Читать книгу Die Kinder der Agnes Kaitner: Wildbach Bergroman - G. S. Friebel - Страница 7
2
ОглавлениеTherese hatte die Kartoffeln geschält. Ein Blick auf die Sonne, die über den Zebere Alpen stand, sagte ihr, dass es noch zu früh war, um sie aufs Feuer zu setzen. Oh ja, sie kannte sie alle beim Namen, die stolzen Riesen, die so ehrfurchtgebietend das Tal umschlossen. Da war der Dürrenstein, der Hochkar, Brunnstein und viele mehr. Früher, als ganz junges Mädchen, als sie noch nicht verheiratet gewesen war, da waren sie oft in die Berge gestiegen. Ach, sie dachte an vergangene Zeiten, wie schön es doch gewesen war. Aber jetzt, da konnte sie es schon lange nicht mehr. Jetzt waren die Berge für die Fremden da.
In diesem Augenblick verdunkelte sich das kleine Fenster. Jemand stand davor. Therese blickte genauer hin und erkannte die Nachbartochter, die Agnes Lieg. Sie wohnte nicht viel besser, und auch ihre Wirtschaft war recht klein. Sie wusste das deswegen so genau, weil ihre Grundstücke aneinander grenzten.
Agnes war wirklich kein hübsches Mädchen. Ein wenig zu breit und derb die Figur, und die Kleidung war auch ziemlich schlampig. Alles in allem war die Agnes Lieg recht faul.
Therese winkte sie herein.
»Grüß dich, Agnes.«
Diese erwiderte den Gruß, setzte sich auf die Ofenbank und sagte: »Dem Vater geht es gar nicht mehr gut. Ich glaub’, er schafft die Woche nicht mehr.«
Seit Monaten kämpfte nun der alte Lieg mit dem Leben. Klapperdürr und ausgelaugt, wie er war, wunderte man sich in der Tat, dass er es noch so lange ausgehalten hatte.
Therese blickte das Mädchen an und sagte: »Was wirst dann machen? Ich mein, wenn der Vater nicht mehr da ist?«
»Tja, das weiß ich auch nicht«, sagte sie gedehnt. »Ich muss mal sehen.«
»Willst die Wirtschaft allein weiterführen? «
»Das ist zu viel für eine Person, Kaitingerin. Das schaff’ ich wirklich nicht.«
»Bist doch fünfundzwanzig, Agnes, musst dir einen Mann nehmen, der hilft dir dann bei der Arbeit.«
»Da will niemand anbeißen«, sagte sie träge. »Bei dem wenigen, was ich hab, wer soll denn da schon kommen?«
»Dass sie selbst auch kein Blickfang war, daran dachte sie gar nicht. Wenn sie sich nur ein wenig mehr zurecht gemacht hätte, flink und sauber gewesen wäre. Schon so manches arme Mädchen hatte einen besseren Mann bekommen. Aber für die Agnes war das ja alles zu viel, war Arbeit, und davor drückte sie sich.
»Nun, wenn du mich brauchst, dann komm nur, dann geh ich mit und helf dir, bis alles überstanden ist.«
»Dank auch schön, Nachbarin. Da will ich jetzt wohl mal wieder gehen, der Vater ist ja allein.«
Als sie wieder fort war, kam die Therese ins Grübeln. Und dann hatte sie einen feinen Plan. Ja, wieso war sie bloß noch nicht früher darauf gekommen? Der Bub musste die Agnes nehmen.
Die Äcker und Wiesen lagen zusammen. Wenn man sich also zusammentat, so kam das Anwesen hinzu und die zwei waren doch jung und stark, da konnte man dann vielleicht etwas draus machen.
Ordentlich heiß wurde ihr bei diesem Gedanken. Sie würden sich vergrößern, und dann war ja auch die Schwiegertochter da, die sich um alles kümmern musste. Sie konnte sich dann endlich auf ihre alten Tage ausruhen.
Als mittags dann der Sohn heimkam, überfiel sie ihn gleich mit ihren Gedanken. Der Franzi ließ platschend den Löffel in die Suppe fallen und starrte die Mutter an.
»Was soll ich?«, fragte er verdutzt.
»Herrje, kannst so schlecht hören?
Du sollst um die Agnes freien, bevor es zu spät ist. Dann kriegst alles mit. Der Alte liegt im Sterben, den brauchst also nicht mehr mit durchzufüttern. Ist das nicht wunderbar?«
Jetzt aß er ruhig weiter.
»Na«, sagte er grantig. »I mag net. So ein Weibsbild, das ist nicht mein Ideal. Die Schlampen soll ich zur Frau nehmen? Bin ich gescheit? Ich denk’ nicht daran, mich zu verehelichen. Haben ja schon jetzt knapp zum Leben.«
»Bub«, schmeichelte die Mutter. »Die Agnes, die ist doch nur so wegen dem Vater. Kennst den Alten doch, der hat immer so schrecklich geknausert und da konnte die Agnes nix aus sich machen. Wart nur erst, wenn er auf dem Kirchhof liegt, dann wird sie schon anders. Und denk doch an die Äcker, dann ist der Ertrag auch sofort größer, und wir können uns vielleicht wieder drei Kühe halten, Bub. Wir werden nicht mehr so arm leben müssen, ehrlich. Glaub mir, es wird dann mit uns aufwärts gehen.«
»Lass mir meinen Frieden. Ich will jetzt in Ruhe essen und dann muss ich wieder raus auf den Acker. Die Kartoffeln stehen in diesem Jahr gar nicht gut. Wir bräuchten viel mehr Dünger, dann würd’ der Boden auch wieder was hergeben. Er ist ausgelaugt und erschöpft.«
Zu jeder anderen Zeit hätte die alte Therese sich über diese Mitteilung aufgeregt. Aber heute überhörte sie buchstäblich, was der Sohn sagte. Sie war von der neuen Idee so erregt, dass sie richtig zu zittern anfing.
Als Franzi merkte, dass die Mutter nicht zuhörte, sondern dauernd vor sich hin schnatterte, hielt er auch den Mund, aß schlürfend die Suppe und wenig später nahm er seinen alten ausgefransten Hut vom Haken und verließ das Haus.
Auf dem Weggraben legte er sich in die Sonne und hielt ein kleines Mittagsschläfchen. Dabei überdachte er die Worte der Mutter. Na, dachte er wütend, mich auch noch mit einem Weib behängen, damit ich nimmer fortkomme. So weit kommt das auch noch. Na, so blöd müsst ich sein. Sobald die Mutter tot ist, geh ich fort. Und wenn ich fort bin, dann brauch’ ich mich auch nicht mehr auf dem blöden Acker so abzuschinden, hab viel Zeit für meine Schnitzerei und kann damit mein Brot verdienen. Das wär’ doch gelacht, wenn mir das nicht glücken sollte.