Читать книгу Die Kinder der Agnes Kaitner: Wildbach Bergroman - G. S. Friebel - Страница 9

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Franzi wunderte sich über nichts mehr. Er sah jetzt die Agnes jeden Sonntag und dann auch noch in der Woche abends daheim bei der Mutter hocken. Und sie sah jetzt noch nicht mal übel aus. Und schöne Augen machte sie ihm auch, der Franzi sah immer zu, dass er das Weite suchte. Dann saß er oberhalb der Hütte und schnitzte mal wieder. Er versuchte sich das erste Mal an einer Figur, und das war gar nicht so einfach. Hatte er doch nicht das richtige Werkzeug dazu und auch gar keine Anleitung. Aber es machte ihm viel Spaß, und irgendwie sah man schon, was es werden sollte. Daheim zeigte er die Figur nicht, denn er wusste, dass die Mutter für solche Sachen keinen Sinn hatte.

Jetzt lag sie ihm ständig in den Ohren und jammerte ihm vor, dass sie nicht mehr so arbeiten könne wie früher, und dass eine junge Frau ins Haus müsse. In allen Tonlagen schilderte und pries sie die Agnes an.

Franzi dachte zuerst, vielleicht ist die Mutter wirklich so klapprig wie sie sagt, dann wird sie nicht mehr lange leben, dann hab ich meine Freiheit und kann endlich fortgehen. Solange die Mutter nämlich lebte, konnte er das nicht; denn er musste ja für sie sorgen. Ohne ihn würde sie den Hof nicht halten können. Und eine Rente vom Vater her hatte sie auch nicht. Damals hatte keiner an eine Sozialversicherung gedacht, um fürs Alter vorzusorgen. Und überhaupt, sie hätten ja nie das Geld dazu gehabt.

Franzi brauchte aber nicht sehr lange, um festzustellen, dass es nur das Jammern allein war, bei der Mutter. Sie war nämlich gar nicht so hinfällig. Eines Tages sagte er sich mit Recht, sie kann noch ziemlich alt werden. Sechzig Jahre ist ja noch kein Alter, um schon zu sterben. Und wenn sie jetzt achtzig wird? Die Mutter war nie ernstlich krank gewesen, und sie war auch recht zäh, wie alle Menschen hier in der Gegend. So würde er noch lange Zeit auf dem armseligen Gütl zubringen müssen.

Vielleicht war es mit seiner Schnitzerei doch nicht so weit her und dann musste er sich vielleicht in der Fremde noch als Knecht verdingen! War es da nicht viel bequemer, er tat das, was die Mutter wollte? Und mit den beiden Anwesen zusammen, vielleicht ging es dann tatsächlich aufwärts. Und dann war ja auch noch eine Arbeitskraft mehr da, die schaffen würde. Vielleicht konnte man dann soviel verdienen, dass er sich ein paar Werkzeuge für seine Schnitzerei kaufen konnte. Im Schuppen würde er sich ein kleines Eckchen einrichten und dann konnte er sich darin üben. Wenn es wirklich was wurde, dann konnte man es vielleicht in Mariazell an die Fremden verkaufen und so auch wieder Geld bekommen!

So übel war also die Zukunft gar nicht. Man musste alles nur von der richtigen Seite sehen, das war es nun mal. Und als dann die Mutter wieder mit ihrem Lieblingsthema anfing, da sagte er eines Abends: »Ich hab nix dagegen. Wenn du willst, kannst die Hochzeit richten.«

»Bub, ist das wirklich wahr? Du bist damit einverstanden?«

»Ja doch, hast mir ja genug auf der Seel herum gekniet, also sollst deinen Willen bekommen. Kannst es der Agnes sagen.«

»Oh Bub, Franzi, jetzt wirst sehen, jetzt wird es mit uns aufwärts gehen. Bald werden wir eine schöne Wirtschaft haben, jawohl, und vielleicht können wir auf die Jahre gesehen auch noch anbauen, das ganze Haus werden wir in Ordnung bringen. Alles wird mal wieder neu gerichtet werden.«

Franzi lachte auf: »Nun spinn keine Schlösser, Mutter. Ich bin schon froh, wenn wir so über die Runden kommen und einigermaßen leben können.«

»Gleich morgen lauf ich rüber und sag es der Agnes«, freute sich die alte Therese.

Beiden kam es überhaupt nicht in den Sinn, danach zu fragen, ob man sich denn auch lieb habe. Nein, so etwas, das war doch reiner Luxus, den konnten sich nur die reichen Bauern vielleicht leisten, und bei denen wurde auch nur ganz selten nach der Lieb’ gefragt. Da wurde doch nur geheiratet, wenn genug vorhanden, wenn die Mitgift groß genug war, sonst ließ es der Bauer nicht zu. Hier in den Bergen, da wurden die Kinder mitunter noch wie das liebe Vieh verschachert. Damals, vor zwanzig Jahren, war das noch normal.

Therese lief gleich am nächsten Morgen über den kleinen Hügel und pochte energisch gegen die Tür. Agnes öffnete verschlafen und murrte: »Was willst du denn so früh?«

»Früh nennst das«, sagte die Alte spitz. »Es geht auf neun zu, und wir sind schon seit drei Stunden auf. Ich hab dem Franzi schon das zweite Frühstück gerichtet.«

Agnes war dabei, sich einen Kaffee aufzubrühen. So schenkte sie der Kaitnerin auch einen ein.

»Der Franzi ist endlich einverstanden«, sagte sie mit glänzenden Augen. »Endlich. Und gleich heute könnt ihr gehen und das Aufgebot bestellen.«

»Er will mich wirklich heiraten?«

»Freilich, er wird es dir schon selbst sagen, pass nur auf. Und in vier Wochen wird Hochzeit gefeiert.«

Das junge Mädchen sagte: »Das Alleinsein hab ich auch schon lange satt, weißt.«

»So, zieh dich gleich ordentlich an, und dann kommst du rüber. Ich werd’ den Franzi schon auf Trab bringen, und gleich nach dem Essen geht ihr dann runter nach Aflenz und bestellt das Aufgebot. «

»Wie hast du das geschafft, Kaitnerin, dass du den Franzi soweit gebracht hast?«

Die Alte antwortete: »Bis jetzt wird noch immer alles getan, was ich will.«

Das junge Mädchen zuckte die Schultern.

»Ich werd’ da sein.«

Jetzt musste sich die Kaitnerin aber sputen. Der gute Anzug musste noch aus der Truhe genommen und gebürstet werden, dann musste sie das weiße Hemd schnell durchwaschen und sich noch um das Essen kümmern. Aber sie war flink und wirklich noch gar nicht so hinfällig, wie sie dem Franzi vortäuschte,

Als dieser zu Mittag vom Feld kam, lag alles parat und er brauchte sich nur noch zu waschen und in den Sonntagsstaat zu schlüpfen.

Dann war die Agnes da.

»So willst mich also wirklich nehmen?«

»Die Mutter will es, und die Felder liegen doch auch zusammen. Da trifft es sich halt gut«, war die Antwort des Bräutigams.

Wenig später sah die Kaitnerin die beiden den Berg hinuntergehen und blickte ihnen lange nach. Der Franzi machte ja wirklich einen stattlichen Eindruck, aber die Mutter dachte bei sich, wenn er sich erst mal einen neuen Sonntagsjanker leisten kann, so einen mit blanken Knöpfen und Stickerei am Kragen, dann wird er noch viel fescher aussehen. Bis jetzt hat er ja noch immer die Sachen vom Vater auftragen müssen. Wenn ich sie nicht so gut geändert hätte, wär es auch nicht gegangen. Aber heute ist ein neuer Tag, heut fängt ein ganz neues Leben an. Wir werden in Zukunft nicht mehr so arm sein.

Gegen Abend kam das junge Paar wieder herauf und sagte, dass der Pfarrer sie in vier Wochen trauen wollte. Nun setzte man sich zusammen und besprach alles gründlich. Das Haus von der Agnes war noch baufälliger als ihr eigenes, also würde man es mit der Zeit abreißen und die noch guten Balken und Bretter für dieses Haus benutzen. Das würde eine Arbeit für die Zeit sein, wenn es auf dem Feld nicht soviel zu tun gab. Aber die Schränke und Truhen, die waren wirklich noch sehr hübsch. Damals hatte die Mutter der Agnes eine gute Aussteuer erhalten, aber vieles war dann auch verlottert, sie war eben zu früh gestorben, und die Tochter faul und der Vater gleichgültig. Wenn man also die Möbel mit dem Leiterwagen rüberschaffte, dann würden die Stuben hier auch hübscher aussehen. Therese nahm sich vor, neue Gardinen für alle Fenster zu nähen, wenn sie Geld genug zusammenkratzen konnte.

»Ja, und dann müssen wir die Gebühr gleich bezahlen, wenn wir getraut werden, hat der Bürgermeister gesagt, und der Pfarrer will auch Geld sehen und dann müssen wir doch auch ein Essen für die Trauzeugen richten und noch so einiges. So eine Hochzeit verschlingt ganz hübsch viel Geld. Und Bier und Schnaps müssen wir auch haben, unter dem tue ich es nicht«, maulte der Franzi.

Therese bekam nun doch ganz bange Augen. Woher nehmen, wenn nicht stehlen, dachte sie verzweifelt.

»Hast du nichts auf der hohen Kante liegen, Agnes?«

»Ich? Aber woher denn? Die Krankheit des Vaters hat die letzten Groschen aufgeschluckt. Ich hab nix.«

»Tja, dann müssen wir die Kuh opfern«, sagte Franzi mit harter Stimme.

»Unsere Bleß«, schrie da die Mutter auf, »aber dann haben wir ja gar keine Kuh mehr und ein Bauer ohne Kuh, dann können wir uns ja gleich Häusler schimpfen!«

»Für gewöhnlich bringt die Braut soviel mit, dass man die Hochzeit mit Anstand richten kann«, knurrte der Jungbauer.

Agnes zog einen Flunsch. »Nun, wir haben ja auch noch die Kuh, dann verkaufen wir die.«

»In der Tat, daran hab ich gar nicht gedacht«, sagte die Therese erstaunt.

»Sie ist beim Schrattner auf der Alm in Pflege, aber heuer kommt sie runter ins Tal. Ich werd’ mit dem Schrattner reden und fragen, ob er sie kaufen will.«

»Dann haben wir ja Geld genug und sind die Sorge fürs erste los«, sagte die Kaitnerin erleichtert.

Und so wurde es gemacht. Zwar war die Kuh auch nicht mehr viel wert, und weil der Großbauer wusste, dass es sich um einen Notverkauf handelte, drückte er ordentlich den Preis. Alles in allem hatten sie dann ein wenig Bargeld. Davon konnte man die Hochzeit ausrichten, und es war auch genug Geld übrig, um Farbe zu kaufen, um die Stuben neu zu kalken. Auch Gardinen und ein neues Hemd für den Franzi gab es noch.

Die alten Sachen wurden mit dem Leiterwagen aus dem Lieg-Häusl geholt und in die frischen Stuben gestellt. Therese raffte sich sogar dazu auf, und rupfte das Unkraut aus dem kleinen Vorgarten. Hinter dem Haus war auch noch ein Stück Land. Früher hatte man darauf Gemüse angepflanzt, aber seit der Mann tot war, hatte auch Therese nicht mehr viel Lust zum Schaffen gehabt.

Ein paar Burschen aus der Nachbarschaft wurden geladen, sie würden die Trauzeugen sein und dann gab es noch armselige Verwandtschaft aus Kapfenberg und Seewiesen. Sie wurden auch geladen, um die Hochzeit nach außen hin so üppig wie möglich zu gestalten. Als man hörte, dass es einen Festschmaus geben würde, und Bier und Schnaps, da sagten sie freudig zu.

So kam der Tag herauf, wo man sich so fein wie es irgend ging, herausputzte und zu Fuß nach Aflenz ging. Der Pfarrer hatte sich mit dem Ausschmücken der Kirche nicht viel Mühe gemacht; denn es war ja nur eine armselige Häuslerhochzeit. Ja, wenn ein Großbauer heiratete, oh, da wusste er dann wohl, was sich gehörte. Da wurde auch der Pfarrer zu Tisch geladen und man feierte dann oft drei Tage hindurch. Bis man wieder nüchtern war, dauerte es oft an die fünf Tage.

Therese hatte die Verwandtschaft empfangen, ihnen großartig die Felder und Wiesen gezeigt und gesagt: »Wenn ihr in einem Jahr wieder reinschaut, dann sieht das hier alles schon ganz anders aus. Wir werden jetzt endlich zu was kommen.«

»Base, nimm den Mund nicht zu voll. So leicht ist es nicht, reich zu werden.«

Therese war wütend, und bestimmt hätte sie sich auch mit der Verwandtschaft angelegt, wenn man nicht auf dem Wege zur Kirche gewesen wäre. So kniff sie nur den Mund zusammen und schluckte den Ärger hinunter.

Nach einer Stunde waren sie dann Mann und Frau, man stieg den Berg wieder hinauf und machte sich über den Braten und die vielen Knödel her. All das hatte die Therese ganz allein geschafft, und sie hatte noch bei sich gedacht, wenn man gute Zutaten hat, dann macht das Kochen wirklich Spaß.

Man betrank sich und war ausgelassen. Man stampfte zu der Ziehharmonika eine Polka und schlug sich auf die Schenkel vor Vergnügen. Der Morgen graute schon über den Bergen, als man todmüde umfiel und seinen Rausch ausschlief. Gegen Mittag erhob sich die Verwandtschaft aus dem Gras und wankte mit schwerem Kopf der Heimat zu.

Franzi und Agnes hatten die eine Kammer bezogen. Dazwischen lag eine leere Stube, später würden dort mal die Kinder untergebracht. Und weiter in der letzten schmalen Kammer lag die Therese.

Die Kinder der Agnes Kaitner: Wildbach Bergroman

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