist, verstehst du? Mir gefällt das Wort. Es ist eines meiner Lieblingsworte.«

»Ich dachte, dein Lieblingswort sei Mini-Rambo?«

»Entschuldige bitte«, sagte Alex kleinlaut.

»Gern geschehen! Ich an deiner Stelle hätte bestimmt auch mit Schimpfwörtern um mich geworfen.«

Sie lächelten sich an. Es war ein tiefes Einverständnis in ihren Blicken.

»Also, kann ich bei dir essen? Natürlich zahle ich dafür!«

»Schon wieder so ein Schmarrn! Das wird sich zwangsläufig ergeben die nächsten Tage. Bis die Almhütte wieder aufgebaut ist, wirst du dich hier wohl herumtreiben. Ich kann dich ja nicht verhungern lassen.«

»Sehr großzügig von dir! Danke!«

»Wo wohnst du inzwischen? Auf der Berghütte? Das ist nicht zu empfehlen. Es ist zu anstrengend für dich!«

Fabian sah etwas hilflos aus.

»Der Weg ins Dorf ist noch weiter!«

»Stimmt!«, sagte Alexandra.

Fabian räusperte sich.

»Ich hatte daran gedacht, zwei Wohncontainer bringen zu lassen. Ich meine, dann hätte ich auch hier wohnen können, bis die Bauarbeiten abgeschlossen wären.«

»Warum hast du es nicht getan?«

Fabian errötete.

»Ich nahm an, dass du es nicht wolltest. Ich dachte, du wolltest mich nicht länger als unbedingt nötig in deiner Nähe haben. Tags­über musst du mich ja erdulden,

wegen der Bauaufsicht. Aber abends …«

Er brach den Satz ab.

Alexandra warf ihm einen Blick zu. Sie schob sich einen Löffel voll Nudeln in den Mund und kaute. Sie schluckte und sagte dann:

»Wenn du willst, kannst du auch hier bei mir bleiben. Die Bude hat zwei Zimmer. Du bezahlst diesen Luxus ja ohnehin.«

Fabian war von ihrem Vorschlag sehr überrascht. Es dauerte einen Augenblick, bis er wusste, was er antworten sollte.

»Du denkst sehr praktisch!«, bemerkte er etwas hilflos.

»Ja, ich denke praktisch! Was ist? Ja oder nein?«

»Ja«, sagte Fabian leise.

Er war irgendwie verunsichert. Erst war Alexandra abweisend gewesen und jetzt war sie so hilfsbereit und zugänglich.

»Gut, dann wäre das geregelt.«

Fabian griff in die Hosentasche.

»Hier ist der Wagenschlüssel! Verrückt, wie? Ich habe ihn abgezogen! Ich muss völlig verdreht gewesen sein. Aber es war doch gut. Kannst du bitte versuchen, den Kofferraum zu öffnen. Da ist meine Reisetasche darin.«

»Ja!«

Alexandra wischte sich den Mund ab. Sie nahm den Schlüssel und ging zum Autowrack. Sie bekam den Kofferraum nicht auf. Fabian sah, wie sie kurzentschlossen sich aus dem Werkzeug der Bauarbeiter einen Meissel und einen Hammer schnappte.

Nach mehreren Schlägen hatte sie das Schloss aufgestemmt, und die Klappe ging auf. Sie nahm die Reisetasche heraus und kam zurück.

»Jetzt ist dein Auto hinten auch beschädigt. War nicht anders zu machen!«

»Er wird bald abgeholt!«, bemerkte Fabian.

»Schenkst du es mir?«

»Wie bitte?« Fabian fiel fast der Löffel aus der Hand.

»Ich habe dich gefragt, ob du es mir schenkst?«

»Ja, ja, das habe ich gehört! Was willst du mit dem Schrotthaufen?«

»Ich könnte mir ein Andenken daraus machen!«

Fabian starrte sie an.

»Wie bitte?«

»Ich mache mir daraus ein Schmuckstück!«

»Aus meinem Autowrack?«

»Ja!«

Fabian legte den Löffel hin und schaute sie lange an.

»Bitte, du kannst es gern haben, Alex!«

»Danke! Damit machst du mir wirklich eine Freude!«

Fabian schüttelte verwirrt den Kopf.

»Alex, kannst du mir erklären, was du an dem Schrotthaufen findest. Du strahlst, als hätte ich dir eben eine wertvolle Perlenkette oder sonst ein Schmuckstück geschenkt. Was ist an diesem Schrotthaufen so besonderes, dass er deine Augen so zum Leuchten bringt?«

»Er gefällt mir! Ich werde ein Stück der Nachbarwiese dazukaufen, einen Sockel bauen, das Autowrack darauf heben lassen und mit durchsichtigem Kunstharz übergießen, bis es völlig eingehüllt ist. Dann stelle ich mir eine Bank daneben, setze mich hin und betrachte es.«

»Du bist verrückt!«

»Möglich! Aber nicht verrückter als du! Was wolltest du mit so einem Sportwagen in den Bergen?«

»Ich habe eine Abkürzung gesucht und mich verfahren!«

»Eine Abkürzung? Wohin wolltest du?«

»Rom! Rom war das Endziel!«

»Ich dachte, du wärst mit Claire in Davos verabredet gewesen, dieser französischen Adelsfrau, Ma­dame de … Du weißt schon.«

»Sie heißt Marquise Claire de Clermont! Ich war nicht mit ihr verabredet. Sie redet nur ein wenig viel. Cheri hier und Cheri da! Sie ist mit Marcel unterwegs. Wir waren in der Clique unterwegs. Davos war eines der Etappenziele. Dort wollten wir uns am Abend treffen.«

»Seid um die Wette gefahren, wie?«

»So ähnlich! Aber jetzt habe ich alles abgesagt!«

»Das wird dieser Claire nicht gefallen. Sie sagte am Telefon zu mir, sie sei deine Freundin!«

Fabian sah Alexandra an. Es war ganz still. Sie sah, dass er rote Flecken auf die Wangen bekam.

»Sie ist nicht meine Freundin! Früher dachte ich einmal, es wäre schön, sie als Freundin zu haben – vielleicht sogar noch mehr! Doch das hat sich zerschlagen, erübrigt! Das war eine totale Fehlentscheidung!«

»Eine Fehlentscheidung? Dann hast du eine Bessere gefunden?«

»Vielleicht? Die Sache ist noch am Werden!«

»Aha! Dann wünsche ich dir viel Glück dabei, Fabian!«

»Danke! Das werde ich brauchen!«

»Warum? Will deine Angebetete nichts von dir wissen?« Alexandra schmunzelte. »Ich denke, du musst dir keine Sorgen machen. Wenn du bei der Eroberung ihres Herzens auch so zielstrebig vorgehst wie bei der Rekonstruktion meiner Almhütte, dann dürften deine Chancen sehr gut sein.«

»Meinst du?«

»Ja, ich denke eben praktisch. So wie ich dich einschätze, bist du sehr zielstrebig und ehrgeizig! Du bist ein Mann, der sich durchsetzt, ein Macher!«

Fabian schaute sie an.

»War das jetzt ein Kompliment oder hörte ich da etwas Verachtung in deiner Stimme?«

»Wechseln wir das Thema! Ich bin Malerin und keine Beziehungsexpertin!«

»Bist du nicht?«

»Nein, bestimmt nicht!«

»Lebst du in einer Beziehung?«, fragte Fabian direkt.

»Nein! Ich hatte welche, um deiner nächsten Frage zuvorzukommen. Aber meine Ansprüche sind sehr hoch. So habe ich mich entschlossen, erst einmal allein zu bleiben.«

»Bis der Richtige kommt?«

Alexandra sah ihn an. Sie fühlte, wie sie rot wurde.

»Das ist meine Privatangelegenheit! Ich will mich nicht mit dir da­rüber unterhalten.«

»Schade!«

»Warum ist das schade?«

»Weil ich gern gewusst hätte, wie deine Ansprüche sind.«

»Warum? Das muss dich doch nicht interessieren.«

»Vielleicht geht’s mir um die Theorie? Ich glaubte immer, ich verstehe die Frauen, kenne die Spiele, die sie mit den Männern machen. Aber ich glaube, dass ich falsche Vorstellungen habe.«

»Okay! Was denkst du, was Frauen wollen?«

»Sie wollen einen Mann, der viel Geld hat, einen Superberuf, Ansehen. Er muss sportlich sein, gute Umgangsformen haben, ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen, ihnen Schmuck schenken und Pelze, teure Autos!«

»Zur letzten Sorte gehöre ich jetzt auch! Ich besitze einen roten italienischen Sportwagen. Es ist sogar eine Spezialanfertigung im Faltformat«, lachte Alexandra. »Er ist ein Geschenk von einem Mann!«

Fabian sah sie an.

Er nahm all seinen Mut zusammen und fragte mit einem zaghaften und sehr unsicheren Unterton in der Stimme:

»Von einem Freund?«

Fabian sah Alexandra in die Augen.

»Lass mich dein Freund sein, einfach ein guter Freund! Bitte! Das will sich sein. Daran habe ich schon vorhin gedacht. Aber ich wollte dich nicht darum bitten.«

Alexandra zögerte. Dann griff sie nach ihrem Glas. Sie trank Rotwein, Fabian trank Wasser wegen der Medikamente.

»Freundschaft!«, sagte sie leise. »Trinken wir auf unsere Freundschaft!«

Die Gläser klangen leise, als sie anstießen und tranken. Dabei ließen sie sich nicht aus den Augen.

»Auf was kommt es dir bei einem Mann an, Alexandra?«

Sie sah ihn lange an, dann sagte sie:

»Das Wichtigste für mich ist Ehrlichkeit! Er muss ehrlich sein. Ehrlich in seinen Gefühlen muss er sein und ehrlich im Alltag. Er darf eine Frau nie ausnutzen, muss sie immer mit Respekt behandeln. Er muss sie fragen, wie sie sich ihr Leben vorstellt und nicht einfach über sie bestimmen.«

Alexandra trank einen Schluck Wein.

»Ja, das wäre eigentlich alles, was mir wichtig ist! Alles andere ergibt sich daraus!«

»Klingt eigentlich ganz einfach!«

»Das ist es aber nicht, Fabian! Aber lassen wir das! Willst du noch einen Nachtisch? Tonis Mutter hat mir eingemachtes Obst aus ihrem Garten geschenkt.«

»Danke, ich bin satt!«

Alexandra stand auf. Sie räumte den Tisch ab. Fabian wollte ihr helfen, aber sie lehnte ab, sah sie doch, wie er vor Schmerzen die Zähne bei jeder Bewegung zusammenbiss. So spülte sie das Geschirr und brühte einen Espresso auf.

»Leider nur aus Pulver!«, sagte sie und reichte ihm die Tasse.

Er nippte daran.

»Sehr gutes Pulver! Sicher das Ergebnis einer exzellenten Kaffeeernte.«

Sie lachten beide laut.

»Du hast einen wunderbaren Humor, Fabian. Das gefällt mir. Ja, es ist ein ausgezeichnetes Pulver!«, witzelte Alex und spreizte beim Trinken den kleinen Finger weit ab.

»Du solltest eine warme Dusche nehmen, Fabian! Danach kann ich dich einreiben. Anna hat Kräuterbalsam mitgebracht. Nach einem warmen Bad oder einer Dusche wirkt er besonders gut, sagt Anna. Sie meint, dann hättest du morgen viel weniger Schmerzen.«

»Ich bin bereit, alles zu tun, wenn diese Schmerzen nur bald aufhören!«, stöhnte Fabian.

Mühsam stand er auf, griff nach der Reisetasche und verschwand im Badezimmer. Alexandra hörte das Wasserrauschen. Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich die Tür und Fabian stand in einer Badehose vor ihr.

Alexandra stieß einen lauten Schrei aus.

»Entschuldige, das wollte ich nicht! Dumm von mir, einfach so …«

»Schwachsinn! Wir sind erwachsene Menschen! Du hast doch hoffentlich nicht geglaubt, ich wäre über dich erschrocken, weil du nur mit einer Badehose vor mir stehst? Nein, deswegen nicht! Himmel, du siehst ja schlimm aus! An deinem Körper gibt es kaum eine Stelle, die noch heil ist. Du bist fast überall schwarz und blau.«

»Prellungen!«, sagte Fabian.

»Das ist ja schrecklich! Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm ist.«

»Ja, es ist schlimm, aber ich hatte großes Glück! Und dieses Zeugs da hilft?«

Alexandra nickte. Sie tauchte ihre Finger in die Dose.

»Wenn es weh tut, dann musst du etwas sagen!«

Vorsichtig betupfte sie seine Haut. Sie sprachen dabei nicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis Alexandra mit der Behandlung fertig war.

»Es wird schon besser, Alex! Das Wunderzeug nimmt wirklich die Schmerzen! Ich danke dir!«

»Freut mich! Jetzt kannst du dich wieder anziehen!«

Fabian zog ein Hemd und einen Pullover an. Dazu trug er eine bequeme Kordhose.

»Was machst du abends? Ich meine, wie hast du auf der Almhütte deine Abende verbracht? Hast du gemalt?«

»Nein! Die Almhütte hat kein Licht.«

Alexandra schaute zur Lampe.

»Wie lange halten die Akkus der Solarzellen?«

»Das weiß ich nicht!«

Alexandra schaute Fabian an.

»Ich saß meistens bis nach Mitternacht vor der Almhütte und schaute in die Sterne.«

»Wollen wir uns draußen hinsetzen, Alex?«

Alexandra nickte. Sie trug einen zweiten Stuhl hinaus und stellte die Stühle nebeneinander. Sie setzten sich. Ihre Arme berührten sich auf der Armlehne. Irgendwann legte Fabian vorsichtig seinen Arm zuerst auf die Stuhllehne des Stuhles, auf dem Alexandra saß, dann berührte er sie vorsichtig. Alexandra schaute ihn an, sagte aber nichts. Fabian schwieg auch. So saßen sie schweigend nebeneinander und schauten hinauf in die Sterne, die am Nachthimmel über dem Tal von Waldkogel und den Bergen standen. Der Vollmond leuchtete nur für sie.

*

Es verging eine Woche. Täglich rieb Alexandra Fabian mit Ellas Kräuterbalsam ein. Das Wundermittel half gut. Bald konnte er sich schmerzfrei bewegen. Er überwachte den Neubau von Alexandras Almhütte. Jeden Abend kamen die Freiwilligen aus Waldkogel und packten mit an. Fabian lud sie anschließend zu Freibier ein. Bald war er mit vielen von ihnen befreundet.

Dann war die Almhütte fertig. Alexandra war glücklich. Bis in die Nacht trug sie ihre Sachen vom Wohncontainer in die Almhütte hinüber und räumte alles ein. Fabian packte mit an.

»Bist du zufrieden? Ist alles nach deinen Wünschen?«, fragte Fabian.

»Ja! Alles in Ordnung! Sicher kann man hier und da sehen, dass Teile der Almhütte neu sind, aber im Großen und Ganzen ist sie genauso, wie sie war. Das hast du gut gemacht, Fabian. Danke!«

Er lächelte sie an.

»Soll ich dir helfen, die Bilder aufzuhängen?«

»Das mache ich morgen!«

Verlegen stand Fabian im Türrahmen.

»Ja, dann wäre alles fertig! Dann gibt es nichts mehr für mich zu tun!«

»Jetzt kannst du wieder abreisen, Fabian!«

»Ja, ich könnte. Aber ich will noch etwas bleiben. Stört es dich, wenn ich weiterhin in der Contai­nerwohnung bin? Sie wird erst in zwei Wochen abgeholt. Solange hatte ich sie angemietet.«

»Nein, es stört mich nicht. Du kannst gerne bleiben. Aber musst du nicht auch wieder fort?«

»Sicher, irgendwann! Aber daran will ich noch nicht denken.«

»Warum?«

»Weil es mir hier gefällt, Alex. Die Tage waren schön. Ich werde sie vermissen. Und ich werde dich vermissen!«

Alexandra schaute auf den Boden. Sie drehte sich um und spürte, wie sie errötete.

»Ja, sie waren sehr schön. Wir haben sehr viele schöne Gespräche geführt.«

»Ja, das haben wir. Oder wir saßen unter dem nächtlichen Sternenhimmel und haben geschwiegen. Das war noch schöner.«

»Ja, das war es, Fabian!«

Fabian räusperte sich.

»Ich habe mich sehr wohl gefühlt in deiner Nähe, Alex. Du bist eine wunderbare Frau!«

»Danke für das Kompliment. Ich fand unsere gemeinsame Zeit auch schön, und ich werde sie niemals vergessen. Nochmals vielen Dank für den Schrotthaufen dort. Er wird mich immer an dich erinnern.«

»Vielleicht kann ich dich mal besuchen?«

»Ja. Warum sollst du das nicht können? Freunde besuchen sich. Du bist jederzeit ein gern gesehener Gast. Nur um eines möchte ich dich bitten. Der Eingang ist hier vorne, nicht die Giebelwand.«

Alexandra grinste. Sie schauten sich an und fingen an zu lachen. Fabian ging auf Alexandra zu. Er griff nach ihren Händen und hielt sie fest.

»Ich weiß, dass es schlimm war. Ich schätze, dass du es mir nicht nachtragen wirst. Ich bin sogar irgendwie glücklich, dass es geschehen ist. Wir hätten uns sonst nicht kennengelernt.«

Er schaute ihr tief in die Augen.

»Ja, das hätten wir nicht! Ich sehe es auch so. Es war ein wenig gewaltsam, aber es war wohl Schicksal. Was sich das Schicksal wohl dabei gedacht hat?«

Alexandra errötete.

»Ich weiß es nicht. Kann das Schicksal denken?«

Sie lächelten beide.

»Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich mir wünschen, dass es noch lange so weitergeht. Du malst und ich schaue dir zu. Wir reden über Gott und die Welt, über unsere Ansichten, über das Leben.«

Fabians Augen leuchteten, als er leise sagte:

»Alex, die Zeit hier, die letzten Tage mit dir, die waren für mich etwas ganz Besonderes. Sie gehörten zu den schönsten Tagen meines Lebens, wenn es nicht überhaupt die schönsten Tage waren, die ich jemals erlebt habe. Siehst du das ähnlich?«

»Sollte ich das?«

»Es würde mich sehr freuen, Alex!«

»Ich gebe es zu, es waren wunderbare Tage. Aber alles, was wunderschön ist, geht einmal zu Ende.«

»Du hast mir so viel gegeben, Alex. Mehr als mir jemals eine Frau gegeben hat oder ein Madl, wie man hier in den Bergen sagt.«

»Ich habe dir nichts gegeben, Alex, nur meine Freundschaft.«

»War es nicht mehr als Freundschaft, Alex?«

Sie sahen sich in die Augen. Alexandra errötete.

»Was soll es sonst gewesen sein?«

»Zuneigung! Ich wage, es sogar Liebe zu nennen! Hast du es nicht gespürt?«

Alexandra schwieg.

Fabian sprach langsam weiter.

»Als du da nachts hinter der Almhütte standest, die Decke um die Schulter gehängt, da schlug mein Herz schneller. Ich bekam kaum noch Luft. Heute bin ich sicher, dass nicht nur der Unfall daran schuld war. Es war dein Anblick. Glaubst du auf die Liebe auf den ersten Blick?«

»So etwas soll es geben! Ich habe davon schon gehört.«

»Ist das alles, was du dazu sagen willst?«

Alexandra lächelte. Es war ein verlegenes Lächeln.

»Fabian, ich denke, mit der Liebe auf den ersten Blick kann es so sein wie mit dem Licht, das auf ein Bild fällt.«

»Das verstehe ich nicht! Wie meinst du das?«

»Nun, es ist ganz einfach. Die Farben eines Bildes können ganz verschieden wirken, je nachdem, wie das Licht darauf fällt und was für ein Licht es ist. Es kann Sonnenlicht am Morgen, am Mittag oder am Abend sein. Es kann Kunstlicht sein, als heller großer Strahler oder als das Licht einer einzelnen kleinen Lampe. Es kann auch Kerzenlicht sein. Immer sieht ein Bild anders aus.

So sehe ich das auch mit der Liebe. Erst wenn man ein Bild in jedem Licht betrachtet hat, erst dann kann man wirklich sagen, dass man das Bild kennt. Erst dann kann man sagen, ob es einem gefällt.«

»Du hast Angst, Alexandra!«

»Nein, Fabian! Ich habe nur schlechte Erfahrungen gemacht. Sollte ich mich jemals wieder für jemanden entscheiden, dann will ich ganz sicher sein.«

»Wie willst du herausfinden, ob du dir ganz sicher sein kannst?«

»Das ist einfach zu erklären, Fabian.«

»Oh, bitte! Erkläre es mir! Ich bin sehr neugierig!«

»Es ist so wie mit dem Malen von Bildern. Wenn mir ein Bild wirklich gelungen ist, dann habe ich ein wunderschönes Gefühl in mir. Es ist ein Gefühl, das sich nicht mit Worten beschreiben lässt. Es drückt Zufriedenheit aus, Freude über die Vollkommenheit des Bildes. Es ist eine Sicherheit, dass ich niemals denken werde, das Bild hätte ich schöner malen können. Es ist einfach über jeden Zweifel erhaben, ganz gleich, wie ich meinen Malstil weiterentwickle oder wie alt ich werde. Es wird immer das wunderschöne Bild sein. Und immer wenn ich es ansehe, wird sich das Gefühl in mir einstellen.«

»Und dieses Gefühl suchst du auch in einer Beziehung!«

»Ja, das Gefühl suche ich!«

Fabians Herz klopfte. Er fühlte, wie Alexandras Hände leicht bebten. Sie ist so wunderbar, dachte er.

»Alex, ich verstehe, was du meinst. Aber du wirst immer wieder ein Bild malen und dann das fühlen, was du mir eben beschrieben hast. Zuerst kommt also eine Tat, dann überprüfst du sie. Vielleicht solltest du das mit der Liebe auch tun?«

»Wie sollte das geschehen?«

Fabian zog sie enger an sich. Er ließ ihre Hände los und umschloss sie mit beiden Armen. Langsam kam er mit seinem Gesicht dem ihren näher.

»Darf ich?«, fragte er leise.

Er hatte es einfach nicht gewagt, sie so zu küssen. Alexandra war nicht so wie Claire zum Beispiel.

Die Antwort sah Fabian sofort. Alexandra schloss die Augen. Zärtlich berührten seine Lippen die ihren. Sie schauten sich wieder an.

Dann schlang Alexandra ihre Arme um seinen Hals. Wieder berührten sich ihre Lippen. Dann legte sie ihren Kopf an seine Brust.

»Halte mich fest, Fabian!«

»Ja, ich halte dich fest!«

Er verstärkte seinen Griff noch etwas. Er schwieg und hielt sie nur fest.

»Weißt du noch, am ersten Abend hier? Ich sagte, ich wollte alles tun, damit du glücklich wirst. Du fragtest, alles, was man mit Geld kaufen kann? Dabei dachte ich auch an eine Freundschaft, die ich dir schenken wollte und an noch mehr. Das konnte ich dir damals nicht sagen. Aber jetzt wage ich es, Alexandra. Ich möchte dir meine Liebe schenken! Willst du sie?«

Alexandra schwieg. Sie wand sich auch nicht aus seinen Armen. Sie stand ganz ruhig bei ihm und hielt ihre Augen geschlossen.

Sanft und mit tiefer Hingabe in der Stimme sagte Fabian leise:

»Alex, ich liebe dich wirklich! Bitte, nimm meine Liebe an!«

Alexandra schwieg noch immer.

»Alex«, fuhr Fabian weiter fort. »Wenn du mir nicht gleich dein Herz ganz öffnen kannst, dann bitte ich dich, meine Liebe wie ein Bild in den verschiedenen Lichtkegeln zu betrachten. Du wirst sehen, sie ist makellos. Ich werde dich nicht enttäuschen. Ich liebe dich wirklich! Hast du das nicht bemerkt?«

»Doch das habe ich! Es war auch in der Dunkelheit der Nächte zu sehen, wenn wir unter dem Sternenhimmel saßen.«

»Ist das deine Art mir zu sagen, dass du mich liebst?«

»So kannst du es sehen!«

»Du machst es mir nicht einfach, Alexandra!«, seufzte Fabian.

»Das Leben an sich ist nicht einfach, Fabian. In einem Augenblick ist alles noch schön und wohl geordnet, und im nächsten Augenblick gibt es nur noch Trümmer.«

»Wie bei deiner Almhütte!«

»Ja, wie bei meiner Almhütte!«

»In die ich hineingefahren bin. Aber ich habe sie auch wieder aufgebaut.«

»Ja, das hast du! Und sie ist sehr schön geworden.«

»Ich hatte gehofft, mir damit einen Platz in deinem Herzen zu erobern.«

Statt einer Antwort schmiegte sich Alexandra eng an ihn. Sie hob den Kopf, und sie küssten sich wieder.

»Setzen wir uns draußen vor die Almhütte und betrachten wir den Sternenhimmel«, sagte sie leise.

Fabian führte sie behutsam hi­naus. Sie setzten sich auf die neue Bank neben der Tür.

»Gut so?«, fragte er.

»Ja, sehr gut so! Lass uns lauschen, Fabian! Toni sagte, dass wenn man im Zweifel ist, nur auf die Stimme der Berge hören muss. Sie haben über Jahrtausende die Menschen beobachtet und wissen eine Antwort auf jede Frage.«

»Vielleicht kann ich dir deine Frage auch beantworten, Alex? Wie lautet sie?«

»Ach, du lieber Fabian! Ich weiß, dass du sehr klug bist und auch voller Tatendrang. Aber diese Frage kannst auch du mir nicht beantworten. Nicht, weil du es nicht könntest, sondern weil ich mir selbst noch über die genaue Fragestellung klar werden muss.«

»Alex, ich liebe dich wirklich! Du sagtest einmal, dass Ehrlichkeit für dich wichtig ist. So will ich dir jetzt sagen, dass du eine ehrliche Antwort von mir bekommen wirst, wie immer deine Frage auch lautet.«

»Danke, Fabian! Das ist eine sehr schöne Liebeserklärung von dir. Damit machst du mich sehr glücklich!«

Sie küssten sich wieder. Dann saßen sie lange engumschlungen auf der Bank vor der Almhütte und genossen die Stille der Nacht in den Bergen.

Wie verschieden Alexandra doch von Claire ist und allen anderen Frauen, die mir jemals begegnet sind. Doch sie ist sich meiner nicht sicher, dachte Fabian. Er hielt sie ganz fest und grübelte darüber nach, was er tun könnte, damit er von ihr die drei magischen Worte hören würde – ich liebe dich. Ich muss Geduld haben, dachte er. Ich bin hier nicht in der Stadt und nicht in Davos bei Claire. Ich bin hier in den Bergen bei Alexandra, und hier ist alles anders. Die Berge sind hier höher und die Täler tiefer. Die Gefühle sind ernster und aufrichtiger, als ich es je zuvor erfahren habe. Ich muss einen Weg finden, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich es ernst meine, dass sie die Frau ist, das Madl, nach dem ich gesucht habe, ohne dass ich es wusste. Ich war immer auf der Suche nach dem Größten, dem Schnellsten und Höchsten. Immer war ich ein Getriebener. Wahrscheinlich wäre das auch noch so weitergegangen, wenn mich die Rückwand dieser Almhütte nicht aufgehalten hätte. Wenn es so nicht gekommen wäre, dann wäre ich vorbeigefahren.

»Was denkst du, Fabian?«

»Du merkst, dass ich über etwas nachdenke? Nun, ich habe darüber nachgedacht, dass mein Leben eine neue Wendung eingenommen hat und hoffe, dass es bei dir auch so ist. Diese Wendung war von mir nicht beabsichtigt. Jetzt bin ich sehr glücklich darüber.«

Alexandra seufzte glücklich.

»Ja, es war eine Wendung! Du bist falsch abgebogen und einfach in mein Leben hineingefahren, und jetzt bist du da. Ich denke nach, was ich jetzt machen soll. Ich war auf jemand wie dich nicht eingestellt. Ich war überhaupt nicht darauf eingestellt, dass plötzlich jemand da ist. Doch nun bist du einfach da, und ich muss sehen, wie ich alles ordne. Das ist viel komplizierter als der Aufbau der Almhütte.«

»Im Aufbau von eingestürzten Almhütten bin ich ganz geschickt, wie du hoffentlich erkannt hast. Wenn du mir genau sagst, was ich tun soll, dann will ich dir helfen, auch Ordnung in dein Leben zu bringen.«

»Das könnte sehr kompliziert werden, Fabian. Es könnte nämlich sein, dass dadurch dein Leben in Unordnung geraten würde. Und ich frage mich, ob du das auf die Dauer aushalten kannst?«

»Macht mir nichts aus! Mein Leben war bisher viel zu ordentlich! Wir nehmen einfach alles, was wir haben, legen es zusammen auf einen gemeinsamen Haufen und ordnen es zusammen neu!«

»Dabei müsstest du auch Kompromisse machen, Fabian!«

»Ja, das weiß ich! Jeder von uns beiden müsste Kompromisse machen. Aber könnte daraus nicht etwas ganz Neues, etwas Wunderbares entstehen? Denke bitte mal darüber nach. Vielleicht kannst du eine Skizze machen und sie mir zeigen?«

»Das ist ein guter Vorschlag, Fa­bian!«

Alexandra bot ihm ihre Lippen dar. Sie küssten sich lange und innig.

Eine Wolke schob sich vor den Mond.

»Es war ein wunderschöner Abend, Fabian!«

»Das Signal zum Aufbruch?«

»Ja! Ich wünsche dir eine gute Nacht!«

»Schlafe gut, Alex!«

Sie küssten sich wieder und wieder und wieder.

Jede andere Frau würde ich fragen, ob ich mit hineinkommen darf, schoss es Fabian durch den Kopf. Eine Frau wie Claire würde mich einfach in die Almhütte hineinziehen. Aber Alexandra ist nicht wie Claire. Das ist auch gut so, auch wenn es etwas schmerzlich ist, dachte er und sehr bedauerlich. Sein Herz war voller Liebe.

Sie küssten sich ein letztes Mal. Dann ging Alexandra in die Almhütte und schloss die Tür. Sie lehnte sich innen dagegen und lauschte, bis sie hörte, dass er sich entfernte. Dann ging sie zu Bett.

*

Irgendetwas schreckte Alexandra aus dem Schlaf. Sie war sofort hellwach. Ihr Herz klopfte. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Es war schon später Vormittag. Sie dachte einen Augenblick nach, was sie geweckt haben könnte und streckte sich in ihrem Bett aus. Dann erinnerte sie sich an die Küsse des vorherigen Abends. Ihr Herz klopfte schneller. Fabian denkt an mich. Er wartet sicherlich sehnsüchtig, bis ich aufwache. Er wird an der Tür gewesen sein. Alexandra setzte sich im Bett auf und schob die Vorhänge zurück. Was sie sah, ließ sie erstarren.

Vor dem Wohncontainer stand eine Frau im eleganten, engen Sommerkleid. Sie hatte lange schwarze Haare. Sie redete auf Fabian ein, der vor ihr stand, die Hände in den Hosentaschen. Oben an der Straße parkte ein weißes Sportcabrio. Mit klopfendem Herzen beobachtete Alexandra die beiden.

Dann machte Fabian die Tür des Wohncontainers zu. Er ging mit der Frau zum Auto. Sie stiegen ein. Fabian setzte sich ans Steuer. Er wendete. Der Motor heulte auf. Dann brauste das Auto den Milchpfad entlang in Richtung Waldkogel, dass die Räder eine dichte Staubwolke aufwirbelten. Alexandra rannte hi­naus ins Freie, dass sie den Wagen länger mit den Augen verfolgen konnte.

»Er ist fort«, sagte sie leise vor sich hin.

Ihre Beine zitterten. Mühsam schleppte sie sich in das Innere der Almhütte zurück. Sie kochte sich erst einmal einen starken Kaffee. Dann wusch sie sich und zog sich an.

Bald darauf war sie auf dem Weg zur Berghütte.

»Hilda, hast du Alex gesehen? Sie ist eben hier vorbeigeschossen wie ein Reh auf der Flucht, während einer Treibjagd. Ganz verstört hat sie ausgesehen. Sie hatte noch nicht einmal einen Gruß.«

»Wenzel, ich war hier drinnen, wie könnte ich Alex da sehen?«

Hilda Oberländer schüttelte den Kopf.

»Warum hast du ihr nicht zugerufen?«

»Mei, Hilda, das hab’ ich doch! Des Madl hat nicht reagiert!«

»Des kann ich mir net vorstellen! Dass du die Alex gerufen hast, hab’ ich net gehört!«

»Des konntest ja auch net hören, bist ja hier drinnen gewesen! Du, Hilda, mit dem Madl stimmt etwas net?«

»Dann musst warten, bis sie wieder von der Berghütte herunterkommt. Jeder der hinaufgeht, der kommt auch wieder herunter.«

Wenzel machte mit der Hand eine Bewegung, die so viel besagte, dass er jetzt keine Allerweltsweisheiten hören wollte. Er ging hinaus und nahm sein Fernglas. Er schaute den Berg hinauf und sah, wie Alexandra den Pfad zur Berghütte hinaufhetzte.

»Da stimmt etwas nicht«, murmelte er. »Aber ich werde schon herausfinden, was dahintersteckt. Am Ende hat dieser Hallodri von Fabian sie wieder verärgert. Der ist überhaupt ein seltsamer Bursche. Aber mir will ja niemand glauben, dachte er.

Alexandra erreichte die Berghütte. Sie ließ sich auf den ersten freien Stuhl fallen.

»Grüß dich, Alex!«, rief Toni.

Ein Blick genügte ihm. Er sah, wie überhitzt Alexandra war. Sofort rief er Anna herbei und holte einen Krug Quellwasser. Wortlos trank sie nacheinander zwei Gläser aus.

Toni sah, dass es besser war, wenn er die Freundinnen alleine ließ.

»Was ist geschehen?«, fragte Anna.

»Er ist fort! Da war so eine Tussi in einem engen Kleid mit einem weißen Sportcabrio. Er ist mit ihr abgefahren. Hat sich nicht von mir verabschiedet!«

»Ah, du meinst sicher die Französin, diese Claire? Nun, dann hat sie ihn ja endlich gefunden.«

Alexandra machte große Augen. Sie wurde zuerst blass, dann rot im Gesicht.

»Doro, pardon, Anna, was weißt du?«

Toni kam jetzt doch wieder zum Tisch.

»Diese Marquise hat nach Fabian gesucht. Clever ist sie schon, das muss man ihr lassen.«

»Toni, bitte! Ich bin heute sehr schlecht im Rätsel erraten«, stöhnte Alex.

Toni setzte sich dazu an den Tisch.

»Des ist net so einfach erklärt. Der Fabian hatte Claire und der Gruppe, mit der er unterwegs war, eine Mail geschrieben, in der er ihnen mitteilte, dass er einen Unfall hatte. Mehr schrieb er Claire nicht. Diese wusste aber, dass Fabian nach dem Rennen einen Segeltörn machen wollte und sich mit Freunden zum Klettern in den Pyrenäen treffen wollte. Diesen hatte Fabian ausführlich von seinem Missgeschick mit der Almhütte erzählt. Claire, die vergeblich auf eine Nachricht von Fabian wartete, weil er sich nicht auf all ihre Mails bei ihr meldete und weil sein Handy immer ausgeschaltet war, suchte ihn. Über Fabians Sportfreunde erfuhr sie dann, dass er hier in Waldkogel ist. Sie rief die Gemeindeverwaltung an und redete mit dem Bürgermeister.

Den guten Fellbacher hat die Claire mit ihrem ›cheri‹ hier und ›cheri‹ da ganz schön eingewickelt. Fellbacher erzählte von Fabian und der Almhütte und auch von dir. Daraufhin kam sie gestern nach Waldkogel. Claire übernachtete im Hotel ›Zum Ochsen‹. Heute Morgen suchte sie Martin in der Praxis auf. Er sagte ihr, wie sie Fabian finden könnte. Martin hat mich angerufen und es mir erzählt. Er lachte sehr, als er mir erzählte, wie diese Claire immer von ›mon cheri‹ sprach, wenn sie Fabian meinte.«

Toni sah Anna an.

»Ja, und so hat sie dann Fabian gefunden! Des denke ich mir so!«

Alexandra schenkte sich noch ein Glas Wasser ein und trank es aus.

»Ich wusste doch, dass es nichts wird mit ihm!«, sagte sie voller Bitternis. »Gestern Abend hat er mir Zärtlichkeiten gesagt, und wir waren uns etwas näher gekommen. Aber ich bin wohl mal wieder an den Falschen gekommen.«

»Dass der Fabian mit der Claire gefahren ist, muss noch nichts bedeuten, Alex!«

Alexandra schüttelte heftig den Kopf.

»Schmarrn, Toni! Jetzt sage ich dir mal etwas, rein theoretisch! Nehmen wir an, du hättest Doro – Quatsch – du hättest deiner Anna gesagt, dass du sie lieb hast. Du hättest sie geküsst. Wärst du dann am nächsten Tag mit einer anderen weggefahren, ohne mit deiner Anna zu reden?«

Toni und Anna schauten sich an.

»Er hat dir gesagt, dass er dich liebt?«

»Ja, das hat er, der Herr Minirambo, und geküsst hat er mich!«

Toni rieb sich das Kinn und schaute Anna an.

»Also, darauf kann ich mir auch keinen Reim machen, du, Anna?«

»Vielleicht klärt es sich ja ganz einfach auf«, sagte Anna leise.

Aber an ihrer Stimme war zu erkennen, dass sie sich dessen nicht so sicher war.

Alexandra seufzte.

»Ich frage mich, was ich jetzt machen soll? Wie soll ich mich verhalten? Soll ich ihm eine Szene machen? Oder soll ich so tun, als hätte es den gestrigen Abend nicht gegeben?«

Anna schaute Alexandra an.

»Was fühlst du im Herzen? Liebst du Fabian?«

»Oh, Anna, sicher liebe ich ihn! Das weißt du doch! Er hat mir vom allerersten Augenblick an gefallen. Ich war vorsichtig, zurückhaltend. Dieses Mal wollte ich nicht so schnell mein Herz verschenken. Du weißt, was ich für Erfahrungen gemacht habe. Ich habe hier in den Bergen viel nachgedacht und sagte mir, dass ich es den Burschen vielleicht einfach zu leicht gemacht habe. Ich habe ihnen nicht das Gefühl gegeben, dass sie um mich werben mussten. Sie mussten nicht um mein Herz kämpfen. Also hielt ich dieses Mal mein Herz unter Verschluss. Und jetzt ist er fort!«

Alexandra seufzte erneut.

»Ich muss mich damit abfinden, dass ich kein Glück in der Liebe habe. Dabei habe ich ganz deutlich gespürt, dass er mich liebt, als er mich küsste. Aber ich habe mich wohl geirrt. Anna, ich bin einfach unfähig zu beurteilen, was Liebe ist und was keine Liebe ist. Es war alles genau so, wie du mir die wahre Liebe beschrieben hast. Aber das gilt wohl für alle auf der Welt, nur für mich nicht.«

»Was willst du jetzt machen?«, fragte Anna.

»Keine Ahnung! So tun, als hätte ich viel Arbeit! Ich male! Tue so, als wäre nichts gewesen. Außerdem wird der Container bald abgeholt. Sag mal, Toni, kannst du Fellbacher nicht bitten, dass das Ding früher dort weg muss?«

»Des ist schon zu machen, denke ich! Es sieht auch schlimm aus, dieser weiße Kasten auf der Wiese. Ist kein schöner Anblick!«, sagte Toni. »Ich werde mit dem Fellbacher gleich reden.«

»Sage ihm, dass ich ihm auch ein schönes Bild für sein Büro male. Er soll mir sagen, was er gerne hätte.«

Das war für Anna das Stichwort.

»Da habe ich eine gute Idee! Hör mal, Alex! Du könntest nach Kirchwalden fahren und dir Kopien aller eingemeindeten Ortschaften von Waldkogel holen. Die bekommst du auf der Kreisverwaltung im Archiv. Dort soll es auch alte Urkunden von Waldkogel geben, bezüglich der Gemeinderechte und so. Besorge dir davon eine Kopie. Dann malst du dem Fellbacher diese Kopie als Wandschmuck für sein Büro im Rathaus. Das freut ihn bestimmt.«

»Das ist eine Superidee, Anna!«, rief Toni aus.

Dann wandte er sich an Alexan­dra.

»Auf dem Amt musst ein bisserl diskret sein. Darfst auf keinen Fall durchblicken lassen, dass du dem Fellbacher einen Gefallen tun willst. Weißt, unter den Parteibazis gibt es auch immer wieder Neider. Dir wird sicherlich eine harmlose Ausrede einfallen, wenn dich jemand danach fragt, warum du dich dafür interessierst.«

»Ach, da mache dir mal keine Sorgen, Toni. Die Amerikaner sind ganz wild auf gemalte Wappen und Urkunden aus dem guten alten Europa«, beruhigte ihn Alexandra.

»Magst du etwas essen, Alex? Soll ich dir Eier mit Speck machen?«

»Danke, Toni! Aber ich nehme gern eine Laugenbrezel. Die kann ich unterwegs essen. Ich werde mich gleich auf den Weg nach Kirchwalden machen. Da habe ich eine schöne Aufgabe und denke bestimmt weniger an Fabian Metzger!«

»Wie du willst! Wenn du ihm aus dem Weg gehen willst, dann kannst du auch gern einige Tage zu uns auf die Berghütte kommen«, sagte Anna.

»Das ist ein verlockendes Angebot, das ich gerne annehme! Außerdem, habt ihr nicht etwas von einem anstehenden Hüttenabend mit Tanz erzählt?«

»Ja, der ist heute Abend!«

»Großartig! Ich bin dabei! Die feschen Burschen der Bergwacht kommen auch, Leo und seine Kameraden?«, fragte Alex übermütig.

»Ja, ja, die kommen auch!«

Toni und Anna schauten Alexandra erstaunt an. Ihre Traurigkeit war ganz von ihr abgefallen wie ein altes Kleidungsstück. Sie sah jetzt aus, wie jemand, der sich in ein Abenteuer stürzen wollte.

»Nun schaut nicht so, Anna und Toni! Wie heißt es? Man kann Feuer nur mit Feuer bekämpfen! Und das werde ich tun. Ich werde tanzen und küssen und einen wunderschönen Hüttenabend erleben, und dann wird der Katzenjammer über Fabian bald vorbei sein.«

Sie stand auf.

»So, Freunde, das war es! Dann bis heute Abend! Pfüat di, wie ihr hier in den Bergen sagt.«

Alexandra umarmte die völlig überraschte Anna und schüttelte Toni die Hand. Dann rannte sie davon.

»Himmel, Anna, was war das? Des Madl hat es vielleicht erwischt! Die ist ja völlig deppert! Die muss den Fabian sehr lieben!«

»Ja, das tut sie! Nur zugeben will sie es nicht, dass es ihr sehr weh tut. Und irgendwie finde ich auch Fabians Verhalten sehr sonderbar. Ach, Toni, warum ist das mit der Liebe oft so kompliziert?«

Toni legte seine Arme um Anna und küsste sie.

»Das mit der Liebe ist nicht kompliziert! Die Leut’ machen es nur kompliziert! Es ist doch ganz einfach! Entweder lieben sich zwei oder sie lieben sich nicht!«

Er sah Anna in die Augen.

»Und wir lieben uns! Anna, ich liebe dich! Das muss ich dir mal wieder sagen. Oft habe ich das Gefühl, dass unsere Liebe unter der vielen Arbeit etwas zu kurz kommt. Dass ich es dir nicht oft genug sage!«

»Ich liebe dich, Toni! Und wir sagen es uns mit jedem Tag, den wir gemeinsam auf der Berghütte verbringen, auch wenn wir es nicht aussprechen!«

Sie nahmen sich fest in die Arme und küssten sich.

»Ach, Toni, ich wünsche mir so, dass Alexandra auch glücklich wird.«

»Das wird sie schon! Irgendwann wird die Liebe schon den Burschen zu ihr bringen, der zu ihr gehört!«

Toni und Anna gingen engumschlungen hinein in die Berghütte.

*

Es war schon dunkel, als Alexandra aus Kirchwalden zurückkam. Sie parkte ihr kleines Auto auf der Wiese hinter der Oberländer Alm, um sich sofort auf den Weg auf die Berghütte zu machen.

»Grüß dich, Alex!«, rief ihr Hilda zu.

»Grüß Gott, Hilda! Geht es dir gut? Ich hoffe! Auf der Berghütte ist heute Abend Hüttenabend. Ich habe es eilig. Ich komme die Tage mal wieder vorbei!«

»Net so eilig, Alex!«, rief ihr Hilda zu. »Nur auf ein Wort! Ist dringend!«

Alex blieb stehen. Sie schaute verwundert in Hildas Richtung und ging schließlich zu ihr.

»Was gibt es?«

Hilda senkte bewusst die Stimme.

»Während du in Kirchwalden warst, ist die Firma hiergewesen und hat den Wohncontainer abgeholt. Sie hatten einen großen Kran dabei.«

»Ja und? Bin froh, dass dieser Klotz wieder fort ist!«

»Ja, das ist aber noch nicht alles! Jetzt steht neben deiner Almhütte ein Steinsockel. Den haben die Leute mit dem Kran aufgestellt. Und darauf steht das Schrottauto von dem Fabian. Was sagst du dazu? Wenn er dir damit die Aussicht verschandelt, musst du dann nicht erst deine Zustimmung dazu geben?«

Alexandra stemmte die Arme in die Seite.

»Sicherlich!«, rief Alex voller Empörung.

»Dann wäre es vielleicht besser, wenn du erst mal heimgehst und nachsiehst. Also, da sind heute merkwürdige Sachen geschehen rund um deine Almhütte.«

Alexandra packte Hilda Oberländer an den Schultern.

»Danke, Hilda!«

Alexandra ließ Hilda stehen und rannte los, quer über die Wiesen in der Richtung ihrer Almhütte.

Schon von weiten sah sie, dass darin Licht brannte.

Atemlos kam sie dort an. Sie riss die Tür auf und blieb wie angewurzelt stehen.

Der ganze große erste Raum der Almhütte war mit Rosenblütenblättern ausgestreut, und überall standen Vasen mit Rosen. Auf dem Tisch lag eine weiße Tischdecke. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. In einem großen Kübel lag eine Flasche Champagner auf Eis. In der glänzenden Oberfläche des Champagnerkübels spiegelten sich die brennenden Kerzen. Im Hintergrund lief leise Musik.

»Hallo, Alexandra!«

Alexandra drehte sich um. Vor ihr stand Fabian. Er trug einen dunkeln Anzug, dazu eine Hemd mit Krawatte. Ein farblich passendes Einstecktuch rundete den eleganten Eindruck ab.

Alexandra starrte ihn an. Sie streckte den Arm aus und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger in den Raum.

»Ist das dein Werk?«, fragte sie.

»Ja! Ich hoffe, du freust dich! Ich gebe zu, dass es in einer Almhütte fast ein Stilbruch ist, aber ich wuss­te nicht, wie ich dem Ereignis sonst einen passenden Rahmen geben sollte. Ich bin nicht so kreativ wie du.«

»Welchem Ereignis?«

Fabian lächelte.

»Möchtest du vielleicht eintreten?«, fragte er.

»Das ist immer noch meine Almhütte. Also kannst du mich nicht fragen, ob ich eintreten möchte. Ich sehe, dass du drin gewesen bist. Das ist eigentlich Hausfriedensbruch oder Einbruch.«

»Hilda hat mir geholfen!«, sagte er. »Sie hat auch das Essen gemacht.«

»Hilda, Hilda Oberländer?«

»Ja!«

»Und was soll das alles?«

»Nun, wie gesagt, ich wollte es festlich haben, wenn ich meinen Antrag mache?«

»Antrag?« Alexandras Augen wurden groß.

»Was für ein Antrag und wem?«

Fabian griff in seine Hosentasche. Er zog eine kleine Schachtel hervor, die innen und außen mit rotem Samt überzogen war. Er öffnete sie und hielt sie Alexandra hin. Erwartungsvoll schaute er sie an.

»Was ist das?«, fragte Alexandra, als wüsste sie es nicht.

Fabian tat, als werfe er einen interessierten Blick darauf.

»Ich glaube, diese Gegenstände nennt man Eheringe. Alex!«

Er schaute sie an.

»Alexandra, ich konnte heute Nacht kaum schlafen. Ich habe über gestern Abend nachgedacht! Ich spürte, dass du mich liebst. Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe! Aber du hast nichts gesagt. Ich meine, du hast es nicht direkt gesagt. Mit deinen Küssen hast du es schon gesagt. Da sagte ich mir, ich muss dir zeigen, dass ich es ehrlich meine, so lautete doch eine deiner Forderungen.

Also, ich meine es ehrlich und aufrichtig. Es ist mir sehr ernst. Das wollte ich dir sagen. Oh, so viele Sätze mit dem Wort ›sagen‹. Alexandra, ich liebe dich! Willst du meine Frau werden?«

»Du bist doch mit Claire zusammen!«

»Alex, wie kannst du in diesem Augenblick von Claire sprechen?«

»Weil du heute Morgen mit ihr weggefahren bist.«

»Das hast du gesehen? Ich dachte, du schläfst noch. Claire hatte mich gesucht!«

»Und gefunden!«

»Sie fand nicht alles von mir, Alex!«

»Was fand sie nicht?«

»Mein Herz! Das gehört dir! Sie nahm mich dann mit nach Kirchwalden. Ich hatte doch noch kein Auto!«

Alexandra sah ihn nur an. Er sah ihr Erstaunen und fing an zu lachen.

»Sag nur, du hast gedacht, ich wäre mit Claire auf und davon? Hast du so wenig Vertrauen in die Liebe? Was soll ich nur machen, dass du mir endlich sagst, ich liebe dich? Lass mich in dein Herz, Alex!«

Sie lächelte ihn an. Sie errötete.

»Du bist doch schon längst in meinen Herzen. Du bist einfach durch die Wand hineingefahren.«

»Heißt das, du liebst mich? Heißt das, du willst meine Frau werden?«

Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Sie schaute ihm in die Augen.

»Ja, ich liebe dich! Ja, ich will deine Frau werden!«

Fabian riss Alexandra in seine Arme. Er küsste sie.

»Endlich!«, seufzte er glücklich.

Sie küssten sich wieder.

»Sieht das Reglement nicht vor, dass du mir jetzt den Ring anstecken musst und ich dir?«

Fabian schüttelte den Kopf.

»Nein!«

Er klappte den Deckel der Schachtel wieder zu und steckte sie ein.

»Was hat das zu bedeuten?« Alexandra runzelte die Stirn.

»Das sind Eheringe! Die werden erst während der Hochzeitszeremonie angesteckt. Zur Verlobung gibt es einen Verlobungsring!«

Mit einer Hand hielt Fabian Alexandras Hand fest. Mit der anderen streifte er ihr einen Schmuckring über. Er war aus Gold und hatte einen großen wunderschönen Diamanten in einer geschmackvollen Fassung.

»Gefällt er dir?«

»Er ist wunderschön!«

Sie nahmen sich in die Arme und küssten sich.

Dann gingen sie hinein und feierten ganz alleine ihre Verlobung mit einem guten Essen und Champagner.

Später saßen sie vor der Almhütte und schauten in die Sterne.

»Fabian, hast du schon einmal den Namen Sandy Blue gehört?«

»Nein! Der Name klingt nach einer Modeschöpferin. Willst du ein Brautkleid von ihr?«

Alexandra lachte und küsste Fabian.

»Sie kann nicht gut schneidern, aber sie kann malen!«

»Ich, Hornochse! Jetzt fällt es mir ein! Du hast alle deine Bilder mit ›SB‹ signiert. Du bist Sandy Blue, die bekannte und berühmte Malerin, das Kunstgenie, über das alle reden!«

»Ja, die bin ich! Stört es dich?«

»Für mich bist du immer nur meine Alex!«

Sie nahmen sich wieder in die Arme und küssten sich. In dieser Nacht bot Alexandra Fabian Obdach in ihrer Almhütte.

*

Am nächsten Morgen wanderten Fabian und Alexandra hinauf zur Berghütte. Dort feierten sie noch einmal mit Toni, Anna, den Kindern und dem alten Alois.

»Wo werdet ihr heiraten? Feiert ihr in New York?«, fragte Toni.

Beide schüttelten den Kopf.

»Wir werden hier heiraten, in Waldkogel!«, sagte Fabian. »Es wird eine wunderschöne kleine stille Hochzeit werden. Bei einer Hochzeit geht es nur um Liebe und die beiden Menschen, die es betrifft. Dazu brauchen wir weder den modernen Geldadel noch die Kunst­szene.«

So geschah es dann auch. Zwei Wochen später heirateten Fabian und Alexandra auf dem Standesamt von Waldkogel. Anschließend fand im allerengsten Familien- und Freundeskreis die kirchliche Trauung in der schönen Barockkirche in Waldkogel statt. Die anschließenden Flitterwochen verbrachte das junge glückliche Paar auf der Almhütte.

Fabian gab seine Arbeit auf und folgte Alexandra am Ende des Sommers nach Amerika. Dort machte er sich selbständig. Er arbeitete aber nur im Winter. Die Sommermonate verbrachten die beiden jedes Jahr in Waldkogel in ihrer Almhütte.

Die Rückwand der Almhütte war wieder ausgebaut worden, denn sie war zu klein geworden, nachdem Alex und Fabian glückliche Eltern geworden waren.

Es wurde ein Kinderzimmer angebaut.

Alexandra feierte mit dem Kunstobjekt »Roter Sportwagen nach Kuss mit einer Almhütte« in New York wahre Triumpfe und machte sich auch im Bereich der Skulpturen einen Namen. Viele wollten den gefalteten Sportwagen kaufen, doch für Alexandra war diese Skulptur unverkäuflich. Sie lieh sie höchs­tens für Ausstellungen aus.

Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman

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