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Оглавление2. Der Igel und der Adler
67 nach Christus - Winter (24. Januarius)
Imperium Romanum – Provinz Lugdunensis
Vindex war inzwischen fast einen Monat in seinem neuen Amt. Wenn es etwas gab, was seine Begleiter irritierte, war es dessen oftmaliges Schweigen. Der neue Legatus Augusti hörte mehr zu, als er sprach.
Galt seine erste Aufmerksamkeit den bisherigen Amtsträgern, deren Aufgabenverteilung und Zuordnung von Verantwortungen, vollzog er bald einen zweiten Schritt, der ihn zur Beschäftigung mit den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen zwang.
In dem er die bisherigen Vertrauten seines Vorgängers in ihrer Erscheinung, deren Sachverstand und auch bezüglich eines energischen Auftretens beurteilte, seine eigene Sichtweise zu jedem dieser Männer prüfte und auch auf Einzelheiten achtete, die eine gemeinsame vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinflussen konnten, traf er seine erste und eigene Auswahl.
Niemand schrieb ihm vor, wie er die Provinz verwaltete. Er war nicht gezwungen sich der gleichen Art seines Vorgängers anzupassen und noch weniger, diese vollständig zu übernehmen. Dennoch erkannte er Vorteile und nutzte diese, wenn sie sich mit seinen bisherigen Erfahrungen und eigenen Vorstellungen vereinbaren ließen.
Die Tage waren mit Arbeit angefüllt, er empfing zahlreiche Botschaften aus seinem Territorium. Auch Vertreter einzelner Siedlungen suchten ihn auf, um ihn mit deren Sorgen vertraut zu machen. Viele glaubten, die eigene Dringlichkeit mittels eigenem Auftritt unterstreichen zu müssen, Händler wünschten ihm seine Aufwartungen zu machen und fast an jedem Abend tummelten sich Gäste in seinem Haus.
Langsam begriff Vindex, was ihn in dieser Provinz erwartete. Trotz unterschiedlichster Eindrücke zeigten sich zwischen verschiedensten Personen auch Widersprüche in der Beurteilung der eigenen Lebensbedingungen. Weil Vindex zuhörte, vermochte er bald zwischen den Männern zu unterscheiden.
Einige suchten ihn auf um zu erkennen zu geben, dass sie sich in Bereitschaft hielten, ihm nützlich sein zu wollen. Anderen war anzusehen, dass diese nur auf eigene Vorteile bedacht waren. Über manchen Zeitgenossen lohnte es nicht nachzudenken. Bestimmte Wünsche waren es kaum Wert beachtet zu werden und dennoch merkte der Legatus Augusti, dass eine Sache fast alle ihn Aufsuchenden bedrückte.
Oft fielen Worte zu den Steuern, die Rom forderte. Vindex wusste, dass Römer in Rom weit weniger Steuern, wenn überhaupt, leisteten… Hier in der Provinz war es anders.
Das Steuersystem war komplizierter, umfangreicher und die, denen das Recht zur Steuererhebung zugebilligt war, nutzten dieses auch auf andere Art aus.
Er wollte, nach so kurzer Zeit, noch nicht das Wort ‚Betrug’ in den Mund nehmen und losstürzen, derartige Missstände mit Stumpf und Stiel auszurotten… Aber er merkte sich einzelne der Männer, die ihm in dieser Sache den Eindruck vermittelten, entweder den richtigen Sachverstand vermissen zu lassen oder sich unrechtmäßige Vorteile zu verschaffen.
Wollte er diese Missstände beseitigen, brauchte er eine feste Stütze in verlässlichen, starken, energischen und treuen Gefährten seiner Herrschaft. Er fand diese sowohl unter seinen mitgebrachten Begleitern, als auch unter den vormaligen Amtsträgern.
Der griechische Freund, der zuvor für seinen Sohn Partei ergriff und dessen Mitreise erzwang, erwies sich in dieser Sache als sehr nützlich.
Wenn dieser Grieche eine besondere Beachtung erlangte, so war es ein noch anderer jüngerer Begleiter, der seine Aufmerksamkeit geradezu herausforderte. In den oftmaligen abendlichen Gesprächen stellte sich dieser als ein streitbarer Geist heraus, der auch noch über ziemlich umfangreiches Wissen zur Lage der Stämme, deren Territorien und Interessen, zu Feindschaften oder Belastungen verfügte und stets mit interessanten Bemerkungen Einfluss nahm.
Vindex befand damals dessen Vater für geeignet, entschloss sich dann davon Abstand zu nehmen, weil dieser sich schon im fortgeschrittenen Alter befand. Zwar klug und erfahren, aber mit Schmerzen in den Gliedern kämpfend, würde der Ältere den Anforderungen und Belastungen wohl kaum gewachsen sein. Den Sohn kannte er zwar, wusste aber zu wenig von dessen Neigungen oder Interessen. Ihm erschien der Jüngere eher blas und so befand er, dass diesem Durchsetzungsvermögen fehlen könnte. Letztlich vertraute er dem Rat von dessen Vater. Bald merkte er, dass er darin nicht irrte.
Der Sohn besaß, worüber der Vater auch verfügte… Das Erste war Klugheit, die sich darin äußerte, dass er zuhörte, bevor er sprach. Die zweite angenehme Seite war Geduld, die sich mit Zurückhaltung paarte und den Eindruck erweckte, dem Manne fehle etwas das Kreuz zur Durchsetzung.
Vindex stellte jedoch fest, dass überzeugende Argumente mehr bewirkten, wie scheinbare Drohungen oder harte, wortstarke Forderungen. Wer mit Klugheit und Überlegenheit voranschritt, brauchte keine Kraft zur Durchsetzung eigener Wünsche.
Der Sequaner, der auf den Namen Lucien Belinarius hörte, war um einige Jahre jünger als er selbst, hatte den Cursus Honorum absolviert und war bis zum Ädil aufgestiegen.
In einem ihrer Gespräche versicherte ihm Belinarius, sich des Glücks, von ihm berufen worden zu sein, würdig erweisen zu wollen. Er würde ihm treu dienen und hoffe sein Wohlgefallen zu wecken.
Belinarius sprach in gewählten Worten, formulierte zumeist kurz und bezeichnete Vorgänge und Sachverhalte ohne Umschweife. Es ergab sich, dass Gespräche oft stattfanden und immer mehr Vertrauen schufen.
Vindex überlegte lange, welche konkrete Aufgabe er diesem Mann stellen sollte und gelangte zu keinem endgültigen Urteil. Also wartete er auf den Fingerzeig der Götter.
Dieser Zustand erhielt sich, bis dieser Sequaner, eines kalten Tages, einen älteren Mann zu ihm brachte, der in seiner Gestalt Herrschsucht, Würde und Kraft auf eigenartige Weise verband.
„Ich bin Eporedorix, der Vergobret der Haeduer!“ stellte sich der Fremde vor.
„Ich hörte von dir…“ erwiderte Vindex zurückhaltend.
„Dann muss ich meine Stellung nicht erklären…“ gab der Vergobret von sich und vermittelte Vindex das Gefühl, dass er der Nachgeordnete und der Haeduer gleich einem Kaiser wäre…
„Was führt dich zu mir, Vergobret der Haeduer?“
„Ich hätte erwartet, dass der Legatus Augusti des Kaiser Nero die Fürsten der wichtigsten Stämme zu sich ruft und ihnen seine Absicht erklärt, wie er in der Provinz, die uns gehört, zu herrschen beabsichtigt!“
Der Blick des Haeduer ruhte herrisch auf Vindex Antlitz.
„Zuerst einmal, Vergobret, gehört diese Provinz zu Rom!“ begann der Legatus Augusti und erwiderte Blick und Haltung.
„… sie gehört nicht dir und keinesfalls einem Anderen… Dann rufe ich, wen ich will, wann ich will und wohin ich will! Und Nächstens mäßigst du dich in deinem Auftreten mir gegenüber. Sollte dir die notwendige Ehrfurcht vor meinem Amt oder vor meiner Person fehlen, wirst du kaum die Gelegenheit bekommen, dein Alter, deine Weisheit und deine Würde gewahrt zu sehen… “
Vindex trat mehrere Schritte vor, auf den Älteren zu und wandte sich dann an seinen Vertrauten jungen Sequaner um.
„Lucien Belinarius, ich habe ein offenes Herz und offene Ohren für jeden Mann, der zu mir kommt, was auch immer er von mir begehrt… Führst du einen Fürst zu mir, der nicht weiß oder versteht, wie er sich einem römischen Senator zu nähern hat, dann belehre ihn vorher!“
Vindex verzichtete auf den Teil, den er eigentlich schon auf der Zunge spürte. Er verkniff sich das ‚… sonst werfe ich ihn vor die Tür!’
„Du Fürst, fandest einen sehr unglücklichen Beginn… Es steht dir frei, einen anderen, besseren Tag zu wählen oder mir jetzt deine Wünsche zu erklären… Ich höre…“ Vindex Stimme sprühte vor Härte. Sein Blick suchte die Augen des Vergobret.
Eporedorix starrte den Statthalter an und zeigte damit, dass er sich zuvor, über sein eigenes Auftreten, keinerlei Gedanken machte.
Ihm stand ein Mann gegenüber, der ebenso herrisch, fordernd und unnachsichtig zu handeln vermochte und wohl auch schnell begriff, was er dulden konnte und wem er seine Macht demonstrieren musste…
Eporedorix begriff den neuen Wind in der Provinz und nahm die Herausforderung an.
„Du Legatus Augusti, so sagte man mir, wärest auch ein Mann aus diesem Teil der Welt… Ich glaubte, du würdest verstehen, dass dies zwar Roms Provinz ist, aber dennoch von uns bewohnt wird…“ begann Eporedorix und wurde erneut unterbrochen.
„Was ist mir entgangen…“ unterbrach Vindex des Anderen erste Worte.
„Verstehe ich etwa nicht, dass ein alter Mann zu mir, dem Statthalter Roms, kommt und glaubt, mich herausfordern zu dürfen? Du magst in deinem Stamm ein Fürst sein, bei mir bist du nur ein beliebiger Bürger Roms! Ich billige dir lediglich zu, Älter und Erfahrener als ich zu sein, wovon ich jedoch nichts spüre… Dagegen sah ich einen herrschsüchtigen Greis, der sich gegen einen Senator Roms herausnimmt, was ich nicht geneigt bin, ihm zuzubilligen! Also wirst du diesem Senator in der Art entgegenkommen, die jeden römischen Bürger auszeichnet und sollte der Tag anbrechen, an dem ich dir mehr zu geben bereit bin, werde ich dich dies wissen lassen…“ Zorn kleidete sich in überlegene Worte und blieb dennoch Zorn.
„Belinarius, bringe diesen Gast zurück! Ich sehe keinen Grund, den Vergobret der Haeduer besser zu behandeln als andere Fürsten der Stämme. Ich werde ihn benachrichtigen, wenn ich ihn sehen will! Geht!“
Die schroffe Äußerung brachte Eporedorix an den Rand eines Wutausbruchs.
Belinarius griff nach dem Arm des Älteren und löste ihn aus der Schwärze des Abgrunds. Als er jedoch den Blick des Vergobret spürte, gab er sofort dessen Arm frei. Der Alte folgte ihm in gestelzten Schritten.
Vindex fand, das der Vergobret vermessen auftrat. So gern er sich mit diesem Mann, auch vor allen Anderen befasst hätte, kannte er doch dessen Macht, durfte er diesen Auftritt keinesfalls hinnehmen. Gab er nach, wäre seine Macht in der Provinz schon gebrochen.
Nachdenkend verblieb er, bis sein junger Berater zurückkehrte.
„Was Belinarius trieb dich dazu, den Alten anzuschleppen?“ Vindex Stimme war beherrscht, leise und dennoch schwang eine Bedrohung mit.
„Herr, du solltest die Macht dieses Mannes zu keinem Zeitpunkt unterschätzen… Ich hatte ihn nicht gerufen, wenn du dies denken solltest… Er stand einfach vor mir und forderte, zu dir geführt zu werden.“
Vindex schwieg. Zweifellos kannte Belinarius das Ansehen und den unbeugsamen Willen des Vergobret. Vielleicht sah er sich gezwungen, um nicht vorschnell und eigenmächtig eine Entscheidung zu treffen, die nur dem Legatus Augusti selbst zustand… Eine Ablehnung seitens Belinarius hätte diesem die Feindschaft des Vergobret eingebracht und dies würde, unter den gegebenen Umständen, die Verwaltung der Provinz unzulässig erschweren.
„Ich sehe dich, wenn dein Einwand stimmt, durchaus in einer Zwangslage… Der Vergobret wusste, dass er über dich kommend, sich anderen Fürsten Galliens gegenüber, einen Vorteil verschaffen konnte… Ergibt sich die Frage, wer ihm deine Position in meinem Aufgebot verriet? Dass der Vergobret der Haeduer in mir nicht den Vertreter des Kaisers, sondern nur einen in etwa Gleichgestellten sieht, kann ich dir kaum zum Vorwurf machen… Dennoch, junger Belinarius, solltest du darauf achten, dich nicht vor einen falschen Karren spannen zu lassen…“
Vindex beschlich ein Gefühl der Wut. Er wusste, dass ihm nicht jeder Gallier freundlich begegnen würde. Dennoch hoffte er, dass nicht in den ersten Tagen und auch nicht die Mächtigsten der Fürsten der Stämme, zu seinen Feinden werden würden… Der Vergobret der Haeduer erwuchs zu einem starken Widerpart und auch wenn er deren ersten Schlagabtausch zu seinen Gunsten gestalten konnte, würde die Antwort des Haeduer kaum lange auf sich warten lassen… Der Kampf um die Macht in dieser Provinz hatte begonnen. Vindex begriff, dass sein Gegner stark, machthungrig und verschlagen war… Er zog sich in seine privaten Räume zurück und stieß dort auf seinen Sohn.
„Wo warst du, Faustus?“
„Hier, wo soll ich gewesen sein?“ antwortete der Sohn etwas herausfordernd.
„Muss ich erst den Treverer rufen und ihn befragen?“
Der Treverer war der Jüngste seiner Bewacher, dem er den Auftrag erteilt hatte, seinen Sohn auf Schritt und Tritt zu begleiten.
„Vater, welche Absicht verfolgst du?“
„Dich am Leben zu erhalten… Du weißt nicht, welche Gefahr dir drohen könnte… Ich bin hier der Herrscher und was glaubst du, wer keinen Grund besitzt, Zorn auf den Statthalter Roms zu empfinden? Wir bestimmen hier, ich erhebe Steuern und lasse diese eintreiben… Erinnere dich, du brachtest dieses Argument einst selbst als Einwand… Was wird wohl geschehen, widerfährt dir ein Unheil… Ich möchte nicht mit deinem Leben erpresst werden…“
„Du gabst mir doch deinen Wachhund mit…“ warf Faustus ein.
„Was meinst du, bewirkt ein einzelner Mann?“ schnauzte Vindex den Sohn an.
„Dann gib mir weitere Wachhunde…“ forderte der Sohn.
„Das schlage dir aus dem Kopf! Allerdings könnte ich dich auch an die Kette legen, wie eben einen Wachhund…“
„Nein, Vater…“ schrie der Sohn auf.
„Also, ich höre…“ Die Forderung des Vaters bezwang den Trotz des Sohnes. Der Abend nahm den gleichen Verlauf, wie andere Abende zuvor… Der Vater zog dem Sohn förmlich aus der Nase, wo dieser sich herumtrieb. Faustus Bockigkeit reizte Vindex Wut.
Doch dieses Mal, war Vindex nicht gewillt, den Sohn aus seinen Fängen zu lassen. Als dieser schon glaubte, die abendliche Maßregelung überstanden zu haben, holte der Vater zum entscheidenden Schlag aus.
„Du meldest dich Morgen, in der ersten Stunde, bei Lucien Belinarius und begleitest den Mann am ganzen Tag. Du wirst ihm zuhören, wirst dir jedes Wort merken und mir am Abend berichten, was Belinarius am gesamten Tag ausführte! Verstößt du Morgen und an den Tagen danach, bis ich dich davon befreie, gegen diesen Befehl, schicke ich dich zu deiner Mutter! Das ist mein letztes Wort!“
Vindex war wütend. Es war nicht sein Wille, den Sohn mit in die Provinz zu nehmen. Das Recht dazu hatte dieser sich erschlichen. Weil die von ihm erwählten Begleiter für Faustus sprachen, gab er nach. Er wusste, dass ihm die Zeit fehlen würde, den Sohn gebührend anzuleiten.
Also befahl er Andere, ihn zu ersetzen, was wohl nicht gelungen war… Jetzt kam noch hinzu, dass er sich eine Feindschaft zuzog, die auch seinen Sohn einbeziehen könnte…
Vindex sah sich gezwungen, Auflagen zu erteilen. Verpflichtete er schon zuvor einige seiner Männer, war er nunmehr gehalten, auch Faustus zu vernünftiger Tätigkeit zu zwingen. Er hoffte, dass dies den Drang des Sohnes Fesseln auferlegte und vielleicht fand Faustus dabei eine Beschäftigung, die ihn reizte und der er sich in Zukunft widmen konnte.
An diesem Abend rief er noch Belinarius und den Treverer Mammeius, um ihnen seine Vorstellungen von den täglichen Pflichten seines Sohnes klarzumachen. Dabei fiel dem Sequaner zu, den Sohn in die Pflichten eines Statthalters einzuführen und der Treverer wurde auf Waffenfähigkeit ausgerichtet. Vindex machte ernst.
Die bisherige Tätigkeit des neuen Legatus Augusti war auf das Verstehen des Besonderen in dieser Provinz ausgerichtet. Wie eine Administration aufzubauen war, wusste er von seinen zuvor in Rom erbrachten Aufgaben.
War aber diese Provinz genauso wie Rom? Konnte er unbesehen, römische Erfahrungen in der Lugdunensis anwenden, ohne die hier herrschenden Verhältnisse zu beachten…
Vindex gelangte zu der Einsicht, dass dem nicht so war!
Er spürte mehr als er es wusste, dass die verschiedenen Gebiete der Stämme der Gallier sich auch voneinander unterschieden. Zwischen jedem Stamm und Rom wirkte eine andere Geschichte, die aus der Vergangenheit bis in das Jetzt reichte. Diese Geheimnisse zu ergründen, würde Zeit beanspruchen…
Ließ er die ersten Tage seiner Herrschaft in der Provinz an sich vorüber gleiten, bemerkte er die Vielfalt der Sorgen der bisherigen Amtsträger, von denen jeder forderte, er wäre der Wichtigste und nur seine Sorgen dürften den neuen Legatus Augusti berühren, sowie auch jeder, auf nur erdenkliche Weise, zu vermitteln versuchte, dass nur ihm Verdienste zu kämen, die kein Anderer vorzuweisen hätte.
Dabei sprachen er und seine Auserwählten mit zahlreichen Männern, die im Sinne Roms Verantwortung besaßen oder sich herausnahmen, Leistungen erbrachten oder aber nur deren Anschein erweckten. Jeder dieser Männer gab vor, ehrenhaft und zum Wohle Roms zu wirken…
Das Schlimmste daran war die Vielzahl der Männer und deren gegenseitiges Behindern, Schmähen und Beschuldigen. So gelangte Vindex zu der Überzeugung, dass diese vorgebliche Ordnung eher einem Chaos glich. Als er die Begegnung mit allen diesen, von sich überzeugten Männern hinter sich hatte, zog er sich einige Tage zurück, um seine Gedanken in Vorstellungen zu kleiden, die ihm helfen konnten, seinen Auftrag zu erfüllen.
Zuerst war das Erkennen der eigenen Rolle wichtig. Vindex gelangte zur Einsicht, dass er für dieses Chaos die Verantwortung trug. Daraus leitete sich die Anforderung für die Zukunft ab. Er sollte eine Ordnung schaffen, in der die Rechte Roms im Vordergrund blieben, aber diese Provinz auch nicht an seiner Organisation zu Grunde gehen durfte…
Wollte er das Chaos beherrschen, brauchte er fest gefügte Strukturen und diese ließen sich nun einmal nur durch befähigte Männer erzielen. Also ordnete er seine Gedanken und prägte Vorstellungen zu den einzelnen Bereichen, in die er Träger dieser Verantwortung bringen musste, um das Chaos aufzubrechen.
Er war in dieser Provinz nicht der einzige Vertreter des Kaisers. Stützte sich Kaiser Nero vorrangig auf einen Legatus Augusti zur administrativen Führung, verhinderte er jedoch, durch die Abtrennung des Finanzwesens, dessen übergroße Eigenmächtigkeit.
In dieser Sache übernahm Nero Erfahrungen, die ihm vorangegangene Herrscher aufzeigten. Ein Statthalter, ohne eigenes Verfügungsrecht über alle in der Provinz erwirtschafteten Steuern, war in seiner Macht begrenzt. Ein Procurator aus dem Ordo Equester, dem Kaiser mit Eid verpflichtet, sorgte dafür, das Rom bekam, was Rom zustand.
Allein gegenüber diesem Mann besaß Vindex keine Befugnis. Ihn zu maßregeln, diesem Vorschriften zu machen oder ihn gar zu entmachten, wenn ihm dessen Vorgehen nicht gefallen sollte, war er weder ermächtigt, noch würde Nero dies dulden. Das der Procurator einem niederen Stand der römischen Gesellschaft entstammte, war dabei ohne jede Bedeutung.
Die zweite Besonderheit seiner Provinz war das Militär.
Innerhalb seiner Provinz stand keine einzige Legion. Dennoch war das Territorium der Provinz sehr groß und noch zumal durch seine Lage, zwischen Belgica und Aquitania eingezwängt, dafür aber ohne unmittelbare feindliche Grenzen. Ungünstig erachtete er den Standort seiner Statthalterschaft mit Lugdunum, was im südlichsten Zipfel der Provinz lag.
Um ein Municipium oder Civitas seiner Provinz aufzusuchen, bedurfte es eines weiten Weges. Noch weitaus schwieriger war es, das wenige Militär, das ihm zur Verfügung stand, dorthin zu bringen, wo es, im Falle von regionalem Aufruhr, benötigt wurde.
Ihm selbst stand in Lugdunum eine Ala Quingenaria, mit dem Namen Gallorum Tauriana und die Cohors XVIII Voluntariorum, die wie andere gleichartige Kohorten aus freiwilligen römischen Bürgern bestand und in Lugdunum ein Winterlager besaß, zur Verfügung. Die Ala war, vor einigen Jahren, von Kaiser Claudius aus Bürgern einiger gallischer Stämme aufgestellt worden und sollte vermutlich in Britannia zum Einsatz gelangen. Aus welchem Grund dies nicht vollzogen wurde und warum diese Ala gerade in Lugdunum verblieb, war nicht nur ungewöhnlich, es entzog sich auch der Kenntnis eines ganz besonderen Mannes, dessen Bekanntschaft der Legatus Augusti machte, als er mit früheren Amtsträgern der Provinz verhandelte.
Dieser Römer vermittelte ihm dann Kenntnisse, die von Wert zu sein schienen… Vindex besaß zuvor keinerlei Angaben über weitere Alae oder Kohorten, hörte dann aber von diesem Mann, dass drei weitere Truppenteile in seiner Provinz stationiert waren.
In Cabillonum lag eine Kohorte, die die dort befindliche Flotte Roms und die umfangreichen Getreidelager, für die Versorgung römischer Legionen am Rhenus, bewachte.
Die Flotte, aus Liburnen bestehend, nahm bei Bedarf Auxiliaren der Kohorte auf und brachte diese, entlang der wichtigen Wasserstraßen des Rhodanus und des Arar, zum Einsatz. Der Auftrag lautet, die Sicherheit der Wasserwege zu gewährleisten.
Eine weitere derartige Kohorte, mit fast gleichen Anforderungen, lag in Lutetia, am Fluss Sequana. Die gleichartige dritte Kohorte befand sich in Caesarodunum, am Liger.
Das Besondere dieser Kohorten war die Verbundenheit mit dem jeweiligen Fluss und der zugeordneten Flotte. Täuschte beides doch über den weiteren Grund, den der möglichen Befriedung des Gebietes bei Erfordernis, hinweg.
Aus dieser Lage ergab sich, dass entlang dieser Wasserstraßen ein schnelles Fortkommen der Streitkräfte gesichert war. Außerdem spielten deren Standorte eine wichtige Rolle für die Verfügbarkeit, falls der innere Frieden der Provinz gefährdet erschien. Diese Kohorten würden zwar nicht ausreichen, um einen Aufstand abwehren zu können, dürften andererseits aber auch nicht unbeachtet bleiben, drohte eine Gefahr.
Insofern erschien Vindex, der aus dem Ordo Equester stammende frühere Präfekt der Kohorte in Cabillonum, als ein wichtiger Bestandteil seiner neuen Organisation. Als er noch dazu erfuhr, dass der jetzt im Ruhestand befindliche Präfekt die übrigen Kommandeure der anderen Kohorten kannte und deren Fähigkeiten einzuschätzen wusste, nahm er den Älteren in seinen Beraterkreis auf.
Was er nicht wusste und auch niemals erfahren durfte, war der Umstand, dass dieser frühere Präfekt ein Adler der Evocati war. Dieser frühere Präfekt hörte auf den Namen Gaius Donicus.
Mit Gaius Donicus und Lucien Belinarius verfügte Vindex somit über zwei von ihm gewählte Berater, denen er vertraute und deren Wissen, sowie Fähigkeiten, im helfen sollten, seiner Berufung gerecht werden zu können.
Den vom Kaiser eingesetzten Procurator für die Finanzen der Provinz, auch ein Equester Ordo mit dem Namen Lucius Masones Felix, konnte er nicht umgehen oder gar ablösen. Diesem Mann musste er sicher Verständnis für seine Art der Herrschaft erst abringen.
Vindex erinnerte sich, dass deren erste Begegnung sehr förmlich verlief. Jeder versuchte den Gegenüber über das eigene Wesen hinweg zu täuschen, vorerst Abstand zu bewahren und möglichst viel zu erfahren.
Sie waren wohl beide nicht sehr erfolgreich. Ihr Gespräch entwickelte sich schleppend. Nur zögerlich ließ er den Anderen in einen Teil seiner Vergangenheit blicken und der Masones Felix dankte es ihm in gleicher Art. Sie schieden mit dem Versprechen, das so interessante Gespräch fortsetzen zu wollen…
Vindex musste sich arg beherrschen, um nicht, ob der von ihm genutzten Redewendung, in einen Lachanfall abzugleiten. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als des Mannes Interesse für ihn zu wecken oder aber diesem den ‚Bart rasieren zu müssen’… Vindex bereitete sich auf beides vor…
Im nächsten Schritt dachte er über die zukünftigen Verantwortlichkeiten nach und gelangte zu dem Schluss, dass auch er einen Mann brauchte, der sich in Steuern und Geld gut auskannte. Wollte er sich dem Masones Felix nicht bedingungslos ausliefern, brauchte er einen eigenen befähigten Mann, der diesen Streit für ihn führte und außerdem die Verwendung der ihm überlassenen Finanzen überwachte.
So wie er in diesem Bereich einen starken Widerpart suchte, brauchte er auch für die Durchsetzung von Recht und Ordnung einen starken und unabhängigen Vertrauten.
Als er die weiteren Notwendigkeiten überdachte, fielen ihm der Handel und auch der Verkehr auf Straßen und Flüssen ein. Wollte er sich selbst dort nicht einbringen, brauchte er zwei weitere Männer seines Vertrauens.
Rom war, wo immer es herrschte, an den Schätzen des Bodens jedes eroberten Gebietes interessiert. Ob dies nun Salz, Bernstein, Eisen, Kupfer oder Zinn, Silber oder gar Gold war, es gehörte Rom und vergaß er sich darum zu kümmern, barg dies ungeahnte Gefahren. Auch der Ernährung der Menschen und damit der Bewirtschaftung des Bodens sollte er Aufmerksamkeit schenken.
Als er über das Land, deren Stämme und zugehörige Gebiete nachdachte, erschloss sich ihm, auch den Municipia, den Civitates und selbst den Bürgern eines jeden Vicus einen Mann zuzuordnen, der deren Interessen prüft und ihm berichtet.
Belinarius verwies, in einem ihrer Streitgespräche, auf die zahlreichen Stämme in der Provinz. Auch Vindex kannte eine Vielzahl davon und wusste, dass deren Wünsche und Begierden nicht immer leicht zufrieden zu stellen waren. Wollte er nicht jeden Streit der Stämme selbst schlichten, brauchte er auch in dieser Sache einen standfesten Mann.
Zog er einen Schlussstrich unter seine gedankliche Aufzählung blieb er an acht guten Männern hängen, hatte jedoch nur noch sechs Eigene zur Verfügung. So zwang er sich, sowohl die Eignung dieser Auserwählten zu prüfen und mögliche andere Kandidaten einzubeziehen.
An dieser Erkenntnis angelangt, erschloss sich ihm die Notwendigkeit eines weiteren Mannes. Wollte er sich nicht mit den vielen Kleinigkeiten verzetteln, brauchte er einen erfahrenen, klugen und gewissenhaften Vertrauten, der ihm die Last des täglichen Einerlei abnahm, viele Dinge in seinem Interesse selbst entschied und nur die Angelegenheiten zu ihm brachte, die seine Entscheidung erforderten…
Die Wahl dieses Mannes zwang dazu, auch den Umstand zu berücksichtigen, entweder einen Gallier, der das Land und das Leben hier kennt oder eben einen Römer zu benennen. Über einen geeigneten Römer verfügte er nicht mehr… Was sollte er tun?
Mit der Klarheit seiner Vorstellungen ergab sich sein nächster Schritt.
Wem sollte er vorrangig sein Vertrauen schenken, wen musste er sich erobern und wer könnte sich zu einem Feind entwickeln? Vindex prüfte jede Kleinigkeit, glich Fähigkeiten mit Vorstellungen ab und gelangte zu einem Ergebnis.
Er entschloss sich, mit den Männern zu beginnen, die er inzwischen zu seinen Getreuen zählte und dazu den Procurator Masones Felix hinzuzubitten. Noch unschlüssig, wen er über die einzelnen Sachwalter stellen konnte, wollte er den Rat der Männer erbitten. Dann aber stockte er. Gab ihm einer Rat und empfahl einen Mann, dessen Fähigkeit er selbst nicht erkannte und dann ablehnte, hätte er den ersten Feind, den er nicht brauchte… Außerdem, wer sagte ihm, dass der Benannte zuerst ihm selbst und nicht noch Anderen dienen wollte?
Vindex begann erneut von vorn und verteilte die Aufgaben nach seinem Gutdünken. Er schob Verantwortlichkeiten und Namen hin und her und gelangte dennoch nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.
Wenn er diese Nuss nicht selbst knacken konnte, brauchte er eben Hilfe und als er die dafür in Frage kommenden Kandidaten durchging, endete er bei Präfekt Gaius Donicus.
Er lud den früheren Präfekt zu einem Gespräch ein, bot ein reichhaltiges Mahl, guten Falerner Wein und fand bald den erwünschten Zugang zu dem Älteren.
Donicus war in Fanum Fortunae geboren, ging zur Legion und stieg bis zum Präfekt einer Kohorte auf. So wie der Alte ihm bekundete, war dies ein glatter, wenig anstrengender und stetig ansteigender Verlauf. Zweifellos verschaffte ihm seine Herkunft einen gewissen Vorteil.
Anfangs stieg er schneller auf, doch dann war irgendwann ein Ende gefunden. Also diente Donicus seine Zeit ab und blieb auch danach in Cabillonum. Er wurde zu einem der beiden Duumviri des Municipium.
In dieser Stellung begegnete Gaius Donicus dem Statthalter, der dieses Amt vor Vindex Vorgänger ausführte. Der Legatus Augusti rief den Duumviri Donicus zu sich und lockte mit einer Position in seinem Amt.
Gaius Donicus folgte dem Ruf und blieb auch, als dieser Statthalter abberufen wurde. Die Zeit danach betrachtete der Präfekt als einen weniger guten Abschnitt. Nicht jeder Legatus Augusti ist klug, geduldig und aufmerksam genug. Mancher war, so wie der letzte Statthalter, wenig zum Zuhören geneigt, dafür schwatzte der Mann zuviel und dies führte wohl auch zu seiner Ablösung, weil nur Worte allein keine Provinz regierten…
Donicus selbst weinte dem Mann keine Träne nach und wusste auch von vielen guten Männern, die unter dessen Macht genauso gelitten hatten, wie er selbst.
Der Präfekt schnitt von selbst das Thema an, auf das Vindex zu sprechen kommen wollte. Ohne seinen Überlegungen vorgreifen zu wollen und zu früh zu verkünden, was er beabsichtigte, fragte Vindex nach. Indem er auch etwas aus seinem Leben bot, sprangen sie beide tiefer in die gegenseitige Bekanntschaft.
Es war somit keine große Sache, den Älteren nach guten Männern zu fragen. Der frühere Präfekt wusste, wovon er sprach und Vindex hörte geduldig zu. Der Alte nannte ihm Namen und schilderte Fähigkeiten, verwies auf Wissen, auf Verbindungen, erwähnte besondere Eigenschaften und überließ Vindex die Wahl.
Dieser, im Gefühl eine richtige Entscheidung zu treffen, sortierte unter den beschriebenen Personen fünf der empfohlenen Männer aus. Bevor er sich aber entschied, fragte er den Präfekt, wem dieser, im Falle von fünf benötigten Männern, den Vorrang geben würde?
Der Alte sperrte sich lange und gab als Grund dafür an, nicht zu wissen, welche Voraussetzungen erforderlich oder erwünscht waren…
Zum Schluss rückte er dennoch mit einer Empfehlung heraus. Vindex war überrascht, nur einen, der in seinem Kopf verbliebenen Namen, nicht unter den Genannten zu finden. Also wurden aus fünf Benötigten umgehend sechs Kandidaten.
Gaius Donicus dankend, verabschiedete er diesen und ermahnte ihn, über ihr Gespräch zu schweigen.
Zwei Tage später saßen ihm die Männer der genannten Namen gegenüber. Wieder bediente sein Sohn Faustus die Gäste und wachte der Treverer vor der Tür.
Diese Mal hatte Vindex Lucien Belinarius zur Teilnahme aufgefordert.
Vindex prüfte seine Gäste vorsichtig auf Klugheit, Gewandtheit im Wort, Ehrlichkeit, Treue und Gelassenheit sowie auch Gewissenhaftigkeit. Er streifte im Gespräch die Themen, zu denen er gute Männer brauchte, forderte heraus, widersprach Einigen, korrigierte manche Ansicht und weil er dies mit Überlegung und in Ruhe vollzog, gelangte er zu den Einsichten, die ihm die Auswahl ermöglichen sollte.
Aber auch seine Gäste schienen angetan. Zumindest ging keiner im Zorn oder trug ein Gefühl der Enttäuschung auf dessen Heimweg.
Den Mann, dessen Name nicht in seinem Kopf stand, als der Präfekt seine Favoriten benannte, hielt er zurück, als er auch Belinarius verabschiedete.
Hostus Umbrenus war ein Mann in seinem Alter.
Er war von allen Anwesenden der Schweigsamste. Seine Statur war untersetzt, fast zwergenhaft klein, dafür kräftig, nicht dick und auch nicht dürr. Sein Kopf glich einer Melone, war verhältnismäßig groß in Bezug zur gesamten Erscheinung und wurde von großen Ohren, einer ebenso großen Nase, einem kleinen, schmalen Mund sowie stachelig kurzen, grauen Haar beherrscht.
Umbrenus blickte mit großen, dunklen, fast schwarzen Augen in seine Umwelt. Die runde Form des Kopfes vermittelte den Eindruck, dass dessen Träger ein die Bequemlichkeit bevorzugender, etwas träger und keinesfalls als ein der tierischen Verbissenheit verbundener Kämpfer, in Erscheinung trat. Blieb Umbrenus durch sein Wesen unscheinbar, so wirkte die Widersprüchlichkeit zwischen dessen Gestalt und der Kopfform auf die Erinnerung Anderer ein.
„Sage mir, Hostus Umbrenus, was zeichnet dich, nach deiner Ansicht, gegenüber den Übrigen meiner Gäste aus?“
„Meinst du Herr, die mir mangelnde Schönheit oder Stattlichkeit…“ stellte Umbrenus eine geistvolle und ehrliche Gegenfrage.
„Ich suche keinen stattlichen Mann…“ erwiderte Vindex und lächelte ob der Bemerkung des Anderen. „…mir schwebt ein eher zäher, gewissenhafter und ehrlicher Verfechter meiner Interessen vor, der mir in Treue ergeben ist und stets Roms Wohl im Blick behält… Ich suche einen klugen, starken und unbeugsamen Geist, der es auch versteht, sich der Fügsamkeit Anderer zu versichern, ohne mit Drohungen oder gar Zwang zum Ziel zu gelangen… Könntest du dieser Mann sein?“
„Das Herr, hängt davon ab, welche Voraussetzungen meine Aufgabe erfordert… “
„Genau die eben angeführten…“ erwiderte Vindex. „Es geht nicht um besonderes Wissen, wenn auch Weisheit vorhanden sein sollte… Keinesfalls erwarte ich sture Befolgung von Grundsätzen oder Gesetzen, sondern erwarte eher deren Einhaltung unter Nutzung eines möglichen oder sich anbietenden Freiraumes… Letztlich basiert eine gute Zusammenarbeit auf Achtung und Vertrauen…“
„Herr, du windest dich wie eine Schlange…“ entschlüpfte es den Lippen des kleineren Mannes.
„Siehst du, das ist es, was ich brauche… Redest du mir nach dem Mund, schicke ich dich nach Rom… Du bist doch Römer?“
Umbrenus nickte.
„Zeigst du jedoch an, dass dein Sinnen nicht meinem gleicht und wählst geschickte Worte, kannst du auf meine Aufmerksamkeit zählen…“
„Herr, was genau suchst du?“
„Nach meinen bisherigen Erkenntnissen stieß ich in dieser Provinz auf ein Chaos, auf Betrug und Unvermögen… Den Grund dafür sehe ich in den Eigenschaften meines Vorgängers, der wenig Ordnung einbrachte, dafür aber noch weit mehr Chaos schuf… Darüber hinaus verschaffte er Einzelnen seiner Parteigänger Vorteile, die so keinesfalls bestehen bleiben dürfen… Das wiederum bedingt, dass der Mann, den ich suche, mit massiven Ärger leben können muss, sich gegen Jedermann durchsetzt und in allen, auch den schwierigen Entscheidungen, allein meinen Vorstellungen folgt… “
„Du brauchst also einen Igel…“
Vindex blickte seinen Gegenüber verständnislos an. „Was, wie…“
„Herr, du suchst einen unscheinbaren, aber gut bewaffneten Gefährten, der in sich geborgen seinen stachligen Panzer als Abwehr nutzt, es versteht Zeit zu gewinnen und letztlich den Ausweg findet… , damit du, als Adler, herabstoßen und das Wild zur Strecke bringen kannst… “
Vindex starrte den Anderen an, dann lächelte er.
„So kann man es auch ausdrücken…“ beschied er Umbrenus.
„Herr, welcher Platz in deiner Hierarchie ist mir dann vorbehalten, falls ich zustimme?“
„Sagen wir, du gehörst unmittelbar unter mir zu meinen Vertrauten. Gleichzeitig bestimmst du über alle von mir berufenen Sachwalter für diese Provinz… “
„Wie viele Vertraute in der obersten Ebene schweben dir vor?“
„Das kann ich dir benennen… Da wären mein persönlicher Berater, Lucien Belinarius, dann der Procurator Roms, Lucius Masones Felix, auf den du und ich ohnehin keinen Zugriff haben, dessen Vertrauen und Zuneigung ich gewillt bin, zu erringen und der Präfekt Gaius Donicus, der dir bereits bekannt sein dürfte. Diese Männer stehen außerhalb deiner Hoheit!“
Umbrenus gab sein Verstehen kund. „Wer kommt dann unter mir?“ fragte er neugierig.
„Das sage ich dir, wenn wir uns einig sind…! beschied Vindex.
„Damit Herr, bin ich dein Mann!“ Umbrenus machte nicht zu viele Worte.
„Gut! Dann sind wir uns einig! Du wirst aber, so wie alle Anderen, den Eid auf Rom, den Kaiser und mich schwören…“
Umbrenus stimmte mit seinem Nicken zu. Er sah darin keinerlei Schwierigkeit, hatte es sogar, nach dem Verlauf dieses Gespräches, erwartet.
Überrascht war er, als der Legatus Augusti ihn aufforderte, zu verbleiben. Mit dem Verlauf des Gesprächs, vor allem dessen Ergebnis, musste er sich erst abfinden. Doch genau dazu ließ ihm Vindex keine Zeit.
„Höre jetzt meine Absicht und sorge für den reibungslosen Ablauf!“ forderte Vindex und begann ohne Umschweife, sein Vorgehen vor dem neuen Vertrauten auszubreiten…