Читать книгу Unverhältnismäßig. - Gabriela Hochleitner - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
„Hey Pupsi, was ist denn so wichtig? Erzähl, hast du schon ’nen neuen Job? Ich hätte da nämlich auch was für dich“, begrüßt mich Caro in unserer Lieblingseisdiele, umarmt mich und legt ihre schmale gelbe Umhängetasche, passend zu ihren gelben Schuhen, auf den pastellgrünen Stuhl neben sich.
„Nein, leider noch nicht, aber ich denke, ich habe jetzt die richtige Motivation dafür“, strahle ich sie an. Sie rückt ein bisschen zurück und legt den Kopf wieder mal fragend schief und fragt: „Ähm … okay. Muss ich jetzt Angst haben? Da kann jetzt nichts Normales kommen, oder?“
„Naja, keine Ahnung. Vielleicht musst du dich mit der Idee erst anfreunden, ok? Aber hör mir einfach mal zu.“
„Okaaaaaaay“, mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen lehnt sie sich zurück und wartet auf meine Ansage. Da ich bereits für uns bestellt habe, werden wir auch nicht mehr unterbrochen.
Ich erzähle ihr von der Doku und dem schwulen besten Freund und den ewig steigenden Mietpreisen. Ja ok, könnte sein, dass ich zu weit ausgeholt habe, irgendwann unterbricht sie mich und fragt schlürfend an ihrem Schokochino, was das denn nun alles mit mir zu tun habe.
„Mit uns ... mit uns“, erwidere ich ungeduldig und will fortfahren.
„Wie mit uns? Ich dachte, es gehe hier um dich? Also sorry, aber du hast nun mal keinen schwulen besten Freund und so gern ich das für dich wäre, ey, ich kann dir keins machen, ne?“ Sie lacht und fragt sich augenscheinlich, was zur Hölle ich von ihr will.
„Also … es gibt ja viele, die sich so einen Fünf-Jahres-Plan machen, ok?“
„Jaaaaa, ich bin nicht dumm, jetzt komm endlich zur Sache.“ Sie wird ungeduldig, aber ich weiß auch nicht so richtig, wie ich es formulieren soll, damit es nicht verrückt klingt, falls das überhaupt möglich ist.
„Also schau, um so ein Haus zu kaufen, braucht man Eigenkapital. Ich such mir jetzt ’nen gut bezahlten Job, spare zwei bis drei Jahre und du genauso. Und wenn du oder ich in der Zwischenzeit den Traumprinzen kennenlernen, der uns vergöttert und uns ein Kind schenkt, weil wir einfach unbezahlbar sind, gut aussehen, einfach der Hammer sind ...“
„Ja, ich weiß schon, wir sind geil, aber komm halt jetzt endlich zum Punkt, Anna!“
„Naja, falls wir so einen finden, ist der Plan dann eh hinfällig. Sollten wir allerdings beide niemanden haben, dann kaufen wir beide ein Haus, so wie das in der Anzeige mit den zwei abgetrennten Wohnungen, oder von mir aus ein Doppelhaus, da können wir dann ja schauen.“
Sie fällt mir dazwischen: „Was machen wir denn mit einem Haus? Und dann wohnen wir beide allein in unseren Wohnungen, oder wie? Was bringt mir denn dann ein Haus? Ich verstehe den Sinn dahinter einfach nicht. “
„Also erstens würden wir weniger für das Haus abbezahlen, als wir aktuell Miete zahlen, und zweitens meine ich nicht, dass wir da dann allein wohnen sollten.“
„Also das mit dem Abzahlen ergibt noch den meisten Sinn, Anna, aber wie willst du da dann nicht allein wohnen? Willst du dann WGs draus machen oder denkst du, wir engagieren sexy Maler und schwupps, zieh’n die gleich ein, weil wir so sexy sind mit dann fast 35 oder was?“
„Nein.“
Sie hebt die Arme und schüttelt ihren perfekt geglätteten Pferdeschwanz und versucht zu verstehen, was ich ihr sagen will.
„Wir zwei wohnen da dann mit unseren Babys.“
„Hast du jetzt den Verstand verloren?“, reagiert sie verwundert und schüttelt den Kopf. Danach rückt sie ihre Brille wieder zurecht und verschränkt die Arme, während sie mich ungläubig anstarrt.
„Ich weiß, das klingt verrückt, aber denk doch mal ein bisschen drüber nach. Sollen wir wirklich allein bleiben mit unserem Kinderwunsch, für immer unglücklich, nur weil die Männer alle keinen Bock mehr auf Familie haben, sondern nur noch Lust auf ein einfaches Leben? Und wenn ihnen ein Bumshäschen zu anstrengend wird oder mehr will, suchen die sich doch eh die Nächste. Ist doch so! Ich sehe einfach nicht mehr ein, warum wir nonstop die Opfer von primitiven Männerträumen sein sollen und dazu noch unglücklich, nur damit sie sich ihr einfaches Leben bewahren.“
„Anna, du bist vollkommen irre, hörst du dir da eigentlich zu?? Du willst absichtlich eine alleinerziehende Mutter sein, wo dir jetzt schon das Geld immer nicht reicht? Und mir genauso wenig, ich spare nur einen sehr geringen, kaum nennenswerten Teil, wie soll ich denn ein Kind großziehen? Und wie willst du dann überhaupt schwanger werden, künstliche Befruchtung ist auch nicht billig.“
„Eben. Deshalb natürliche Befruchtung.“
Ihr Blick wird immer fassungsloser. Ich habe sie noch nie so gesehen, weshalb ich langsam unsicher werde, ob mein Plan vielleicht wirklich verrückt ist.
„Und von wem willst du dich natürlich befruchten lassen?“
„Hey, sei mal ein bisschen leiser, muss ja nicht jeder hier hören. Naja, ich hab mir gedacht, das größte Arschloch, dem wir über den Weg laufen, der wird’s halt einfach. Also wenn eine Gruppe Mongos vor uns rumrennt, rumprahlt und vom Vögeln spricht. Voilà, here we are. Ich weiß, das klingt im ersten Moment irre, aber wir jubeln ja niemandem ein Kind unter, wir schaffen’s ja zusammen ohne deren Hilfe. Ich jubel niemandem eins unter, wenn er nix davon erfährt. Nur Mittel zum Zweck. Und Caro, wie oft hat dich ein Kerl beim Sex nach ’nem Kondom gefragt, sei mal ehrlich? Wenn du keins dabeihast und die haben keins, fragen die maximal, ob du schon die Pille nimmst. Wir könnten uns sogar so timen, dass du zwei Monate nach mir entbindest, dann brauchen wir nur einmal Babyklamotten kaufen.“
Sie scheint sich nun in Schockstarre zu befinden, in ihren Augen sehe ich das pure Entsetzen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie über meine Idee nachdenkt oder darüber, was der Kellner für ihren Schokochino bekommt, um das Geld auf den Tisch zu werfen und so schnell wie möglich zu verschwinden.
„Sag doch was.“
„Das ist verrückt, Anna, vollkommen verrückt!!!“, bricht es nun aus ihr heraus und sie kramt das Geld so schnell wie möglich aus ihrer Tasche.
„Caro, das ist doch nur Plan B. Sobald du jemanden kennenlernst, der das alles mit dir will, ist dieser Plan ja hinfällig, verstehst du? Wir können jetzt darauf hinarbeiten und könnten noch schwanger sein, bevor wir 35 sind. Ich weiß, das ist keine Deadline, aber wir wollen beide nicht nur ein Kind, wir sind dafür schon ziemlich spät dran, wenn du mich fragst. Irgendwann muss man halt anfangen und ich werde nicht warten, bis ich 34 bin, so wie diese Christina H. aus dem Fernsehen. So oder so wären wir vom heutigen Tag ausgehend bereits 40, wenn unser erstes Kind in die erste Klasse eingeschult wird. Das ist schon alt, findest du nicht?“
„Ja, das will ich ja auch nicht, Anna, aber du kannst doch nicht mit irgendjemandem schlafen, um ein Kind zu haben.“
„Wie viele baggern dich denn an, nur um zu ficken, und melden sich dann nie wieder bei dir? Die wollen nur das Eine. Und wir dann halt auch. Nur dass wir es machen für unser gottgegebenes fucking Recht, ein Kind zu bekommen. Dafür ist das Ganze ja da, nicht zum hohlen Rumhuren, sondern um Kinder zu zeugen. Ist doch nicht unser Problem, wenn die alle nur noch sinnlosen Sex wollen. Ich weiß, der Vorschlag ist ein wenig ...“
„Unverhältnismäßig?“, macht sie sich über mich lustig und schiebt schnippisch ihre Brille wieder zurück.
„Ja, aber was sollen wir denn machen? Ich hab da einfach keinen Bock mehr drauf, mir das jedes Wochenende gefallen zu lassen, und du doch genauso wenig, wenn du ehrlich bist.“
Sie atmet nochmal tief durch, legt das Geld auf den Tisch, rückt mit ihrem Stuhl nach hinten und steht auf, ohne sich zu verabschieden, geht zur Tür und während sie sie öffnet, dreht sie sich nochmal um und schreit durch die komplette Eisdiele: „Das ist vollkommen irre! Und überhaupt, wenn dann würde ich das erste Baby bekommen!“
Sie verschwindet aus der Tür. Ich sehe ihr nach und merke plötzlich, wie ich von den anderen Gästen sowie dem Inhaber fragend angestarrt werde.
Ich fühle mich schrecklich. Noch nie hatte ich so viel Panik, gerade das einzig Gute in meinem Leben verloren zu haben. Ja, die Idee ist etwas krass, aber wirklich so krass? Ich will doch nur auch mal das, was ich will, erreichen und mich nicht sinnlos im Arbeiterrädchen drehen. War das zu egoistisch von mir? Aber sie würde doch dann auch alles haben, was sie sich wünscht. Mir ist übel. Ich lege das Geld für meinen Milchshake ebenfalls auf den Tisch und verschwinde schweigend aus der Eisdiele.
Durch das flaue Gefühl in meinem Magen kann ich mich auf gar nichts konzentrieren, ich könnte nicht einmal sagen, ob mein Kopf rot angelaufen ist vor Scham, als ich ging, oder ob ich kreidebleich war. Meine Gedanken fliegen kreuz und quer durch meinen Kopf und ich habe unsägliche Angst, gerade meine beste Freundin verloren zu haben.
Mittlerweile ist es über eine Woche her, seit ich Caro den Vorschlag gemacht habe. Ok, es war schon heftig, aber dass sie mich deswegen jetzt so ignoriert? Vor zwei Tagen hab ich ihr geschrieben, dass sie mir bitte verzeihen solle für den blöden Vorschlag und ob wir die ganze Sache vergessen können, da ich ja wirklich nur an uns gedacht habe. Sie hat es gelesen, aber nicht geantwortet. Das macht meine Stimmung auf der Arbeit nun angespannt und traurig statt emotionslos. Ich fühle mich wie nach einer Trennung. Sie wusste alles von mir und ich andersrum von ihr, warum hasst sie mich jetzt nur?
Ich sitze zu Hause nach einem Arbeitstag, der wieder mal ewig nicht enden wollte, und durchsuche erneut die Stellenanzeigen in der Hoffnung auf einen Lichtblick, als plötzlich mein Handy vibriert. Caro! Endlich! Sie hat mir die Nummer von einer Zeitarbeitsagentur geschickt.
„Die Lady hab ich heute kennengelernt, sie arbeitet bei einer Zeitarbeitsfirma, über die kommst du in eine Produktion, wenn du willst, sie wird dich heute noch anrufen, dann kannst du’s dir auch gerne erst mal dort anschauen, bei ’nem Rundgang quasi.“
„Danke Caro! Ich werd’ es mir auf jeden Fall gerne anschauen, danke. Kommst du am Wochenende? Wir müssen auch nicht mehr über dieses Thema reden, wirklich, es tut mir leid, wenn ich dich irgendwie gekränkt habe oder so.“
„Ja, ich habe Sonntag frei, also können wir gerne Samstag etwas machen. Ich will halt eine richtige Familie, verstehst du? Ich weiß, du hast es nicht böse gemeint, aber mit irgendjemand Wildfremdem eins zu machen kommt mir nicht richtig vor ... Ich schreibe auch aktuell mit ’nem Flo, 28, auch von hier, aus ’ner Dating App, der sieht ganz gut aus, mit dem will ich mich heute noch auf ’nen Kaffee treffen. Ich probier es lieber noch auf diesem Weg. Aber mach dir keine Sorgen, wir sind schon noch befreundet, aber reden wir lieber nicht mehr darüber.“
„Ok, super. Sorry, dass ich dich so geschockt habe.“
„Kein Ding. :D“
Gerade noch bin ich etwas enttäuscht, dass aus meinem Plan nichts geworden ist, schon klingelt mein Telefon und die Nummer, die mir Caro gerade geschickt hat, erscheint. Ich atme tief durch.
„Hallo?“
….