Читать книгу Die hohe Kunst des Schneckenzerschneidens - Gabi Eichl - Страница 6

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Mobilmachung

Als Karl (73) den jugendlichen BMW-Fahrer an den Zebrastreifen heranpreschen sah, erstarrten seine verrosteten Glieder. Und als der junge Affe dann nur wenige Zentimeter vor Karls Schuhspitze bremste, wusste er, dass der Spazierstock mit eingebauter Schrotflinte fällig war.

Als Margarete (82) von dem Nachwuchspolitiker las, der ihresgleichen die neue Hüfte streitig machen wollte, war sie für einen Moment den Tränen nahe. Sie rief ihre Tochter an, ließ sich trösten und griff dann zu dem Katalog, den sie dieser Tage ins Haus bekommen hatte. Sie entschied sich für den unauffälligen Regenschirm mit Automatik-Bajonett.

Als Rudolf (93) in seiner Stammkneipe zum wiederholten Mal am Nebentisch eine demütigende Diskussion über „die Alten“ verfolgt hatte, über diese „Schmarotzer“, die „auf unsere Kosten auf Kreuzfahrt gehen“, da wusste er, dass die Zeit gekommen war. Er ging nach Hause, stieg auf den Dachboden und entnahm einem Kästchen eine sorgsam gepflegte Granate von damals.

Als Theresia (91) von der Schwester im Heim gefragt wurde, ob sie sich in ihrem Alter noch die Nägel vom letzten Oberschenkelhalsbruch aus dem Bein operieren lassen wolle, was das koste, da wusste Theresia, dass es Zeit war, der Schwester eine Tasse Tee anzubieten. Sie hatte das Pulver schon vor Jahren aus einem Selbsthilfekatalog bestellt.

Als Max (69) bemerkte, dass sein junger Zimmergenosse von Schwestern und Pflegern weit fürsorglicher behandelt wurde als er selbst, als er hörte, wie die Ärzte bei der Visite murmelten: „69, das lohnt sich nicht mehr…“, da ließ er sich ein Telefon ans Bett bringen und gab den Einsatzbefehl …

Die hohe Kunst des Schneckenzerschneidens

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