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Sechs

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Alle konnten es gewesen sein. Ein beknackter Gedanke. Max brauchte nicht den ganzen Rest der Menschheit einzuschließen, bis er den einen, den Mörder hatte. Alle konnten es eben nicht sein, aber zu viele. Es waren immer viel zu viele. Aussortieren konnte er alle, die der Veranstaltung beigewohnt hatten, wie Zimmermann und die Hains. Das war ein Anfang, den die Spurensicherung hoffentlich ergänzen würde. Irgendetwas würde Heugabel von der Spurensicherung gefunden haben, selbst wenn es sich später als falsche Fährte herausstellte, konnte es jetzt die Stimmung aufhellen.

Heugabel war immerzu auf der Suche nach neuer Musik. So regelmäßig wie Bielefeld in die Bundesliga auf- und dann wieder abstieg, so regelmäßig waren auch seine Stimmungsumschwünge, denn er war Arminia Fan. Wenn Arminia in der Bundesliga war, war er düster und melancholisch, heiter und euphorisch war er, kämpften sie mal wieder um den Aufstieg.

Als Max in Heugabels Labor trat, blieb er auf der Stelle stehen. Eine elastische Wand aus Lärm hielt ihn auf der Schwelle.

Wenn Heugabel allein arbeitete, dann drehte er auf, dann verstärkte er den Lärm aus den Lautsprechern derartig, dass sich Max’ Ohren zusammenkräuselten. Er lächelte und trat hinter Heugabel und erwartete, dass er herumwirbelte, als er ihm auf die Schulter tippte. Tat er aber nicht, denn Heugabel erschreckte sich längst nicht mehr, wenn ihm einer auf die Schulter klopfte. So machte man sich bemerkbar, wenn man mit ihm reden wollte. Er ging zur Anlage und stellte leiser.

„Meine neuste Entdeckung“, sagte er.

„Bringt sie uns weiter?“, fragte Max.

„Die Band, die Musik, meine ich.“ Heugabel lächelte noch immer aus seinem Quadratmeilengesicht, in dem die spitze Nase kaum zu finden war.

„Hier hör noch mal“, sagte Heugabel und drehte wieder auf. Max musste wieder lächeln, hielt sich dann die Ohren zu und wünschte sich Heugabel in die Gerichtsmedizin, wo die Leichen aus Verzweiflung von den Obduktionstischen springen würden.

„The Strokes“, sagte er, „ehrlicher Rock. Dionysisch, einfach dionysisch!“

„Was habt ihr bisher?“, fragte Max.

„Nichts.“

„Nichts? Einfach nur nichts, nicht vielleicht was Klitzekleines, ein verschämtes Härchen? Alles ist mir Schnuppe, nur nichts kann ich nicht ertragen. Vielleicht eine einsame Schuppe?“

„Tut mir leid.“ Heugabel blickte wie in den Bundesligajahren der Arminia, verzweifelt.

„Du kannst einen aufmuntern“, sagte Max. „Und was ist das?“

Er nahm die Plastiktüte und betrachtete den Inhalt.

„Das wird wohl nicht vom Täter stammen“, sagte Heugabel.

„Heugabel, wir brauchen Spuren.“

„Was erwartest du Max?“

„Na, was schon? Einen Zettel mit dem Namen des Täters samt Anschrift und Motiv für seine Tat.“

„Kein Problem“, sagte Heugabel, schrieb etwas auf seinen Notizblock, riss den Zettel ab und reichte ihn Berger.

„Heugabel“, rief Max, „du bist ja ein…, ich habe es doch immer gewusst. Wofür hat man denn Freunde?“

„Dass sie nicht die Wahrheit sagen, ist erste Freundespflicht“, sagte Heugabel.

Natürlich wusste Max, dass er nicht hoffen durfte, hier sprechende Spuren zu finden, flehte aber noch mal: „Ich will Spuren, Spuren und noch mal Spuren.“

Nicht nur der Betrogene weiß als Letzter, was die schwatzenden Spatzen längst von den Dächern tschilpen, auch den eigenen Spitznamen erfährt man erst, wenn er schon aus der Mode gekommen ist. Das war anders im Falle Spuren-Bergers, der von Anfang an seinen Spitznamen kannte. „Denkt daran“, sagte er gern und lächelte, „alles ist vermittelt, auch die Spuren.“

Fritz Zippel hatte sich mal den Spaß gemacht und gezählt, wie häufig er den Lieblingsspruch von Max im Monat ertragen musste. Fritz war geschädigt durch einen Geschichtslehrer, der es in einer Stunde auf 99 „nicht wahr“ gebracht hatte oder war es der Englischlehrer, der eimerweise den einen Tropfen Weisheit ausschenkte: „The future does not equal the past.“ Was immer das und Bergers Vernarrtheit in den Spruch „alles sei vermittelt“ bedeuten mochte. „Hegel“, so hatte Max einmal vielsagend hinzugefügt, aber das war in einer torkelnden Nacht um drei oder so, auch kaum zu hören, während eine alternde Combo spielte: „I’m not waiting on a lady, I’m just waiting on a friend.“

Als Fritz am anderen Tag aufwachte und sein Kopf nach und nach durch den Dunst brach, meinte er sich zu erinnern, dass Berger ihm auf dem Heimweg erklärt hatte, was es mit der Hegelschen Vermittlung auf sich hatte. So sicher, wie man im Traum weiß, wirklich verfolgt zu werden, so sicher war sich Fritz in der Nacht alles verstanden zu haben, aber jetzt, jetzt war nix mehr da. Verdunstet, all das schöne Wissen! Tief, echt tief, hatte er noch gedacht. Vollständig kapierte man so etwas eben nur im Vollrausch. Doch so sicher und fest die Einsicht in der Nacht sich angefühlt hatte, es war nichts mehr da, Leere. Was so auch wieder nicht stimmte, denn die Leere war voller Kopfschmerzen. Wahrscheinlich vermittelt, dachte Fritz und musste auflachen, wodurch sein Herz augenblicklich schneller pumpte und eine Lokomotive polternd durch seinen Kopf dampfen ließ.

„Spuren Berger“ las Max in den Augenwinkeln von Heugabel und meinte auch dessen Gedanken erlauschen zu können: „Hört, hört, unser Spuren-Berger ist selbst maulwurfsblind, erwartet aber, dass wir Spuren herbeizaubern, der Clown. Wenn du wüsstest, wie Recht ihr habt, dachte Max und blinzelte aus seinen wetterwendischen Augen.

Curry, Senf und Ketchup

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