Читать книгу Comanchen Mond Band 3 - G. D. Brademann - Страница 10

3. Kapitel

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Das Erste, was sie sahen, waren hohe Felsen, von denen an einer Stelle ein kleiner Wasserfall aus etwa fünfzehn Fuß Höhe herunterstürzte. Der Bach, dem sie gefolgt waren, musste hier oben seinen Ursprung haben. Durch einen Erdrutsch war auf einer Seite eine halbkreisförmige, mannshohe Barriere durch heruntergestürzte Felsen und Böschung entstanden. Ein Teich, den der Wasserfall bildete, hatte sich tief ins Gelände eingegraben und spülte an einer Stelle darüber hinweg, steil abwärts zu einem rauschenden Bach werdend. Hier musste vor nicht allzu langer Zeit ein mächtiger Sturm gewütet haben. Die Lücken in der natürlichen Barriere hatte jemand mit groben Ästen und Steinen ausgefüllt und weitere dicht belaubte Baumstämme so geschickt angeordnet, dass das jetzt wie eine Umzäunung wirkte. Zwischen dem Ganzen lagen große Felsbrocken, die ebenfalls von dem Unwetter stammen mussten, und verfestigten somit die Barriere.

Davor hielt Light-Cloud nun an. Summer-Rain reckte sich auf ihrem Pferd empor, bis sie auf die andere Seite hinübersehen konnte. Plötzlich schnappte sie nach Luft. Storm-Rider, der es ihr nachgemacht hatte, stieß einen überraschten Ruf aus. Light-Cloud ließ sich, über das ganze Gesicht strahlend, von seinem Mustang gleiten. Die beiden anderen saßen ebenfalls ab und folgten ihm. An einem der Felsbrocken blieb er stehen und wies nach oben. Sie brauchten keine besondere Aufforderung. Im nächsten Moment hatten sie ihn erklommen und blickten nun von dort aus in die weitläufige Umgrenzung hinein. In dem so geschaffenen Freiraum war das Gras hinten an den Felsen niedergetrampelt. Etwa 15 Schritte seitlich von dem Wasserfall entfernt befand sich eine kleine Nische. Dort lagen Decken und trockenes Holz aufgestapelt.

Summer-Rain wandte sich zu ihrem Bruder um und rief überrascht: „Black-Fire!“

Light-Cloud schaute erst sie an, dann den Mustang, der wie festgewachsen neben dem Wasserfall stand. Die Ohren aufgestellt, jeden Moment zur Flucht bereit, starrte er zu ihnen herüber.

„Ich hab mir schon gedacht, dass du ihn kennst“, sagte er schleppend, den Kopf bedächtig schüttelnd und mit besorgtem Blick. „Er trug dein Zeichen, als ich ihn fand. Und das, kleine Schwester, konnte ich mir nun überhaupt nicht erklären.“

Storm-Rider blickte Summer-Rain an, und sein Gesicht verfinsterte sich. ‚Was kommt jetzt wieder für ein Geheimnis ans Licht?‘, schien sein Blick sie zu fragen. Bevor sie etwas sagen konnte, wandte er sich mit gerunzelter Stirn an Light-Cloud. „Was ist mit ihm passiert?“, wollte er wissen; das Schicksal des Pferdes interessierte ihn zuallererst.

„Jemand von den weißen Männern hat ihn angeschossen. Er war halbtot; ich fand ihn in der Nacht, als der Mond nicht schien. Dort, wo du die kleine Nische siehst, lag er, um zu sterben.“ Damit war alles gesagt. Light-Cloud kletterte einfach über den Felsbrocken auf die andere Seite.

Storm-Riders Miene entspannte sich etwas, als er sah, dass Summer-Rain sich verstohlen eine Träne aus den Augen wischte. Er hielt sie zurück, bevor sie Light-Cloud hinunter folgen konnte.

„Was ist das für ein Zeichen, von dem du behauptest, es wäre ihres? Und wieso kennst sie diesen Mustang?“, wandte er sich an ihren Bruder, nicht an sie.

Summer-Rain biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste genau, dass er es ihr übel nahm, nichts davon zu wissen. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, ihm gesagt, dass das nicht seine Sache war; über ihre Vergangenheit war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. Die Lippen fest aufeinandergepresst, starrte sie an ihm vorbei auf Black-Fire.

Light-Cloud hatte wohl die Verstimmung zwischen ihnen bemerkt. Er verstand durchaus Storm-Riders Ärger, doch sie war seine kleine Schwester, und sein Beschützerinstinkt meldete sich. Da griff er in sein Lederhemd und holte ein rotes Band hervor.

Summer-Rains Mund öffnete sich, es kam jedoch nur ein erstauntes „Oh“ heraus.

Auf Storm-Riders Stirn vertieften sich die Falten.

„Das war in seine Mähne geflochten, Schwester“, stellte Light-Cloud sachlich fest. Mit dem Daumen auf den Mustang deutend, der ihnen jetzt sein Hinterteil zuwandte, sagte er aufgebracht: „Was hast du dir nur dabei gedacht? Ein solches Pferd wie das da, hätte dich umbringen können!“

Eine heiße Welle überspülte sie, aber das war kein Schuldgefühl; sie war einfach nur wütend. „Wenn du das sagst, klingt das, als hätte ich etwas Unüberlegtes getan, und das stimmt so nicht.“

„Dann erklär es mir, Schwester!“

Sie tat es, indem sie sagte: „Weiße Männer hatten ihn und zwei seiner Stuten eingefangen und in eine Falle gesperrt. Es war nicht gefährlich, sie daraus zu befreien. Wie ihr seht, hat er mir nichts getan, denn ich lebe ja noch.“

Storm-Riders Stirn glättete sich. Er sah sie an, als überlegte er gerade, ob er sie für diese freche Antwort bestrafen sollte. Seine Finger öffneten und schlossen sich, aber er beließ sie auf dem Felsen. „Manchmal erstaunst du mich so, dass es richtig wehtut, Summer-Rain“, brachte er nur gequält heraus. Den Mund säuerlich verzogen, drehte er sich zu Light-Cloud um. „Leichtsinnig und unvernünftig – du hättest keine acht Pferde für sie fordern dürfen, Schwager. Eines wäre noch zu viel gewesen. Statt dass ich für sie bezahlen musste, hättest du mich dafür bezahlen sollen, dass ich sie dir abnehme.“

Summer-Rains Herz stockte. Dann sah sie seinen Gesichtsausdruck und wusste, dass er das nicht ernst meinen konnte; doch sie schwieg jetzt lieber. Light-Cloud erwiderte nichts auf Storm-Riders Worte, sondern blickte ihn nur stirnrunzelnd an. Er dachte sogar kurz, genau wie Summer-Rain, er meinte es ernst. Ohne weitere Aufklärung, was das Pferd betraf, machte er einige Schritte in die Umzäunung und auf den Mustang zu.

Nach seiner kurzen Erklärung wussten Storm-Rider und Summer-Rain sofort, was sich hier abgespielt haben musste. Light-Cloud war nicht nur ein Pferdekenner, er kannte sich auch mit ihrer Heilung aus. Damit der Mustang ihm nicht vorzeitig entkommen konnte, musste er die Barriere aufgebaut haben. Jetzt, ihnen immer noch sein Hinterteil zeigend, lief das Pferd vor der Felsenwand auf und ab. Erdklumpen flogen hoch, während er wütend auskeilte. Die Ohren flach nach hinten gelegt, schnaufte er stoßweise; seine ganze Haltung war eine einzige Drohung.

Summer-Rain ließ sich vom Felsen gleiten, Storm-Rider folgte ihr, hielt sie am Arm fest, aber sie würde sich nichts von ihm sagen lassen. Er erkannte das, zögerte kurz, dann ließ er sie los. Diese wenigen Bewegungen hatten genügt, um die Aufmerksamkeit des Mustangs auf sie zu lenken. Er wendete den Kopf und schaute zu ihr hin. Dann machte er weiter, doch etwas hatte sich an seiner Haltung verändert. Storm-Rider und Light-Cloud sahen das sofort. Die Körpersprache des Mustangs war unverkennbar.

„Ich glaube, er wartet darauf, dass du auf ihn zugehst.“ Light-Cloud hatte das tatsächlich genau so gesagt. Summer-Rain wusste bereits, dass es stimmte. Es jedoch aus seinem Mund zu hören, war ein großes Zugeständnis.

„Ich hab mich lange mit ihm beschäftigt.“ Light-Cloud stand still, streckte die offene Handfläche aus. „Eigentlich müsste er jetzt zu mir schauen, aber er interessiert sich nicht für mich.“

Black-Fire hörte mit dem Hin- und Her-Gelaufe auf, stand wieder mit dem Hinterteil zu ihnen. Nur sein Kopf wanderte ein Stück zur Seite, das Spiel seiner Ohren in ihre Richtung.

„Ich habe ihm zwei Kugeln aus dem Rücken geholt“, sagte Light-Cloud zu ihm hin. „Die Wunde war bereits vereitert. Dankbarkeit sieht anders aus.“ Er machte noch einen Schritt und noch einen auf den Mustang zu, dann stand er still. Der Hengst rührte sich lange nicht. Dann endlich drehte er sich zu ihnen um, die Ohren nach vorn gerichtet. Sie hatten seine volle Aufmerksamkeit.

„Black-Fire.“ Summer-Rains Stimme – genau wie damals.

Etwas ging in ihm vor – seine Ohren bewegten sich zu ihr hin. Erinnerte er sich?

Light-Cloud wechselte einen fragenden Blick mit Storm-Rider. Black-Fire machte einen Schritt rückwärts – Light-Cloud, ihm seinen Körper zugewandt, bedeutete Summer-Rain durch Handzeichen, zu ihm zu gehen – aber langsam.

Sie hatte das ohnehin vor. „Komm, mein Schöner, komm.“ Ihre Stimme – leise, lockend – war fest. Sie zeigte nicht die geringste Unsicherheit. „Du hast mich nicht vergessen, ich weiß das. Zeig es mir, komm, zeig es mir.“ Sie ging an Light-Cloud vorbei, der kurz die Luft anhielt, als er sah, wie der Mustang fluchtbereit eines seiner Vorderbeine anwinkelte, doch Summer-Rain machte weitere Schritte auf ihn zu; ein Ohr des schönen Tieres zeigte nach vorn, das andere nach hinten. Light-Cloud und Storm-Rider ließen ihn und Summer-Rain nicht aus den Augen.

Eine Bewegung des Pferdes ließ Summer-Rain zur Seite blicken, zu Light-Cloud. Mit einem Finger bedeutete sie ihm: Geh zurück. Er machte es – langsam, ohne zu zögern – und beide Ohren des Hengstes gingen nach vorn. Light-Clouds Gesichtsausdruck zu Storm-Rider hin sagte: Sie ist verrückt geworden.

„Schau mich an, Black-Fire, schau mich an.“ Summer-Rain ging weiter auf ihn zu, beruhigte ihn mit ihrer Stimme, mit ihrer offen ihm entgegengestreckten Hand. Black-Fire entspannte sich. Das war die Stimme von damals – ihre Stimme, ihr Geruch – und er erinnerte sich, denn Pferde vergessen niemals.

Rückwärts gehend überließ Light-Cloud ihn seiner Schwester. Er erreichte Storm-Rider, der ihm zuflüsterte: „Ein Mustang vergisst nichts. Schau sie dir an, er wird ihr nichts tun.“

„Eigentlich gehört er ja mir“, flüsterte Light-Cloud ein wenig enttäuscht zurück. „Wo ich mir doch so viel Mühe mit ihm gegeben habe.“

„Wenn sie ihn reitet, gehört er ihr. Außerdem hast du ja selbst gesagt, dass du eine Überraschung für Summer-Rain hast.“

„Ja, das habe ich gesagt, doch die Entscheidung darüber wollte ich dir überlassen. Sie wird ihn reiten – wart es ab“, kam es jetzt doch stolz aus Light-Clouds Mund.

Es sah ganz danach aus. Gegen den Fels gelehnt beobachteten beide Männer, wie der Mustang mit geschlossenem, leerem Maul zu kauen begann. Sein leicht angehobener Schweif pendelte ruhig hin und her. Die Ohren hatte er nach vorn auf Summer-Rain gerichtet. Er schenkte nur ihr seine volle Aufmerksamkeit. Es war keine Anspannung mehr zu erkennen – ja, wenn man sich mit Pferden auskannte, dann sah man so etwas wie ein Lächeln bei ihm.

Summer-Rain atmete auf und machte drei, vier Schritte auf ihn zu. Dann verhielt sie, redete, tat noch einmal vier kleine Schritte auf ihn zu und redete ununterbrochen. Hoch aufgerichtet stand sie da, während er unruhig hin- und herlief. Sie blieb stehen und folgte ihm nicht, machte auch keine Anstalten, auch nur einen einzigen Schritt weiter auf ihn zuzugehen. Sie hatte aufgehört zu reden. Dann drehte sie sich um, zeigte ihm ihren Rücken und ging langsam zurück. Wieder blieb sie stehen, ging weiter zurück, blieb wieder stehen, halb von ihm abgewandt. Schritt für Schritt erneut zurückgehend, lauschte sie auf seine Reaktion. Er stand jetzt still. Seine Flanken bebten, und die Augen folgten ihr – neugierig, aber aufmerksam. Zögernd hob er ein Bein, stellte es wieder auf den Boden, scharrte, scharrte und scharrte.

Summer-Rain war abermals stehengeblieben, da machte er einen Schritt in ihre Richtung – und den zweiten. Sie drehte sich zu ihm hin, dann wieder von ihm weg und ging weiter. Sie hielt an, ihm den Rücken zukehrend. Sacht mit einem Finger gegen ihren Oberschenkel klopfend, wartete sie ab. Dann lockte sie ihn sanft, bewegte die Hand zur Seite, machte ihn neugierig und wartete, wartete, wartete.

Nur einige Singvögel und der Wind in den Bäumen waren zu hören. Black-Fires Nüstern blähten sich – seine Nasenlöcher zogen sich nach vorn und nach oben. Er öffnete das Maul ein kleines Stück, die Ohren nach vorn gerichtet. Das Bein, mit dem er gerade einen weiteren Schritt auf sie zu gemacht hatte, scharrte erneut auf dem Boden; noch immer zögerte er. Dann ging er einen Schritt nach vorn. Vorsichtig setzte er einen Huf nach dem anderen auf, prustete, schnaufte, hob den Kopf, suchte den Platz vor sich ab: Alles gut! Die beiden Männer hatten sich unsichtbar zurückgezogen und stellten keine Gefahr dar; das wusste er.

Summer-Rain hörte ihn. Sich zu einem regelmäßigen Atmen zwingend, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, wartete sie. Black-Fire, dem die Menschen so viel Leid angetan hatten, ging weiter auf sie zu.

Hinter der Begrenzung verzog Light-Cloud das Gesicht. Wenn man jemandem dabei zusieht, was man selbst bereits hundertmal gemacht hat, fallen einem Dinge auf, die man besser machen konnte. So ging es auch ihm. Doch jetzt war er dazu verdammt, nur still zuzusehen – Storm- Rider empfand es nicht anders.

Summer-Rain ging langsam, kleine Schritte machend, weiter, schlug einen Bogen, um diesen Mustang, diesen wunderschönen Mustang nicht zu bedrängen.

Und dann kam er – trottete hinter ihr her, als wäre das schon immer so gewesen. Stand hinter ihr, ruhig und entspannt, einfach so. Sie drehte sich um, und da neigte sich sein Kopf vertrauensvoll zu ihr hinunter; sie war ja sein Menschenpferd – ihren Geruch hatte er noch in Erinnerung.

Summer-Rain streckte ihm die Hand entgegen und legte sie ihm zwischen die Augen. Mit ruhigen Bewegungen glitt ihre geöffnete Handfläche weiter bis über seine weichen Nüstern, berührte das samtene, behaarte Maul. Sich ein wenig auf die Zehenspitzen stellend, suchte sie den Blick seiner großen dunklen Augen. Nachtblau – sie waren nachtblau.

So standen sie beieinander, bis die Zeit da war, ihm ihren Kopf einfach an den Hals zu legen. Tränen rannen ihr die Wangen hinunter, unaufhörlich tropften sie auf sein schwarzes, struppiges, verfilztes Fell.

„Black-Fire“, kam es leise von ihr zu ihm. Ein schüchternes Annähern, mehr nicht. „Black-Fire.“ Er atmete ihren Geruch, den Kopf lang ausgestreckt, die Nüstern gebläht. Sie konnte nicht aufhören, ihm Liebkosungen zuzuflüstern, konnte nicht aufhören, ihn zu berühren. Endlich rieb er seinen Kopf an ihrer Schulter, verharrte kurz, dann tänzelte er behutsam zurück. Plötzlich, den Kopf hochreißend, entrang sich seiner Kehle ein Schrei, der tief aus seinem Innersten kam. All den Schmerz, den er durch Menschenhand erlitten hatte, legte er in diesen Ruf. Doch in seinem Innersten keimte etwas so Unbekanntes, Neues auf, dass sie es in seinen Augen sehen konnte. Dunkle Wimpern senkten sich über diese Augen, und als er sie wieder öffnete, erkannte sie ihr Spiegelbild darin.

Noch einmal stieß er diesen Ruf aus, seine Mähne dabei heftig schüttelnd. Sein Schweif peitschte den Boden, und er schlug, steigend, wild mit den Vorderbeinen in die Luft. Summer-Rain blieb vor ihm stehen, rührte sich nicht einen Fingerbreit. Sie konnte den Luftzug spüren, den seine Vorderbeine verursachten, sein Atem streifte ihr Gesicht, doch sie blieb. Black-Fire, erkannte sie in diesem Moment, würde immer nur so viel Nähe zulassen, wie er es selbst wollte – damit konnte sie leben.

Da fiel ihr Blick auf die beiden Männer, die hinter der Begrenzung standen.

„Lass es für heute genug sein, Summer-Rain“, rief ihr Bruder sichtlich stolz zu ihr hinüber. Was sie da eben gezeigt hatte, war unglaublich. „Sie sollte nicht gleich zu viel von ihm verlangen“, meinte er zu Storm-Rider, fast entschuldigend.

Wenig später kam auch Summer-Rain zu ihnen. Black-Fire stand noch immer dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte, den Hals etwas vorgestreckt und mit lebhaftem Ohrenspiel.

„Wem gehört das Pferd denn jetzt?“, wollte Storm-Rider mit einem Lächeln wissen, sich an Light-Cloud wendend.

„Ich hab doch gesagt, wenn sie ihn reiten kann, gehört er ihr. Aber nur, wenn du nichts dagegen hast.“

„Und ihr denkt, ich kann das nicht?“, mischte sich Summer-Rain etwas verärgert ein.

Keiner antwortete. Storm-Rider zog lediglich die Schultern hoch, Light-Cloud musterte sie abschätzend. „Wenn du ihn reiten kannst, gehört er dir oder Storm-Rider“, sagte er mit der Betonung auf wenn. „Wenn ich ihn nicht reiten kann, wird es kein anderer können.“Das war mal eine klare Ansage.

„Oho, du wagst dich weit vor, Schwester!“ Light-Cloud kniff wissend die Augen zusammen. „Du wirst ihn vielleicht reiten können, aber nicht beherrschen – er wird tun, was er will; glaub mir, ich kenne mich damit aus. So einer wie der lässt sich nicht auf ein Bündnis mit einem Menschen ein, dafür hat er zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Du wirst sehr, sehr lange brauchen, um Freude an ihm zu haben.“

Erstaunlicherweise nickte sie. Dann kam es etwas kleinlaut: „Ich werde ihn reiten. Doch es wird viel Zeit brauchen, um ein grenzenloses Vertrauen zu ihm aufzubauen. Vielleicht wird er ja nur mein Freund werden, nicht mein Bruder.“

Comanchenworte – wahre Worte.

„Gut, wenn dir das klar ist, Summer-Rain, und du den Unterschied kennst“, meinte jetzt Storm-Rider. „Wenn du ihn unter diesen Umständen immer noch willst, soll es so sein. Du hast ihm ja schon dein Zeichen in die Mähne geflochten.“

Light-Cloud war einverstanden und nickte. Es wurde langsam Nacht und die untergehende Sonne ließ seine Haare rötlich schimmern. Als er sein Pferd rief, kam es heran und er schwang sich auf seinen Rücken, während er Storm-Rider noch zurief: „Ich denke, ihr kommt ganz gut ohne mich zurecht. Ihr könnt meine Decken haben, die dort bei den Felsen liegen. Brennholz ist auch noch da. Ich sage Großmutter Bescheid – nicht, dass sie sich noch Sorgen macht, weil ihr euer neues Zuhause nicht einweiht.“

Jetzt lachte er über das hagere, von den Strapazen der letzten Zeit gezeichnete Gesicht. Die Sonne brach durch die Bäume und ließ erneut seine Haare wie reife Kastanien leuchten. In seinem Gesicht erschien ein weicher Zug, während er seine Schwester betrachtete, wie sie da vor ihm stand – so jung, so überaus jung. „Sie wird über euer Fortbleiben nicht gerade erfreut sein. Sie, Dark-Night und deine Mutter, Storm-Rider, haben sich bereits um die Gegenstände gestritten, die in euer Tipi kommen sollen. Wundert euch also nicht, wenn es so vollgestopft von all diesen Sachen ist, dass ihr euch kaum noch rühren könnt.“

Bevor jemand Einspruch erheben konnte, griff er sich die Appaloosa-Stute. „Noch etwas: Ich nehme die Palouse hier mit. Schließlich musst du dich um den Hengst mit dem Aschehaufen auf dem Hintern kümmern und hast keine Zeit für sie. Überlass ihre gute Erziehung also getrost mir, deinem großen Bruder, Summer-Rain, der richtig was davon versteht!“

„Aber um Summer-Wind darf ich mich noch selbst kümmern, ja?“ Storm-Rider hatte einen Augenblick gebraucht, um sich aus seiner Sprachlosigkeit zu lösen. „Gib mir deinen Bogen, Schwager, und die Pfeile, die du bei dir hast. Ich muss meine Ehefrau ernähren, wenn das hier länger dauert. Das konnte ich ja nicht ahnen, als wir losgeritten sind. Was die Stute betrifft, wirst du die schön zu meiner Herde bringen und weiter nichts mit ihr tun.“ Er machte eine fordernde Handbewegung. Light-Cloud reichte ihm das Gewünschte mit einem übertrieben beleidigten Gesicht.

„Wenn es um Pferde geht, bin ich ein vorsichtiger Mann – auch bei dir, Light-Cloud“, sagte Storm-Rider. „Besonders bei dir“, setzte er nach.

„Ich hätte neun Pferde verlangen sollen“, rief ihm Light-Cloud von seinem Pferd aus zu, doch es klang überaus belustigt. Damit wendete er sein Pferd und verließ die beiden, die Appaloosa-Stute im Schlepp. Schade, dachte er, sich Storm-Riders Worte durch den Kopf gehen lassend. Schade, aber er hat ja recht. Ein Mann wie er kümmert sich selbst um die Dinge, die seine Ehefrau und seine Mustangs betreffen. In dieser Reihenfolge. Ich habe da wohl nichts mehr zu sagen. Dann dachte er daran, welche Schwierigkeiten auf Summer-Rain zukamen.

Wenn ein junger Krieger einen Mustang zähmen wollte, dann verband man beide mit einem Rohlederriemen und schickte sie hinaus in die Prärie. Es wurde vorausgesetzt, dass er nach einigen Tagen zurück-geritten kam – oder mit der Schande, versagt zu haben, leben musste.

Wie lange wohl würde es bei Black-Fire dauern, bis sie ihn reiten konnte? Wenn überhaupt! Er hatte da seine Zweifel. Das kleinste Missverständnis, der winzigste Fehler konnte alles wieder zunichtemachen. Pferde vergaßen nie. Es ging vor allem darum, Vertrauen aufzubauen, ein bleibendes dickes Band aus vielen kleinen zu flechten, das auch in den schwierigsten Situationen halten musste. Wie viel das Pferd jetzt lernen würde, war bei den ersten Bändern nicht wirklich wichtig. Wichtig allein war das Verstehen untereinander, um behutsam weitere Bänder zu flechten – und das erreichte man nur mit gegenseitigem Respekt.

Es brauchte Zeit – viel Zeit. Zu allererst aber musste sie ihn reiten können. Was danach aus ihm wurde, ein Kriegspony oder ein Gebrauchspferd, das würde sich zeigen müssen. So wäre es gewesen, wenn Black-Fire ein gewöhnlicher Mustang wäre. Light-Cloud jedoch wusste, dass das nicht so war. Dieser Hengst würde für beides nicht zu gebrauchen sein.

Mit diesen Gedanken im Kopf ritt Light-Cloud, die Palouse im Schlepp, zurück in ihr Lager.

Comanchen Mond Band 3

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