Читать книгу Die hohe Kunst des Schneckenzerschneidens - Gabi Eichl - Страница 10

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Begegnung der Dritten Art

Sie hatte sich schick gemacht. Nach den klösterlichen Jahren, die sie hinter sich hatte, kicherte sie wie ein Schulmädchen lautlos in sich hinein angesichts der Vorstellung, mit einem wildfremden Mann ins Restaurant zu gehen. Sie hatte zu der feinen Spitzenwäsche gegriffen, die ihr verstorbener Gatte ihr einst von einer Geschäftsreise mitgebracht, die sie zu seinem Bedauern aber niemals getragen hatte. Darüber das dunkelgrüne Plissee-Kleid mit den Schößchen, das so mit ihrem hellen Teint harmonierte. Und das weiße Lackleder-Täschchen. Sie war sogar zur Dauerwelle gewesen.

Dann saß sie ihm gegenüber. Ein gepflegter älterer Herr, leicht beleibt, eine stattliche Erscheinung. Die etwas altbackene Hose-Sakko-Kombination und der stechend blaue Binder irritierten sie nicht. Der Mann hatte ein einnehmendes Lächeln und gute Manieren. Machte ihr sogleich ein Kompliment für das schöne Kleid, das sie schicklich gesenkten Blickes quittierte.

Sie bestellte die knusprige Schweinshaxe, er nahm den Salat mit geräucherten Tofu-Streifen, dazu einen Brennnessel-Tee, während sie sich für einen Grauen Burgunder entschied. Als sie Wein- an Teeglas stießen, berührten sich ihre Fingerspitzen für einen Moment und beide stießen beinahe augenblicklich ein leises, wiewohl unkontrolliertes Glucksen aus. Hatten sich aber sofort wieder unter Kontrolle. Sie senkte rasch die Augen auf den Teller, hörte ihn nur höflich, wenn auch offensichtlich gequält die Knusperkruste der Haxe loben. Ihr wollte im Gegenzug partout keine passende Bemerkung zu seinen Tofu-Streifen einfallen.

Sie aßen, ohne auf den Teller des Gegenübers zu blicken. Hoben nur verstohlen den Blick, wenn sie zu den Gläsern griffen. Als abgetragen war, überlegte sie rasch, welches der Themen, die sie sich vorher zurechtgelegt hatte, sie anschneiden sollte. Sie beschloss abzuwarten, bis er den gewaltigen Eisbecher vor sich geleert hatte. Plötzlich spürte sie eine Berührung unter dem Tisch. Sein Fuß? Es durchfuhr sie heißkalt. Würde er spüren, dass sie Stützstrümpfe trug? Sie hatte die Dame im Sanitätshaus ausdrücklich um ein möglichst elegantes, dünnes Paar gebeten.

Als sie sein Bein zunehmend werbender an dem ihren spürte, war sie sicher, dass er nichts von den Stützstrümpfen bemerkte und wurde mutiger. Sie würde es irgendwie schaffen, sollte es zum Äußersten kommen, den stäbchenbewehrten Büstenhalter anzubehalten, um nicht hängen lassen zu müssen, was der Schwerkraft nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Und wenn sie das Ungetüm als der Erotik letzter Schrei verkaufen musste. In dem Moment fielen ihm die „Dritten“ in den Sahnerest im Eisbecher. Ihr Schrei gellte durchs ganze Lokal …

Die hohe Kunst des Schneckenzerschneidens

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