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Müller

Als Müller wird der Handwerksberuf bezeichnet, dem die (häufig industrielle) Herstellung von Mehl oder Gewürzen, Pflanzenöl oder auch Futtermitteln obliegt. Daneben nennt man den Besitzer oder Betreiber einer Mühle Müller, auch wenn diese Mühle heute kein klassisches Müllerhandwerk mehr betreibt. Zugleich ist Müller auch der häufigste Familienname des deutschen Sprachraumes.

Neue offizielle Berufsbezeichnung

Die neue offizielle Berufsbezeichnung in Deutschland lautet: Müller (Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft)/Müllerin (Verfahrenstechnologin in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft).

Die zuständigen Berufsverbände waren zu der Überzeugung gekommen, dass die alte Berufsbezeichnung „Müller“ die heutigen technologischen Anforderungen des Berufes nicht mehr widerspiegelt und strebten mit der Reform der Ausbildungsordnung auch eine Namensänderung an. So sollte der Beruf fortan nur noch „Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft/Verfahrenstechnologin in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“ heißen. Der damalige Wirtschaftsminister Michael Glos, Müllermeister, verhinderte dies und bestand darauf, dass die alte Bezeichnung, Müller, voran gestellt wird. Jeder, der bisher die Gesellen- oder Meisterprüfung als Müller abgeschlossen hat, darf sich weiterhin so nennen.

Gegenwärtiges Berufsbild des Müllers

In der industrialisierten Welt haben nur wenige der traditionsreichen alten Handwerksberufe überlebt. Der Müller gehört dazu, denn er hat es verstanden, sich die Errungenschaften moderner Technik zunutze zu machen. Es gibt auch heute noch viele handwerkliche Mühlen, aber der überwiegende Teil sind mittlerweile Industriebetriebe. Im Wirtschaftsjahr 2008/09 gab es in Deutschland noch 302 Getreidemühlen, die mehr als 500 t Getreide im Jahr vermahlen. Neun Betriebe davon haben 200.000 t Getreide pro Jahr oder mehr vermahlen. Der größte Teil der Mühlen (185, entsprechend 60,1 %) hatte eine Jahresvermahlung zwischen 500 und 5000 t pro Jahr. Für Nostalgie (der Müller mit Zipfelmütze und Mehlsack über der Schulter) ist da kein Platz mehr – heute kommt der Müller mit einem Silofahrzeug und bläst das Mehl mit Druckluft in die Bäcker-Silos.

Der Müller produziert:

in einer Getreidemühle aus Weizen, Roggen und seltener aus Dinkel u. a. Schrot, Grieß, Dunst und Mehl sowie Kleie

in einer Schälmühle aus Hafer, Gerste, Mais, Reis und Hirse u. a. Flocken, Grütze und Graupen

in einer Gewürzmühle aus Gewürzsaaten, Kräutern und Mineralstoffen Gewürzpulver, Schrote, Blattverschnitt und gerebelte Gewürze

in einer Ölmühle aus Raps, Sonnenblumen-, Soja- oder Leinsamen u. a. Speiseöl bzw. Biodiesel oder Industrieöl

in einer Futtermühle aus pflanzlichen, tierischen und mineralischen Grundstoffen Mischfutter für Nutz-, Heim-, Zootiere und Wild.

Da die Arbeitsabläufe in Mühlen und Mischfutterbetrieben weitgehend technisiert worden sind, werden in der Müllerei nur wenige Arbeitskräfte gebraucht. Diese aber müssen gut ausgebildet sein, umfassende Fachkenntnisse mitbringen, es verstehen, sich neuen Anforderungen immer wieder anzupassen, kombinieren und schnell entscheiden können. Der Tätigkeitsbereich des Müllers von heute ist also weit gespannt und anspruchsvoll. Er setzt organisatorisches, technisches und kaufmännisches Denken und Handeln voraus. Ein ausgelernter Müller kann sich – auch in der heutigen Zeit – meist seinen Arbeitsplatz aussuchen, denn die Mühlenbetriebe bilden insgesamt zu wenig aus.

Die Arbeitsplatzsituation gestaltet sich für Müller sehr entspannt, die Arbeitslosenquote bei Müllern ist äußerst gering.

Sozialgeschichte des Müllerberufs

Noch im Mittelalter galt das Müllergewerbe als anrüchig und zählte vielenorts zu den „unehrlichen“ Berufen. Dies wird sehr schön dokumentiert in dem 1724 erschienenen Werk von Georg Paul Hoenn (3. Edition) "Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von...". Hier wird sehr detailliert an insgesamt 30 verschiedenen Fällen beschrieben, auf welche Art und Weise die einzelnen Betrügereien von Müllern durchgeführt werden. Einige Beispiele:

Wenn sie an verborgenen und bedeckten Orten heimliche Neben-Beutel führen / wodurch das Meel auf die Seiten, in ihre Diebs-Löcher fället.

Wenn sie unvermerckt zweyerley Gemäß führen / ein grosses zum Einnehmen und ein kleines zum Ausgeben.

Wenn sie bey der Unruhe derer Mühl-Beutel inwendig in den Meel-Kasten doppelte Bretter oder Böden machen / worinnen sich das Meel verbergen kan.

Wenn sie ihre Hüner / Tauben und Schweine / so in die Mühl kommen / im fremden Getreid Herr seyn lassen

...und noch viele mehr. Nach der Antriebsart wurden früher „Wassermühlen“ von „Windmühlen“ unterschieden. Windmüller gab es in Mitteldeutschland erst seit dem 18. Jahrhundert.

In den Mahlmühlen wurden vom Mahlmüller Mehl und Schrot für die Ernährung hergestellt. In den uneigentlichen Mühlen wurde die Wasserkraft zur Bearbeitung verschiedenartiger Materialien benutzt, wie unter anderem in Papiermühlen, Walkmühlen, Lohmühlen, Hammermühlen und Schneidmühlen. Die entsprechenden Berufsbezeichnungen, die oft auch als Familiennamen fest geworden sind, lauten Hammermüller, Bretschneider, Oelschläger usw.

Erbmüller saßen als Eigentumsmüller auf einer Mahlmühle bzw. einem Mühlengut. Diese Müller waren, in dörflichen Maßstäben gemessen, oft ausgesprochen wohlhabend, mit 2000 fl. Vermögen und mehr schon im 17. Jahrhundert. Da die Mühlen (oft auch mit einem Schneidegang zusätzlich ausgestattet) fast ausschließlich vom Vater auf einen Sohn vererbt wurden, sind bei Erbmüllern Besitzerfolgen in einer Familie über mehrere Jahrhunderte hinweg möglich.

Pachtmüller hingegen waren nur als Pächter auf einer Mühle. Eigentümer dieser Mühle war direkt der Grundherr oder ein Mühlenbesitzer. Gehörte die Mühle einem kurfürstlichen Amt, sprach man vom „Amtsmüller“; einem Adligen, dann z. B. vom „Wolffersdorfischen Müller“; war der Grundherr eine Stadt, dann war deren Pachtmüller der „Ratsmüller“ oder „Stadtmüller“. Die zum Teil in den Archiven überlieferten Pachtverträge wurden nur für wenige Jahre abgeschlossen, und dann entweder erneuert oder die Mühle erhielt derjenige Bewerber, der bereit war, den höchsten Pachtzins zu zahlen. Aus diesem Grunde war es den Pachtmüllern nicht leicht, ein ausreichend großes Vermögen zusammenzubekommen, um selbst Eigentümer einer Mühle zu werden. Die Pachtmüller sind deshalb ein Sonderberuf, dessen genealogische Erforschung oft nur durch großräumige Verkartung möglich ist. In Sachsen waren zwei Drittel aller Pachtmüller Müllerssöhne, der Rest Söhne von Bauern und Handwerkern aus Stadt und Land.

Ein Schneidmüller (auch Brettmüller, Holzmüller oder Brettschneider genannt) war Müller auf einer Wassermühle, deren Antriebsenergie zur Holzverarbeitung verwendet wurde. Typisch für viele Schneidmüller war die Berufsbezeichnung „Müller und Zimmermann“, mit ausgeprägten Heiratsbeziehungen zu den Zimmerleuten und anderen Handwerkern. Im Gebirge war eine Sägemühle für die Bauern oft nur Nebenerwerb im Winter, und die bescheidene wirtschaftliche Situation dieser „Müller“ war nicht mit der von Mahlmüllern und Erbmüllern im Flach- und Hügelland vergleichbar.

Gab es in einem Dorf mehrere Mühlen, so sprach man dann oft vom Obermüller, Mittelmüller oder Untermüller oder verwendete besondere Namen wie „Lerchenmüller“, „Kornmüller“ usw. Manchmal gaben Mühle und Müllersfamilien sich sogar gegenseitig den Namen, z. B. „Ahnertsmühle“ für eine Mühle, die jahrhundertelang von einer Müllersfamilie Ahnert bewirtschaftet worden ist; „Steinmüller“ als Familiennamen für eine Familie, die jahrhundertelang die „Steinmühle“ bewirtschaftet hatte.

Große Mühlen waren wie große Bauerngüter geradezu ein Sinnbild des relativen ländlichen Wohlstands (siehe ländliche Sozialstruktur). In Sachsen waren vom 16. bis 18. Jahrhundert 81 % der Müller Müllerssöhne. In den meisten Fällen übernahm ein Müller einen Betrieb als Eigentumsmüller bzw. als Erbmüller erst nach mehrjähriger Ausbildung, die er teils in fremden Mühlen der näheren Umgebung (bis zu 50 km entfernt, meist jedoch näher), teils in der väterlichen Mühle ableistete. Hatte aber ein Müllerssohn weder Aussicht auf die väterliche noch eine vom Vater gekaufte Mühle, so musste er sich selbst umtun, wollte er nicht für immer Mühlknecht bleiben. Die Stellung eines Pachtmüllers war im Vergleich zum Mühlknecht die nächsthöhere Stufe (siehe auch sozialer Aufstieg). Verfügte der junge Müller über ein gewisses Kapital, sei es aus einer Erbteilung, aus der Mitgift seiner Ehefrau oder aus eigenen Ersparnissen, so konnte er versuchen, selbst eine Mühle zu kaufen. Allerdings dauerte diese Suche oft jahrelang (siehe auch Sonderberufe, Verkartung).

Da die Müllersfamilien mehr Kinder großzogen, als es Mühlen gab, musste ein Teil der Nachkommen in andere Berufe abwandern. So haben landschaftlich bedeutsam Müllersfamilien (wie die Käsmodel und die Landrock im sächsischen Erzgebirge) im selben Gebiet stets auch Namensvettern in anderen Berufen. Will man die Genealogie einer Müllerfamilie klären, so kann dabei eine Hilfe sein, dass Müller beliebte Paten waren, so dass man den eventuell fehlenden Vornamen der Ehefrau in den Pateneintragungen finden kann. Mit Hilfe dieser Pateneintragungen im Kirchenbuch lässt sich oft der Zeitraum für die Anwesenheit einer bestimmten Müllersfamilie in einer Gemeinde genau eingrenzen (siehe auch Toter Punkt (Genealogie)).

Saßen mehrere Müller am gleichen Wasserlauf, so hatte herkömmlich derjenige Müller, der höher hinauf saß (Oberwasser hatte), das Recht, sein Mühlenwehr ungeachtet der tiefer ansässigen Müller nach Belieben zu öffnen oder zu schließen. Da es wegen des Wassers und der Wehre aber oft zu Rechtsstreitigkeiten der Müller untereinander oder mit der Obrigkeit kam, sind die Gerichtsbücher bzw. Gerichtsakten eine ergiebige Quelle über Müller.

Einen kleinen lehrreichen Einblick in den Alltag des Müllers und seiner Gesellen gibt auch das Brettspiel namens Müller & Sohn.

Ausgestorbenes Handwerk

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