Читать книгу 13 Jahre - Friedrich Resch - Страница 14
Gerichtstermin
ОглавлениеAm 6. März etwa um 8 Uhr wurde ich vom Diensthabenden aus meiner Zelle geholt und in das Bad geführt, wo schon der mir bekannte „Frisör“ wartete. Ich wurde ganz schnell rasiert, was sich erwartungsgemäß erneut als wenig vergnüglich herausstellte, von mir jedoch als sicherer Hinweis auf ein bevorstehendes Ereignis gewertet wurde. Mit der Blechbrille auf der Nase ging es danach flugs durch einen Tunnel und die Treppen in den Hof. Dort angekommen legte man mir Handschellen an, und zu meiner Überraschung sagte der Feldwebel: „Komm, wir gehen zu Fuß.“ Das freute mich, und ich wagte die Frage: „Wohin?“ Er antwortete mir sogar und sagte: „Zum Gericht.“ Dann führte er mich auf dem kürzesten Weg an der Loga-Schule vorbei zum Gerichtsgebäude in der Popa-Sapca-Straße. Als wir an der Timişana-Bank vorbeikamen, musste ich an meinen Adoptivvater Herrn Boncea denken, der vermutlich nichts ahnend im Kassenraum der Bank arbeitete. Dieser Morgen war sehr kalt, ich schätzte, etwa minus 10 Grad. Schnee lag zwar keiner, aber es war alles bereift und nebelig. Ich fror in dem Anzug, den ich von daheim bekommen hatte und der für diese Witterung unzureichend war. Weil meine Schuhe keine Schnürsenkel hatten und ich zudem in Ermangelung eines Gürtels mit den gefesselten Händen meine Hose festhalten musste, war das Gehen recht beschwerlich. Aus diesem Grund verwarf ich auch die Gedanken an einen Fluchtversuch, die mir natürlich gleich gekommen waren, schnell wieder.
Beim Gerichtsgebäude angekommen wurde ich in ein Zimmer geführt, bekam die Handschellen abgenommen und ein Wachtmeister wurde angewiesen, mich zu bewachen. Während ich noch überlegte, was nun passieren würde, ging die Tür auf, und herein kamen mit Fredi an der Spitze alle meine Kameraden, unter ihnen auch Andreas gestützt von Dietmar und Egon. Ich empfand eine unbeschreibliche Freude, als wir uns begrüßten, denn ich hatte keine Ahnung gehabt, dass wir uns hier begegnen würden. Ich musterte sie aufmerksam und stellte fest, dass alle mehr oder weniger mitgenommen aussahen. Sie waren abgemagert, hatten zerknitterte Kleidung, ungepflegte Haare und Bärte. Am übelsten sah Emmerich aus, dessen Gesicht schrecklich aufgedunsen war. Er sagte mir, dass er Probleme mit den Nieren und der Blase habe, dass er aber medikamentös behandelt würde. Die Freundlichkeit, mit der ich von allen begrüßt wurde, freute mich sehr, hatte ich doch oft genug von meinen verlogenen Vernehmern hören müssen, dass meine Kameraden mich als allein Schuldigen bezeichnet und sich von mir losgesagt hätten. Jetzt bestätigte sich, welch fabelhafte Kameraden sie waren. Ich bedauerte, dass sie sich mit mir zusammen auf einem Leidensweg befanden, dessen Dauer und Härte nicht abzusehen war, aber ihre Haltung gab mir Kraft und den Willen, die Zukunft zu meisten, selbst wenn ich mein Leben dabei verlieren sollte. Die größte Sorge bereitete mir Andreas, der ohne gestützt zu werden keinen Schritt gehen konnte. Durch die Verletzung seiner Wirbelsäule, genauer des Rückenmarks, litt er an einer Lähmung der Beine.
Als wir von mehreren Gerichtsbeamten in einen Saal geführt wurden, fiel uns auf, dass die Bilder von nur fünf der vormals sieben Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei an der Wand hingen. Die Plätze, wo vorher vermutlich die Bilder von Vasile Luca und Teohari Georgescu gehangen hatten, stachen hell von der ansonsten verrauchten Wand hervor. Was mit ihnen geschehen war, wussten wir natürlich nicht, doch die Tatsache, dass sie weg waren, war überraschend und erfreulich zugleich. Wie wir später erfuhren, waren sie kurz vorher ihrer Ämter enthoben und zu schweren Strafen verurteilt worden. Zuerst wurden unsere persönlichen Daten überprüft, und man teilte uns mit, dass wir weiter zu Verfügung der Securitate stünden. Die Anklage, die dann verlesen wurde, bestand aus den folgenden Punkten:
•politische Hetze (Flugblätter) und Anstiftung zum Aufruhr (Artikel Nr. 327/3 Strafgesetzbuch),
•Gründung einer bewaffneten Geheimorganisation (Artikel Nr. 209/3 Strafgesetzbuch),
•Zerstörung von Nachrichtenmitteln (Telefonleitungen),
•Verstoß gegen das Gesetz Nr. 199/1b aus dem Jahre 1952 für versuchtes Terrorverbrechen gegen die Staatsordnung (Strafmaß: Todesstrafe, lebenslange Zwangsarbeit oder 25 Jahre Zwangsarbeit),
•illegaler Waffenbesitz.
Die ganze Prozedur, von der wir kaum etwas verstanden, denn dazu hätten wir den Beistand eines Rechtsanwaltes gebraucht, dauerte vielleicht eine Viertelstunde. Dann wurde ich wieder von meinen Kameraden getrennt; sie wurden offensichtlich wieder ins Gefängnis geführt, während ich noch eine Weile warten musste, bis ein Jeep den Feldwebel und mich wieder zurückbrachte. Mit der von mir so geliebten Blechbrille auf der Nase fand ich mich bald wieder in meiner „trauten“ Zelle ein.