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„Charlotte hat was?“, entgeistert sah Heinrich Görgen mich an. Auch als erwachsener Student war er ein schöner Mann, der Eindruck des Asiatischen in seinem Gesicht hatte sich eher verstärkt, hohe Wangenknochen, weit auseinanderstehende Augen, die mich jetzt ansahen, unter der hohen Stirn, die die ersten tiefen Falten aufwies.

„Charlotte hat mir von deinen Freunden erzählt, die den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen wollen“, antwortete ich so harmlos wie möglich und beobachtete, wie in seinem Gesicht der Ärger mit einer ungeheuren Belustigung kämpfte, die aber schließlich die Oberhand gewann. Görgen brach in sein schallendes Gelächter aus.

„Ja, Rudolf“, noch immer kicherte er und fing zwischendurch immer wieder zu lachen an, „da seid ihr beide aber ganz schön auf dem Holzweg. Die waren tatsächlich mal bei mir zu Besuch, sie hatten mich gefragt, ob wir sprechen könnten, da habe ich sie eingeladen. Aber nein, das sind vollkommene Spinner, die wollen die Welt mit Kampf verändern, das geht doch nie. Ich habe sie nach Hause geschickt.“ Heinrich wurde nun ernst und sah mich finster an:

„Und meine Verbissenheit beim Studium, wie ihr das nennt, gut, da muss ich euch ein paar Sachen sagen. Ihr mit euren reichen Eltern, ihr könnt euch das leisten, mal hier ein Semester in Lausanne, mal da ein bisschen bummeln, ich kann das nicht, ich bekomme Ausbildungsförderung, da sieht man darauf, dass man mir nicht ein Semester zu viel finanziert. Ich muss wohl etwas energischer studieren als ihr.“

Heinrich sprach auf ein halbes Jahr an, das ich in Lausanne verbracht hatte, im dritten Semester, ich hatte mich dort an der juristischen Fakultät eingeschrieben. Mein Vater hatte mich etwas kritisch angesehen, als ich ihm diesen Plan eröffnete, letztlich aber eingewilligt. Klar, das war ein Luxussemester gewesen und klar, Heinrich Görgen hätte das nicht gekonnt. Etwas betreten schwieg ich.

„Und dann, Rudolf, in einem hat Charlotte natürlich recht. Ich interessiere mich schon für die Unterschiede von Gut und Böse, Arm und Reich, Recht und Unrecht. Wie oft haben wir darüber diskutiert, was die Achtundsechziger uns angetan haben. Alles haben sie vorweggenommen, die Moral haben sie abgeschafft und jetzt sitzen wir hier und müssen uns unser eigenes System zurechtzimmern, nach dem wir zwischen richtig und falsch unterscheiden, zwischen Gut und Böse und zwischen das macht man nicht und das ist in Ordnung. Du selbst hast mich angesprochen auf die zweifelhaften Besuche der neuen Terroristen. Mit denen will ich, ich habe dir das gesagt, nichts zu tun haben. Das ändert aber nichts daran, dass wir uns mit Politik beschäftigen müssen, damit, wie wir in unserer Gesellschaft miteinander leben können. Eines ist sicher: Es kann nicht sein, dass Menschen wie Charlottes Eltern oder auch dein Vater die Spielregeln allein bestimmen und wir nur noch ausführen, was sie sagen. Diese Fragen kosten mich sehr viel Energie, da kann ich mich nicht noch mit den Empfindlichkeiten ausgerechnet von Charlottes Eltern abgeben. Denn dass die zu der Frage, wie ich leben will, nicht viel beitragen können, darin bin ich mir mit Charlotte einig.“

„Heinrich, ich habe keinerlei Widerspruch zu dem, was du sagst, aber wir müssen die Welt ja nicht gleich heute und alleine ändern.“

„Das verstehst du genauso wenig wie Charlotte. Ich kann diesen Fragen nie so ruhig und gelassen gegenüberstehen wie ihr, andererseits wirst du auch nie verstehen, warum ich so kämpfe. Du hast ja auch mehr zu verlieren als ich und bist wohl auch von Natur vorsichtiger.“

Er sagte vorsichtiger, aber ich hatte ihn im Stillen in Verdacht, dass er mich feige und faul fand.

Rudolf Mittelbach hätte geschossen

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