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Geschichte

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Bereits in der jüngeren Steinzeit war Pelz ein wichtiges wärmendes und schmückendes Kleidungselement, nach Josef Winiger (1995) entgegen bisherigen Vorstellungen bereits im Zusammenspiel mit Textilien aus Fasern, Bast und Wolle. Schon die älteste erhaltene Pelzbekleidung, die des Manns vom Hauslabjoch, Ötzi weist fortgeschrittene, heute noch verwendete Elemente und Techniken auf. Ötzi trug eine Jacke, die nach außen getragene helle und dunkle Fellstreifen kombiniert, in Überwendlingstechnik sorgfältig vernähte Beinlinge aus Fellstücken und bei den Schuhen einen Materialmix aus Bärenledersohlen und Hirschfellobermaterial und einem haltgebenden und isolierendem Innenschuh aus Pflanzenmaterial und -gewebe.

Seit dem 9. Jahrhundert ist althochdeutsch und altsächsisch das Wort kursina (Pelzrock) belegt. Davon abgeleitet haben sich die Handwerksbezeichnungen Kürsner und Kursener. Als eines der ersten Handwerke schlossen sich die Kürschner zu Zünften zusammen. Die ältesten bekannten Satzungen stammen aus dem Raum Rouen (Frankreich) aus der Zeit um 1160. Zu weiteren Zunftgründungen kam es 1226 in Basel, 1272 in Wien, 1273 in Breslau, 1277 in Braunschweig und 1280 in Berlin. Oft wurden auch gemeinsame Zünfte mit anderen Handwerken gegründet, wie zum Beispiel in Braunschweig mit den Weißgerbern und den Handschuhmachern oder in Basel mit den Schneidern.

Das Kürschnerhandwerk war dicht verbreitet. So hatte die Augsburger Zunft (gegründet 1368) um 1475 bereits 86 Meister, um 1536 gar 107 Meister. In Leipzig gab es 1555 immerhin 45 Meister, in Breslau 1499 sogar 92 Meister. Mit der Einführung neuer kostbarer Stoffe am Ende des 16. Jahrhunderts verliert das Kürschnerhandwerk zunächst an Bedeutung.

Die Kürschnerei ist ein Saisongewerbe. Von Oktober bis Dezember werden die größten Einnahmen erzielt. Deshalb nutzte man die warmen Monate zum Zurichten (Gerben) der Felle. Als Service wurden auch Pelzwaren in den Sommermonaten geschwefelt und gelüftet, um der Kleidung eine möglichst hohe Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Schädlingsbefall zu geben.

Im 18. Jahrhundert waren die Messen in Leipzig (Brühl), Frankfurt am Main und Braunschweig Hauptmärkte des deutschen Rauchwarenhandels. Breslau und Groß-Glogau waren Zentren für Rauchwaren aus Russland, Polen und Böhmen.

Schon in der frühen Neuzeit entwickelte sich eine Arbeitsteilung, bei der Stückwerker und Tafelmeister beschäftigt wurden. Bis zur späteren weiteren Produktionsteilung gerbte der Kürschner seine Felle noch selbst. Dafür war er auf fließendes Wasser angewiesen; die Redensart „Jemandem schwimmen die Felle weg“ zeugt noch davon. Der Umgang mit Fellen toter Tiere hatte zur Folge, dass die Kürschnerei zu den unreinen Handwerken gerechnet wurde. Durch die starke Geruchs- und wohl auch einige Lärmbelästigung (beim Klopfen der Pelze) waren die Kürschner häufig gezwungen, sich an den Fließgewässern am Rand der Städte niederzulassen. Vereinzelt mussten die Felle in einem von der Zunft verwalteten Hof zubereitet werden. Jedoch durften die Kürschner beispielsweise in Leipzig, im Gegensatz zu den Rot- und Weißgerbern, ihre Tätigkeit innerhalb der Stadtmauern verrichten. Man wies sie nur an, ihre Beize zu einem fließenden Gewässer zu tragen, damit in der Stadt kein groß Gestancke gemacht werde.

Trotz der Unreinheit ihres Handwerks gehörten Kürschner in Europa zu den angesehensten und ratsfähigen Handwerkern. In Asien hingegen waren aufgrund von buddhistischen, hinduistischen und schintoistischen Vorstellungen und Vorgaben Beschäftigte in der Fleisch- und Leder und Pelzverarbeitung besonderen Vorbehalten unterworfen[6]. Meist kauften Kürschner Felle direkt von Jägern und Bauern, um die verarbeiteten Pelze nach der Verarbeitung direkt an die Endverbraucher abzugeben. Konflikte gab es mit Weißgerbern, Täschnern, Handschuhmachern und Pergamentern, da oft nur eine begrenzte Menge Felle und Häute zum Verarbeiten vorhanden war.

Die Arbeit mit der Nadel wurde meist im Wochenlohn, die Zurichtung häufig im Stücklohn bezahlt. Ab etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts trennten sich die beiden Hauptprozesse völlig, es gab jetzt die Bankkürschner (Zurichter) und die Nadelkürschner. Die (Nadel-)Kürschner spezialisierten sich bald noch einmal in Halbfabrikatehersteller und die Kürschner für die fertige Pelzbekleidung, Engros oder Detail. In den kleinen Werkstätten arbeiteten neben der Meistersfrau ursprünglich fast ausschließlich männliche Gesellen.

Mit der Einführung der Pelznähmaschine und der damit ermöglichten Vergrößerung des Pelzabsatzes übernahmen ab etwa 1880 immer mehr Pelznäherinnen vorerst nur die Näharbeit der Kürschner. Bald darauf setzte eine große Wanderung deutschsprachiger Kürschner nach Westen, bis nach Amerika ein. Erst vor 1931 legte Fräulein Rohlik in Berlin als erste Frau die Prüfung als Kürschnermeister ab. Zu dieser Zeit gab es, wie eine Fachzeitschrift schreibt, „immerhin schon“ zehn Kürschnergesellinnen. Etwa seit den 1970er Jahren ist das Geschlechterverhältnis bei den Gesellenprüfungen in etwa ausgeglichen.

Aufzeichnungen über Arbeitstechniken sind uns erst aus dem 18. Jahrhundert überliefert, aufwändige Formveränderungen der verarbeiteten Felle hat es, wie man auf zahlreichen alten Bildern sehen kann, bis in diese Zeit vermutlich nicht gegeben. Die Entwicklung des Kürschnerhandwerks nahm mit der Erfindung der Pelznähmaschine um 1872 durch Joseph Priesner und der Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte einen rapiden Aufschwung. Bald fehlten im ganzen Westen Europas Facharbeitskräfte, in Frankreich, in England, in der Schweiz, in Italien, in Belgien, in Holland, aber auch in Nordamerika, um der großen Nachfrage zu genügen. Obwohl es dort eine alteingesessene, moderne Pelzwarenindustrie gab, sah man sich gezwungen, ausländische Kürschnergesellen anzuwerben. Dafür kamen damals nur Mittel- und Osteuropa in Betracht, besonders Deutschland, Skandinavien, Österreich-Ungarn und der Balkan. Es setzte ein in der Branche einmaliger „Zug nach Westen“ ein. Tausende nahmen diesen Weg, der bis nach Nordamerika führte. Die Wanderung begann um 1874, hatte ihren Höhepunkt um 1900, um dann bis zum ersten Weltkrieg wieder abzuflauen. 1929 stellt dann ein ungarischer Kürschner und Rauchwarenhändler fest: „Ob in Tientsin, ob in London, oder aber gar in Paris, überall kann man sich in unserer Branche deutsch verständigen.“

Nach 1850 war die Gegend um die Straße Brühl in Leipzig ein Zentrum des europäischen Rauchwarenhandels. In und um Leipzig entstanden zahlreiche Rauchwarenzurichtereien. Leipzig wächst bis 1914 zu der bedeutendsten Handelsmesse für Rauch- und Pelzwaren aus aller Welt. Durch den Ersten Weltkrieg verliert die Stadt zunächst ihre Bedeutung als Zentrum des internationalen Rauchwarenhandels, kann sie aber ab etwa 1922 mit der Eröffnung einer großen Rauchwarenniederlassung der Sowjetunion teilweise wieder erlangen. 1928 wird in Leipzig die damals bedeutendste Kürschnerschule eröffnet.

Nach 1945 kommt es zu einer geteilten Entwicklung des Kürschnerhandwerks in Deutschland.

In der DDR werden Kürschner zur Bildung von Genossenschaften genötigt. Zudem werden dort vorwiegend Felle aus der Kleintierzucht verarbeitet. Obwohl in den größeren staatseigenen Betrieben auch für westdeutsche Konzerne produziert wird, bleibt das Niveau der Manufakturen im Wesentlichen auf dem vor dem Krieg stehen.

In der Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich das Handwerk zunächst weiter, da der Bedarf für Pelze steigt. Die Ende des 19. Jahrhunderts begonnene Pelztierzucht nahm nach dem Krieg mit der schnell zunehmenden Nachfrage weiter zu. Seit etwa 1980 werden Pelztierfarmen kritisiert und angegriffen, Protestaktionen von Tierschützern führten zu einer Verschärfung der Verordnungen und Gesetze in Deutschland und Europa. Von militanten Tierrechtlern, die das Recht auf die Nutzung von Tieren generell bestreiten, werden dabei im Rahmen ihrer Protestaktionen immer wieder Straftaten begangen.

Veränderte Konsumgewohnheiten wie der Siegeszug der Freizeitmode auch bei festlichen Anlässen, eine erhebliche Marktsättigung nach der Massenproduktion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Fokussierung auf den Nerzpelz als Statussymbol, der Konkurrenzdruck der Billiglohnländer und nicht zuletzt eine Reihe sehr warmer Winter führte zu einer deutlichen Reduzierung der Kürschnerbetriebe.

Ausgestorbenes Handwerk

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