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Kapitel 4
ОглавлениеEs war schon beinahe Mitternacht, als Judith sich von Mergentheim verabschiedete. „Sie finden doch allein heim?“, fragte er erwartungsgemäß. Wie schön, immer wieder bestätigt zu bekommen, wie sehr man sich auf die eigene, vorgefasste Meinung verlassen konnte, dachte Judith selbstironisch, als sie durch die klare Herbstnacht nach Hause ging. Sie war kein bisschen müde und wusste ganz genau: Der Aktenordner unter ihrem Arm würde ihr eine lange Nacht bescheren.
Mao und Li wirkten wie der personifizierte Vorwurf. Sie saßen direkt vor der Korridortür, als Judith aufschloss und liefen maunzend von ihr weg – den Schwanz hoch erhoben nach dem Motto ‚du kannst uns mal‘. Als Judith sich im Schlafzimmer aus ihrem englischen Kaschmirkostüm schälte, um es sich im Bademantel bequem zu machen, blieben sie in einiger Entfernung erwartungsvoll sitzen, regungslos nebeneinander wie Statuen, die Schwänze artig um die Vorderpfoten gelegt. Jeder Handgriff, den der menschliche Hausgenosse tat, schien sie zu interessieren. Schließlich konnte man um diese Uhrzeit mit Fug und Recht erwarten, dass zum Dosenöffner gegriffen werde, statt unnütz herumzutändeln und sogar noch in den Spiegel zu schauen und durch die Haare zu bürsten. Endlich war es soweit. Es gab Kaninchen. Jedenfalls behauptete das der Hersteller auf dem Dosenetikett.
Während die Katzen in aller Ruhe fraßen – so, als hätten sie keine Sekunde auf ihr Futter warten müssen – köpfte Judith kurz entschlossen die letzte Flasche Champagner, die sie noch im Kühlschrank hatte. Morgen würde sie diesen alkoholischen Leichtsinn sicher bitter bereuen. Aber heute war heute – und außerdem musste sie ja nicht alles austrinken. Am liebsten hätte sie jemanden angerufen, um mit ihm die aufregende Wende durchzudiskutieren – Helga beispielsweise – aber dafür war es inzwischen doch zu spät geworden.
So kuschelte sie sich mit ihrem Aktenordner in den Korbsessel, legte – der besinnlichen Stunde angemessen – Vivaldis ‚La Stravaganza‘ auf den Plattenspieler und goss den Champagner in ein Wasserglas, um sich später das aufwendige Auswaschen ihrer absolut spülmaschinenungeeigneten Sektflöten zu ersparen. So gerüstet machte sie sich über die Ausführungen der Spurenkundlerin Dr. Erika Steiner-Wiesemann her. Sie waren nicht nur einleuchtend, wie Dr. Mergentheim prophezeit hatte, sondern auch ausgesprochen leicht lesbar – geschrieben ohne den üblichen Wust fachspezifischen Brimboriums, hinter dem Wissenschaftler so gern ihre Erkenntnisse vor Laien zu verbergen pflegen. Als sie sich durchgearbeitet hatte war es
2.30 Uhr, der Aschenbecher ziemlich voll und die Champagnerflasche beachtlich leer. Judith warf einen neidischen Blick auf die schlafenden Katzen und begab sich zu Bett. Morgen würde sie ein wenig länger schlafen. Sie wollte ausnahmsweise nicht um 9 Uhr ins Gericht gehen, sondern sich zum Redaktionsbeginn um 11 Uhr gleich auf die Auswertung der Ergebnisse ihres nächtlichen Einsatzes stürzen. Ihr Exklusivbericht würde Furore machen und eine Menge Staub aufwirbeln. Allerdings musste sie ihn vorher mit dem Chefredakteur besprechen. An Rufius’ Zustimmung bestand jedoch keinerlei Zweifel. Judith hatte einen guten Ruf. Man vertraute ihr. Im Traum erlebte sie, wie er ihr eine Gehaltserhöhung anbot, während sie das Blumengebinde des dankbaren, freigesprochenen Volker Schmidt in der Vase arrangierte. Die Welt war in Ordnung – sogar im Schlaf. Jedenfalls sah es damals so aus.
Erwartungsgemäß fühlte sich Judith am nächsten Morgen wie gerädert. Aus Erfahrung wusste sie, dass dieser Zustand mindestens bis nach dem Mittagessen andauern würde. Zu viel Alkohol, zu wenig Schlaf – eine nicht gerade bekömmliche Mischung. Immerhin: Es war ihr schon mal weit schlechter gegangen. Von diesem schwachen Trost motiviert, erledigte sie rasch ihre morgendlichen Rituale: Katzenfüttern, Duschen, Anziehen, Schminken. Das Blumengießen pflegte sie meistens auf den Abend zu verlegen. Fürs Frühstück nahm sie sich Zeit. Judith war wirklich alles andere als ein Frühstücksmuffel. So schlecht konnte es ihr einfach gar nicht gehen, dass ihr Toast, Ei, Käse und Wurst nicht schmeckten. Robert, der sich selbst als frankophil bezeichnete und seine Vorliebe auch auf die etwas spärlichere, französische Art zu frühstücken ausdehnte, pflegte Judiths Gewohnheit als teutonische Fressorgie zu bezeichnen. Was daran typisch deutsch sein sollte, leuchtete Judith ganz und gar nicht ein. In England hatte sie schon einmal begeistert ein Yorkshire-Frühstück mit Würstchen, Panhas und Bratkartoffeln verdrückt, in Israel mundeten ihr Eiersalat und Rollmöpse ausgezeichnet und in Rumänien war ihr zu Brot, Schinken und Tomaten sogar Schnaps kredenzt worden. Die einzigen Nahrungsmittel, die ihr als Grundlage für einen langen Tag unvorstellbar erschienen waren Marmelade, Quark und Honig, oder – noch schlimmer – Müsli.
Gestärkt vermochte sie auch dem letzten, prüfenden Blick in den Spiegel standzuhalten. Entsetzlich: Ihr jungenhaft kurz geschnittenes Haar, das sie täglich sorgfältig wusch und föhnte, sah heute nicht gerade nach einer flotten Frisur aus und ihre Augen waren gerötet wie die eines Myxomatose kranken Kaninchens. Was soll’s? Sie sprühte sich mit ihrem Lieblingsparfum ein und blinzelte den Katzen zu: Nobody is perfect. Schon seit Langem hatte sie sich vorgenommen, einen Aufkleber mit diesem Spruch für ihren Badezimmerspiegel zu besorgen.
Um die Redaktion zu erreichen, brauchte sie nur über die Straße zu gehen. Die Kollegen, sofern sie nicht zu Terminen aufgebrochen waren, lümmelten sich an den Schreibtischen und lasen Zeitung. „Na, wie geht’s?“, erkundigte sich Helga. „Die pharmazeutische und die kosmetische Industrie halten mich aufrecht“, antwortete Judith.
Das war nur die halbe Wahrheit, denn der größte Muntermacher war der Artikel, den sie schon halb formuliert im Kopf hatte. So griff sie denn auch – während sich Helga noch über die Segnungen von Aspirin für ihr nicht gerade selten alkoholbelastetes Dasein ausließ – bereits zum Telefonhörer und bat um ein Gespräch mit Wolfgang Rufius. „Am besten, Sie kommen gleich rauf, Frau Faßberg“, meinte seine Sekretärin, „er ist in seinem Zimmer und liest Zeitungen.“
Wer nicht um diese Zeit? Rufius war keiner von denen, bei denen man lange antichambrieren musste und die ihre persönliche Bedeutung daraus rekrutieren, dass sie angeblich niemals Zeit haben. Wenn er nicht gerade wirklich durch andere Gesprächspartner blockiert war, oder der geheiligten Tätigkeit des Leitartikelschreibens nachging, konnte man jederzeit bei ihm vorsprechen. Tatsächlich geschah das allerdings nur selten, denn die Redaktion hielt es gewöhnlich eher mit jener sprichwörtlichen Untertanenthese: Gehe nie zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst. Außerdem war Rufius während der Hauptproduktionszeit nach der 17-Uhr-Konferenz ohnedies ständig in den Redaktionsräumen anzutreffen. Dann hielt es ihn nicht in seinem ruhigen Büro. Ausdrücklich zurate gezogen wurde er allerdings nur in Ausnahmefällen. Er ließ gewöhnlich seinem Team freie Hand, und das war auch von der eigenen Kompetenz ziemlich überzeugt. Journalisten haben das so an sich. Sie leiden nicht gerade an Selbstunterschätzung. Obrigkeitsdenken liegt ihnen überhaupt nicht. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass sie es gewohnt sind, den Mächtigen auf die Finger zu schauen – und auch manchmal zu klopfen. Die leider häufig mit dieser an sich gesunden Einstellung zur Macht verbundene Einbildung, der Angelpunkt des Geschehens zu sein, war beim Generalanzeiger glücklicherweise nicht groß verbreitet. Vielleicht lag das auch ein bisschen an der Art von Rufius, der immer wieder predigte: „Wir machen keine Trends, wir können höchstens vorhandene Trends verstärken.“
Judith versank in dem riesigen Ledersessel vor seinem Schreibtisch. Während er Kaffee orderte, zündete sie sich eine Zigarette an. Als Pfeifenraucher hatte er nichts dagegen, wenn auch während der beiden täglichen Konferenzen merkwürdigerweise immer noch das Rauchverbot in Kraft war, das sein seit drei Jahren pensionierter Vorgänger verhängt hatte. So haben auch moderne Zeitungen eben ihre Traditionen.
Judith hielt das Gutachten von Dr. Steiner-Wiesemann fest unter den Arm geklemmt. Sie wusste, Rufius würde es nicht lesen wollen. Dazu war auch gar keine Zeit, wenn der Artikel morgen erscheinen sollte. Also referierte sie: „Frau Steiner-Wiesemann ist hoch renommiert. Staatsanwalt Lachmann selbst hat sie einmal als die ,Päpstin der Spurenkunde‘ bezeichnet. Außerdem hat das Landeskriminalamt weder die Aufgabe noch ein berechtigtes Interesse daran, einen Schuldigen herauszupauken. Es muss also etwas dran sein an ihren Ausführungen.“
„Denken Sie denn, dieser Volker Schmidt ist unschuldig?“
„Das will ich nicht sagen“, gestand Judith, „dafür weiß ich noch nicht genug über die anderen Indizien. Ich meine nur, der angeblich so todsichere, wissenschaftliche Beweis, der ihn nach fünf Jahren hinter Gitter brachte, ist im sechsten Jahr nach der Tat keineswegs unumstritten.“
„Okay, was meint denn diese ... wie heißt sie noch?“
„Steiner-Wiesemann, Dr. Erika Steiner-Wiesemann. Sie geht davon aus, dass die Rückschlüsse, die der Physiker aus seiner Analyse zieht, falsch sind. Sie behauptet sogar, dass er die fundamentalsten Gesetze der Spurenkunde missachtet habe.“
„Steht das wörtlich so in diesem Gutachten?“
„Ja, und es wird auch belegt.“
„Ist ja interessant. Haben Sie ein paar Beispiele parat?“ Rufius schien schon jetzt Feuer und Flamme. Judith erzählte ihm, dass die Gutachterin des Landeskriminalamtes ihrem Kollegen geradezu eklatante Fehler nachweise: „Da ist von einer blauen Wollfaser vom Bommel einer Folkloretasche die Rede, die auf der Leiche lag. Steiner-Wiesemann hat festgestellt, dass die Tasche jedoch komplett aus Kunststoffgarnen gefertigt wurde.“
„Aber das wäre ja abenteuerlich fahrlässig.“
„Das kann man wohl sagen, es ist jedoch noch längst nicht alles. Alle Spuren, die Dr. Mundt mit dieser Laser-Mikrosonden-Massenanalyse ausgewertet hat, sind schon 1982 unter die Lupe genommen worden. Steiner-Wiesemann war damals der Meinung, sie seien nicht dazu angetan, Volker Schmidt zu überführen – und sie ist es immer noch.“
„Und wie belegt sie das?“, erkundigte sich Rufius.
Judith breitete nur zu gern die Ergebnisse ihrer nächtlichen Studien aus: „Da sind zum Beispiel die beiden Katzenhaare, die an der Leiche von Daria Hillner festgestellt wurden.“
„Hatte Schmidt eine Katze?“
„Ja, eine schwarze. Die Haare an der Toten aber stammen von einer Tigerkatze. Katzenhaare kann man sich überall einfangen, in der Reinigung, oder auch anderswo. Ich bin überzeugt, wenn Ihr Anzug von Spurenkundlern untersucht würde, fänden die bestimmt Haare von Mao und Li – nur weil ich jetzt hier bei Ihnen sitze. Oder möglicherweise könnte man sogar noch andere finden, die Sie von irgendwo her eingeschleppt haben. Es reicht, wenn das Kleidungsstück eines Katzenhalters neben dem Ihrem hängt – beispielsweise neben Ihrem Mantel in der Theatergarderobe oder im Restaurant.“
Judith dozierte nicht allein über Erkenntnisse von Erika Steiner-Wiesemann. Schließlich war sie selbst Expertin? auf diesem Gebiet und durfte sich im Gerichtssaal nie neben einen Kollegen setzen, der an einer Allergie gegen Katzenhaare litt. Es bestand sonst Gefahr, dass er einen Asthma-Anfall bekam.
„Aber da war doch noch von einer Jeansfaser die Rede. Was ist denn mit der?“
Kein Wunder, dass Rufius sie ausgerechnet auf dieses schlagzeilenträchtige Indiz ansprach. Das berühmte Zwölftausendstel dieser Faser sollte schließlich Volker Schmidt überführen. So hatten Reiser und Lachmann es vor rund einem Jahr in der Pressekonferenz dargelegt, und so hatte es nicht nur Uli Sol geschrieben.
„Gut, dass Sie darauf zu sprechen kommen. Auch dafür hat das Landeskriminalamt eine Erklärung. Die Faser könne über den Kinderwagen der Hillners an Schmidts Kleidung geraten sein. Daria stellte ihn häufig im Hausflur, direkt unter den Briefkästen ab. Jeder Mithausbewohner könnte leicht damit in Kontakt gekommen sein.“
„Aber wurde die Faser nicht an der Innenseite seiner Hose gefunden?“, gab Rufius zu bedenken.
„Das ist zwar richtig, aber auch dafür gibt es laut Steiner-Wiesemann etliche Erklärungen. Beispielsweise sei es durchaus möglich, dass Volker Schmidt sein Hemd in die Hose gestopft und so die Faser nach innen übertragen habe. Außerdem ist die Gutachterin felsenfest davon überzeugt: Hätte der Katzenhalter Volker Schmidt, nachdem er Daria Hillner vorher mit einem Messer die Kleider vom Leib getrennt hatte, Kontakt mit der nackten Leiche gehabt – wie Dr. Mundt schlussfolgert – so hätten sich zwangsläufig einerseits an der Leiche wesentlich mehr als zwei Katzenhaare befinden müssen und andererseits an seiner Kleidung wesentlich mehr pinkfarbene Fasern von Darias Jeanshose.“
„Was meinen Sie? Ist das nicht Haarspalterei?“ Rufius zeigte sich erstmals skeptisch. Jeansfasern und Katzenhaare überstiegen sein Vorstellungsvermögen. Judith konnte das nachvollziehen: „Ich weiß auch nicht“, räumte sie ein, „aber da gibt es so vieles, was ich mir noch nicht erklären kann. Beispielsweise wurde nicht ein einziger Fingerabdruck von Volker Schmidt in der Wohnung der Hillners gefunden, obwohl sich der Täter dort längere Zeit aufgehalten haben muss. Die Messer stammen aus der Penthouse-Küche und die Bänder, mit denen die Tote an die Bettpfosten gefesselt war, gehören zu Tennisschuhen von Julius Hillner, die offensichtlich auf der Terrasse abgestellt waren.“
Rufius schüttelte den Kopf. „Unglaublich“, sagte er und fügte vorsichtig fragend hinzu: „Ist das eine Exklusivgeschichte?“
„Klar.“ Judith wusste nun, dass sie gewonnen hatte. „Deshalb wollte ich doch vorher mit Ihnen sprechen. Wenn sich jemand damit in die Nesseln setzt, dann nur wir ganz allein.“
„Na, dann an die Arbeit.“
Judith war schon an der Tür, als ihr einfiel, dass sie ihm ja noch ein Bonbon vorenthalten hatte: „Übrigens, Dr. Mergentheim will die Erstellung eines genetischen Fingerabdrucks von Schmidt beantragen und der Angeklagte ist einverstanden.“
„Das ist ja ein Hammer. Wer so etwas tut, ist entweder verrückt oder unschuldig.“
„Sag ich doch“, strahlte Judith und ging aus der Tür.
Erst im Treppenhaus kam ihr das Erstaunliche ihrer letzten Bemerkung zum Bewusstsein, und sie fragte sich, warum sie sich auf einmal so sicher schien. Die Schlagzeile hatte sie bereits im Kopf: „LKA-Gutachten erschüttert Mordanklage im Fall Hillner“. Bei Manfred Lachmann würde sie sich damit nicht gerade beliebt machen. Bisher waren sie immer gut miteinander ausgekommen. Wie Dr. Mergentheim hielt auch sie ihn für einen fairen Staatsanwalt.
Diese Meinung wurde auch nicht erschüttert, als kurz darauf Mergentheim anrief: „Stellen Sie sich vor, ich habe soeben Nachricht von Lachmann bekommen. Er hat sich bei der Universität schlaugemacht. Es ist kein Sperma mehr vorhanden. Kein genetischer Fingerabdruck also.“
Judith konnte es kaum fassen: „Wollen Sie damit sagen, die haben alles vernichtet, obwohl sie darauf aus waren, einen Prozess zu führen?“
„Vernichtet nicht, aber nicht sachgemäß aufbewahrt. Die Kühlung wurde mehrfach unterbrochen. Außerdem ist da noch etwas. Es betrifft die Katzenhaare, von denen Sie so beeindruckt waren. Bei Schmidt wurde damals eine rote Decke als Beweisstück Nummer 21 beschlagnahmt. Es handelte sich um die Decke, auf der die Katze immer lag. Halten Sie sich fest: Die Decke ist verschwunden – und die Katze natürlich längst verstorben. Nun lassen sich die Katzenhaare von der Leiche mit denen von Volker Schmidts Katze nicht mehr vergleichen. Eine verdammte Scheiße ist das.“
Was die Katzenhaare anbetraf, so war Judith keineswegs entmutigt: „Unsinn. Es wissen doch bestimmt jede Menge Leute, dass Schmidt eine schwarze Katze hatte und keine getigerte.“
„Und wenn nun jemand behauptet, seine Katze hätte doch ein paar gebänderte Haare gehabt, oder wie das im Gutachten heißt?“
Judith lachte. Bei Katzen kannte sich Mergentheim nicht aus. Wie alle Jäger war er mehr ein Hundetyp.
Aber davon einmal abgesehen kam ihr die ganze Geschichte merkwürdig vor: „Welche Erklärung gibt es denn für das Verschwinden der Decke?“
„Gar keine. Das ist es ja. Das Ding ist einfach weg. Lachmann meint, das Ganze hätte keine Bedeutung, denn die Decke sei ja ursprünglich nicht wegen der Katzenhaare sichergestellt worden, sondern weil sie rot gewesen sei und man ausschließen wollte, dass sie als Ursache für die an Schmidts Hose gefundene Faser infrage komme.“
„So ein Quatsch, ich denke, die Jeansfaser war pinkfarben. Und außerdem wird man doch wohl eine Jeansfaser von der einer Wolldecke unterscheiden können.“
„Dass ich nicht lache“, konterte Mergentheim, „dann denken Sie mal an den Bommel der Folkloretasche.“
In Judiths Kopf klingelten die Alarmglocken: „Glauben Sie, dass jemand an der Beweislage dreht – jemand, der unbedingt recht behalten will?“
„Von Lachmann kann ich mir das jedenfalls nicht vorstellen, aber warten wir’s ab.“ Mergentheims Abschiedsgruß fiel mehr als freundlich aus, nachdem er erfahren hatte, dass der Generalanzeiger morgen Judiths Geschichte über das LKA-Gutachten als Aufmacher drucken würde. „Tschüss, ich freue mich darauf, dass wir uns morgen bei Gericht sehen.“
Überhaupt schien heute Freundlichkeit angesagt. Ganz allgemein und den ganzen Tag. Selbst Robert war wider Erwarten offenbar angesteckt. Keine Frage nach dem gestrigen Abend. Nicht einmal die übliche Feststellung: „Das hat ja lange gedauert.“