Читать книгу Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué - Friedrich de La Motte Fouque - Страница 12
Neuntes Kapitel
ОглавлениеAlwin stand dem ersehnten Fenster gegenüber, in einer Mauerwölbung, die ihm schon öfters gastlichen Schirm auf solchen Wandrungen dargeboten hatte. Fest haftete in seinem Gemüth, Beatrix letzte Warnung: ihr Vater sei argwönisch. und gewaltsam in Allem, was er unternehme. Seitdem ging der Serenatensänger nie unbewaffnet aus: den Stoßdegen unterm Mantel, im Gürtel einen zierlichen Dolch, den er besonders zu diesem Behuf gekauft hatte. Nimmer wollte er, so hatte er es sich geschworen, Beatrix Vater, auch im ärgsten Nothfalle verwunden, höchstens ein vertheidigendes Gefecht führen, und nur wenn Uebermacht mit frechem Hohn auf ihn eindringen sollte, die Spitze und Schneide seiner Waffen gebrauchen.
Jetzt begann er nach einigen vorbereitenden Griffen sein Lied:
Laufen zwei Kinder plauderud über die Gassen,
Spielend im Nebel, im irren Mondenlicht,
Können seitwärts zu schauen gar nicht lassen,
Sähen doch lieber auch was da steht nicht.
Steht ein Mann so schweigend im langen Kleide,
Still in stürmisch nahender Wetternacht,
Still vor sich, als wie im bangenden Leide,
Einzig auf sein heimliches Thun bedacht.
Greift in seiner Cither schwirrende Saiten,
Und die Kinder sprechen einander zu:
Höre, das ist der Spuk, aus alten Zeiten,
Hat im heimlichen Grabe keine Ruh.
Muß hinaus in schweigenden Nächten wandern,
Singt sich selbst ein wunderlich Liedchen vor,
Naht mit freundlichem Gruß keinem Andern,
Tritt auch nimmer in eines Hauses Thor.
Warum setzt Ihr Euch dieser Unbequemlichkeit aus? fragte Beatrix Vater, der sich unbemerkt an des Sängers Seite geschlichen hatte, Alwin sprang zurück, die Cither flog tönend um seine Schulter, am Schwerdtgriff lag seine Rechte, und heimlich wiederhohlte er sich den Schwur: lieber gestorben als den alten Mann verletzt.
Wär's Euch nicht gefällig, sagte dieser, mit einem Abendbrod bei uns vorlieb zu nehmen?
Darauf, und blos darauf war Alwin gar nicht vorbereitet. Nur mit einer verlegnen Verbeugung wußte er zu antworten, und der Alte fuhr fort:
Ihr habt uns seit einiger Zeit manche recht artige Liederchen hören lassen, und ich würde meine Freude dran haben; nur daß ich eine Stöhrung empfinde, solang' ich einen jungen, galanten Edelmann wie Euch draussen in der Nachtkälte weiß. Zudem sagt man mir, Ihr fändet Wohlgefallen an meiner Tochter Beatrix. Kommt deshalb lieber in unser Haus, und besucht es öfter. Da kann Jedes merken, wie es sich und dem Andern behagt, und wir vermeiden alle lächerliche Stadtgeschichten. Habt die Güte, näher zu treten.
Er machte ihm bei diesen Worten sehr höflich die Hausthür auf, und Alwin folgte der Einladung, fest überzeugt, hier lau're die blutigste Rache im Hinterhalt. So zu fallen, schien ihm rühmlich, ergötzlich sogar. Unter Beatrix Augen wollte er sich mit Heldenkraft vertheidigen, und es ward ihm, als höre er Verse aus einer künftigen Romanze auf diese Begebenheit.
Aber Alles kam ganz anders. Er trat in einen häuslichen, unbefangnen Kreis. Beatrix flüchtiges Erröthen abgerechnet, sah es aus, als komme Ein Gevatter den Andern zu besuchen. Man nahm Alles wie schon längst bekannt an, und Alwin verbarg mit vieler Sorgfalt den Dolch in seinem Gürtel, wohl fühlend, wie lächerlich diese romantische Wehr unter so traulichen Umgebungen erscheinen müsse.
Man plauderte, man sprach, man aß, man trank, als sei eben gar nichts Ungewöhnliches vorgefallen, und Alwin ward beim Abschied eingeladen, das Haus auf dieselbe Weise wieder zu besuchen, so oft es ihm gefalle.
Als er nun draussen stand unter dem hohen Sternhimmel, dem Zeugen und ernsten Zuhörer seiner nächtlichen Lieder, nahe bei der dunkeln Bogenwölbung, die ihn so oft geschirmt hatte, da fühlte er sein dichterisches Leben wie zerstört. Er mußte über alle seine wunderlichen Anstalten lachen; und hätte die Cither gern an der nächsten Wand zerschlagen. Doch rief er sich auch wieder alle Vortheile des neuen Verhältnisses zurück, und schritt in solchem unaufgelösten Streite fort, immer eiliger und ämsiger, bis ihn ein nahes Werda? aufschreckte. Noch Gestern hätte vielleicht auf diesem Wege solch ein Anruf seine Rechte nach dem Schwerdte gedrängt, seine Linke in den schützenden Mantel gewickelt, jetzt antwortete er sehr gelassen: Gut Freund, und war im Begriff achtlos vorüber zu gehn.
Aber nein fing die Stimme wieder an, es ist doch kein Spießbürger; er ist es wahrhaftig selbst, zum Trotz der unromantischen Antwort.
Alwin erkannte seinen Freund Anselmo, der ihm erzählte, wie ihn sein langes Aussenbleiben beunruhigt habe, wie er ihm nachgelaufen sei, um ihn aus einem muthmaßlichen Ehrenkampf loszuwickeln, und nun so unerwartet auf einen Gut Freund stoßen müsse. Wie hartnäckig auch Alwin über seine Begebenheit schweigen wollte, es mußte doch zuletzt Alles erzählt werden, und Anselmo brach in ein unauslöschbares Gelächter aus.
Junger Ehemann, rief er, sie haben dich. Wann ist die Hochzeit? Bald, wo möglich, damit ich noch vor meiner Abreise dabei paradiren kann, eine Citrone in der Rechten, ein seidnes Tuch in der Linken. O Du Flatterhafter, Der Du noch Heute erst tausend Erobrungen im Sinn hattest! Unsre Mädchen sind fortan gesichert vor Dir.
Alwin bat seinen Freund sehr ernsthaft diesen Neckereien ein Ende zu machen, und ging unmuthig nach seiner Wohnung.