Читать книгу Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse - Страница 10
Оглавление3. Das Gerippe des bulligen Zwerges
67 nach Christus - Winter (28. Januarius)
Imperium Romanum – Provinz Lugdunensis
Vindex begann ohne Umschweife seine Vorstellungen zu benennen.
„Ich brachte insgesamt siebzehn Männer und meinen noch jungen Sohn, du hast ihn die ganze Zeit als Bedienung neben dir gespürt, mit aus Rom. Die Zahl notwendiger Gehilfen im neuen Amt wurde von mir unterschätzt. Sieben Männer meines Vertrauens begleiteten mich und zehn weitere dienen meinem unmittelbaren Schutz, natürlich neben den Liktoren, die ich nicht zähle…“
Umbrenus, obzwar mit seiner Berufung überrascht, fand sich schnell zurecht und hörte dem neuen Statthalter aufmerksam zu.
„Weil Belinarius in meiner Nähe bleibt, um mich in allen Dingen zu beraten, verbleiben mir nur sechs vertrauensvolle Männer für wichtige Ämter. Brauchen werde ich aber acht, die dann deiner Anleitung unterstehen… Dies bedeutet, dass mir zumindest zwei gute Männer fehlen, die ich aus dem Kreis der bisherigen Amtsträger wählen sollte… Dieser Auswahl diente das zuvor geführte Treffen, womit ich beabsichtigte, mich auf die zuvor verabschiedeten Männer zu begrenzen… “
Umbrenus nickte nur. Er schwieg bis er glauben durfte, dass der Statthalter seine Vorstellungen ausgesprochen hatte.
„Mein Vorgänger hinterließ eine Vielzahl von Amtsträgern, von denen Einige Rom ehrlich dienten. Andere versuchten aber nur sich die eigenen Taschen zu füllen… Ich will gar nicht von Vetternwirtschaft sprechen oder gar von Bestechung…“ Vindex wartete auf eine zustimmende Geste, erntete aber vorerst nur Schweigen.
„Du wirst acht gute Männer brauchen und diese sollten sich dann auch eigene Gehilfen suchen… Der Rest verbleibender bisheriger Amtsträger wird sich vor Gericht verantworten oder in der übrigen Gesellschaft untertauchen… Deshalb sind einige Dinge erforderlich, die du organisieren musst…“
Das Schweigen und Zuhören des Umbrenus hielt an.
„Unter den Männern, die uns zuvor verließen, benenne drei Männer, die du den übrigen zwei Anderen nicht vorziehen würdest… Die Zwei, dadurch von dir Gewählten, werden die sechs von mir mitgebrachten Römer, in der Zahl der Amtsträger, ergänzen. Diese Acht werden, in deiner Unterstellung, die von mir als erforderlich ausgewählten Ämter besetzen. Also schlage mir die richtigen Männer vor…“
Umbrenus nippte an seinem Weinpokal. „Herr, ist es dann nicht besser, den Mann und dessen Amt abzugleichen, damit nicht ein Falscher einer Verpflichtung folgen muss, die er nie ausfüllen kann?“ warf dieser nach reiflicher Überlegung ein.
Vindex stutzte. „Wie meinst du dies?“
„Welche Vorzüge haben deine Männer? Gibt es einen klugen Mann für die Durchsetzung von Recht und Ordnung, der auch noch über die notwendige Rechtskenntnis verfügt und sich durchsetzen kann? Verteilst du das Amt an den Falschen, wird Chaos auch bei uns einziehen… Sage mir, welche Verantwortungen du erkennst und ordne deine Männer zu! Für die offen stehenden Ämter kann ich dann, aus dem Kreis der zuvor Verabschiedeten, den besten Mann auswählen… Unter diesen fünf Gegangenen befindet sich kein faules Ei, wenn du weißt, was ich meine…“ Umbrenus lächelte Vindex an.
„Das, mein lieber Umbrenus, sehe ich ein. Wir werden uns jedoch zuvor noch einem anderen Umstand widmen müssen…“ Vindex blickte dem kleineren, bulligen Mann in die Augen.
„Herr, ich höre…“
„Jeder von mir aus Rom Mitgebrachte wird irritiert sein, dass ich dich ihm vorziehe! Es macht nur wenig Sinn, fordere ich diese Männer auf, dich zu achten und dir zu folgen, wie sie es mir gegenüber würden… Diese Achtung und die Folgsamkeit musst du dir selbst erzwingen… Auch ist dies keine Sache von nur wenigen Tagen… Kannst du diese Last tragen?“
„Herr, ich scheue mich nicht und will es wagen… Sollte es mir nicht gelingen, dann musst du mich eben ablösen… Du hast mich erwählt, weil ich unter den Kandidaten offensichtlich deinen Vorstellungen am Ehesten entsprach. Ich will mich deiner Wahl würdig erweisen!“
Die Erklärung des Mannes stimmte Vindex zufrieden. Ihm nutzten keine vollmundigen Versprechen, die dann an der ersten Schwierigkeit zerbrachen.
„Faustus, bringe uns Obst und schenke neu ein! Es wird ein langer Abend, bis wir uns über unser Vorgehen abgestimmt haben… Dann, mein Junge, setz dich zu uns und lerne!“
Es vergingen fünf Tage. Schnee fiel, Kälte zog ins Land und dennoch trafen am fünften Tag darauf alle berufenen Männer, ob nun vormalige Amtsträger oder Neuankömmlinge aus Rom, in der Curia ein.
Fast sechzig Personen, zumeist reife oder auch ältere Männer, versammelten sich in Erwartung der Verkündigungen des neuen Statthalters des römischen Kaisers. Das Stimmengewirr beherrschte die Curia, bis Vindex, gefolgt von seinen Beratern, eintraf.
Fast sofort verstummte der Lärm. Vindex bestieg ein niedriges Podest, um von dort zu den Anwesenden zu sprechen.
Zunächst dankte er für das fast vollständige Erscheinen, schilderte seine Berufung in Rom, seine Reise und seine ersten Eindrücke in dieser Provinz. Seinen Worten wurde andächtig gelauscht, hoffte doch jeder auf einen ertragreichen Posten in der neuen Organisation. Vindex stellte nachfolgend, seine von ihm erwählten Amtsträger vor und nannte deren Aufgabenbereich. Damit schuf er klare Abgrenzungen der Ämter, verwies gleichzeitig auf die Männer, die nach ihm, in der Verantwortung standen.
Diesen Teil der Rede nahmen die Zuhörer ohne wesentliche Bekundung auf. Eigentlich brachte nur Umbrenus Benennung verhaltenes Gelächter hervor. Es gab wohl Einige unter den Anwesenden, denen diese Wahl missfiel.
Vindex allerdings spürte, dass wohl die wenig glanzvolle Gestalt des Berufenen zur Heiterkeit herausforderte. Er selbst war sich sicher, dass Umbrenus mit diesen Vorwitzigen gut umgehen konnte. Auf diesen Umstand schloss er, als die Überraschung der Benennung zwar Gelächter auslöste, welches jedoch augenblicklich, als man sich nunmehr der Macht dieses Mannes gegenübersah, in verlegenes Hüsteln überging.
Ein Blick des Statthalters in die Runde der Versammelten zeigte ihm deren erneute Aufmerksamkeit.
Der nächste vorbereitete Akt galt bisherigen Amtsträgern, die Vindex zunächst in ihrer Gesamtheit würdigte, um dann, unmittelbar nach Lobesworten, neun Namen zu verlesen, deren Träger er bat, sich unmittelbar vor ihm zu zeigen.
Die hoffnungsvoll in Erwartung dort Verharrenden traf dann eine Keule, die keiner so erwartet hatte.
„Jedes Amt, meine Freunde, ist nicht nur eine Ehre und Verpflichtung, es bietet auch immense Vorteile! Diese Männer glaubten das Recht zu besitzen, ihr Amt, entgegen Roms Interessen, zum Nachteil der Bürgerschaft und auch des übrigen Volkes, ausnutzen zu können!“
Die von Vindex gemachte Pause öffnete, über seinen dort befindlichen Sohn, eine der großen Türen. Eine Turma der Auxiliaren stürmte den Saal. Vor und hinter den in vorderster Front Stehenden bauten sich Auxiliaren auf. Als Ruhe eintrat, setzte Vindex fort.
„Jeder dieser Männer lud eine Schuld auf sich!“ donnerte er den übrigen Anwesenden entgegen. „Diese Schuld wird in der Folgezeit untersucht und, im Falle einer Bestätigung, zur Bestrafung führen! Decurio, bring die Männer in den Carcer!“
„Herr, ich höre und gehorche!“
Schon kurz darauf war der Spuk verschwunden.
Wieder nahm Vindex das Wort.
„Die zuvor verfügte Vorgehensweise war erforderlich, um den Missbrauch von Amt und Würde einzudämmen! Jeder weitere Amtsträger sollte sich, zu jedem Zeitpunkt, wenn ihn Versuchung ereilen sollte, an diese Vorgehensweise erinnern! Es stimmt mich traurig, mit solcher Härte vorgehen zu müssen. Die bisher aus dem Saal geführten Männer sind eines Verbrechens schuldig und werden, nach der Untersuchung ihrer Taten, angemessen behandelt.“
Vindex Blick glitt über erstarrte, unbewegliche Gesichter.
„Die Männer, nachfolgend von Umbrenus verlesener Namen, treten gleichfalls vor, haben sich aber zu keiner Schuld zu verantworten! Es ist nur so, dass deren Tätigkeit, aus vielfältigen Gründen heraus, beendet ist. Ein Teil dieser Männer beugt hohes Alter, ein anderer Teil erwies sich als nicht geeignet oder nicht ausreichend würdig genug… Anderen fehlte etwas Klugheit im Amt und Weiteren das Vermögen zur Durchsetzung der ihnen verliehenen Macht! Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Männern, die redlich nach der Ausfüllung ihres Amtes strebten, aber aus verschiedenen Gründen nicht dem Erfolg Anderer nacheifern konnten und denen, die ein Amt in unwürdiger Weise ausnutzten.“
Umbrenus verlas die Namen und die Männer traten vor den Legatus Augusti. Vindex reichte jedem der Aufgerufenen den Arm zum Dank, kehrte auf sein Podium zurück und nahm erneut das Wort.
„Unser Dank gilt diesen Männern für stetiges Bemühen! Öffnet das Tor! Geht Freunde, mit der Gewissheit unserer Achtung…“
Erst zögerlich, mancher auch mit hurtigem Schritt, strebten die Entlassenen aus dem Raum. Das Tor schloss sich, hinter dem letzten traurigen Blick zurück in die Curia. Es gab Enttäuschte.
„Das, meine Freunde, war die Bewältigung einer unglückseligen Vergangenheit! Jetzt lasst uns in die Zukunft blicken! Doch bis diese beginnt, ein Wort von mir im Voraus…“ Vindex Blick schweifte durch den Raum. Er sah Erwartungen und fühlte sich deshalb in seinem Vorgehen bestätigt. „Es liegt an uns, uns einen derartigen Abschied zu ersparen… Unser göttlicher Kaiser Nero fordert von mir eine starke, reiche Provinz, die zum Wohle Roms beiträgt, deren Bürger, und auch übrigen Einwohner, glücklich sind und in Frieden leben können… Ich will meinen Teil dazu leisten, kann jedoch nicht alles allein bewirken! Deshalb brauche ich vertrauensvolle Männer, die sich den unterschiedlichen Aufgaben widmen…“
Das Schweigen der Anwesenden zeugte von Bereitschaft. Vindex spürte das Wollen jedes Einzelnen und dies bestärkte ihn in der Fortsetzung seiner Rede.
„Ich will euch die Männer nach mir und an meiner Seite vorstellen, denn nur dann wisst ihr für die Zukunft, an wen ihr euch wenden solltet, braucht ihr Hilfe im Amt…“
Der Akt war schnell vollzogen und die Genannten zeigten sich den Übrigen auf dem Podium.
„Jedem von mir benannten Amtsträger bewillige ich drei Gehilfen, die sich die Männer anschließend unter euch suchen dürfen. Streit wird es nicht geben! Streiten zwei oder mehrere um einen Mann, wählt der Umkämpfte! Kann dieser Mann sich nicht entscheiden, kommt zu Umbrenus und mir! Dann werden wir den Streit schlichten. Für die Männer, die nicht erwählt werden, bedaure ich… Umbrenus wird eure Namen für den Fall erfassen, brauchen wir Nachfolger oder zusätzliche Männer!“ Vindex schwieg einen kleinen Augenblick um sich erneut zu sammeln.
„Bevor ich diesen Tag ansetzte, habe ich mir über jeden einzelnen Mann von euch ein Bild gemacht und euch für würdig befunden, mir dienen zu dürfen… Erhaltet auch dies, gleich wie der Tag für euch ausgeht, in eurer Erinnerung…“
Vindex verließ das Podium. Gefolgt vom Sohn, Masones Felix, Belinarius und Donicus. Sie gelangten in einen Nebenraum, in dem Getränke und eine kleine Mahlzeit aufgebaut waren.
Vindex ließ sich in einen der bereitstehenden Korbsessel fallen, griff eine Orange und schälte diese.
„Herr, du hast da einen gewaltigen Beginn hingelegt…“ erkühnte sich der ältere Präfekt zu behaupten und fand Zustimmung. „Hoffen wir, das unsere Bemühungen besser enden, als deine Abrechnung mit den Entlassenen… “
„War ich zu hart?“ fragte Vindex leise nach.
„Das denke ich nicht!“ warf Belinarius ein und trank aus seinem Pokal. „Es ist nur mitunter so, dass auch ein heftiger Beginn in einer schmählichen Niederlage enden kann…“
„Höre auf, du alte Unke!“ warnte Vindex. „Wir haben eine Pflicht zu erfüllen und gehen nicht auf ein Begräbnis! Sollen Umbrenus und seine Amtsträger die richtigen Männer erwählen. Dann werden wir uns das Haus dieser Provinz gemeinsam erbauen…“
Faustus spürte die Zufriedenheit des Vaters. Ihm wurde bewusst, dass dies, seit dem die Bireme vor Lugdunum anlegte, zum ersten Mal geschah. „Vater, was hast du als Nächstes vor?“ fragte er in die entstandene Pause hinein.
Sofort waren alle Blicke auf ihn gerichtet. In diesem Moment spürte er die Unterschiedlichkeit der Männer.
Der Vater, an die ungebundene und direkte Art des Sohnes gewöhnt, gönnte ihm keinen Blick. Das hieß, schweig unter Erwachsenen. Faustus begriff. Masones Felix Augen verweilten für nur einen kurzen Augenblick auf Faustus Gestalt. Er spürte dessen Vorwurf, der auf seine Jugend und die vorlaute Art seiner Bemerkung abzielte. Masones Felix überging die Bemerkung mit einem Herabziehen der Mundwinkel.
Belinarius Blick verweilte auf ihm, lächelte leicht und spitzte seine Lippen, als würde er ihn anfeuern, fortzusetzen. Dann entspannte sich sein Mund und dafür gefror das Lächeln. Faustus begriff nicht, ob das einer Ablehnung gleichkam oder doch eine Fortsetzung erzwingen sollte.
Ganz anders verhielt sich der ältere Präfekt.
„Was ist es, was du zum Ausdruck bringen möchtest, Sohn des Statthalters? Was erwartest du?“
„Herr, Vater, darf ich sprechen?“ Faustus wandte sich an Vindex.
„Du hast begonnen und der Präfekt scheint neugierig zu sein… Also sage, was du denkst…“
„Ein Volk, eine Provinz lässt sich umso besser beherrschen, kennt man das Land und auch die dort lebenden Menschen, macht sich mit deren Sorgen und Hoffnungen vertraut…“
„Ein kluger Satz, junger Faustus…“ merkte Präfekt Donicus an.
„Wo hast du dies nur aufgeschnappt?“ warf sein Vater ein.
Die Kränkung saß.
„Ich brauche keinen Vorsprecher! Ich habe Augen zum Sehen, Ohren zum Hören und einen Mund sowie eine Zunge zum Sprechen… Ich war auf dem Land und in den Tavernen der Stadt, auf dem Forum und am Flusshafen… Ich habe den Menschen zugehört. Dann begann ich darüber nachzudenken… “
„Verstehst du deren Sprache etwa?“ fragte der Vater erstaunt.
„Natürlich! Mutter und der Lehrer sprachen oft so mit mir und meiner Schwester… Was ist schon dabei…“
„Was ist das Ergebnis deines Denkprozesses, junger Faustus?“ bemühte sich erneut der Präfekt um Sachlichkeit.
„Vater sollte das Land bereisen… Ich sah auf einer Karte, wie weit sich das Gebiet der Provinz erstreckt, welche Städte und Siedlungen es umfasst. Sicher scheint mir, die Sorge der Menschen an der Küste im Norden wird anders sein, als der Einwohner inmitten des Landes oder gar zur Provinz Belgica zu…“ Faustus Blick begann zu schweifen.
„Ich halte den Gedanken deines Sohnes, Herr, für würdig angenommen zu werden…“ unterstützte Belinarius Faustus gewagten Vorstoß.
Auch der Präfekt meldete sich. „Dein Junge hat Schneid, wagt er es doch, unter uns Grauköpfen, einen vernünftigen Vorschlag einzubringen… “ pflichtete Donicus bei.
„Ich habe auch selbst daran gedacht… Nur noch nicht jetzt… Einmal stört mich der Winter, der sich nicht so sehr zum Reisen eignet. Zum Anderen braucht Umbrenus etwas Zeit, seine Amtsträger auszurichten. Er wird es wohl mit Einigen der Männer aus Rom nicht so leicht haben… Mir scheint seine Gestalt ein Hindernis zu werden…“
„Du, Herr, wirst dich wundern!“ ging der Präfekt auf die gesprochenen Worte ein. „Lass ihn allein und wenn du zurückkehrst, führt er dir die Meute am Nasenring durch die Arena…“ Ein leises Lachen, ob seiner Zuversicht, begleitete diese Bemerkung.
„Es ist besser, du bist nicht zugegen, wenn er den Römern beibringt, wer das Sagen hat…“ brach dann lautes Lachen aus dem Präfekt. „Glaubst du etwa, Herr, es kommt nur ein einziger durch diese Tür, der deine Entscheidung in einem Streitfall wünscht? Er müsste schon über Umbrenus Leiche steigen…“ Gaius Donicus konnte sich gar nicht richtig beruhigen.
„Dann habe ich wohl meine Freunde in einen Löwenzwinger geworfen…“ fragte Vindex überrascht.
„Das vielleicht nicht, aber störe nie den Bär im Winterschlaf… Gib Umbrenus freie Hand und die Meute wird heulen, wenn er es möchte…“
„Gut…“ Vindex sprang auf. „Du, Präfekt, und mein Sohn, ihr werdet die Strecke, die Orte und die Unterkünfte auswählen. Zwei Turma der Kohorte begleiten uns. Wir Reisen zu Pferde. Die Reise beginnt zu den Kalenden des Martius!“
Vindex goss sich Wein und Wasser ein, trank und starrte den Sohn an. „Jetzt hast du eine Aufgabe mit dem Präfekt! Deine Begleitung bei Belinarius ist vorerst vorbei! Präfekt Donicus, nimm du ihn bitte unter deine hilfreiche Anleitung…“
„Es ist mir eine Ehre, Legatus! Komm junger Faustus, sei mein gallischer Schatten!“
„Warte noch etwas, Präfekt! Ich möchte deinen Rat nicht missen, sehe ich mir das Ergebnis in der Curia an…“
In diesem Moment öffnete Umbrenus die Tür.
„Was ist…“ fuhr Vindex herum. „gibt es Probleme?“
„Aber nein, Herr! Das Ergebnis harrt deiner Zustimmung… Würdest du also bitte mir folgen…“ Umbrenus breitete seine Arme aus und es wirkte etwas drollig, wie er sich gebärdete.
Selbst Faustus musste lächeln. Er folgte als Letzter dem Vater und schloss die Tür hinter sich.
Die Männer in der Curia lauerten, in Gruppen zu je vier Personen, auf das Erscheinen von Vindex. Weil dieser genau wusste, welcher Amtsträger welches Amt bekleidete, erkannte er die von diesem Mann jeweils Erwählten. Er sah auch die ordnende Hand des ‚bulligen Zwerges’, wie er Umbrenus zukünftig und allein für sich nennen würde.
An seiner Seite schritten der alte Präfekt und Belinarius, während Masones Felix und sein Sohn, vom Podest aus, zusahen.
Vindex wechselte von Amtsträger zu Amtsträger, beglückwünschte die Auserwählten und erklärte sein Einverständnis.
Faustus wusste, dass sein Vater ein vorzügliches Gedächtnis für Gesichter und Namen besaß. Auch wenn es sich um fast dreißig Männer handelte, denen er den Arm reichte, würden wohl nur Wenige seiner Erinnerung entfallen. Der Vater nahm sich Zeit, wechselte mit jeder Gruppe Worte und schuf so eine Basis für die zukünftige Achtung. Er überließ sich der Führung des Präfekt, der sich den Amtsrichter für zuletzt aufsparte.
„Herr, ich habe keinen Grund die Auswahl der Gehilfen zu bemängeln, habe ich doch schon mit meinem ersten Blick erkannt, dass alle Amtsträger eine kluge Wahl trafen.“
„Was ist Präfekt? Deine Einleitung spricht für einen Mangel?“ nahm Vindex das Zögern des Präfekt zur Kenntnis.
Sie hatten die letzte Gruppe noch nicht erreicht. Vindex baute sich mit dem Rücken zu dieser Gruppe auf.
„Dein Römer übersah den klügsten Mann für Rechtstreite oder möchtest du jeden Fall selbst entscheiden? Seine Wahl fiel auf weniger energischere und klügere Männer! Schicke einen der Erwählten weg oder gib ihm einen vierten Mann dazu! Du wirst es nicht bedauern…“
„Das geht nicht, Präfekt. Ich kann die Wahl des Mannes nicht im Nachhinein anfechten, wenn ich ihm, im Voraus, das Recht zur Wahl übertrug… “
„Dann, Herr, gib ihm, wegen der Schwierigkeit des Amtes, wegen bisheriger Unordnung, zu vieler anstehender Fälle oder was auch sonst noch möglich ist, den vierten Mann! Du wirst es nicht bedauern…“
Donicus schien nicht verzichten zu wollen. „Die Fälle der drei zusammen, in der Zeit eines Monats, bearbeitet der Mann, den ich dort sehen möchte, in nur einer einzigen Dekade… Was noch dazu kommt ist die Tatsache, dass sich weder Kläger noch Beklagte jemals beschweren werden… Die Kenntnis der Gesetze und des Mannes Klugheit stehen dafür ein, wenn auch sein äußerliches Erscheinungsbild wenig Glanz versprüht!“
„Präfekt Donicus, du machst mich neugierig! Wie heißt der Mann?“
„Aemilius Umbrenus, Herr!“
„Bist du den Brüdern Umbrenus verpflichtet, Präfekt?“ Vindex starrte Donicus an.
„Nein, so gar nicht, Herr! Sie sind beide ausnehmend klug, treu, ehrlich und besitzen die Qualitäten, die starke Männer ausmachen… Nur sind sie von ihrer Gestalt her eher abschreckend, wenig mit römischen Glanz behaftet, wenn nicht gar missgestaltet… Willst du dich überzeugen Herr?“
„Ich finde an Hostus Umbrenus keinen solchen Mangel, wenn auch seine Erscheinung als ungewöhnlich eingestuft werden könnte… Ich wähle nicht nach Schönheit oder Glanz, sondern nach Wissen, Kenntnis, Verstand und dem Vermögen zur Durchsetzung…“ belehrte Vindex.
„Eben, Herr! Davon gehe ich in meinem Vorschlag aus…“ knurrte der Präfekt über die Belehrung. „Deshalb vermied dein Mann wohl diese Wahl und wie hätte Hostus selbst auf den Bruder weisen können?“
„Warum verschwiegst du, mir gegenüber, diesen Bruder?“ Vindex war aufgebracht.
„Ich glaubte an Aemilius Überlegenheit Anderen gegenüber… Verzeih, Herr!“
„Aemilius Umbrenus möge zu mir kommen!“ befahl Vindex.
Aus der Gruppe der Ausgesonderten trat ein Mann, nein eine Erscheinung, die noch weiter vom bulligen Zwerg entfernt war, als sich Vindex dies vorstellen konnte.
Der Mann war kleiner als dessen Bruder, fast dürr, mit viel zu großen Ohren für diesen schon sehr großen Kopf, der nicht im Entferntesten zur Gestalt passte. Der Mund war schmallippig, klein, die Nase groß und die Augen schien er von einem Schwein gestohlen zu haben.
„Herr, du hast nach mir gerufen…“
„Du bist sein Bruder?“ Vindex nickte mit dem Kopf in Umbrenus Richtung.
„Ja, Herr, nur noch um Einiges hässlicher…“
„Man sagte mir, du wärst für das Recht und dessen Umsetzung der am Besten geeignete Mann?“
„Herr, das mag wohl stimmen… Andererseits bin ich sein hässliches Abbild…“ Der Gerufene zeigte auf den Bruder. „Er ist der bullige Zwerg und ich bin wohl der Einzige, der ihn so nennen darf… Ich dagegen wirke wie dessen Gerippe… Wenn du mich in der Folge als Gerippe des bulligen Zwerges bezeichnen möchtest, werde ich dir dies niemals vorwerfen… Ich bin, was ich bin!“ Das Gerippe des bulligen Zwerges machte zwei Schritte zurück.
„Es interessiert mich nicht, mit welcher Gestalt dich die Götter, für was auch immer strafen, wenn dein Verstand, sowie deine Taten dem entsprechen, was den Präfekt veranlasste, auf dich zu zeigen!“ Vindex Worte waren deutlich genug.
„Herr, ich danke dir für dein Interesse und dem Präfekt für dessen Empfehlung!“ Der Sprecher grüßte den Statthalter, wie es ein Legionär Roms tat. Auf die Umstehenden wirkte das Verhalten merkwürdig. „Dennoch weiß ich bis jetzt noch nicht, was du von mir zu fordern gewillt bist?“
„Du bist der vierte Mann des Amtsrichter!“ Vindex traf seine Entscheidung.
„Herr, es mag einem Schuldigen jeden Mut nehmen, erscheint eine Gestalt wie ich als Richter und verkündet des Schuldigen Todesurteil… Dessen ungeachtet habe ich noch nie im Zweifel verurteilt, nur weil mir eine Visage, oder das Auftreten, oder die Erscheinung des vor mir Stehenden nicht gefiel. Warum?“ Das Gerippe des bulligen Zwerges ging in einem Grinsen unter, das dessen Kopf breiter und die Nase weit schroffer erscheinen ließ, sandte ein Blitzen aus seinen Augen und wackelte merkwürdig mit den Ohren. „Herr schlage ich doch jeden Verurteilten in Hässlichkeit um Längen…“ vollendete er sein Bekenntnis.
„Aemilius Umbrenus, mich interessiert nicht dein Aussehen, wenn du deine Arbeit mit dem nötigen Wissen, zielstrebig, gewissenhaft, neutral und fleißig verrichtest! Da ich diese Entscheidung selbst traf, interessiert mich jeder deiner Fälle und fehlst du in deinen Entscheidungen, rollt auch dein Kopf, wie der jedes Anderen…“ Vindex ging ungewollt hart auf die erhaltene Antwort ein.
„Herr, ich höre und gehorche!“ erwiderte der Krüppel und gesellte sich zum Amtsrichter. Der Mann schien keinesfalls beleidigt, trotz der Zurechtweisung.
„Herr,…“ sagte das Gerippe des bulligen Zwerges zur Begrüßung der dort gruppierten Männer. „… ich bin das zusätzliche Geschenk des Legatus Augusti! Du darfst mir ruhig die schwierigsten Fälle auftragen. Ich werde dich nicht enttäuschen! Einen Krüppel wie mich achtet kaum Einer und weil das so ist, muss ich mehr tun, gerechter sein und ohne jeden Fehler arbeiten… Du wirst sehen, dass ich halte, was ich verspreche… “