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Оглавление6. Der Plan des Legat
66 nach Christus - Herbst (7. December)
Imperium Romanum – Exercitus Germania Superior
Gerwin selbst ging langsam und grübelnd zurück zum Zelt des Legat. Inzwischen war es stockfinstere Nacht. Er fand Viator, dessen Begleiter und die drei Gefangenen, von Wachen und Fackeln eingeschlossen, vor dem Zelt.
„Viator, bringt sie wieder hinein!“ befahl er und schlug den Zelteingang zur Seite.
„Nun, mein junger Hermundure, das dauerte aber lange…“ empfing ihn der Legat.
„Herr verzeih, es war schwieriger als ich es mir vorstellte…“
„Eigentlich interessiert mich nur das Ergebnis, Gerwin!“
„Herr, erlaube, dass ich dem Graukopf noch eine Frage stelle?“
Eine gönnerhafte Handbewegung gab die Frage frei. „Meinetwegen, stelle ihm auch weitere Fragen… Hauptsache wir kommen langsam zum Ende!“ forderte Verginius Rufus.
„Also, Graukopf, kennst du den Präfekt Tutor?“
„Sicher, wie jeder aus dem Lager hier am Fluss… Für die Anderen kann ich nicht sprechen…“
„Was ist das Besondere an Tutor?“
„Er ist ein Lügner!“
„Wieso?“
„Er versprach uns zum Sieg zu führen und dann verschwand er spurlos… Auch im anderen Lager wurde er nicht mehr gesehen…“ Der Graukopf blieb bei der Wahrheit, so schien Gerwin.
Darum ging es ihm. Er wusste inzwischen, wie Tutor zum Anführer der Treverer stand, wo der große Tungerer hingehörte, was für ein Mann der dürre Ubier war, aber noch nichts über diesen Usipeter…
„Stimmt es, dass er allen hier im Lager verkündete, welches Ziel verfolgt wurde?“
„Ja, er prahlte auch damit, eine alte Schuld begleichen zu können… Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass er plötzlich spurlos verschwand…“ Der Graukopf stutzte plötzlich.
„Du hattest ihn und er verriet uns im Tausch für sein Leben…“ Diese Erkenntnis ließ Zorn aufwallen. „Wo ist der Kerl jetzt, damit ich ihm für die Lügen und den Verrat seine Augen zudrücken kann…“ Der Alte blickte sich gehetzt um und suchte wohl eine Möglichkeit zum Entweichen oder gar Tutor selbst. Gerwin erkannte, dass diese Wut nicht gespielt war.
„Du findest ihn nicht, aber es stimmt. Ich, nein wir, hatten ihn längst! Obwohl du auch in deinen Anschuldigungen, bezüglich Verrat und Lügen recht hast, musste er uns dieses Lager nicht erst zeigen. Ich war schon hier, als ihr noch keine über hundert Mann zähltet…“
„Woher wusstest du…“ Der Graukopf war verwundert.
„Weißt du, manches Mal hat man Glück. Wir wussten längst, dass sich etwas zusammenbraute… Wo der Ort lag, zeigten uns eure Überfälle hier im Land der Nemeter… Also begannen wir mit dem Ausspähen und fanden euch… Was soll schon noch sein… Den Rest wisst ihr selbst…“ schloss Gerwin.
„Herr, ich hätte an alle drei Gefangenen eine allerletzte Frage?“ Gerwin bemühte sich noch einmal um die Zustimmung des Legat.
Verginius Rufus nickte. Er war längst sicher, dass Gerwin wusste, wen er Hängen musste… Er lauerte.
„Was glaubt ihr, was würde geschehen, wenn wir euch anbieten, zukünftig in einer Auxiliarkohorte oder gar, sofern Einzelne von euch römische Bürger wären, in einer der Legionskohorten zu dienen? Würden euch eure Anhänger folgen? Mit wie vielen Männern könnten wir rechnen?“
Der Tungerer wirkte erstaunt, der Usipeter gelassen und der Ubier schien für einen Augenblick gar zu Lächeln. Er war es auch, der den Reigen der Antworten eröffnete.
„Legatus, sechs oder sieben Männer kann ich dir fest zusagen… Es könnten aber noch mehr werden, immerhin hören viele der Gefangenen auf mich!“ Gerwin nickte und es schien als wäre eine Anerkennung damit verbunden.
„Tungerer?“ fragte der Hermundure danach kurz den Nächsten
„Ich bin kein römischer Bürger und ich kenne auch keinen unter den übrigen Auxiliaren… Aber ich kenne viele der Männer.“ Er machte eine kleine Pause. „Für einen Anderen zu sprechen, als für die fünf Überlebenden unserer Turma, steht mir nicht zu.“ Der Hüne musterte erst Gerwin, dann den Legat und ließ seine Augen längere Zeit auf Gaurus verweilen, bevor er das Ergebnis eigener Überlegungen preisgab.
„Wem ein Mann schwört, ist allein seine eigene Sache!“ teilte er nahezu gleichgültig mit. Dann fügte er nachdenklich an: „Zweifellos genieße ich in der Kohorte, aus der ich hierher befohlen wurde, großes Ansehen. Das werde ich verloren haben… Bleibe ich verschwunden, trifft mich die Erkenntnis meiner früheren Gefährten wenig, obwohl ich darüber betroffen bin… Also bleibe ich gern hier und schaffe mir neues Ansehen. Meine Gefährten der Turma werden mir sicher bereitwillig folgen, aber die Entscheidung muss jeder Mann allein treffen…“
„Graukopf?“ forderte Gerwin den Mann mit der Handverletzung auf.
„Ich bleibe!“ antwortete der Mann kurz.
„Hast du keine Anhänger, Usipeter?“ fragte Gerwin nach.
„Doch, viele, zu viele! Dennoch muss diese Entscheidung jeder für sich treffen. Der Tungerer hat recht…“ antwortete der Graukopf.
„Gerwin, was jetzt?“ fragte der Legat.
„Viator, bringt sie raus und wartet auf mich!“ befahl der Hermundure.
Als die Zeltklappe fiel, fragte Verginius Rufus erneut.
„Herr, es sind genau sieben Mann, die sterben werden… Aber in dieser Gruppe halten sich noch Zuläufer auf, die der Anführer erst noch wegjagen muss… Dann kann ich dir die Männer zeigen und wir handeln… Deshalb muss ich noch einmal zum Pferch!“
„Dann geh!“ bestimmte Verginius Rufus.
Es war schon ein recht merkwürdiger Tag bisher. Eine Totenfeier, ein Totenmahl und einige heftige Vernehmungen, Intrigen und die Aufklärung nach Schuld und Bemessung von Sühne für die, deren Kampf als Gefangener endete… Und noch immer war das Ende nicht in Sichtweite…
„Folgt mir!“ forderte Gerwin auf, als er an Viator vorbei schritt.
Das Gatter öffnete sich und die drei Männer kehrten zu den Plätzen ihrer Gefährten zurück.
„Fürst der Treverer…“ rief Gerwin und der Mann zeigte sich. „Bringe deine Männer aus dem Pferch!“
Das Gatter schloss sich hinter dem letzten Treverer. Gerwin achtete während dessen auf jede kleine Bewegung innerhalb des Pferch. Er sah, was er zu sehen hoffte.
Der Ubier trat einem, der bei ihm lagernden Männer mit voller Wucht auf dessen aufgestützte Hand. Der Mann schrie und fluchte. Aus Dankbarkeit flog eine Faust, die den Mann erneut traf. Das reichte diesem möglichen Gefährten des Ubier und er zog sich zurück.
Ein Anderer der dort Lagernden wurde plötzlich vom Ubier hochgerissen und zur Seite geschleudert, genau so, wie ein weiterer Gefährte, der einen Tritt in den Rücken einfing und sich, ohne weiteres Aufsehen, zurückzog.
Das war der Moment, auf den Gerwin gelauert hatte. Es saßen nur noch sechs Mann um den dürren Ubier herum. Der angebliche Auxiliar traf seine Auswahl und vertrieb zu ihm gekrochene Mitläufer.
Ein solches Vorgehen erhoffte Gerwin. Wenn nur die unter sich waren, denen ein besonderer Auftrag erteilt worden war, durfte auch über diesen Auftrag gesprochen werden…
„Volusenus, deine zehn Männer zu mir! Mit den Anderen bewacht die Treverer!“ Viator, Paratus, Sexinius an meine Seite!“
Als sich die zehn Milites formierten, gab Gerwin den Befehl ‚Gladios stringite!’ Gatter auf!“ und stürmte voran.
Was dann geschah war blutig und kurz.
Hatten sich die Ubier um ihren Anführer gescharrt, um zu hören, was ihrer erwartete, sahen nur die zwei in Richtung des Gattertores Blickenden die Vorgänge außerhalb. Sie waren, vom offensichtlich Gehörten, so gebannt, dass sie erst das erneute Öffnen des Gatters stutzig machte und dann den Ruf ‚ ‚Percute!’ erschallen ließen.
Die Ubier waren, obwohl ohne Waffen, sofort zur Gegenwehr bereit. Das diese Männer befähigte Kämpfer waren, zeigte sich umgehend. Sie begriffen, dass der Angriff ihnen galt, zögerten nicht, sich zu stellen und schrien ihren Zorn heraus. Keiner der Ubier suchte Hilfe bei den anderen Gefangenen.
Den vordersten Ubier räumte Gerwin mit einem Faustschlag an den Hals zur Seite und stand vor deren Anführer.
Die Faust des großen, dürren Mannes schoss auf ihn zu und ging, wegen einer Meidbewegung, knapp am Kopf vorbei. Dadurch gelangte Gerwin an den Kerl heran und schlug blitzartig mit voller Kraft einer Faust unter dessen Brustbein, dann sofort heftig mit beiden Händen zu den beiden Seiten des Halses und von dort flogen seine Hände an den sich starr aufrichtenden Kopf.
Gerwin traf, was er suchte. Die Finger beider Hände fanden, vereint auf beiden Seiten des Kopfes, die richtige Stelle und hebelten, durch die Wucht des Schlages, die Kiefern des Ubier aus den Gelenken. Der Schrei des Mannes übertönte alles, dann sackte er zusammen.
Paratus Faustschlag traf einen der anderen Ubier, was diesem die Beine weg zog und sein Antlitz zu einer Trümmerstelle werden ließ. Ein dritter Ubier rannte in Sexinius Gladius und den Vierten erwischte Viators Pugio. Der Rest war Hauen und Stechen…
Es ging so schnell, dass viele der übrigen Gefangenen gar nicht begriffen, was vor sich ging.
Die Wenigen, die sich erhoben, wurden durch den Schrei des Graukopfes „Consistite! Auxilia!“ eines Besseren belehrt.
Der Graukopf hatte begriffen, wollten die Gefangenen eine neue Zukunft, dann ohne diese verdammten Ubier, die Tutor einst angeschleppt brachte.
Fünf der Ubier lagen tot im Schlamm des Pferches. Gerwin musterte die Leichen und befahl, diese aus dem Gatter zu ziehen.
Der große dürre Ubier wimmerte vor Schmerz und Gerwin wusste, dass er jedes Recht dazu besaß.
Trotzdem befahl er Paratus, den Kerl aufzurichten und mit dem Rücken an einen Pfahl zu lehnen. Es sah nicht schön aus, als Gerwin das Ergebnis seines Schlages, beiderseits des Kopfes, begutachtete… Der Unterkiefer hing schlaff herab und des Ubier Zunge hing aus dem Mund.
„Kannst du mich hören, Ubier?“ fragte Gerwin leise. An den Augen des Kerls erkannte er, dass es so war.
„Dein Leiden hat gleich ein Ende… Du hattest deine Gelegenheit, mich in der Luft zu zerreißen und wieder versagtest du… Außer mit deinem großen Maul hast du nicht viel bewegt… Du bist blind und taub, denn schon einmal begegnete ich dir…“
Gerwin lächelte den Schwerverletzten nachsichtig an. Er wusste, dass dem Anderen nur noch wenige Augenblicke blieben.
Die Augen des Ubier starrten ihn gebannt an.
„Ich hatte dich, vor nur kurzer Zeit, doch gewarnt… Du sahest und hörtest mich einst nicht, obwohl ich nur zwei Schritte neben dir vorbei glitt. Dein Statthalter traf sich mit seinem Bruder am Obrinkas, auf dem Hügel… Erinnerst du dich? Nun, es ist das Letzte, an was du dich erinnerst…“
Gerwin lauerte. Er sah des Mannes Arme zittern. Der Ubier war längst über den Schmerz des Schlages zum Kopf hinaus. Der Tod begann nach ihm zu greifen.
„Fühlst du den Schmerz in dir wachsen? Der Schlag, den du von mir bekamst…“ Gerwin zeigte die Stelle des Treffers unter der Brust.
„Schon einmal traf ich dich dort, aber nur leicht… Wird der gleiche Schlag mit solcher Wucht, wie zuletzt geführt, ist er immer tödlich. Zuerst kommt Schwindel… Den konntest du übergehen, wegen dem anderen Schmerz am Kopf… Dann sagt dein Kopf, dass dort kein Blut mehr ankommt… Das ist etwa jetzt der Fall und weil der Zustand andauert, stirbst du…“ Gerwin wartete. „Jetzt!“
Der Ubier sackte in sich zusammen. Er war tot!
„Paratus, bring den da weg!“ Gerwin deutete hinter sich.
„Was ist mit dem Anderen dort?“ fluchte der Hermundure.
„Der japst noch etwas…“ erwiderte Viator.
„Das ändert sich auch gleich, Den hatte ich doch zuerst erwischt… Schleift ihn raus… Der Kerl weiß nur noch nicht, dass er stirbt…“
„Du hast recht, verdammt!“ fluchte Viator. „Der hat es auch hinter sich…“ Der frühere Gefährte schien zornig. „Nun sage mir nur noch, warum das Ganze, verflucht Gerwin?“
„Damit die Anderen Leben können und eine Zukunft haben… Der Befehl zwang sie hierher, aber nur die Ubier waren die Auserwählten!“
Der Hermundure antwortete laut. So laut, dass alle Gefangenen ihn hören konnten…
„Schließ das Gatter! Halt wartet noch… He, alter Mann, komm mit, damit ich den Schnitt flicke, den ich dir im Kampf verpasste… Ich halte meine Versprechen gern…“
Er war schon fast durch das Tor des Pferches hindurch, als sich Gerwin noch einmal umdrehte.
„Graukopf, sag es allen! Der Legat erwägt, sie alle zu versetzen… Nur eines hängt noch in den Sternen… Er weiß noch nicht wohin, aber immerhin werden sie leben… Und dir sei Dank, für den Schutz im Rücken!“
Der Alte, mit der Verwundung von Gerwins Dolchen, stand neben ihm und lächelte.
„Höre, Volusenus!“ wandte sich der Hermundure dem bewachenden Centurio zu. „Bring die Treverer getrennt von den Auxiliaren unter! Ich glaube, du kannst deine Männer teilen… Von denen wird keiner mehr fliehen wollen… Dann bringst du den Fürst der Treverer zum Zelt des Legat und wartest dort mit ihm! Gehen wir, alter Mann!“ bestimmte der junge Hermundure und schritt auf das Zelt des Legat zu.
Er schob den Alten ins Zelt.
„Herr, der Alte hat dir einen Vorschlag zu machen!“
Erschrocken drehte sich der Tungerer um. „Ich? Wie kommst du darauf, Junge!“
„Nutze sie, es ist deine Gelegenheit…“
Gerwin schob den Auxiliar ins Licht der Fackeln und auf den Tisch zu. Der Tungerer trat von einem auf das andere Bein und war sichtlich verlegen.
„Nun ziere dich nicht und sag ihm schon, was du mir gegenüber vorbrachtest… Erkläre ihm das mit der Suche, den Verlusten und den Bürgern Roms…“
Der Alte wandte sich zu Gerwin um. „Ach, das meinst du…“
„Herr, Legatus, …“ Der Alte zappelte herum. Dann gab er sich einen Ruck, trat einen weiteren Schritt vorwärts und begann zu sprechen.
„Herr, Du hast so etwa so viele Tote wie Gefangene! Das stimmt doch?“ Er sah sich, um Hilfe heischend, nach Gerwin um.
Dann fasste er sich. „Mache sie zu Bürgern Roms und du hast Ersatz! Jeder der Überlebenden ist nicht um so vieles schlechter, als die, die du verloren hast… Und sie werden dir treu sein, weil Großherzigkeit von tapferen Männern nie vergessen wird…“
Der Legat blickte zu Gaurus, der ganz kurz ein Lächeln zeigte.
„Wie heißt du, Auxiliar?“ fragte der Legat. „Schließlich muss ich wissen, wer mir den Vorschlag unterbreitete…
„Ubicus, Herr!“
„Ich werde darüber nachdenken…“ teilte der Legat dem alten Auxiliar mit.
„Herr, ich muss ihn noch zusammenflicken… Der Alte begegnete einer meiner Klingen…. Er meint, er hätte Glück gehabt…“ mischte sich der Hermundure erneut ein.
„Dann tu das!“ beschied ihm Verginius Rufus.
Vor dem Zeltausgang drehte sich Gerwin noch einmal um.
„Herr, übrigens, die von Scribonius Rufus, eigens zu deiner Tötung beauftragten Ubier, sind alle tot! Den langen Dürren begegnete ich einst am Obrinkas. Er gehörte zu den Vertrauten des Statthalters… Ich habe befohlen, die Treverer von den Auxiliaren zu trennen!“
Gerwin ging und nahm sich des Alten an. Als er fertig war, erschien Volusenus mit dem Anführer der Treverer.
„Ubicus, meinst du, du findest allein zum Gatter…“ fragte Gerwin den Alten und der nickte.
„Für dich, mein Junge, werde ich alles tun, was du wünschst!“ beschied ihm der Auxiliar und schlug den richtigen Weg ein.
„Na dann, Volusenus, hinein ins Vergnügen…“ Gerwin schubste den Römer ins Zelt und der Treverer folgte der Aufforderung.
„Herr, das ist also Tutors Onkel und noch dazu ein Fürst dieses
Stammes der Treverer.“
„Warum bringst du den Mann?“
„Weil er nützlich sein kann…“
„Und warum schleppst du Volusenus zu mir?“ knurrte der Legat.
„Weil der seine Aufgabe vorzüglich erfüllte und an der Beseitigung der Ubier genauso tatkräftig mitwirkte, wie bei meinen Befragungen… Wenn ich dir das allein berichte, Herr, geht es vielleicht verloren… Hier aber hört es Gaurus ebenso und weiß sicherlich, was er dem Centurio Gutes tun kann… Geh, Volusenus und sieh mal nach dem Ubicus und ob er tatsächlich den Weg fand…“
Centurio Volusenus schlug seine Hacken zusammen, machte eine Kehrtwendung und verschwand.
„Und warum bringst du mir nun den Treverer wirklich?“
„Herr, wie gesagt, er ist mit Tutor verwandt. Dem ist ja nun bedauerlicherweise wohl die Flucht gelungen, denn sonst wären unsere Männer längst zurück… Er war nicht so ganz mit seinem Neffen zufrieden und unser gemeinsamer Feind Tutor versprach ihm etwas, was er nie erfüllen kann oder wird…“
„Was ist das Versprechen, Treverer?“
„Nie wieder, in meinem Stammesteil, eine Aushebung neuer Truppen!“
„Ist es dir keine Ehre, für Rom zu kämpfen?“ Verginius Rufus lauerte.
„Herr, ich bin nicht der mächtigste Treverer, eher einer der kleineren Fürsten… Wer meinst du, erhält zumeist die Auflage, seine jungen Männer zu entsenden? Muss ich der Aufforderung Folge leisten, werde ich niemals stark. Andere aber, die genug willige Krieger haben, sind nicht bereit Rom zu geben, was Rom will… Diese Teile der Treverer werden stärker und ich schwächer. Tutors Vorschlag schien mir ein Ausweg…“
Der Legat begriff. „Dir ist aber doch klar, dass ich Aushebungen bei dir nicht verhindern kann, zumal das nicht meine Aufgabe ist…“
„Schon, Herr, aber du könntest einen kleinen Hinweis, wenn er dir zukommt, sicher nützlich verwenden…“
„Was schwebt dir vor?“
„Kommt immer dann ein Reiter von mir und teilt mit, wie viele Männer ich stellen muss, könntest du vielleicht den Namen eines anderen Fürst einwerfen, der dann eine größere Berücksichtigung findet…“
„Was wäre dir das wert? Obwohl ich nicht weiß, ob mein Wunsch dann auch Anerkennung erheischt…“
„Herr, wenn du etwas nachdrücklich darauf bestehst, erfüllen andere Fürsten sicher deinen Wunsch…“
„Und du?“
„Ich werfe ein dankbares Auge auf meinen Neffen! Sobald er einen neuen Plan ausheckt, egal was dessen Inhalt und Ziel sein wird, erfährst du davon!“
Verginius Rufus nickte. Er schien einwilligen zu wollen. Der Legat zog sein Clunaculum und drückte dieses mit dem Knauf auf den Tisch, so dass die Spitze nach oben ragte.
Es war ein nur etwa Fingerglied breiter, kleiner und fast zierlicher Dolch, dessen Schneide leicht geschwungen, nicht über die Länge des mittleren Fingers einer normal großen Hand, hinaus reichte.
„Schwöre mir Treue, indem deine linke Hand die Spitze des Clunaculum bis zum Heft in sich hinein lässt! Dann werde ich dir glauben und deine Männer frei sein!“
„Wie schwörst du, Herr?“ fragte der Treverer.
„Das brauche ich nicht, du willst die Freiheit deiner Männer und das Vermeiden neuer Aushebungen… Ich will nur die Beobachtung Tutors! Der Handel gilt, wenn du schwörst! Gaurus zieht am Morgen mit seiner Kohorte und den Auxiliaren ab, danach seid ihr frei! Das ist mein Wort!“
Der Treverer trat zum Tisch. Er legte seine Hand auf die Spitze, suchte die richtige Stelle und drückte, bis die Spitze auf dem Handrücken zu sehen war. Dann verlieh er seiner Hand Schwung und zog bis zum Heft durch. Den Rückweg der Hand vollbrachte er in einem einzigen Zug. Der Legat hielt die Waffe fest, so dass der Treverer seinen Schwur mit Entschlossenheit abschließen konnte.
„Wie lautet dein Name, Treverer?“
„Albanus Betto, Herr!“
„Albanus Betto, wenn du zukünftig deine Hand ansiehst, erinnerst du dich deines Schwurs… Geh! Am Mittag des Folgetages kannst du mit deinen Männern heimkehren…“
Der Treverer nickte und verließ das Zelt.
„Warte Treverer!“ forderte ihn Gerwin auf.
„Warum?“
„Deine Hand…
„… wird heilen, wenn es die Götter so wollen! Sterbe ich jedoch, war der Handel unehrenhaft und erlischt mit meinem Leben…“ Betto ließ den Hermunduren einfach stehen.
Er kehrte dorthin zurück, wo er seine Männer verließ. Er brauchte keine Begleitung und auch keine Führung. Nur warten musste er noch und so schwieg er gegenüber seinen Stammesangehörigen.
Betto zeigte auch keinem der Vertrauten seine Wunde. Weil er wollte, dass der Handel mit dem Römer gilt und er einen zweiten Handel mit seinen Göttern einging, durfte er nicht darüber sprechen. In der folgenden Nacht, als die Anderen schliefen und er sich allein wähnte, nähte er sich selbst die Wunde auf beiden Seiten der Hand zu.
Gerwin drehte ab und kehrte ins Zelt zurück, nahm sich einen Pokal und goss Wein und Wasser ein. Er spürte die Neugier des Legats und auch des Pilus Prior.
„Herr, eigentlich war es ganz einfach. Finde die, auf die Andere hören… Dann ermittle, wer ehrlich ist und wer lügt. Prüfe dabei jedes Wort und vergleiche mit den Worten Anderer….“ Gerwin nippte am Pokal.
„So fand ich das Geheimnis des Treverer, die Lüge des Ubier und erkannte, was den Tungerer umgab… Der Usipeter schien mir ehrlich zu sein… Er machte kein Aufhebens um seine verletzte Hand, obwohl diese schlimm aussah… Ich musste ihn dann immer nur zu den gleichen Dingen befragen und er die richtige Antwort geben. Weil er nicht wusste, was ich Andere fragte, war er zur Wahrheit gezwungen… So bestätigte er mir immer, was ich von den übrigen Befragten bereits gehört hatte. Nicht jeder den ich befragte, begegnete mir freundlich… Dennoch wehrte sich keiner! Manche aber, Herr, wollten schon nicht mehr leben…“
Gerwin trank und schwieg.
„,Herr, wie willst du die Auxiliaren, am Statthalter vorbei, in die Kohorten der Auxiliaren schleusen?“ fragte Gerwin dann leise.
„Gar nicht!“
„Wie gar nicht, Herr?“
„Aber Gerwin, es gab doch gar keinen Kampf… Wir haben keine Verluste und unser Bestand an Milites hat sich, auf dieser Übung, nur geringfügig verändert…“ Wem fällt schon auf, dass wir ein paar andere Gesichter in unseren Reihen finden… Gaurus nimmt sie alle und teilt sie auf seine Centurien, die hier beteiligt waren, auf. Er kehrt mit seiner Kohorte nach Mogontiacum zurück, wird auf dem Übungsfeld eine Abnahme vornehmen, den Einsatz würdigen und dann den ganzen Krempel der Ausrüstung sichten. Dass dann dabei Einige vollkommen neu ausgestattet werden, fällt doch nicht auf. Es gab nur zwei Schwierigkeiten“
Gerwin staunte nicht schlecht. Hatte der Legat in seiner Abwesenheit doch den Pilus Prior weich geklopft und zu dieser Vorgehensweise überredet.
„Herr, welche Schwierigkeiten meinst du?“
„Die erste war der Pilus Prior, der verstehen musste, dass er diese Männer oder keine erhalten würde… Es dauerte etwas, bis er begriff.“
„Herr, die zweite Sorge?“
Was glaubst du, ist den neuen Milites lieber, der Tod oder ein neuer zusätzlicher Name? Jeder muss einen unserer ‚alten Männer’ beerben und alle müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass kein Anderer hinter diese Zusammenhänge steigen darf… Meinst du nicht, dass auch dadurch Gaurus Kampfkraft wächst, wenn alle ein Geheimnis verbindet?“
Verginius Rufus grinste. Ihm gefiel, was er mit Gaurus ausbrütete.
Gerwin hingegen, war voller Zweifel…