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6. Der erste Tod

67 nach Christus - Winter (14. Februarius)

Imperium Romanum – Mogontiacum

In finsterer Nacht erreichte Boiuvarios Liburne Mogontiacum und dort den Bootssteg innerhalb Amantius Handelshof. Fackeln wurden entzündet, Männer beleuchteten die Szenerie, als Waren und Ausrüstungen von Fuhrwerken auf die Liburne wechselten.

Alle Handlungen vollzogen sich so ruhig und zielstrebig, dass schon kurze Zeit nach dem Anlegen sämtliche Taue gelöst werden konnten und die Liburne, von kräftigen Ruderschlägen vorwärts getrieben, die Mitte des Rhenus erreichte.

Doch nicht nur Vorräte, Pelze, winterfeste Zelte, Weizen, Hafer und Feuerpfannen wurden auf das Flussschiff verbracht. Auch die Zahl der zu befördernden Passagiere nahm weiter zu. Es waren die von Sexinius berufenen Speculatores Viator und Paratus, die die Bordwand enterten und sich einen Platz suchten. Deren Begrüßung verlief verhalten, ein Hinreichen des Armes und ein kurzer Blick genügten vollkommen.

Die Neuankömmlinge würden sich erst im Licht des Tages die Besatzung und die von Gerwin erwählten Begleiter ihrer neuen Mission betrachten. Vorerst huldigten alle Männer, die nicht an Rudern saßen, dem Schlaf.

Gerwin stand, so wie auch zuvor schon, neben Boiuvario, der seinen Platz zur besten Sicht auf den Fluss nicht räumte. Der Trierarch kannte die Gefahr eines nächtlichen Befahrens, wusste er doch nicht, wo Hindernisse, ob nun aus Holz oder Eis, auftauchten. Es war ihm keinesfalls geheuer, seine Liburne einer solchen Gefährdung auszusetzen.

Als er Gerwins Forderung, den Handelshof in der Nacht anzulaufen, hörte, bäumte er sich voller Wut auf. Reichte es nicht schon, ihm für die Dauer eines fast vollkommen vergehenden Mondes einen Auftrag aufzuerlegen, der keinen Gewinn abwarf… Seine Worte waren heftig.

Gerwin blieb vollkommen gelassen und stellte nur eine einzige Frage: „Du bist also des Geschenkes, was ich dir einst machte, überdrüssig?“

Diese Worte klangen noch lange in seinen Ohren nach und milderten die in ihm wogende Wut keinesfalls. Boiuvario musste sich dennoch beugen, denn Gerwin war im Recht!

Ohne des Hermunduren Ansinnen wäre er niemals in den Besitz der Liburne gelangt, hätte keine eigene, seinen Vorstellungen entsprechende Mannschaft anheuern und schon gar nicht die zahlreichen Münzen in seinen Besitz bringen können, die Finley für ihn verwahrte.

Boiuvario war inzwischen, selbst in dem kurzen vergangenen Zeitraum, zu einem reichen Mann geworden. Außerdem verfügte er über eine gestählte Mannschaft, die sowohl in den Flusshäfen des Rhenus, bei Manövern auf dem Fluss und genauso in Auseinandersetzungen mit Konkurrenten oder Räubern, woher diese auch immer kamen und glaubten, eine leichte Beute zu finden, ihre Fähigkeiten bewies. Er hatte die Kerle zusammengeschweißt und faule Eier in der Mannschaft davon gejagt.

Doch dem Hermunduren konnte er nicht ausweichen und kam dieser mit Forderungen, die ihn oder die Liburne betrafen, musste er gehorchen. Dass er dies nicht willenlos über sich ergehen ließ, zeigte er auch dieses Mal. Letztlich aber wusste Boiuvario schon im Voraus, dass er den Kürzeren ziehen würde.

Selbst Gerwin war sich des wiederholten Vorganges bewusst. Auch wenn sie beide inzwischen längst befreundet waren, würde Boiuvario keine seiner Forderungen ohne Protest hinnehmen. Dies wissend, leistete er dem Trierarch, bei dessen mühevoller Steuerung der Liburne, Gesellschaft. Es war nicht nur die Dunkelheit, sondern auch noch unbekannte, auf dem Wasser treibende Gegenstände, die das nächtliche Befahren erschwerten.

Vier Augen sahen nun einmal mehr als Zwei. Mit ihnen starrte ein noch weiteres Augenpaar gleichfalls auf die Fluten. Segelmeister Gessius, im Bug der Liburne sitzend, sollte eine unmittelbare Bedrohung des Schiffsrumpfes vermeiden.

Gerwins beharren, die Nacht zum Passieren der Stadt zu nutzen, stieß bei Boiuvario auf heftigen Widerstand. Er fuhr niemals bei Nacht! Sich wehrend, schimpfte er und zeigte wenig Verständnis für Gerwins Heimlichkeit. Wer sollte sich schon um seine Liburne kümmern… Ihm schien der Aufwand übertrieben. Doch der Hermundure blieb hart.

Wollte Boiuvario auch zukünftig ausführen, was er so außerordentlich liebte, bei dem er auch noch so ganz nebenbei reich wurde, musste er sich in sein Schicksal fügen… Er knurrte, schimpfte und fluchte, erreichte aber keinerlei Entgegenkommen.

Die Liburne glitt durch die Nacht, den Morgen und steuerte auf die nächste Nacht zu, als sich Gerwin und Viator zum ersten Gespräch fanden. Erst schlief der Graukopf, dann Gerwin. Weil sie Tage auf der Liburne verbringen würden, lief ihnen die Zeit nicht davon. Immerhin rechnete Boiuvario mit mehr als zehn Tagen bis zum vorbestimmten Ziel.

„Na, findest du die Kälte und Nässe auch so angenehm wie ich?“ begrüßte der Graukopf seinen jüngeren Freund.

„Wir hätten auch Reiten können… Glaubst du wirklich, dies wäre bequemer gewesen?“ erwiderte Gerwin und grinste.

Er wusste, dass Viator, so gern dieser auch im Sattel saß, der Reise bei dem Schnee und der Kälte hätte wenig abgewinnen können.

„Tröste dich, der bessere Teil wird uns bevorstehen, wenn du auf einem Pferd sitzt… Haben wir Glück, reicht der Schnee nur bis zum Pferdebauch, sollte es mehr sein und noch Kälte dazu kommen, wirst du mehr Flüche hören, als dir lieb ist. Außerdem glaube ich, dass du der bist, der am Lautesten schimpfen wird…“ fügte Gerwin grinsend an.

„Höre auf in eine trübe Zukunft zu blicken und damit zu drohen, wenn schon diese Gegenwart kaum zu ertragen ist…“ Viator war zornig.

Er hatte sich im Streit mit Gerwin um eine spätere Reise bemüht. Der Hermundure aber wies sein Ansinnen zurück. Gerwin machte dazu kaum Worte. „Es bleibt dabei!“ sagte er und so geschah es auch.

Manches Mal war der Hermundure ein sturer Kopf. Zumeist erklärte er irgendwann, wenn er sich einmal in dieser Art verhielt, was ihn dazu trieb. Diesmal aber umging er bisher eine Erklärung.

Viator sagte dies, dass der Hermundure einem unbestimmten Gefühl folgte, dieses aber weder erklären konnte oder auch nicht wollte. Fragen zu stellen, würde nichts bringen…

„Ich finde deine Sturheit auch nicht gut! Ich friere am Arsch, meine Nase ist ein Frostzinken und selbst das Pinkeln oder Scheißen über die Bordwand wird bei den Bedingungen kein Vergnügen…“ Paratus schloss sich Viators Missstimmung an.

„Und ich dachte eine Schifffahrt sei lustig…“ Gerwin grinste nur.

„Wie hast du dir unser Fortkommen vorgestellt, sind wir erstmal in Augusta Raurica?“ Viator ging zur praktischen Seite ihrer Reise über.

„Sexinius und du, ihr beschafft Pferde. Die Duumviri werden euch unterstützen. Sexinius besitzt eine Order von Verginius Rufus…“

„Glaubst du wirklich, dass diese Order interessiert? Was ist, wenn es zu dieser Zeit keine Pferde gibt…“

„Unsinn, Graukopf! Pferde gibt es immer… nur könnte deren Qualität Bedenken hervorrufen… Wir brauchen mindestens zwölf Tiere…“ schloss Gerwin seine Bemerkung ab.

„Warum so viele?“ verwunderte sich der frühere Legionär.

„Was glaubst du, wie unser Weg aussehen wird und wie wir unsere Ausrüstung befördern? Wir brauchen das Zelt, eine Handmühle, Hafer für die Pferde und Weizen für uns… Eine Jagd wird wohl schwierig werden… “

„… und welchen Weg ziehen wir?“ griff Paratus erneut in das Gespräch ein.

„Ich dachte mir Eponias Weg zu wählen…“

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Dort erwartet uns tiefster Schnee, keine Wegemarkierung und was ist mit den unsichtbaren Hindernissen am Boden… Willst du die Pferde in den Tod jagen?“ Diesmal übermannte Viator der Zorn.

„Was schlägst du vor?“ Gerwins Stimme wirkte frostig.

„Wir bleiben auf den Straßen. Es wird schwer genug, über den Pass zu kommen… Immerhin könnten uns dort alte Freunde begrüßen… Oder hast du die Raeter um Numonis vergessen?“

„Warum sollten wir uns vor dem Eldermann fürchten? Aber du hast recht, die Straßen sind besser als verschneite Pfade…“ Gerwin kratzte sich über seinem Ohr. Dazu musste er den Pelz auf seinem Kopf verschieben und weil dies ungewöhnlich aussah, grinste Viator.

„Es belustigt dich, dass ich dir nachgebe?“

„Das auch, aber mein Lächeln gilt deinem Aussehen. Immerhin zähmst du gerade die Läuse unter deinem Pelz und mir scheint, dass dies wenig Erfolg verspricht.“

„Unsinn, das sind keine Läuse! Es juckt nur etwas…“

Viators Grinsen verstärkte sich, aber er schwieg. „Unser Ziel ist doch Lugdunum?“ fragte er dann zögerlich.

„Warum?“

„Über Salodurum, Aventicum bis zum großen See können wir getrost die Straßen nutzen. Ziehen wir über Genava, vermeiden wir das Gebiet der Sequaner und folgen dann dem Rhodanus bis zum Ziel…“

„Du kennst diesen Weg?“ fragte Gerwin irritiert nach.

„Nein, natürlich nicht!“ fluchte Viator. „Bis Genava gibt es eine römische Straße und von dort dem Fluss zu folgen, dürfte nicht zu schwer werden. Zumal es sicher auch Siedlungen gibt und auch im Winter gangbare Wege… Andernfalls nehmen wir uns einen Führer… Eines jedoch weiß ich mit Bestimmtheit…“

„Ich bin neugierig…“ erklärte der Jüngere.

„Vom See aus, von Genava aus, geht es nur bergab! Das aber bedeutet, wir müssen bis Lugdunum über keinen weiteren Pass…“ Viator schöpfte sein gesamtes Wissen über dieses Gebiet aus, war doch auch er bisher nur zweimal dort. Einmal war Gerwin dabei, das andere Mal liegt noch länger zurück. Damals zog er mit anderen Legionären zum Rhenus. Er war noch sehr jung.

„Was denkst du, wie viele Tage wir benötigen?“

Viator zuckte mit der Schulter. „Einen Monat vielleicht… Warum? Hast du es so eilig?“

„Was glaubst du?“ fuhr ihn Gerwin an. „Ein kluger Römer sagte mir einmal, dass jeder dienende Römer zu den Kalenden Januarius seinen Schwur erneuert. Zum gleichen Tag werden Männer abgelöst und Neue berufen… Also geht der neue Statthalter auch zu diesem Tag in seine Provinz. Dort angekommen, errichtet er seine Herrschaft. Das Wetter und die Jahreszeit verhindern aber, dass er sein Gebiet kennenlernt… Er wird auf das Ende des Winters warten, bevor er sein neues Reich bereist! Ist er ein kluger Mann, und warum sollte er dies nicht sein, wartet er die Begehbarkeit der Straßen und Wege ab. Die Zeit bis dahin festigt er seine Herrschaft… Wenn seine Reise aber begonnen hat, und sie wird beginnen, und wir sind nicht vorher dort, rennen wir ihm nach… Ich hörte, seine Provinz wäre sehr groß…“

„Na endlich! Bisher verschwiegst du die Gründe deiner Eile…“ fuhr ihn der Graukopf an.

„Ich dachte, du wüsstest das?“ bekundete Gerwin Überraschung, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. „Wir sind uns also einig, so vorzugehen?“

Viator nickte. Weil inzwischen auch die übrigen Gefährten näher gerückt waren und zumindest ein Ohr dem Streit der Anführer liehen, hörten sie, was ihnen bevorstand. Wenn Viator nicht widersprach, machte ein anderer Einwurf kaum Sinn. Das Schweigen mündete in Zustimmung.

Von diesem Gespräch an herrschte Klarheit. Somit war es nicht unbedingt erforderlich, stets beieinander zu hocken. Es war ohnehin schon sehr beengt auf der Liburne.

Für Boiuvarios Mannschaft reichte der Platz und die Männer, aufeinander eingeschworen, wussten mit der Enge umzugehen.

Hinzu kam, dass sich die Mannschaft im Rudern abwechselte.

Flussab zu fahren, war keine Schwierigkeit, flussauf aber bedurfte es der Kraft rudernder Arme. Mit der Dämmerung legten sie am Ufer an, errichteten ihre Zelte, kochten Brei und tranken Wein mit Wasser. Am Morgen wurde abgebaut, ein kurzes Frühstück eingenommen und schon griffen starke Hände nach den Rudern. Es war ein Gleichklang in allen Handlungen, der sich täglich wiederholte.

Am dritten Tag ergriff Boiuvario Gerwins Arm und zog ihn in den Bug, um dort auf den Hermunduren einzureden. Zuerst schien sich der Hermundure zu wehren und die gesprochenen Worte abzulehnen, dann aber willigte er ein. Er versammelte seine Gefährten, um ihnen Boiuvarios Wunsch mitzuteilen.

„Boiuvario unterbreitete mir einen Vorschlag für schnelleres Vorankommen…“ eröffnete Gerwin die Mitteilung. „Wir sollten uns in alle Verrichtungen der Mannschaft einfügen…“ fügte er zögerlich an.

„Wie meinst du das?“ fragte Sexinius.

„Rudern, Wache, Zubereitung Essen, Schlafen… Wir sind keine Herren, die ob der zahlreichen Tage in Müßiggang fett werden, wenn die Mannschaft sich abquält… Bringen wir uns in allem ein, reisen wir schneller, weil frische Kräfte am Ruder zügiger vorwärts kommen… Boiuvario kann dann die Zeiten der Rudernden verkürzen und dafür ein höheres Tempo erzwingen… Ich halte den Gedanken auch aus einem anderen Grund für wichtig…“

„Welchen, großer Hermundure?“ fragte Notker.

„Die Beschäftigung hält euch in Bewegung und damit in einem guten Zustand, den ich bei weiterem Müßiggang anzweifeln muss… Außerdem sehen die Männer der Besatzung in uns keine überheblichen Kerle und beginnen sich nicht, an unserer Trägheit zu reiben… Boiuvario sieht da eine Gefahr, die mich zwar weniger berührte… Dennoch hat er recht.“

„Warum denkst du das?“ warf Irvin ein.

Seine Männer sind Kelten unterschiedlicher Stämme, Germanen und auch Römer… Deren Kanten sind abgeschliffen und jeder der Kerle weiß, dass sein Gefährte für ihn einsteht… Doch wir sind auch Römer, Hermunduren und Chatten… Er befürchtet das Aufbrechen von Widersprüchen…“

„Unsinn, oder fürchtest du dich vor den Burschen?“ fragte Viator.

„Sicherlich nicht mehr als du…“ knurrte Gerwin. „Andererseits frage ich mich, was uns mehr nutzt?“

„Na, dann rudern wir eben mit!“ warf Notker ein „…nur solltet ihr dann Paratus neben oder vor mich setzen, damit ich mich hinter dessen breiten Schultern verbergen kann…“

„Nichts da, gerade dir könnte ein wenig mehr Kraft gut tun!“ grinste Gerwin. „Sieh dir doch einmal Boiuvarios Prachtburschen an…“ und brach in Lachen aus.

Von diesem Tag an ruderten die Römer, Hermunduren und Chatten mit und es konnte keiner aus der Besatzung mehr Maulen oder gar Knurren. Das dies anfangs nicht ganz reibungslos lief, lag in der Kunst des Gleichklangs der Bewegungen.

Notker war der Stein des Anstoßes. Zu klein, zu wenig Kraft, zu schnell aus dem Rhythmus und schon fing der Praeco an zu meckern. Zu Anfang ließ dies der junge Hermundure über sich ergehen. Dann glaubte sich der Rudermeister Argelastus einmischen zu müssen.

Das Besondere daran war, dass Argelastus, ebenso wie Notker, Hermundure war. Deshalb glaubte er dem Jüngeren sagen zu dürfen, dass er ein Schwächling sei, keine Kraft, keinen Verstand und keinen Ehrgeiz habe… Soweit war dies für Notker hinnehmbar, weil es in der Mehrzahl den Tatsachen entsprach.

„Ich kann mir nicht vorstellen, wo dein Nutzen liegt, du Zwerg… Was kannst du schon bewirken, wenn deine Gefährten in einen Kampf müssen… Wir sollten dich über Bord werfen, hätten dann Ballast verloren und kämen somit schneller voran…“ Ob dieser Vorschlag ernst gemeint oder im Scherz gesprochen war, blieb vorerst im Dunkeln.

Notker grinste nur. Der weit Größere betrachtete dies als eine Herausforderung und griff nach dem Kleineren…

Plötzlich steckten in beiden Händen des Riesen zwei kleine Wurfmesser. Diese heraus ziehend und zwei Schritte rückwärts tretend, waren ein flüssiges Manöver. Der Große brüllte wie ein mordlüsterner Bulle. Er stürzte auf Notker zu.

In diesem Augenblick stand Gerwin vor ihm und lächelte.

„Noch Hermundure lebst du…“ sagte dieser „… doch trete ich jetzt zur Seite, bist du im nächsten Augenblick ein toter Mann! Glaube nicht, dass ich meinen Freund schütze… Mein Eingreifen dient allein deinem Leben! Also, was möchtest du, Leben oder Sterben…“

Alle Ruder wurden eingezogen und jeder harrte der Fortsetzung.

Noch aber steckten die Messer im Gürtel. Der vor Schmerz brüllende Argelastus versuchte nach Gerwin zu schlagen, doch der Jüngere wich geschickt aus, so dass die Versuche scheiterten.

„Argelastus!“ Boiuvarios Ruf ließ den großen Hermunduren erstarren.

„Schon wieder deine verdammten Pfoten und Messer darin…“

Boiuvario stand nach wenigen Sprüngen neben seinem Rudermeister und stieß diesen zur Seite.

„Verschwinde!“ zischte der Trierarch und stand nun Gerwin gegenüber.

„Verzeih Gerwin, genau dies wollte ich verhindern, begannen einige meiner Männer zuvor bereits zu murren. „Diesen Ausgang sah ich nicht voraus… “

„Ich ebenso nicht! Trotzdem bin ich nicht verwundert, gibt es doch zu viele große, mutige und manches Mal auch dumme Kerle, die meinen kleineren Freund unterschätzen… “

„Ich weiß…“ stöhnte Boiuvario. „Was machen wir nun?“

„Ich flicke deinem Riesen die Hände und erkläre ihm, dass er sich besser von Notker fernhält… Meinst du, dein Rudermeister lässt das über sich ergehen?“

„Ich denke schon, zumal es nicht zum ersten Mal geschieh, dass seine Hände zerstochen wurden… Gehen wir zu ihm!“

Sie drängten zum Heck, wohin sich der Rudermeister verzogen hatte.

„Argelastus, zeige Gerwin deine Hände!“ forderte der Trierarch.

„Er soll verschwinden, sonst mache ich Kleinholz aus ihm…“

„Das Rudermeister, gelingt dir nicht einmal mit gesunden Händen!“ fauchte der Trierarch. „Der junge Kerl vor dir ist die ‚Klinge der Hermunduren’! Ich frage mich, warum du dies nicht weißt?“

„Der Kleinere, der dir so in dein Gemüt stach, nennt sich Notker und wenn du mich flicken lässt, was er zerstach, erzähle ich dir einen Teil unserer Geschichte… Was sagst du?“ verkündete Gerwin selenruhig.

„Du kannst ihm vertrauen, Argelastus… Gerwin lernte dies von Wilgard. Er wird dafür sorgen, dass du schnell und gründlich vergisst…“

Wilgards Name und deren Fähigkeiten schienen dem verletzten Hermunduren bekannt zu sein.

„Du bist die Klinge der Hermunduren? Du bist doch auch nur ein junger Bursche…“

„Eben, dies ist das Besondere an meinem Freund und mir… Ich hörte, du wärest ebenfalls Hermundure?“

Der Größere, inzwischen sichtlich beruhigt, nickte. „Ich lebte als junger Kerl in der Bärensippe. Wir siedelten an den Quellen der Salu…“ Er schwieg und konnte seinen Blick nicht vom deutlich Jüngeren reißen.

„… bis mich eines Tages Römer fingen, Sklavenjäger…“ fügte er grinsend an.

„Dann verbindet uns ein gleiches Schicksal… Wie lange ist das her?“ merkte Gerwin an.

„Weiß nicht so genau, habe zuerst nicht mitgezählt… Kann mich aber erinnern, dass wir uns auf eine Schlacht mit den Chatten vorbereiteten… Ich stand Wache am Dorf, als mich die römischen Hunde fingen…“

„Und dann…“ Gerwins Neugier war geweckt. Er reinigte die Wunde vom Schmutz, beseitigte Blut, ließ sich von Viator dessen Nadel geben und nähte die verwundeten Hände des Rudermeisters. Der Verletzte zeigte keinen Schmerz. Er erzählte einfach weiter.

„Ich landete in einer Gladiatorenschule nahe Augusta Treverorum…“

„Wie alt warst du?“ unterbrach ihn eine Stimme, die aus seinem Rücken an sein Ohr gelangte.

„Weiß nicht, vielleicht zwanzig Winter…“

„Ich war noch keine vierzehn Winter, als sie mich jagten…“ fügte die gleiche Stimme an.

Argelastus konnte sich nicht zum Sprecher umwenden, glaubte aber die Stimme des Zwerges zu vernehmen.

„Wie bist du entkommen?“ fragte der hermundurische Riese

„Zuerst zwängte ich mich im Stall ins Heu einer Futterraufe. Von dort sah ich meinen Bruder sterben. Sie brannten das Haus nieder. Wollte ich nicht verbrennen, musste ich raus. Aber wie? Sie tobten vor dem Haus und jagten hinter dem Haus, zum Wald zu. Ich glitt durch die Jaucherinne bis zur Grube und plumpste hinein. Dort suchten sie nicht!“

Notker schwieg und trat vor den Großen. „Es tut mir leid… Ich kann nicht kämpfen, nur töten… Wäre Gerwin nicht vor mich getreten, hätten dich meine Messer vernichtet…“ Er wirkte betreten. „Es wäre deinen Tod nicht wert gewesen und für mich unehrenhaft…“ fügte er verlegen lächelnd an.

„… unehrenhaft… Du bist doch nur ein Zwerg… Ich hätte dich mit nur einer Hand erwürgt…“ verkündete der Größere erstaunt.

„Sieh, Rudermeister!“ Notker zog so schnell seine Dolche und jagte diese in den Mast der Liburne, dass alle diese acht Waffen, auf der Größe einer Handfläche, zusammentrafen.

Notker ging und holte seine Dolche. Diese verstaut, kehrte er zurück.

„Du wärst nie zu mir herangekommen…“ verkündete er leise. „Möchtest du das traurige Ende meiner Geschichte erfahren?“

Der große Hermundure nickte.

„Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre in der Jauchegrube ersoffen… Kannst du dir diesen Tod vorstellen?“

„Aber du kamst heraus, sonst würdest du nicht vor mir stehen…“ grinste der Größere.

„Ja, mit letzter Kraft…“ gab Notker leise zu. „Hätte ich damals mit Messern schon so umgehen können, wäre mir das erspart geblieben…“

Der Verletzte nickte. „Verzeih auch du mir! Es war unbedacht, überheblich und verletzend, dich zu beschimpfen. Diese Verletzungen sind nicht deine Schuld, sondern meiner Dummheit zuzurechnen…“

Gerwin war fertig. Die Stiche vorn und hinten, in beiden Händen, waren vernäht.

„Gib mir deine Hände und erwarte Schmerz! Das austretende Blut lass trocknen… Es sorgt dafür, dass die Wunde rein bleibt!“

Vorsichtig drückte Gerwin an jeder Naht, bis leicht Blut aus der Haut hervordrang. „Du sagst, deine Heimat wäre die Bärensippe?“ fügte er seiner Handlung an.

„So ist es! Du kennst die Sippe?“

„Der schwarze Ragin war ihr Hunno… Ein sehr tapferer Mann…“

„Ragin, sagst du…“ wunderte sich der große Hermundure.

„Warum schwarzer Ragin…“ fügte er zögernd und sich wundernd an. „Es gab unter den Jüngeren der Sippe nur einen Ragin… Es muss mein jüngerer Bruder sein… Lebt er?“

„Wenn Ragin dein Bruder ist, dann trug er nicht nur schwarzes Haar, sondern auch einen ausgeprägten Bart!“ beharrte Gerwin auf seiner Feststellung.

Argelastus schien von einer Göttin wach geküsst. „Mein Bruder lebt!“ verkündete er vor Freude strahlend und vergaß seine verletzten Hände.

„…zumindest dann, wenn deinen Bruder eine eigenartig hohe Stimme auszeichnete. Woher hat er diese?“ drang Gerwin in den Rudermeister.

„Gerwin, das ist eine gute Botschaft… Ich scheute mich heimzukehren, als ich die Gelegenheit besaß… Vater und Mutter sind längst tot. Wenn mein Bruder jedoch lebt, gibt es einen sehr guten Grund… Die Stimme, ach seine Stimme…“ Argelastus war nicht nur seine Überraschung, sondern auch Freude anzusehen. Eine Bemerkung zur Stimme vermied er jedoch.

„Du schuldest mir das Ende deiner Geschichte…“ griff Gerwin in den Freudentaumel des großen Hermunduren ein.

„Was, wie… ach so…“ Er besann sich.

„Ich kämpfte dreimal in der Arena in Augusta Treverorum. Beim ersten Mal zog ich mir das zu…“

Argelastus zog seine Tunica hoch und verwies auf eine handlange Narbe. „Der Kerl, der mir das beibrachte, hauchte seinen Atem aus. Ich war entwaffnet und er fand mit seinem Krummschwert mein Bein… Ich habe diesen Thraker erwürgt…“ Er lächelte in seine Erinnerung.

„Der Zweite wollte mit mir spielen… Er war Retiarius, ein mit dem Netz Kämpfender… Als Murmillo war ich zu schwerfällig. Er war im Vorteil, bis ich sein Netz wegschleudern konnte… Seinem Dreizack zerhieb ich den Stiel. Mit dem verbliebenen Stock war er nahezu wehrlos… Ich machte ein Ende mit ihm…“

Argelastus schwieg und blickte in die Runde der zahlreichen Zuhörer… Alle die nicht ruderten drängten sich um die Hermunduren. Gerwin hatte das Gefühl, dass keiner der Männer der Besatzung diese Geschichte kannte. Vielleicht war Boiuvario der Einzige…

„Du sprachst von drei Kämpfen…“ warf Notker ein.

„Ja, wenig ruhmreich… Dennoch brachte mir der Kampf das Holzschwert…“

„Du erhieltest die Freiheit… Das würde man dir nicht schenken… Warum dann deine Reue?“

„Kein Gladiator wählt seinen Gegner… Gehst du durch das Tor, heißt es nur noch: er oder ich! Ich war jung, ich wollte Leben… Es waren zwei, ein Vater, erfahren im Kampf als Gladiator und sein Sohn, noch unerfahren…, dafür jung, kraftvoll und flink…“

„Welcher verfluchte Römer ließ das zu?“ fauchte Viator.

Argelastus überging die Bemerkung.

„Sie waren im Vorteil, konnten mich vorn binden und hinten niederstechen… Ich kann nicht sagen, dass sie schlecht kämpften… Der Vater war der zweifellos bessere Mann. Er griff von vorn an und der Sohn schlich sich hinten heran…“ Die Erinnerung schüttelte den Rudermeister.

„Du siehst nicht gut durch den Helm… Geht einer von deinen Gegnern aus dem Sichtbereich, weißt du nicht, woher er angreift…“ Aus seinen Worten sprachen Angst und Verzweiflung, die nach den Herzen der Zuhörer griffen.

„Du hattest Angst… “ Notkers Worte waren nicht nur eine Frage, sie glichen eher einer Feststellung.

„Na sicher! Sie waren geschickt… Der Vater band meinen Blick und griff an. Ich erkannte diese Gefahr und begriff, dass so lange ich den Vater bekämpfte und mich ständig bewegte, sich der Sohn nicht heranwagen würde… Doch die Rüstung ist schwer und du ermüdest… Indem ich den Älteren immer wieder vor mir hertrieb und ihn ständig zwischen mich und dessen Sohn brachte, konnte der Jüngere nicht vorprellen, um mich zumindest zu verletzen. Der Sohn war ein Thraex, schlank und gewandt…“ Argelastus unterbrach sich und die Masse der zuhörenden Mannschaft schwieg betroffen.

„Wodan grüßte schon in der Ferne… Verdammt, ich hatte nur eine einzige Möglichkeit… Der Ältere und ich, wir waren in etwa gleichwertig. Seiner Erfahrung konnte ich meine Kraft und Jugend entgegensetzen… Ermüdeten der Vater und auch ich, konnte der Sohn leicht den tödlichen Stoß ansetzen…. Soweit durfte es nicht kommen… Also täuschte ich meine Erschöpfung vor und lauerte. Gebt mir mal eine Kelle Wasser, erzählen macht durstig…“ forderte er die Zuhörer auf. Ein Becher wanderte durch die Reihen und wurde Argelastus gereicht. Er war jetzt der absolute Mittelpunkt. Nicht das ihn der Ruhm schüttelte… Dennoch erkannte er, dass sich seine Stellung in der Mannschaft, mit jedem weiteren Wort, ausprägte und auch die Anerkennung der Reisenden nahm spürbar zu. Also setzte er seine Geschichte fort.

„Der Vater wusste, wie mein Zustand war, denn auch er besaß noch Reserven, nur vergaß er des Sohnes mangelnde Erfahrung und dessen Ungeduld… Während wir uns erholten, griff der Thraex, von links hinten kommend, an. Das war die richtige Seite und deshalb erwartete ich ihn auch von dort…“

Ich riss mein Scutum, zur Seite des Angreifers herum und stellte es auf den Boden. Gleichzeitig ließ ich es los, duckte mich unter dessen Schlag weg und erwischte den Jungen mit dem Gladius im Rücken. Der Kerl schrie und sein Vater stürmte auf mich zu. In seiner Wut schleuderte er seine Hasta, die mich, weil ich zur Seite, auf mein Scutum zuhechtete, verfehlte.“ Argelastus blickte auf die vernähten Wunden seiner Hände.

„Das hast du gut gemacht, Stammesbruder!“ merkte er an.

„Weiter, großer Hermundure!“ forderte Notker.

„War nicht mehr viel… Er brachte sich in einem einzigen Augenblick um seine Vorteile. Ohne Lanze war mir der Hoplomachus auch deshalb ausgeliefert, weil ich mein Scutum wieder aufnehmen konnte… Ich trieb ihn vor mir her. Seine Kraft und auch seine Energie schwand. Der hinter mir noch immer röchelnde Sohn fachte seine Wut zwar immer wieder an… So aber vergeudete der Vater seine Kraft. Am Schluss enthauptete ich ihn… Die Zuschauer wollten auch den Tod dessen Sohnes… Ich war erschöpft, konnte mich kaum noch auf den Beinen halten…“

Das nachfolgende Schweigen bewunderte und verurteilte gleichzeitig.

„Du hast Glück gehabt, Verstand und Können bewiesen… Ich habe keinen Grund, an deiner Schilderung zu zweifeln, sehe dennoch die Verfehlung der Betreiber deiner Gladiatorenschule, dich zwei Männern auszuliefern… Es war ein ungerechter Kampf, gleich ob ein Vater und dessen Sohn dich bekämpften oder sich dir zwei gleichwertige Gegner stellten… Deine Götter waren stark, dir aus dieser Gefahr zu helfen…“ Viator sprach aus, was viele dachten.

„Was folgte danach?“ Wieder meldete sich Notker.

„Dann gab man mir das Holzschwert, später noch einen prall gefüllten Beutel und warf mich aus der Schule…“ erklärte Argelastus.

„Was bedeutet das Holzschwert?“ Notker wollte es genauer wissen.

Sexinius meldete sich. „Ein Rudis erhält, wer sich bewährte… Es ist das Zeichen der Freiheit, der Ehre und zeugt vom Ruhm des Gladiator… Das für schon drei Siege ein Rudis übergeben wurde, hörte ich noch nie…“

„Er kämpfte gegen zwei Gegner gleichzeitig… Der besondere Kampf forderte besseren Lohn… Wusstest du, dass dir zwei Gegner gegenüber standen?“ mischte sich Viator erneut ein.

„Bis zum Durchschreiten des Tores nicht… Der Lanista flüsterte es mir zu. Dass der Vater und dessen Sohn sich mir stellten, sei eine Ehre… Ich schiss auf die Ehre, ich wollte Leben… Dennoch verdanke ich dem Lanista mein Leben, denn ohne dessen Mitteilung hätte ich nicht gewusst, dass hier Zwei gegen nur Einen standen… Ein Kampf Jeder gegen Jeden bot wesentlich mehr Möglichkeiten zum Überleben…“

Argelastus trank einen weiteren Schluck aus dem gereichten Becher.

„Ich verstehe das nicht…“ warf Notker ein. „Warum warnte dich der Lanista?“

„Ich weiß nicht… Vielleicht mochte er den Vater und den Sohn nicht… oder begriff die Ungerechtigkeit und meinen Nachteil…“ Argelastus zuckte mit den Schultern. „Nun, mein junger Freund, der nur Töten kann… Drei Männer betreten die Arena und wissen, dass nur ein Mann diese wieder verlässt! Du siehst dir deine Gegner an, beurteilst deren Vermögen und entscheidest dich zu einem Bündnis für den ersten Tod… Zumeist sind deine Gegner Männer der gleichen Schule… Warst du klug, erkanntest du in der Ausbildung zuvor deren Fähigkeiten. Außerdem halten Veranstalter bestimmte Paarungen verschiedener Gladiatoren für besonders günstig… Ich war Murmillo. Dazu passt bestens der Thraex und auch der Hoplomachus…“ Argelastus musterte die Aufmerksamen.

„Wusstest du von Beginn an, dass du gegen eigene Männer kämpfen würdest, gewannen diese schon in der Ausbildung deine Aufmerksamkeit… Ich hatte viel Zeit, diese Zusammenhänge zu erkennen! Zu lange dauerte es, bis meine Wunde im Bein verheilte und als mein zweiter Kampf begann, war ich ein weit klügerer Mann…“

„Wieso ein Bündnis für den ersten Tod…“ fragte Notker irritiert nach.

Argelastus lächelte. „Du könntest auch Pech haben und die beiden Anderen stehen gegen dich… In dem Fall begann die Jagd! Es musste immer zuerst einer sterben und wolltest du durchkommen, solltest du dabei nicht verletzt werden… Also finde deinen Verbündeten… Ich hatte dies schon einmal sehen können… Drei Gladiatoren begegnen sich in der Arena. Ein Starker, ein guter und ein unerfahrener Mann… Wann hat der Unerfahrene die Möglichkeit, den Kampfplatz lebend zu verlassen?“ Argelastus sah sich um und prüfte die Gesichter der ihn Umlagernden auf eine Antwort.

„Nur dann, wenn er mit dem Guten gemeinsam, den Starken bezwang…“ warf Gerwin ein.

Die Köpfe drehten sich zu ihm um, der sich aus dem Vordergrund in eine hintere Reihe zurückgezogen hatte.

„Richtig! Besiegen Beide den Starken, kämpfen dann sie gegeneinander… Wird der Gute zuvor, gegen den Starken, verletzt, was zumeist möglich ist, denn auch der Starke erkennt den besseren Gegner, überlebt der Unerfahrene!“

„Du kämpftest aber doch gegen Vater und Sohn… Würde diese Regel dann auch gelten?“ wollte Gerwin wissen.

„Nein! Warum sollte sich der Besitzer selbst um ein solches Paar berauben? Bezwangen sie mich, würde er diesen Kampf gegen andere starke Gladiatoren wiederholen können… Dies brachte ihm Gewinn! Später erfuhr ich, dass das Publikum von dieser Konstellation wusste. Mich hatten sie bei dieser Kenntnis ausgeschlossen…“

„Was ist so anders?“ fragte einer der Rojer.

„Ich hätte schon verloren, suchte ich nach meinem Bündnis… So begann der Kampf auch.“

„Was meinst du?“ fragte der Rojer erneut.

„Sie stürmten beide vorwärts, als ich bereit war. Nur suchte der Sohn meinen Rücken… Ohne die Warnung hätte ich ihn kommen lassen und wäre erst dann ausgewichen, wenn ihn der Speer des Hoplomachus erwischt hätte… Ohne die Warnung fehlte mir das Wissen, dass der Vater den Sohn niemals getötet hätte… Also verdanke ich dem Lanista mein Leben… “

„Trotzdem, warum gaben sie dir schon nach dem dritten Sieg den Rudis?“ meldete sich erneut Sexinius.

„Sie mussten dies tun, wollten sie vermeiden, dass mein Wissen andere Gladiatoren erreichte… In dieser Schule gab es ein weiteres Paar mit Vater und Sohn. Darüber hinaus kämpften auch zwei Brüder gemeinsam. Ich war ein gefährlicher Sieger…“

„Ja, das ist möglich!“ unterbrach Boiuvario das Gespräch.

„Du solltest dich etwas ausruhen und die Anderen zum Ruder streben… Ablösung! Genug geschwatzt!“ Der Befehl des Trierarch beendete die Geschichte des Rudermeister. Die Rojer wechselten. Auch Paratus und Viator übernahmen eines der Ruder.

„Glaubst du dessen Geschichte?“ fragte Wimmo, der junge Chatte, seinen Bruder.

Sexinius, der die Frage hörte, mischte sich ein. „Ich selbst sah einst in Rom einen solchen Kampf. Zwei Brüder kämpften gegen einen sehr bekannten Gladiator. Damals verstand ich nicht, worin der Vorteil eines solchen Kampfes lag, sah aber die Begeisterung der Zuschauer. Die Brüder siegten. Sie schlachteten den Stärkeren regelrecht und der zuvor Berühmte verlor nicht nur sein Leben, sondern auch noch seinen Ruhm und wurde noch dazu geschmäht, beleidigt und verachtet… Der Kampf in der Arena besitzt keine Ehre, er ist nur ein schmutziges Geschäft…“

„Ich hörte, dass Römer solche Kämpfe lieben…“ warf Werno ein.

„Ja, das stimmt! Doch was glaubst du, welche Art Römer, auf den Rängen sitzend, solchem Kampf folgen?“ belehrte ihn der frühere Centurio. Werno zuckte mit der Schulter.

„Ich will es dir sagen, junger Chatte! Senatoren, alte Männer, Weiber, Jünglinge und Dummköpfe, die selbst am gleichen Ort kläglich versagen würden… Ich war ein solcher Jüngling und Dummkopf… Dann ging ich zur Legion und erfuhr, was ein wirklicher Kampf bedeutet, lernte den Schmerz der Wunden kennen… Ich spürte auch die Angst und die Verzweiflung … “

„Hast auch du eine solche Geschichte zu erzählen, Sexinius?“ fragte Wimmo.

„Vielleicht einmal, wenn ich euch besser kenne…“

Irvin mischte sich ein. „Hört, es ist nicht gut, wenn Boiuvarios Männer unsere Geschichten kennen… Geben Gerwin und Notker Dinge preis, so gibt es einen Grund. Notker verletzte einen Stammesbruder, weil der ihn herausforderte… Er musste sprechen, um den Frieden zu erhalten… Einige der Rojer waren bereit, ihre Dolche zu fassen… Ohne Gerwins Preisgabe wären wir wohl nicht an einer Auseinandersetzung vorbei gekommen… Deshalb vergesst nicht, was einzelne Männer verbindet oder auch trennt…“ Sie hockten im Heck des Schiffes, zu Füßen von Boiuvario, der die Worte vernehmen konnte.

Irvin setzte ungeachtet dieses Wissens fort. „Viator, Paratus, Gerwin und Boiuvario verbindet etwas, was von fast keinem der Männer gekannt wird! Auch wir sollten nicht darüber sprechen… Die Mannschaft gehört zwar Boiuvario, aber jeder der Männer ist gefährlich und kommen sie in Wut, weiß auch er nicht, ob er diese lenken oder gar bezwingen kann… Im Normalfall gehorcht ihm jeder Mann, doch schlägt er sich auf unsere Seite, was ohne Zweifel geschehen würde, verlor er die Macht über seine Besatzung. Das herauszufordern, wäre unklug!“

„Ich stimme dir vorbehaltlos zu, Freund Sexinius!“ hörten sie des hinter ihnen Stehenden Worte.

„Notker, du wirst nicht mehr rudern!“ bestimmte Irvin.

„Aber Gerwin…“ warf der Angesprochene ein und wurde vom älteren Freund unterbrochen. „… hat verstanden, dass sein Befehl falsch war, würde dies aber nur ungern zugeben… Es ist besser, wir übergehen die Sache einfach… Was denkst du, Trierarch?“

„Ich stimme erneut zu! Ich denke, dass du im Bug hocken und dich um unseren unbeschädigten Rumpf kümmern könntest… Das wirst du doch sicher können…“ forderte er Notker auf.

„Einverstanden!“ Notker stand auf und drängte sich zum Bug durch.

Die Legende vom Hermunduren

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