Читать книгу Unverhältnismäßig. - Gabriela Hochleitner - Страница 7
ОглавлениеKapitel 4
Sonntagmorgen. Das ist immer der traurigste Tag. Caro packt ihren kleinen Koffer und muss los zur Arbeit, während ich zurückbleibe, meine Wäsche wasche und aufhänge und mich geistig auf die bevorstehende Woche vorbereite. Sobald sie weg ist, herrscht immer eine unfassbar große Leere in mir. Ich liege oft stundenlang da, bis ich es endlich schaffe, mich zu motivieren oder bis es zeittechnisch halt einfach nicht mehr anders geht, da die Wäsche sonst nicht mehr rechtzeitig trocknet. In wenigen Monaten werde ich 31. Ich wollte immer früh Mutter werden, aber es gab bisher niemanden, mit dem ich mir eine Familie ernsthaft vorstellen könnte. Klar, gab es Männer, die es sich mit mir vorstellen konnten, aber zu welchem Preis? Was will ich mit ’nem Typen, der eifersüchtig ist, wenn mein Onkel mir schreibt? Ich erinnere mich wie gestern an diesen Streit.
„Wem schreibst du da?“
„Meinem Onkel, er fragt, wann wir heute kommen.“
„Wieso schreibst du anderen Männern?“
„Es ist mein Onkel! Bist du noch ganz dicht? Er fragt mich, wann WIR kommen, und nicht, ob ich Lust auf ein Date habe. Mein Gott ...“
„Aha, und was würdest du sagen, wenn ich anderen Frauen schreiben würde?!“
„Es wäre mir egal.“
ACHTUNG – TIPP FÜRS LEBEN
Das ist definitiv eine Fangfrage. Hätte ich geantwortet, dass es mich stören würde, hätte ihm das recht gegeben, dass ich nicht anderen Männern schreiben soll (was das mit meinem Onkel zu tun hat, weiß ich zwar immer noch nicht, es sei denn, er kommt aus einer etwas anderen Familie), und ein „Es wäre mir egal“ gibt ihm die Steilvorlage für ein Du-liebst-mich-ja-gar-nicht-Drama.
Tja, also wie ihr merkt, scheidet dieser Kandidat schon mal aus, und auch die anderen hatten immer ziemlich deutliche Ausscheidungskriterien. Was soll man machen?
Ich hatte mit Caro mal ein lustiges Gespräch, bei dem uns aufgefallen ist, wie sich innerhalb von zehn Jahren unsere Beschreibung eines perfekten Typen gewandelt hat. Steil von oberflächlichen Beschreibungen wie „groß, dunkelhaarig, blaue Augen und witzig“ zu „bescheiden, ehrlich, aufmerksam, treu, hingebungsvoll, einer, der was anpackt und nicht immer nur redet“. Caro sagte sogar „NETT“! Er solle nett sein. Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke.
Naja, dann schauen wir mal die Stellenangebote durch, denke ich bei mir. Alles klar, dann mal los. Aha, also im Supermarkt suchen die jemanden, aber will ich da hin? Ich weiß, die verdienen da nicht schlecht, aber will ich da wirklich arbeiten? Dagegen kommt mir mein Bürojob eigentlich schon besser vor. Naja, ich schaue mal weiter. Ah, da suchen die jemanden im Büro, ok. Aber da hätte ich weniger Aufgaben als jetzt, ich will mich ja auch nicht verschlechtern. Und wollte ich nicht weg vom Büro? Was würde mir persönlich Spaß machen? Fitness macht mir Spaß, allerdings bin ich von der Arbeit immer so ausgelaugt, dass ich aktuell selbst keine gute Figur mache. Außerdem müsste ich erst in die Ausbildung investieren usw., und ich will ja arbeiten bzw. eigentlich Kinder kriegen, deshalb ist eine neue Ausbildung in meinem Fall wohl wenig sinnvoll. Alles klar, da steht noch was von Produktion, aber wenn ich das mache, ist die Tür zum Büro für immer verschlossen. So viel ist sicher.
Nebenbei läuft eine Doku über Patchwork-Familien, die mich plötzlich aufhorchen lässt. Es geht um eine Frau, die zusammen mit ihrem besten schwulen Freund ein Kind hat. Er schwärmt, wie prima das sei, da er ansonsten vermutlich niemals Vater geworden wäre und dass es ihm so viel bedeute, während sie regelmäßig unterstützt werde von ihm. Sie wohnen getrennt, verstehen sich super und seien überglücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. Sie sagt im Interview, dass sie so froh sei, es mit IHM gemacht zu haben, sie könne sich auf ihn verlassen und er sei immer für sie da. Sie habe einfach nie den Richtigen getroffen, wollte aber schon immer ein Kind. Mit 34 habe sie plötzlich diesen Einfall gehabt und bereue es keinen Tag.
Wow, denke ich bei mir, voll schade, dass ich keinen schwulen besten Freund habe.
Die Stellenangebote habe ich soweit durch. Vielleicht finde ich in den Wohnungsanzeigen ja etwas Günstigeres, um in dieser Hinsicht ein wenig zu sparen.
Unglaublich, die spinnen doch, die Mietpreise steigen und steigen, wie soll sich das eine alleinstehende Frau denn noch leisten? Und wieder frage ich mich, wie vielen Frauen da draußen es wohl genauso geht wie mir.
Mittlerweile ist es echt günstiger, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Arbeitskolleginnen haben sich jetzt Wohnungen gekauft und sind total zufrieden. Sie sagen beide, dass sie nun weniger als während ihrer Zeit als Mieterinnen zahlen, und es gehöre hinterher ihnen. Da kommt man echt ins Überlegen, muss ich sagen. Das ist auch der Grund, warum ich auf die Immobilienseite wechsle, für Häuser zum Kauf. Wahnsinn, das ist ja wirklich gar nicht so teuer. Naja, ob ich jetzt hier in der Wohnung noch 20 Jahre sitze oder in meiner eigenen Wohnung, dann doch lieber Letzteres. Eigenkapital wäre natürlich schon gut, das ist mir auch klar, aber 400 € im Minus wird den Verkäufern wohl nicht gefallen. OK, jetzt bin ich definitiv motiviert, einen besser bezahlten Job zu finden, definitiv.
Ich gehe die Immobilien durch und sehe ein Haus mit zwei abgetrennten Wohnungen und denke mir: Oh super, da könnte man dann zum Beispiel eine Wohnung sogar vermieten und …
Und dann schlossen sich sämtliche meiner Gehirnzellen zusammen. Es fühlte sich an wie ein Blitz, der sich quer durch mein Gehirn bohrte. In diesem Moment war ein Plan geboren, bei dem ich mir selbst nicht so ganz sicher war, ob das nun wirklich mein Ernst war. Aber umso mehr ich darüber nachdachte, umso sicherer wurde ich mir. Nun musste ich nur noch Caro überzeugen.