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B.
ОглавлениеBamalip heißt der erste Modus der vierten Schlußfigur, welcher nur partikulär bejahende Schlüsse ergibt. Er hat die Form PaM, MaS, SiP; z. B. alle Hyperbeln sind Kegelschnitte, alle Kegelschnitte sind Kurven zweiten Grades, folglich sind einige Kurven zweiten Grades Hyperbeln. Vgl. Schlußfiguren, Schlußmodi.
Barbara bezeichnet in der Logik den ersten Modus der ersten Schlußfigur, in welchem alle 3 Sätze bejahend sind. Er hat die Form: MaP, SaM, SaP; z. B. alle Kegelschnitte sind Kurven zweiten Grades – alle Kreise sind Kegelschnitte; folglich sind alle Kreise Kurven zweiten Grades. Vgl. Schlußfiguren, Schlußmodi.
Barmherzigkeit ist das menschliche Mitgefühl, sofern es uns zur Linderung der Leiden eines fühlenden Wesens (Menschen oder Tieres) antreibt.
barock (fr. baroque) heißt eigtl. schiefrund, dann s. a. unregelmäßig, seltsam, wunderlich. Das Barocke besteht als Kunststil in dem Widerspruch zwischen Zweck und Mittel, zwischen den Teilen und dem Ganzen, und ist geeignet, eine komische Wirkung zu erzielen. Der Barockstil kam im 16. Jahrh. durch Bernini in der Baukunst auf und wird durch das Hineintragen des Schwülstigen in die Renaissance charakterisiert.
Baroco, der zweite Modus der zweiten Schlußfigur, hat einen allgemein bejahenden Ober- und einen besonders verneinenden Unter- und Schlußsatz. Er hat die Form: PaM, SoM, SoP. Beispiel: Alles Gold hat Wert – einiges, was glänzt, hat keinen Wert; folglich ist einiges, was glänzt, nicht Gold. Vgl. Schlußfiguren, Schlußmodi.
Barythymie (gr. barythymia) heißt Schwermut.
Bedeutungswandel ist die allmähliche Veränderung der mit einem Lautbilde verbundenen Vorstellungen in einer Sprache. Der Bedeutungswandel ist eine der wichtigsten Erscheinungen im Leben der Sprache. Seine Möglichkeit liegt darin, daß ein Wort bei seiner Anwendung eine von der gewöhnlichen Bedeutung abweichende Bedeutung gewinnen kann, d. h. im Gegensatz der occasionellen Bedeutung zur usuellen. Die occasionelle Bedeutung ist gewöhnlich an Inhalt reicher und an Umfang enger als die usuelle. Der Zusatz des Artikels zu einem Substantiv, die gemeinsame Anschauung des Sprechenden und Hörenden, die Gemeinsamkeit ihrer Lebensbeziehungen, die Beziehung auf Vergangenes, der Zusammenhang der Rede usw. machen die Einengung der Bedeutung eines Wortes im occasionellen Gebrauch möglich. Andrerseits können in der occasionellen Bedeutung eines Wortes aber auch gewisse Teile der usuellen Bedeutung ausgeschlossen sein und so eine Erweiterung eintreten, oder die occasionelle Bedeutung kann etwas, was mit dem usuellen Bedeutungsinhalt räumlich oder kausal verknüpft ist, mitverstehn. In allen occasionellen Bedeutungen liegt nun die Wurzel des Bedeutungswandels. Bei Wiederholung wird das Occasionelle allgemein, und bei der Überliefung von einer Menschengeneration auf die andere erleidet es weitere Umbildung, z. B. durch die Generalisierungen des Kindes. Der Bedeutungswandel schafft im Gegensatz zum Lautwandel, der an die Stelle einer Form die andere setzt, die mehrfache Bedeutung ein und desselben Wortes. (Siehe H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte, Kap. IV.) Vgl. Sprache.
Bedingung (conditio) heißt dasjenige, wovon ein anderes (das Bedingte) abhängig (s. d.) ist. Die Abhängigkeit kann entweder innerhalb des Gedachten oder innerhalb des Wirklichen bestehen. In ersterem Falle redet man von einer logischen, in letzterem von einer realen Bedingung. Für beide Fälle gilt das Gesetz: Ist die Bedingung gesetzt, so ist auch das Bedingte gesetzt, und ist die Bedingung aufgehoben, so fällt auch das Bedingte fort. (Posita conditione ponitur conditionatum, et sublata conditione tollitur conditionatum.) Aus dem Begriff der Bedingung erwachsen die hypothetischen Urteile und Schlüsse. Die logische Bedingung heißt der Grund (ratio), das Bedingte die Folge (consequens); die reale Bedingung heißt Ursache (causa), das Bedingte heißt Wirkung (effectus). Eine logische Bedingung ist eine solche, vermöge welcher ein Gedanke wahr oder unwahr ist; eine reale Bedingung dagegen ist die notwendige Voraussetzung (conditio sine qua non), daß ein anderes ist. Da alles nur insofern bedingend ist, als es etwas bedingt, und ein Bedingtes nur da vorhanden ist, wo ein Bedingendes da ist, so sind Bedingtes (conditionatum) und Bedingung (conditio) Wechselbegriffe (correlata), d. h. der eine Begriff fordert den andern. Aber es läßt sich der Satz, daß mit Aufhebung der Bedingung auch das Bedingte aufgehoben werde, nur in dem Falle umkehren, wenn ein Ding oder Gedanke nicht mehrfach, sondern nur durch eins bedingt ist, nicht, wenn ein Bedingtes von mehreren Bedingungen abhängt. Wo mehrere Bedingungen da sind, kann man Haupt- und Nebenbedingungen, sowie positive und negative unterscheiden. Vgl. Grund, Folge, Ursache, Causalität.
Bedürfnis. Von Natur ist der menschliche Organismus so eingerichtet, daß seine Erhaltung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Das aus dem Bewußtsein der Bedingungen, an welche die Erhaltung des Lebens geknüpft ist, entstehende Streben des Menschen nach Erfüllung derselben heißt Bedürfnis. Wo das Bedürfnis keine Befriedigung findet, entsteht das Gefühl des Mangels. Kant definiert Bedürfnis allgemeiner als das Verhältnis eines lebenden Menschen zu dem nötigen Gebrauche gewisser Mittel in Ansehung eines Zweckes. Das Bedürfnis ist also für ihn eine praktische, in dem Begehrungsvermögen begründete, subjektive Notwendigkeit (Kr. d. pr. V. 56. 255-259). Die Bedürfnisse sind zahlreich; man kann sie nach ihrer Art qualitativ in körperliche und seelische einteilen. Gegenstände der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse sind: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schutz usw.; Gegenstände der Befriedigung seelischer Bedürfnisse: Betätigung, Erkenntnis, Ausdruck usw. Die Bedürfnisse unterscheiden sich auch quantitativ nach der Stärke, mit welcher sie sich geltend machen, und nach dem Bedarf, d. h. nach der Menge wirtschaftlicher Güter, die zu ihrer Befriedigung erforderlich sind. Die Stärke der Bedürfnisse hängt ab von ihrer Intensität, ihrer Verbreitung und ihrer Dauer. Nach ihrer Intensität unterscheidet man entbehrliche und unentbehrliche, absolute und relative, notwendige und freie, aufschiebbare und dringliche Bedürfnisse. Nach ihrer Verbreitung sind die Bedürfnisse allgemein menschliche, nationale, soziale und individuelle, nach ihrer Dauer ständige und vorübergehende. Nach dem Bedarf sind die Bedürfnisse bescheidene oder anspruchsvolle, beschränkte oder umfassende, einfache oder zusammengesetzte. Auch nach ihrer Entstehung unterscheiden sich die Bedürfnisse und sind in natürliche und künstliche oder konventionelle einzuteilen. Die Bedürfnisse haben ihre untere und obere Grenze; jene ist bestimmt durch das zur Erhaltung des Lebens Notwendige, diese ist bei den Selbsterhaltungsbedürfnissen wohl durch die Natur bestimmt, aber meist verschiebbar, so daß der Mensch oft im Genuß die natürlichen Grenzen überschreitet, bei den Vervollkommnungsbedürfnissen ist sie ohne bestimmte Grenze. – Die Befriedigung der Bedürfnisse ist mit Genuß verknüpft, der bei körperlichen Bedürfnissen im Maße der Befriedigung verhältnismäßig schnell abstumpft, bei seelischen Bedürfnissen viel andauernder ist. Die Geschichte der Bedürfnisse zeigt eine stetige Vermehrung derselben, zum Teil eine Veredlung, zum Teil eine Entartung ins Unnatürliche. Bei ihrer Mannigfaltigkeit ist für ein und dasselbe Subjekt gleichzeitig eine Konkurrenz der Bedürfnisse oft unvermeidlich; doch gibt meist in dieser Konkurrenz eine Vergleichung ihrer Notwendigkeit und der Grad der Möglichkeit ihrer Befriedigung jedesmal den Ausschlag. Vgl. Luxus, Mode, Interesse. (A. Döring, Güterlehre 1888.)
Bedürfnislosigkeit, die Freiheit von Bedürfnissen, ist vollkommen keinem Menschen eigen. Der Organismus wird nur erhalten durch die Befriedigung der Bedürfnisse, und kein Mensch kann, ohne z. B. den Hunger und den Durst zu befriedigen, existieren. Unter Bedürfnislosigkeit hat man daher den möglichst niederen Grad der Bedürftigkeit verstanden, und diesen haben als ethisches Ziel Sokrates, die Cyniker und die Stoiker aufgestellt. Vgl. Autarkie.
Befehlsautomatie ist eine Willenshemmung des Hypnotisierten, welche aus der Hinwendung der Aufmerksamkeit auf den Hypnotiseur entsteht. Vgl. Suggestion, Hypnose.
Begehren heißt das Streben nach Lust durch die Verwirklichung eines Vorgestellten. Begehrungsvermögen heißt die Fähigkeit eines Wesens, seinen Vorstellungen Wirklichkeit zu verleihen und hierdurch der Lust teilhaftig zu werden. Aus ihm entspringt das Wünschen und Meiden, das Streben und Widerstreben. Richtet es sich darauf, einen zukünftigen, als angenehm vorgestellten Zustand herbeizuführen, so heißt es Begehren im engeren Sinne; sucht es dagegen einen unangenehmen zu vermeiden, so heißt es Verabscheuen. Ohne die, wenn auch dunkle Vorstellung dieser Zustände entsteht keines von beiden. Die ältere Psychologie unterschied ein höheres und ein niederes Begehrungsvermögen; die neuere unterscheidet ein materielles und intellektuelles. Jenes umfaßt die sinnlichen Triebe, dieses die geistigen. Das vernünftige Begehren heißt Wollen. Kant(1724-1804) definiert das Begehrungsvermögen als das Vermögen eines lebenden Wesens, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit ihres Gegenstandes zu sein oder doch sich selbst zur Bewirkung desselben zu bestimmen, mag das physische Vermögen zur Hervorbringung des begehrten Objekts hinreichend sein oder nicht (Kr. d. pr. V. S. 16, Anm. S. 29-30). Vgl. Trieb, Neigung, Wille usw.
Begeisterung ist die durch lebhafte Erfassung eines neu an uns herantretenden wertvollen Objektes oder bedeutenden Vorganges erzeugte Steigerung unserer Geistestätigkeit. Durch die Begeisterung wird die Einbildungskraft entfesselt, der Verstand geschärft, das Gefühl erwärmt, das Interesse gespannt und der Wille gestärkt. Die Menschen sind in sehr verschiedenem Grade der Begeisterung fähig; am meisten diejenigen, welche lebhafte Phantasie und ein tiefes Gemüt bei sanguinischem Temperament besitzen; doch bedürfen sie auch starker Reflexion und Willenskraft, um nicht in Schwärmerei oder selbst Wahnwitz zu verfallen. Die höheren Grade der Begeisterung äußern sich so, daß ein Geist oder ein Dämon aus dem begeisterten Menschen zu sprechen scheint; so erschienen ihrer Umgebung die Propheten und die ersten Christen. Nach ihrem Objekt kann man eine moralische, ästhetische, religiöse und politische Begeisterung unterscheiden. Die Begeisterung ist die Ursache mancher bedeutenden Leistung geworden. Vgl. Inspiration, Genialität.
Begierde (cupido) ist im Unterschied von dem bezüglich des erstrebten Objekts unbewußten Triebe das bewußte Streben nach Erreichung eines als angenehm vorgestellten Objektes. Niemand begehrt etwas, wovon er keine Vorstellung hat. (Ignoti nulla cupido.) Die Begierden, die aktive Willenszustände sind, zerfallen in sinnliche(materielle)und geistige(intellektuelle),die letzteren wieder in unmittelbare und mittelbare. Das Gegenteil der Begierde heißt Abscheu oder Widerstreben. Jede Begierde hat Inhalt, Stärke und Rhythmus. Ihr Inhalt ist die Vorstellung des Begehrten, die Lust, welche man durch Gewinnung des Objekts zu erlangen wähnt. Ihre Stärke hängt von dem Triebe, aus dem sie hervorwächst, der Wertschätzung des Begehrten und den Hindernissen, welche man zu überwinden hat, ab. Ihr Rhythmus ist das Steigen und Sinken der Begierde, indem sie teilweise durch Befriedigung gestillt, teilweise von neuem aufgestachelt wird. Inhalt, Stärke und rhythmische Bewegung der Begierden sind bei den verschiedenen Personen sehr verschieden und ändern sich auch mit dem Alter, der Lebensweise, dem Gedankenkreise jeder einzelnen Person. Der Zusammenhang von leiblichen und seelischen Vorgängen tritt bei der Begierde deutlich hervor; denn sie nimmt, wie jeder an sich beobachten kann, bald im Geiste, bald in der Sinnlichkeit ihren Ursprung, äußert sich aber alsbald auch auf der anderen Seite. So erzeugt die Vorstellung leckerer Speisen eine erhöhte Absonderung der Speicheldrüsen, und der sinnliche Trieb nach Nahrung (Hunger) erweckt in uns alsbald Vorstellungen von Speisen. Nach Descartes (1596-1650 Passiones animae II, 86) ist die Begierde eine durch die Lebensgeister bewirkte Erregung der Seele, durch die sie bestimmt wird, für die Zukunft Dinge zu wollen, die sie sich als angenehm vorstellt; nach Spinoza (1632-1677 Ethica III, 9) ist die Begierde der bewußte Trieb (appetitus cum eiusdem conscientia), der Trieb aber das eigene Wesen des Menschen, insofern es sich in dem Zustande befindet, das zu tun, was seiner Erhaltung dient (ipsa hominis essentia, quatenus ex data quacumque eius affectione determinata est ad ea agendum, quae ipsius conservationi inserviant). Nach Kant (1724-1804 Anthropologie § 70) ist die Begierde (appetitio) die Selbstbestimmung der Kraft eines Subjekts durch die Vorstellung von etwas Künftigem, als einer Wirkung derselben. Die habituelle sinnliche Begierde heißt Neigung, das Begehren ohne Kraftaufwendung des Objekts ist der Wunsch. Nach Herbart (1776-1841), der das Wesen aller Seelenvorgänge im Vorstellen sieht, entstehen Begierden, wenn die Vorstellung irgend eines Gegenstandes im Bewußtsein zu steigen sucht, aber Hemmnissen begegnet. Das Bewußtwerden des Anstrebens einer Vorstellung oder einer Vorstellungsmasse gegen ihr widerstrebende Hemmnisse ist die Begierde. Nach Wundt (Phys. Psych. I, S. 535) ist die Begierde die aktive Reaktionsweise der Apperzeption gegenüber äußeren Eindrücken.
Begreifen, eigtl. Erfassen, heißt, ein Ding oder einen Vorgang in seinem Zusammenhange, nach seinen Ursachen, seinem Wesen, seinem Zweck, seinen Beziehungen verstehen lernen. Begriffen ist also eine Sache nur dann, wenn wir nicht nur wissen, was sie ist, sondern warum sie so ist und wozu sie dient und wie sie mit allen anderen Dingen zusammenhängt. Der Stoiker Zenon († 258 v. Chr.) schilderte den Übergang von der Erfahrung zum Begreifen, indem er die Wahrnehmung mit den ausgestreckten Fingern, die Zustimmung mit der halbgeschlossenen Hand, das Begreifen mit der Faust und das Wissen mit beiden zusammengedrückten Fäusten verglich (Cicero, Acad. II, 47, 145). Nach Kant (1724-1804) gehören zum Begreifen Vernunftbegriffe, wie zum Verstehn Verstandesbegriffe. Das Begreifen ist also ein Vernunftgeschäft. Vollständig begreift man nur, was man a priori einsieht. (Kant, Kr. d. r. Vern. II. Aufl., S. 367.)
Begriff (lat. conceptus, notio, gr. logos, ennoia) heißt dasjenige psychische Gebilde, durch welches ein Mannigfaltiges zur einheitlichen Gedankenbeziehung verknüpft wird. In einem Begriff sind verschiedene Einzelvorstellungen nicht bloß zusammengefügt, wie in der Anschauung, sondern sie sind durch die Denkbeziehungen in Verbindung gesetzt, welche die Form ihrer Zusammengehörigkeit zum Ausdruck bringen. Daher führt nur Denken und Urteilen, nicht aber bloße Anschauung und Erfahrung, zur Bildung von Begriffen. Der Begriff ist somit nicht bloß die abgeschlossene Gesamtvorstellung, sondern er entsteht erst aus den Vorstellungen durch deren Vergleichung und die Heraushebung des Gemeinsamen. Der Begriff ist also das Produkt einer Analyse der Einzeldinge und Synthese ihrer gemeinsamen Merkmale (notae) durch Abstraktion. Er bestimmt daher ein Allgemeines und nicht ein Einzelnes. Der Begriff Dreieck, Mensch, Pferd usw. ist z. B. nicht die Vorstellung eines einzelnen Dreiecks, eines Menschen, eines Pferdes usw. überhaupt, sondern die Gesamtvorstellung vieler Dreiecke, Menschen, Pferde usw. Diese läßt sich freilich in jedem einzelnen Falle, wo man sie veranschaulichen will, nur dadurch zur Anschauung bringen, daß man sich ein spezielles Dreieck usw. vorstellt. Darum ist, was die Logik einen Begriff nennt, mehr eine Denkforderung als eine Denkleistung. Wir denken den Begriff auf einmal nur durch die Forderung der Zusammenfassung aller der einzelnen Dinge, auf die wir ihn anwenden wollen, während wir ihn in seinen Anwendungen nur in einer Reihe sukzessiver Vorstellungen und Denkakte erfassen können. Ein Begriff heißt klar, wenn das Bewußtsein ihn von allen anderen bestimmt unterscheidet, im entgegengesetzten Falle dunkel; er heißt deutlich, wenn auch die einzelnen Merkmale klar vorgestellt werden, im entgegengesetzten Falle verworren. Von Cartesius (1596-1650) bis auf Kant (1724-1804) galt Klarheit und Deutlichkeit als Kriterium der Wahrheit; in der Tat wird dadurch mindestens formale Richtigkeit erreicht und die Zuverlässigkeit der Erkenntnis angebahnt. – Man unterscheidet an jedem Begriff Inhalt (complexus) und Umfang (ambitus). Jener ist die Summe aller seiner Merkmale, dieser die Menge der unter ihm befaßten Dinge. Je reicher der Inhalt ist, d. h. je größer die Zahl der Merkmale eines Begriffes sind, desto enger ist sein Umfang, d. h. desto kleiner die Zahl der Dinge, die er umfaßt; jede Hinzufügung eines Merkmals beschränkt das Geltungsgebiet eines Begriffes. Während z. B. das Parallelogramm nur die Quadrate, Rechtecke, Rhomben und Rhomboiden umfaßt, ist der Umfang des Begriffes »Viereck« größer, weil sein Inhalt kleiner ist, d. h. weil ihm das Merkmal des Parallelismus der Seitenpaare fehlt. Der Begriff, in dessen Umfang andere fallen, heißt in bezug auf diese der höhere oder übergeordnete; diese selbst heißen untergeordnet im Verhältnis zu dem übergeordneten, nebengeordnet im Verhältnis zueinander; die niederen haben bei engerem Umfang reicheren Inhalt. Nach den verschiedenen Stufen der Über- und Unterordnung der Begriffe scheidet man Reich, Kreis, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, Abart, Spielart. – Dem Inhalte nach sind die Begriffe entweder verwandt oder disparat, je nachdem sie Merkmale gemeinsam haben oder nicht. So sind Eiche und Buche verwandte Begriffe, Ton und Farbe dagegen disparate. In bezug auf den Umfang heißen Begriffe, welche derselben Gattung angehören, homogén (aber spezifisch verschieden); die, welche kein Merkmal gemeinsam haben, heterogén (toto genere diversae). Begriffe, deren Umfang ganz derselbe ist, heißen Wechselbegriffe (aequipollentes, reciprocae), z. B. gleichseitiges und gleichwinkliges Dreieck. Begriffe kreuzen sich, wenn ihre Umfänge zum Teil ineinander fallen, wie Neger und Sklave; doch findet eine Kreuzung nur statt, wenn die Begriffe überhaupt vereinbar sind. Unvereinbar dagegen nennt man die Begriffe, welche demselben Gegenstand nicht in derselben Beziehung zugleich beigelegt werden können; und zwar unterscheidet man konträre Begriffe, d. h. solche, die nicht im Umfange des anderen liegen können, und kontradiktorische, d. h. solche, bei denen jeder Unterbegriff, der nicht im Umfange des einen liegt, in demjenigen des anderen liegen muß. So schließen die Begriffe schwarzes und braunes Pferd einander konträr, die Begriffe Sein und Nichtsein kontradiktorisch aus. Die Einteilung des Inhaltes eines Begriffs heißt Partitio, die des Umfanges Divisio. Die äußerste Grenzstellung nehmen unter den Begriffen einerseits die Kategorien, die allgemeinsten Begriffsformen, andererseits die Individualbegriffe, die äußersten Sonderformen des Begriffs, ein. Das Ideal der Klassifikation durch Begriffe ist das wissenschaftliche System (s. d.), welches alle durch Erklärung und Einteilung auseinander abgeleiteten Begriffe enthält, wie es die Naturwissenschaften anstreben. Den Wert der Begriffsbildung hat zuerst Sokrates (469-399) erkannt; seitdem hat kein Philosoph ihn geleugnet. Vgl. Beiordnung und System.
Behagen ist das dunkle Gefühl der Befriedigung durch das sinnfällig Angenehme der Gegenwart, wie es sich etwa in dem Gedanken ausspricht: »Wirklich ist es allerliebst auf der lieben Erde« und von Goethe, zu dessen Seelenstimmungen das Behagen gehörte, in seinem Tischlied: Mich ergreift, ich weiß nicht wie, himmliches Behagen usw. poetisch ausgeführt ist.
Beharrungsvermögen oder Trägheit (vis inertiae) ist die Eigenschaft der Materie, im Zustand der Ruhe oder im Zustand einer bestimmten Bewegung unverändert zu bleiben, bis durch irgend eine Kraft dieser Zustand geändert wird. Alle Körper beharren in Ruhe, bis sie bewegt werden. Ein sich bewegender Körper würde sich ins Unendliche mit unveränderter Geschwindigkeit und Richtung fortbewegen, brächten ihn nicht Kräfte, z. B. die Reibung, zur Ruhe oder veränderten seine Geschwindigkeit und Richtung. Das Beharrungsgesetz war im Altertum unbekannt. Bei Galilei (1564-1641) hat es die Fassung: Ein Körper, der auf einer wagerechten Ebene in Bewegung gesetzt wird, würde sich, insofern kein Hindernis vorhanden ist, geradlinig und gleichförmig ohne Aufhören weiterbewegen, wenn die Ebene sich bis ins Unendliche ausdehnte. Wir fassen es jetzt allgemeiner in die Form: Ein Körper, auf den keine Kraft wirkt, ändert seinen Bewegungszustand nicht, d. h. er verharrt in dem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung. Vgl. Poske, Oberstufe der Naturlehre, Leipzig 1907, § 7 und § 14. Vgl. Substanz, Materie, Trägheit.
Beifall (assensio, synkatathesis) ist die Zustimmung, welche wir einem Urteil, einer Handlung oder einem Kunstwerk zu teil werden lassen, weil wir sie für wahr, gut oder schön halten. Die Skeptiker forderten, daß man den Beifall ganz zurückhielte (epochê); doch ist das ebenso unmöglich als die Forderung, gegen den Beifall der anderen Menschen ganz gleichgültig zu sein.
Beiordnung (coordinatio) heißt das Verhältnis mehrerer Begriffe, welche ein und demselben höheren Begriff untergeordnet (subordiniert) sind; so sind z. B. Tier und Pflanze einander beigeordnet, aber dem Begriff: Organismus untergeordnet. Wundt unterscheidet fünf Arten beigeordneter Begriffe: a) disjunkte (z. B. rot und blau), b) korrelate (z. B. Mann und Frau), c) konträre (z. B. weiß und schwarz), d) kontingente (z. B. weiß und gelb), e) interferierende (z. B. Neger und Sklave). (Logik I, S. 115 f.)
Beispiel (exemplum) heißt der einzelne aus der Erfahrung geschöpfte konkrete Fall, insofern er dazu dient, einen Begriff oder Satz durch eine Anschauung zu beleuchten oder eine allgemeine Regel durch eine einzelne Tatsache zu bestätigen. Das einzelne Beispiel beweist positiv wenig; es kann aber negativ beweisen, daß eine für allgemein gehaltene Regel auch Ausnahmen hat. Andrerseits haben viele Beispiele zusammen eine Beweiskraft (Induktion), mit der man sich auf manchen Gebieten begnügen muß. Besonders auf dem Gebiete des Lebens, des Unterrichts, des Rechtes, der Kunst und der Wissenschaft haben Beispiele große Bedeutung, weil sie sowohl die Ausführbarkeit einer Vorschrift beweisen, als auch zur Nacheiferung anspornen. Jedoch beweisen noch so viele Beispiele der Unsittlichkeit nichts gegen die Gültigkeit der Moralgesetze, wenn diese in unserer Vernunft begründet sind. Im allgemeinen gilt von den Beispielen die Regel: exempla illustrant, non probant. (Beispiele erläutern, aber beweisen nicht).
Beleidigung ist die Kränkung oder die Zufügung eines Leides oder die Verletzung der Ehre eine Menschens durch Worte oder Handlungen (iniuria verbalis oder realis). Je nachdem sie mit oder ohne Absicht geschieht, heißt sie dolós oder kulpós. Gesühnt werden sollte die Beleidigung nur durch richterliche Bestrafung, Abbitte, Widerruf und Ehrenerklärung, nicht aber, wie es noch immer bisweilen geschieht, durch das Duell. Das Duell als Sühnung der Beleidigung ist vom sittlichen und rechtlichen Standpunkte aus gleich verwerflich.
Bellscher Lehrsatz ist die von Ch. Bell (1774-1842) gemachte Entdeckung, daß die Nerven eine doppelte Leitungsrichtung haben, daß die vorderen Wurzeln der aus dem Rückenmark hervortretenden Nerven aus motorischen, vom Gehirn wegleitenden, die hinteren aus sensiblen, zum Gehirn hinleitenden Nerven bestehen (Charles Bell, The nervous system of the human body. London 1830, deutsch von Romberg 1836). Diese Behauptung wurde die Basis der Nervenphysiologie. Vgl. Wundt, Grundzüge der physiol. Psychologie I, S. 102.
Beobachtung (observatio) heißt allgemein die absichtliche Hinlenkung gespannter Aufmerksamkeit (s. d.) auf einen Gegenstand, dann, auf naturwissenschaftlichem Gebiete, die methodisch, d. h. nach bestimmten Gesichtspunkten und Regeln vorgenommene Untersuchung desselben, wie er sich unmittelbar darbietet, ohne daß an demselben Veränderungen vorgenommen werden. Daher definiert Kant: »Erfahrung methodisch anstellen heißt (allein) beobachten« (Gebrauch teleol. Prinzipien in der Philos., Kants Werke, herausgegeben von v. Kirchmann VIII, S. 147). Sobald man dagegen das Objekt der Forschung willkürlich verändert oder in gewisse zu seiner Beobachtung geeignete Lagen bringt, geht die Beobachtung in das Experiment über. Die verschiedenen Wissenschaften verhalten sich verschieden zu Beobachtung und Experiment. Der Astronom z. B. kann nur beobachten, nicht experimentieren, weil er zwar seine Instrumente umlegen und ändern, die Zeiten und Orte auswählen, aber die Gestirne selbst nicht künstlichen Veränderungen unterwerfen kann, während der Chemiker, Physiker, Botaniker, Zoologe usw. durch von ihm selbst ausgehende Änderung der Stoffe Experimente anstellt. Beobachtung und Experiment sind die Hauptmittel der exakten Forschung. Hierauf hat zuerst Bacon von Verulam (1561-1626) hingewiesen, der deshalb auch Vater der Naturwissenschaft genannt wird (De dignitate et augmentis scientiarum 1623, und Novum organum 1620). Vgl. auch Sénébier, Sur l'art d'observer et de faire des expériences 2. Aufl. Genf 1502, deutsch von Gmelin 1776. John Herschel, A preliminary discourse on the study of natural philosophy. Lond. 1831. John Stuart Mill, a system of Logic ratiocinative and inductive. London 1843, deutsch n. d. 5. Aufl. 1862. W. Wundt, System d. Logik, 2 Teile, 1881.
Beschaulichkeit (contemplatio) heißt in der Philosophie zunächst die Beschäftigung des Geistes mit sich selbst, dann jede theoretische, spekulative Beschäftigung; im Leben ist die Beschaulichkeit die Begleiterin der Askese (s. d. W.).
Bescheidenheit, eigentl. der Verstand, das gebührliche, verständige, kluge Handeln (so in Vrîdancs Bescheidenheit ca. 1229), ist die aus natürlicher, richtiger Selbsterkenntnis entspringende Mäßigung in der Selbstschätzung und den Ansprüchen. Sie äußert sich in der bereitwilligen Anerkennung der Verdienste anderer und in der leichten Verzichtleistung auf eigene Ehrenbezeugungen und persönlichen Gewinn. Neben der natürlichen Bescheidenheit gibt es auch eine künstliche, auf Eitelkeit oder Kriecherei beruhende; auf solche affektierte Bescheidenheit läßt sich Goethes Wort aus dem Gedichte: »Rechenschaft« anwenden: »Nur die Lumpe sind bescheiden«. Wahre Bescheidenheit pflegt hingegen die Begleiterin großer Verdienste zu sein. Was die Bescheidenheit im Verhältnis der Menschen zueinander ist, ist die Demut im Verhältnis des Menschen zu Gott.
Beschleunigung s. Acceleration, Bewegung.
Beschreibung (descriptio) ist die geordnete Aufzählung der charakteristischen Merkmale eines Begriffes oder Dinges. Die Stoiker definierten sie als summarische Definition eines Gegenstandes (hypographê de esti logos typôdôs eisagôn eis ta pragmata ê horos haplousteron tên tou horou dynamin prosenênegmenos, Diog. Laert. VII § 60). Kant definiert sie als die Exposition eines Begriffes, sofern sie nicht präzis ist (Logik § 5). Viele moderne Naturforscher und Philosophen sind der Ansicht, sie hätten Dinge und Erscheinungen nur zu beschreiben, nicht aber zu erklären. (Siehe Definition).
beseelt (lat. animatus, gr. empsychos) heißt im engeren Sinne alles, was eine Seele hat, d. h. der Mensch und das Tier. Da es aber schwer ist, eine Grenze vom Tiere aus nach unten zu ziehen, so liegt es nahe auch scheinbar leblosen Wesen eine Seele zuzuschreiben. Daher schrieb Leibniz (1646-1716) auch den Pflanzen und überhaupt allen wirklichen Wesen, die er Monaden, oder geradezu Seelen (les âmes) nannte, Beseeltheit zu. Neuere Naturforscher sind ihm vielfach gefolgt. Die Alten hielten auch zum Teil die Weltkörper für beseelte Tiere. Vgl. Seele, Pflanzenseele.
sich besinnen heißt eine Vorstellung, die man gehabt hat, absichtlich durch Nachdenken wieder ins Bewußtsein zurückrufen und sich der Übereinstimmung der ursprünglichen Vorstellung und der Erinnerungsbilder bewußt werden. Vgl. Gedächtnis.
besonnen (eigentl. bei Sinnen) heißt derjenige Mensch, der sich seiner Aufgaben und Pflichten, sowie seiner Kräfte und Grenzen bewußt, daher frei von Unruhe, Leidenschaftlichkeit, Einseitigkeit und Verworrenheit ist. Schopenhauer (1788-1860) nennt die Besonnenheit die Wurzel aller theoretischen und praktischen Leistungen. Mit dem Verlust der Besonnenheit büßt der Mensch das richtige Urteil über sich selbst und über die Verhältnisse, die Ruhe des Gemüts und die Konsequenz im Handeln ein. Die Besonnenheit (Gesundsinnigkeit, sôphrosynê) gehört bei Platon (427-347) zu dem engsten Kreise der Tugenden und ist die Tugend des begehrenden Teiles der Seele (epithymêtikon).
Beständigkeit ist die Gleichförmigkeit unserer Gesinnung und unserer Denk- und Handlungsweise. Sie entspringt zum Teil aus dem Temperament, zum Teil aus der Erziehung und Charakterbildung. Da sie eine nur formale Eigenschaft ist, kann sie sich ebenso im Guten, als Treue und Ausdauer, wie im Schlechten, als Verstocktheit, Haß u. dergl., äußern.
beste Welt, s. Optimismus.
bestimmt heißt in der Logik ein Begriff, von dem alles angegeben ist, was darin gedacht werden soll, der also gegen alle anderen Begriffe nach Umfang und Inhalt vollständig abgegrenzt ist. Die Bestimmung eines Begriffs (Definition) erfolgt durch Angabe seiner Unterarten (s. Einteilung), durch Angabe des übergeordneten Begriffes und durch die Aufzählung seiner besonderen Merkmale. Durch bestimmte Begriffe werden Verwechslungen vermieden. – Im psychologischen Sinne heißt der Wille bestimmt, sofern er von den Motiven abhängt und dem stärksten folgt. Vgl. Determinismus. – In der Naturwissenschaft heißt bestimmen: ein Tier, eine Pflanze, ein Mineral der Familie, Gattung, Art oder Unterart einreihen, zu der es nach seinen Merkmalen gehört. Man muß dazu eine Reihe von Fragen beantworten, welcher von zwei Gegensätzen dem zu bestimmenden Gegenstande jedesmal als Merkmal angehört und welcher nicht, und steigt so von Reich, Kreis, Klasse immer weiter hinab bis zu Familie, Gattung, Art, Unterart (s. z. B. Lackowitz, Flora von Berlin u. d. Provinz Brandenburg. 9. Aufl. Berlin 1894. Vorwort).
Bestimmung (lat. determinatio) heißt logisch die Hinzufügung eines Merkmals zu einem Begriff. Durch die Bestimmung wird aus dem allgemeinen Begriff ein minder allgemeiner gebildet; fügt man z. B. zu »Soldat« das Merkmal »zu Pferde«, so wird jener Begriff reicher an Inhalt, aber ärmer an Umfang. Spinoza (1632-1677) faßte den Begriff der Determination nicht nur logisch, sondern auch metaphysisch und schloß von dem Wirklichen, der einen unendlichen Substanz, jede Bestimmung aus, indem er lehrte: omnis determinatio est negatio (Jede Bestimmung ist eine Verneinung). Seine Behauptung hängt aber eng mit seiner Wertschätzung des Allgemeinen und Zurücksetzung des Individuellen zusammen. Jeder Schritt vom Allgemeinen der Substanz zum Individuellen des Modus ist für ihn ein Schritt von dem Wahren zum Falschen. Sein Standpunkt ist also der des Rationalismus. Der Empirist muß anders urteilen. Wohl wird er anerkennen, daß durch Hinzufügung eines Merkmals der Umfang begrenzt, aber er wird auch behaupten, daß dem Ding selbst neuer Inhalt positiv hinzugefügt wird. – Im moralischen Sinne heißt Bestimmung des Menschen der Zweck seines Daseins. Vgl. das höchste Gut, Moralprinzip. Vgl. J. Fiske, Die Bestimmung des Menschen, dtsch. v. F. Kirchner, Leipzig 1890.
Bestimmungsgrund heißt logisch der Grund, welcher den Verstand zur Ableitung einer Folgerung, moralisch der Grund, der den Willen zum Handeln bestimmt.
bestürzt ist derjenige, welcher durch plötzlichen Schreck der Besonnenheit beraubt ist. Die Bestürzung ist ein Affekt (s. d.).
betäubt ist jemand, der Empfindung und Bewußtsein verloren hat. Die Betäubung kann entweder durch Nervenreize (Gerüche, Opium, narkotische Mittel, Gehirnerschütterung) oder durch Schreck entstehn. In der Moral ist Betäubung s. a. die absichtliche Erstickung des Gewissens.
Betonung, s. Ton.
betrachten heißt 1. allgemein, beobachten, forschen, untersuchen; 2. im besonderen, etwas genau ansehen oder auch anhören; was den Menschen interessiert, betrachtet er. Die Betrachtung spielt ihre Rolle nicht nur in der exakten Naturwissenschaft, deren Hauptmittel Beobachtung und Experiment ist, sondern auch in der theoretischen Philosophie, welche das Wesen der Dinge zu erfassen strebt. 3. In der Moral heißt praktische Betrachtung die Abschätzung des Verhältnisses, in welchem ein Gegenstand zu uns steht. Diese Abschätzung kann sich entweder auf den Nutzen oder auf den sittlichen Wert des Gegenstandes richten. 4. Der Begriff der Betrachtung gehört auch in die Ästhetik. Schön heißt nur ein mit den Sinnen wahrgenommenes, nie ein bloß gedachtes Objekt; die sinnlichen Wahrnehmungen, auf die sich jedes ästhetische Urteil gründet, sind aber nur die der höheren Sinne, des Gesichts und Gehörs. Durch die niederen Sinne erfaßt der Mensch die Dinge nur leidend, empfindend, bleibt mit ihnen eins. Durch die höheren Sinne aber stellt er sie außer sich, sondert seine Persönlichkeit von ihnen ab, betrachtet sie; es erscheint ihm eine Welt, weil er aufgehört hat, mit den Dingen eins auszumachen. »Die Betrachtung ist das erste liberale Verhältnis des Menschen zum Weltall, das ihn umgibt.« Auf der Betrachtung beruht jedes ästhetische Urteil, nicht auf physischem Genuß. (So Schiller in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen, Br. 25, 1794 und schon in dem Gedichte »Die Künstler« (1789); und so jede Ästhetik außer der des Naturalismus.) – Die Betrachtung ist also eine allgemeine menschliche Geistes- oder eine wissenschaftliche Tätigkeit oder ein praktisches oder ein ästhetisches Verhalten des Menschen.
Betrug (dolus) ist im allgemeinen Sinne jede absichtliche Verletzung oder Unterdrückung der Wahrheit; im engeren Sinne eine gewinnsüchtige Täuschung des anderen.
Bettelstolz besitzt derjenige, der seinem Stolze durch äußeres Gepränge schmeicheln will, es jedoch nicht kann, ohne die Armseligkeit seiner Umstände zu zeigen.
Beweggrund, vgl. Bestimmungsgrund, Motiv.
Bewegung nennt man die Ortsveränderung eines Körpers, Ruhe dagegen sein Verharren an demselben Orte. Man unterscheidet zunächst absolute und relative Bewegung und Ruhe. Jene ist die an sich gedachte Ortsveränderung eines Körpers oder sein an sich gedachtes Verharren an demselben Orte im unendlichen Raume, diese seine Ortsveränderung oder sein Verharren an demselben Orte in Beziehung auf einen anderen Körper. – Alle wahrnehmbare Bewegung und Ruhe ist in Wahrheit nur relativ; mit der Idee der absoluten Bewegung und Ruhe überschreiten wir den Kreis der Erfahrung. Die relative Bewegung und Ruhe ist entweder wirklich oder scheinbar. Wirklich ist die Bewegung und Ruhe, wenn der bewegte Körper für bewegt und der ruhende für ruhend angesehen wird, scheinbar, wenn der bewegte Körper als ruhend und der ruhende als bewegt gilt. So ist die tägliche Bewegung der Erde um ihre Achse und die Ruhe des Sternenhimmels wirklich, die tägliche Sternbewegung aber und die Erdruhe scheinbar. Ob eine Bewegung scheinbar oder wirklich ist, ist oft sehr schwer festzustellen. So ist die Achsendrehung der Erde jahrtausendelang nicht als wirkliche Bewegung erfaßt worden, und es hat schwieriger Forschungen bedurft, sie nachzuweisen und ebenso schwerer Kämpfe, die Wahrheit gegen das Vorurteil zur Geltung zu bringen. Auch im Leben ist es nicht immer leicht, über Scheinbarkeit oder Wirklichkeit einer Bewegung zu urteilen. Denken wir uns z. B. auf ein Schiff versetzt, das auf dem Äquator von Osten nach Westen fährt, und gehen wir ebenso schnell, als das Schiff fährt, auf demselben vom Bug zum Heck. Wie steht es dann mit Bewegung und Ruhe? Wir gehen scheinbar von Westen nach Osten – aber wir fahren ebenso schnell von Osten nach Westen – also schließen wir, daß wir wirklich ruhen; aber wir bewegen uns ja mit der Erdachsendrehung in bestimmter Geschwindigkeit von Westen nach Osten und mit der Erde um die Sonne andrerseits mit anderer Geschwindigkeit nach Westen und mit unserem ganzen Planetensystem in wieder anderer Geschwindigkeit und Richtung: Hier kümmern wir uns im alltäglichen Leben nur um das Nächstliegende und überlassen das Weitere dem wissenschaftlichen Forscher. – Zur Bestimmung jeder Bewegung gehört der vom Körper oder vielmehr seinem Schwerpunkt zurückgelegte Weg, die Bahn der Bewegung, und die Zeitdauer der Bewegung. Geradlinig heißt die Bewegung eines Körpers, wenn derselbe seine Richtung während der Bewegung unverändert beibehält, krummlinig, wenn er sie stetig ändert. Gleichförmig heißt die Bewegung eines Körpers, wenn er stets in gleichen Zeiten gleiche Wegstrecken zurücklegt, ungleichförmig, wenn dies nicht der Fall ist. Eine ungleichförmige Bewegung heißt beschleunigt, wenn die in gleichen Zeiten zurückgelegten Wegstrecken stets wachsen, verzögert, wenn sie stets abnehmen. Das Verhältnis des in einem bestimmten Zeitabschnitte zurückgelegten Weges zur Größe dieses Zeitabschnittes heißt die Geschwindigkeit des Körpers. Gleichmäßig beschleunigt oder verzögert heißt die Bewegung eines Körpers, wenn die Geschwindigkeit desselben in gleichen Zeiten gleichviel zu- oder abnimmt. – Die Bewegung führen wir vom Standpunkt des Dynamismus (s. d.) aus in jedem Falle auf verursachende Kräfte zurück, und in den Bewegungen erforschen wir die Kräfte. Jede Änderung in dem Bewegungszustande eines Körpers leiten wir von einer Kraft ab. Wir fordern, daß kein bewegter Körper in Ruhe, kein ruhender in Bewegung geraten kann, ohne daß eine Kraft dies bewirkt. Der Kinetiker sucht ohne Kräfte mit dem Begriff Impuls auszukommen. Einfach nennen wir die Bewegung, wenn wir sie auf eine Kraft, zusammengesetzt, wenn wir sie auf mehrere Kräfte zurückführen. Wirken auf einen Körper zwei Kräfte in gleicher Richtung, so ist die Geschwindigkeit gleich der Summe, wirken sie in entgegengesetzter Richtung, so ist die Geschwindigkeit gleich der Differenz der Geschwindigkeiten, welche beide Ursachen, einzeln wirkend, dem Körper erteilt haben würden. Wirken auf einen Körper zwei Kräfte, deren Richtungen einen Winkel bilden, so erfolgt die Bewegung in der Richtung und Größe der Diagonale desjenigen Parallelogramms, welches sich aus der Richtung und Größe der beiden Kräfte ziehen läßt (Parallelogramm der Kräfte). – Eine Bewegung heißt frei, wenn ein Körper ungehindert der Wirkung der ihn bewegenden Kräfte folgen kann, unfrei, wenn ihm (wie bei einem Eisenbahnzug oder den Teilen einer Maschine) eine feste Bahn vorgeschrieben ist. Unter der Größe der Bewegung versteht man die Gewalt, die ein bewegter Körper auf andere auszuüben vermag. Die Größe der Bewegung ist gleich dem Produkt aus der bewegten Masse und der Geschwindigkeit. – Die Bewegung ist ein Grundphänomen alles Geschehens in der Außenwelt. Frühzeitig hat sich daher der Blick der Naturforscher und Philosophen auf diesen Begriff gelenkt. Während unter den griechischen Philosophen Herakleitos (um 500) lehrte, daß sich alles in der Natur beständig bewege (panta rhei), haben die Eleaten (6. u. 5. Jahrh. v. Chr.) die Realität der Bewegung gänzlich geleugnet und die Bewegung für Sinnestrug erklärt; vor allem hat Zenon (geb. zw. 490 u. 485) die Lehre des Parmenides von der Nichtexistenz der Bewegung streng zu beweisen versucht. Aber seine Beweise schließen den mathematischen Fehler in sich ein, daß sie nicht beachten, daß die Summe einer unendlichen konvergierenden Reihe unter einer endlichen Größe zurückbleibt. Auch Aristoteles (384-322), der in der Bewegung den Übergang vom Möglichen zum Wirklichen sah, hat das Wesen der Bewegung nicht verstanden, da er das Trägheitsgesetz nicht kannte und annahm, daß jeder bewegte Körper allmählich von selbst zur Ruhe käme. Auch Kant (1724-1804) hat in seiner Erstlingsschrift das Wesen der Bewegung, obwohl es in seiner Zeit bereite richtig erkannt war, mißdeutet, aber in seinen späteren Schriften, z.B. den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, richtig bestimmt.
Die mehr oder weniger phantastischen Spekulationen der Philosophen über die Bewegung wurden zuerst durch Galilei (1564-1641) und dann durch Newton (1642-1727) (siehe Newtonsche leges motus) auf eine wissenschaftliche Grundlage gebracht. Vgl. Newton. Philosophiae naturalis principia mathematica 1687. Laplace, Mecanique celeste 1799f. Euler, Mechanica 1736. Möbius, Mechanik des Himmels, Lpz. 1843.
Interessant, aber verfehlt ist Trendelenburgs (1802 bis 1872) Versuch, alles, sowohl Sein als Denken, auf die Bewegung (räumliche und konstruktive) zurückzuführen und Raum und Zeit aus der Bewegung, nicht umgekehrt, die Bewegung aus Raum und Zeit abzuleiten. Vgl. Trendelenburg »Logische Untersuchungen«, 3. Aufl. 1870.
Bewegungen. Siehe Körperbewegungen.
Bewegungsorgane. Die Fähigkeit der freien Ortsveränderung, bewirkt durch die Bewegung einzelner Körperteile, ist eine der wichtigsten Eigentümlichkeiten der tierischen Wesen. Zwar haben, zahlreiche Tiere, wie Schwämme und Korallen, die Ortsbewegung aufgegeben, aber auch bei ihnen besteht die Bewegungsfähigkeit einzelner Körperteile fort, und der Laie unterscheidet meist nach dem Vorhandensein oder dem Fehlen freier Bewegungsfähigkeit die Zugehörigkeit der Organismen zum Tier- oder Pflanzenreiche. Den niederen tierischen Wesen dienen als Organe der Bewegung Zellfortsätze und Wimpernepithele, den höheren wesentlich die Muskulatur, die den Reiz von den motorischen Nerven erhält.
Beweis (lat. argumentatio, gr. apodeixis) heißt die Feststellung der Wahrheit oder der Falschheit eines Urteils. Diese Feststellung erfolgt durch Rückgang auf objektiv oder subjektiv anerkannte Sätze, aus denen, das zu beweisende Urteil durch Schlüsse abgeleitet werden kann. Beweis ist demnach die Ableitung eines Satzes aus unbezweifelten anderen Sätzen durch syllogistische Verknüpfung, oder allgemeiner ausgedrückt, eine Zurückführung des Anzuerkennenden auf Anerkanntes. In der Regel verbinden sich beim Beweis mehrere Sätze schrittweise miteinander. Bei jedem Beweise kommen 4 Stücke in Betracht: 1. das Objekt, welches (thesis probanda), 2. der Grund, wodurch (Beweisgrund, argumentum probandi), 3. das Subjekt, für welches (obnoxius probationi) und 4. die Art, wie bewiesen werden soll (modus probandi). – 1. Das Objekt kann entweder ein Erfahrungs- oder ein Vernunftsatz sein. – 2. Die Beweisgründe werden ebenfalls entweder der Erfahrung, (Beobachtungen, Experimente, Zeugnisse) oder der Vernunft und ihren Gesetzen entnommen. Demnach unterscheidet man Erfahrungs- und Vernunftbeweise (induktive und deduktive, a posteriori und a priori, empirische und rationale); jenen wohnt nur beschränkte, diesen absolute Gewißheit bei. Die Erfahrungssätze aus der Natur und Geschichte werden meist induktiv und die Vernunftsätze aus der Mathematik deduktiv bewiesen. – 3. Bezüglich des Subjekts gibt es solche Beweise, die für alle (ad omnes) und solche, die nur für einen beschränkten Kreis (ad hominem) überzeugend sind. – 4. Was die Art des Beweises betrifft, so stehen den direkten oder ostensiven, welche das zu Beweisende im geraden Gange aus vor ausgeschickten Sätzen ableiten, die indirekten oder apagogischen gegenüber, welche dadurch, daß sie das Gegenteil des zu Beweisenden zunächst als richtig annehmen, dann aber durch Folgerungen als falsch dartun, die Richtigkeit des zu Beweisenden erschließen. Vermöge eines disjunktiven Obersatzes, welcher sämtliche Möglichkeiten der betr. Sphäre erschöpft, kann der indirekte Beweis durch sukzessive Ansschließung aller anderen Möglichkeiten die noch übrigbleibende zur Gewißheit erheben. – Der direkte Beweis ist progressiv oder regressiv, je nachdem er aus den Beweisgründen den zu beweisenden Satz (theorema) folgert, oder diesen vorläufig als richtig voraussetzt und daraus auf die unvermeidlichen Bedingungen zurückschließt, mit deren Wahrheit auch der fragliche Satz bewiesen ist.
Die Beweiskraft (nervus probandi) richtet sich natürlich nach den Gründen; nur die sogenannten apodiktischen, d.h. die streng syllogistischen Beweise geben volle Gewißheit, die analogischen oder induktiven und die oratorischen dagegen nur Wahrscheinlichkeit. Neben den Hauptargumenten gibt es noch Nebengründe; sie bilden zusammen den Stoff (materia) des Beweises, während ihre logische Verbindung die Form und die rhetorische Einkleidung die Gestalt des Beweises heißt. Stellt man die Beweisgründe selbst wieder in Zweifel, so bedürfen auch diese eines Beweises. Im Rückgang des Schließens gelangt man dann stets zuletzt zu unbeweisbaren Grundsätzen, Prinzipien (s. d.) oder Axiomen (s. d.). Das Wichtigste bei jedem Beweise ist die Vermeidung falscher Beweisgründe. Sie dürfen weder an sich noch in bezug auf das Theorem ungehörig sein (ignoratio elenchi). Wird zu viel oder zu wenig bewiesen, so ist der Beweis verfehlt (qui nimium probat, nihil probat); dasselbe ist beim Zirkel (circulus vitiosus, petitio principii, Diallele) der Fall, wo das Theorem als Beweisgrund verwendet wird. Hysteron-Proteron heißt dagegen der Fehler, der entsteht, wenn man ein Argument verwendet, das schwieriger zu beweisen ist, als der Satz selbst. – Bei der Verknüpfung der Glieder nennt man Sprung (saltus in demonstrando) die Auslassung, dagegen Fälschung (fallacia medii tertii) die Einschiebung falscher Glieder. Unabsichtliche Fehler beim Beweisen ergeben Fehlbeweise (Paralogismen), absichtliche dagegen Trugbeweise (Sophismen). Vgl. Überweg, Logik. Bonn 1882, § 135.
Bewußtsein bedeutet im allgemeinen den wachen Zustand des Geistes, in welchem sich Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle und Strebungen nebeneinander vorfinden (empirisches Bewußtsein). Es besteht darin, daß wir überhaupt Zustände und Vorgänge in uns vorfinden, kann aber seinem Grundwesen nach nicht erklärt werden, da wir unbewußte Vorgänge uns nur nach den Eigenschaften, die sie im Bewußtsein annehmen, vorstellen und somit die unterscheidenden Kennzeichen der bewußten und unbewußten Vorgänge und Zustände nicht angeben können. Aufgabe der Psychologie ist es, die im Bewußtsein liegenden Vorgänge (Empfindungen, Vorstellungen, assoziativen und apperzeptiven Verbindungen) aufzudecken und in ihre einfachsten und verwickelteren Funktionen zu verfolgen, sowie die begleitenden äußeren Umstände (Nervenvorgänge) festzustellen, unter denen das Bewußtsein vorkommt. Aber auch die Psychologie kann nicht die Ursachen des Bewußtseins aufdecken, und wir haben im Bewußtsein wohl den Ausgangspunkt, auf den wir das geistige Leben zurückführen, aber für das Bewußtsein selbst keinen weiteren Ausgangspunkt. Insbesondere ist die Erklärung des Bewußtseins aus materiellen Vorgängen völlig unmöglich und hiermit dem Materialismus seine Grenze gesetzt. (Vgl. Wundt, Grundz. d. physiol. Psychologie II, S. 225 bis 260.) – Aus dem empirischen Bewußtsein entwickelt sich durch Aufmerksamkeit und Willen die Bewußtheit der einzelnen Seelenzustände; der Mensch wird sich namentlich mit Hilfe der beständigen Sinnesempfindungen und Bewegungsvorstellungen, die er von seinem eigenen Leibe empfängt, seiner selbst bewußt. Dieses Unterscheiden schreitet allmählich weiter fort: der Mensch unterscheidet sich als Subjekt von seinen Vorstellungen, Empfindungen usw., und diese wiederum unterscheidet er von den Dingen, durch welche jene erregt wurden. Indem sich der Mensch als Ich im Gegensatz zum Nicht-Ich erfaßt, erhebt er sich zum Selbstbewußtsein. Er erkennt die ganze Summe von Seelenzuständen, welche er in sich vorfindet, als seine eigenen; er erfaßt dieselben ferner als Einheit und stellt sich endlich über alle Zustande als den autonom mit ihnen schaltenden Herrn. Der erste Akt des Bewußtseins begreift also die Seelenzustände als Objekt, der zweite als zugehörig zu einem Subjekt, der dritte erkennt, daß das vorgestellte nur im vorstellenden Wesen, d.h. das Objekt im Subjekte, vorhanden ist. – Das Bewußtsein ist nun aber nicht nur eine Summe von inneren Zuständen und Vorgängen, sondern es ist eine Einheit, wenn auch eine sich allmählich verändernde Einheit, und als solche die Grundlage aller zusammenhängenden Erkenntnis, die uns mit der Wirklichkeit in Verbindung setzt. Aufgabe der Erkenntnistheorie ist es, die Beziehungen des Bewußtseins zu einer wirklichen Welt darzulegen. Hierfür ist Kants Kritik der reinen Vernunft das grundlegende Werk geworden. – Das Bewußtsein des einzelnen Menschen begleitet fast kontinuierlich das Leben, aber es ist doch kein völlig ununterbrochener Zusammenhang, sondern es wird unterbrochen durch Schlaf, Ohnmacht, Rausch, Vergessen, Fieber, Delirium, Wahnsinn. Auch hat man am Bewußtsein verschiedene Grade zu unterscheiden. Vgl. Selbstbewußtsein, Apperzeption, Aufmerksamkeit. – Im weiteren Sinne spricht man von einem sittlichen, religiösen, politischen usw. Bewußtsein und meint damit eine Summe von Vorstellungen nebst deren Wertschätzung. Vgl. G. Ulrich, Bewußtsein und Ichheit. Zeitschr. f. Philos. und philosoph. Kritik Bd. 124, S. 58-79.
Beziehung ist der psychische Vorgang, kraft dessen wir zwei Gebilde oder Vorgänge bewußt miteinander verbinden. Meist geht damit eine Vergleichung Hand in Hand. Die Beziehung ist eine der einfachsten Formen der Apperzeption. W. Wundt stellt drei Beziehungsgesetze auf: 1. das der Resultanten, 2. der Relationen und 3. der Kontraste (Grdr. der Psychol., S. 375 ff.. Leipzig 1896). Vgl. Kategorien.
Beziehungen. Methode der Beziehungen nennt Herbart seine eigene metaphysische Methode. Sie besteht darin, daß die in den Erfahrungsbegriffen liegenden Widersprüche beseitigt werden. Ergibt sich bei der Analyse eines Gegebenen ein Widerspruch zwischen Subjekt und Prädikat, so muß das Subjekt in mehrere Subjekte zerlegt werden und in dem Prädikat der Ausdruck für ein bestimmtes Verhältnis dieser Subjekte gefunden werden. Hierdurch gelangt Herbart zu seinen Realen mit ihren Selbsterhaltungen, überhaupt zu seiner gesamten Metaphysik.
Bienenfabel, s. Mandevilles Bienenfabel.
Bildung bezeichnete bis auf Just. Möser (1720-1794) nur die körperliche Gestalt, jetzt aber bezeichnet es die Gestaltung des geistigen Lebens, und zwar zunächst im Gegensatz zur Natur, zur Roheit und Naivität. Sodann liegt darin der Begriff einer gewissen Abgeschlossenheit, Vollkommenheit und Mustergültigkeit des menschlichen Wesens. Ein gebildeter Arzt, Jurist, Lehrer usf. muß seine Wissenschaft beherrschen; aber er darf sich nicht darauf beschränken. Ein wahrhaft Gebildeter besitzt nicht nur gründliche Fachkenntnis, sondern hat auch Sinn und Verständnis für alle Gebiete menschlichen Strebens, für Wissenschaft und Kunst, für Religion und Politik, steht also mitten in den Kulturfragen seiner Zeit. Auch ohne jede Fachkenntnis kann jemand gebildet sein, der für alle menschlichen Interessen Sinn hat. Die höchste Stufe der Bildung ist demnach die Humanität, welche zum Grundsatz den aus Terentius entnommenen Ciceronianischen Satz hat: homo sum, nil humani a me alienum puto. Diese umfaßt nicht bloß die Bildung des Verstandes, sondern auch des Willens und Gemütes. Nicht allein eine Summe von Kenntnissen macht den Gebildeten, sondern moralische, ästhetische, philosophische und religiöse Bildung gehört auch dazu. Das ist die allgemeine Bildung, die durch die Erziehung angebahnt, aber erst durch ein ganzes Leben erworben wird. Vgl. K. A. Schmid, Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, 1884 ff. Fr. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland. 2. Aufl. 1897.
Bildungstrieb (nisus formativus) nannte Blumenbach (1752-1840) das Formprinzip, welches in Pflanzen und Tieren die Materie organisiert und sich in der Erzeugung, Ernährung, Reproduktion und Heilung der Organismen geltend macht. In neuerer Zeit hat sich die Naturforschung gegen die Annahme eines solchen Prinzips erklärt. Der Begriff des Bildungstriebes ist aber nicht allzu sehr verschieden von der »Idee« Platons und der »Lebenskraft« Liebigs, und es steckte in ihm, wenn man ihn nach Analogie der Gesetze denkt, ein verständiger Sinn. Die biologischen Prozesse sind von den mechanischen, physikalischen und chemischen nach Kombination und Komplikation verschieden und bedürfen ihrer eigenen Benennung. Aber der Ausdruck Blumenbachs ist heutzutage außer Kurs gesetzt. Vgl. Blumenbach, Über den Bildungstrieb 1791. H. Lotze, Medizinische Psychologie 1852. Frohschammer, Phantasie als Grundprinzip des Weltprozesses 1877.
Billigkeit ist die Geneigtheit, die Unvollkommenheiten des Rechts durch geeignete Maßregeln zu ergänzen. Der Billigdenkende wird also rechtlicher empfinden, als es der Buchstabe des Gesetzes vorschreibt. Die Billigkeit beim Rechtsakte zeigt sich z.B. in der Bereitwilligkeit, ein Gesetz da nicht anzuwenden, wo ein Fall eintritt, der von dem Gesetzgeber nicht vorausgesehen ist, und auf den das Gesetz nicht paßt. Im Leben zeigt sich die Billigkeit in dem Streben, dem Guten und Bösen die rechte Vergeltung zu verschaffen und da helfend und unterstützend einzugreifen, wo kein Gesetz es befiehlt, aber Sachlage und Person es angemessen erscheinen lassen. – Herbart (1776-1841) rechnet die Billigkeit (neben der Idee der inneren Freiheit, der Vollkommenheit, des Wohlwollens und des Rechtes) zu den praktischen Ideen, den Musterbegriffen, nach denen der wirkliche Geschmack über Wert und Unwert des Wollens urteilt, und findet ihre Wurzel in dem Mißfallen an der unvergoltenen Tat als einem gestörten Gleichgewicht. Die Idee der Billigkeit fordert, daß keine Wohl- oder Übeltat unerwidert bleibt und ein gleiches Quantum von Wohl und Wehe auf den Täter zurückfällt, als er verursacht hat.
Biologie (Neubildung aus gr. biologos = Lebensdarsteller von bios = Leben und = logos = Lehre) ist die Wissenschaft, die die Gesetze des organischen Lebens umfaßt. Im engeren Sinne ist sie die Lehre von den Existenzbedingungen der Pflanzen und Tiere. Sie untersucht dann die Verbreitung der Organismen über die Erde, die Abhängigkeit derselben von Klima und Bodenbeschaffenheit und die Veränderung ihrer Lebensweise und ihres Baus durch diese Faktoren. Im weiteren Sinne ist sie die gesamte Wissenschaft von dem organischen Wesen, den Pflanzen und Tieren, und umfaßt die Botanik, Zoologie und einen Teil der Anthropologie. Der Ausdruck Biologie stammt von Lamarck (1774-1829), er ist aber erst in der Gegenwart allgemein gebräuchlich geworden. Die Wissenschaft selbst ist von Aristoteles (384-322) geschaffen (vgl. Organismus, Pflanze, Tier). Erneuert ist sie durch Wotton (1552), Cesalpino (1519-1603), Harvey (1578-1668), Haller (1708-1777), Linne (1707-1778), Darwin (1809 bis 1882) u. a.
Bitheismus (vom lat. u. gr.) heißt Zweigötterei.
Blödigkeit ist die aus Urteilsschwäche und Mangel an Selbstvertrauen entspringende Schüchternheit im Verkehr mit anderen.
Blödsinn (lat. stupiditas, gr. anoia) ist die hochgradige Schwäche des Geistes. Der Blödsinn hat drei Stufen: 1. die Dummheit, d. i. die Schwäche des Verstandes (die Albernheit, die kindische Auffassung der Dinge); 2. den Stumpfsinn, der da besteht, wo neben vorhandener Verstandesschwäche auch Gefühl und Wille wenig entwickelt sind; 3. den Blödsinn im engeren Sinne, d.h. den völligen Mangel an Vorstellungen, Gefühlen und Bestrebungen, bei dem der Mensch völlig zum Tiere herabsinkt. – Der Blödsinn (Idiotismus) ist entweder angeboren oder erworben; der letztere tritt bei alten Leuten infolge von Hirnschwund auf (Puerilität), oder er entsteht aus Gehirnkrankheiten. Auch fast alle Wahnsinns- und Tobsuchtsformen enden mit unheilbarem Blödsinn.
Bocardo ist der fünfte Modus der dritten Schlußfigur mit besonders verneinendem Ober- und Schluß-, aber allgemein bejahendem Untersatz. Er hat die Form: MoP, MaS, SoP; z.B.: Einige Geladene sind nicht gekommen; alle Geladene sind meine Freunde; folglich sind einige meiner Freunde nicht gekommen.
böse heißt das Gegenteil von gut. Da nun unter gut bald das Nützliche, bald das Angenehme, bald das Schöne, bald das Sittliche verstanden wird, so hat auch der Begriff des Bösen verschiedene Bedeutung angenommen, und man spricht z.B. von einem bösen Geschwür, einer bösen Nachricht, einem bösen Gesicht und einem bösen Menschen. Im engeren Sinne ist aber böse soviel als unsittlich. Das Wesen des Bösen besteht, soweit unser Verhältnis zu den Mitmenschen in Betracht kommt, vor allem in der Selbstsucht, in der rücksichtslosen Verfolgung des Selbsterhaltungstriebes. Dieser ist an sich natürlich; er äußert sich auch auf natürliche Weise in den Trieben nach Existenz, Nahrung, Ruhe, Eigentum, Schmuck, Ehre, Macht usw. Solange wir diesen Trieben mit Maß, mit Vernunft und mit Berücksichtigung unserer Nebenmenschen folgen, kann unser Handeln nicht böse heißen. Erst die egoistische Selbstbehauptung, welche den Forderungen der Sympathie und Gerechtigkeit widerspricht, ist böse. Weiter besteht das Sittlich böse in allen Schwächen und Irrungen, die die menschliche Anlage zu normaler Entfaltung und Vervollkommnung hemmen und ablenken. – Den Ursprung des Bösen hat die Religion und Philosophie auf verschiedene Weise zu erklären versucht. Der Parsismus leitet das Böse aus einem Weltprinzip ab und stellt dem guten Ormuzd den bögen Ahriman als von Anfang an existierend gegenüber. Dadurch wird aber der Begriff der Gottheit wesentlich eingeschränkt. Der Parsismus und der vom Parsismus beeinflußte und im 3. Jahrh. n. Chr. entstandene Manichäismus, der das Böse als selbständiges Prinzip ansieht, sind daher unvereinbar mit der allein haltbaren Idee des Göttlichen. – Auch die Ableitung des Bösen durch Platon (427-347) aus der Materie hylê befriedigt nicht, weil dadurch das Böse zu einem Negativen verflüchtigt und in den Stoff gelegt wird, während es doch positiv ist und, vor allem in der Gesinnung, in der verkehrten Richtung des Willens liegt. – Ebensowenig genügt die Herleitung des Bösen aus der menschlichen Freiheit, mag man sie mit Origenes (†254), Kant (†1804) und Schelling (†1854) als transscendentalen Akt in einen Zustand vor der Geburt setzen, oder mit Augustin (†430), Schleiermacher (†1834) und Jul. Müller (†1875) in das Diesseits. Denn die Freiheit reicht nicht aus, zu erklären, wie ein faktisch gutes Wesen böse werden konnte. Auch die Ableitung des Bösen aus einem Abfall von Gott, wie sie Plotin (†270) und Augustin (†430) lehren, kann nicht als angemessen gelten; ebensowenig die Auffassung des Thomas von Aquino (†1274), der im Bösen ein Mittel zum Guten sieht. – Ein andrer Versuch der Ableitung des Bösen findet sich in der indisch-neuplatonischen Ansicht, nach der zwar die gesamte Welt durch Emanation aus Gott hervorgeht, aber das einzelne unberechtigt ist, sich als solches zu behaupten. Ähnlich behauptet Leibniz (1646-1716), in seiner Theodicee (1710), das Böse sei bei der Unvollkommenheit der Geschöpfe unvermeidlich, es habe mithin seinen Ursprung nicht in Gott, sondern in der Beschränktheit der endlichen Wesen. – Hieran anknüpfend kann man den Ursprung des Bösen im Endlichen und Menschlichen suchen. Das Endliche ist unvollkommen, und der Mensch ist selbstsüchtig von Natur. Aber so wenig der Naturzustand auf sozialem Gebiete festgehalten, sondern zur Kultur veredelt wird, so wenig bleibt der ethische Naturzustand (vgl. Bildung, Humanität). Von Natur ist der Mensch noch nicht das, was seine Entwicklung aus ihm machen kann. Dies lehrt uns die Betrachtung der menschlichen Entwicklung. Jedes Kind ist, solange es ohne Selbstbewußtsein ist, weder gut noch böse. Sobald aber der Selbsterhaltungstrieb erwacht, zeigen sich schlechte Eigenschaften, Selbstsucht, Trotz, Grausamkeit, Ungehorsamkeit usw. Da sich nun die Sinnlichkeit jahrelang entwickeln kann, ehe die Vernunft durch die Erziehung ausgebildet wird, so findet sich der zum Selbstbewußtsein erwachte Mensch zu seinem Schrecken in einem Zustande vor, den Kant das »radikale Böse« genannt hat. Diesen Namen verdient es wenigstens insofern, als es mit der menschlichen Entwicklung unvermeidlich verknüpft ist. Nun beginnt in dem Menschen der sittliche Kampf gegen das Böse. – Das Böse ist ein ethischer Begriff, der daneben auch seine kulturhistorische Bedeutung hat. Was auf einer noch unerzogenen Stufe menschlicher Entwicklung erklärlich und entschuldbar ist, wird auf einer höheren Unsittlichkeit. Der verwandte metaphysische Begriff ist das Übel (s. d.). Vgl. Herbart, Gespräche ü. d. Böse, Königsb. 1818. Blasche, das Böse im Einklang mit der Weltordnung. Leipzig 1827. Jul. Müller, Christl. Lehre v. d. Sünde. 3. Aufl. Breslau 1849. Fr. Paulsen, System der Ethik. 6. Aufl. 1903.
Braidismus, s. Hypnotismus.
Buridans Esel ist der Name des erdachten Beispiels, durch welches der Scholastiker Buridan (1300-1358) zu Paris seine Ansicht von der Unmöglichkeit der Willensfreiheit zu erläutern versucht haben soll. Es ist zur sprichwörtlichen Wendung geworden. Buridan soll, um seine Behauptung zu beweisen, das Beispiel eines hungrigen Esels gewählt haben, welcher, zwischen zwei gleich große, gleich beschaffene, in gleichem Abstande befindliche Heubündel gestellt ist und nun nach Buridans Ansicht sich nicht zu entscheiden vermag, von welchem Bündel er zuerst, fressen soll, der daher verhungern muß. In Buridans Schriften findet sich dies Beispiel nicht; in der Ethik des Spinoza wird aber darauf angespielt. Übrigens ist der Gedanke nicht Buridans Eigentum. Schon Dante, Parad. IV, 1-3 sagt: »Zwischen zwei gleich entfernten und gleich anlockenden Speisen würde der Mensch eher Hungers sterben, als daß er bei der Willensfreiheit eine von ihnen zwischen die Zähne brächte«, und Aristoteles (de caelo II, 13 p. 295b 32) weist schon wie auf ein bekanntes Beispiel und Bild auf den »heftig Hungernden und Dürstenden hin, der gleich weit von Speise und Trank entfernt ist und der in Ruhe verharren muß«. (Siehe Schopenhauers Schriften 1877. IV², 58.)
burlesk, s. komisch.