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2.4.1 Die traumatische Erfahrung ist ein Erlebensprozess

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Jede Therapie mit Opfern sexueller Gewalt muss eine Therapie des Erlebens sein, denn die traumatische Erfahrung ist eine Erfahrung besonderen Erlebens. Diese besondere Erlebensstruktur gilt es in der Therapie zum Thema zu machen und zu verändern. Es geht nicht nur darum, ein bestimmtes Verhalten zu ändern oder ein bestimmtes Gefühl wie den Zorn auf einen Täter zuzulassen. Es geht nicht nur um kognitive Erinnerungen oder Denkweisen. Es geht nicht nur darum, dem Schrecklichen Positives gegenüberzustellen usw. All das sind Einzelaspekte. Es geht darum, die traumatische Erfahrung als Erfahrung besonderen Erlebens ernst zu nehmen und im therapeutischen Prozess zum Thema der Veränderung zu machen.

Nur dann werden wir unserer Überzeugung nach den Klientinnen und Klienten gerecht.

Wir nennen diese grundsätzliche Haltung leibtherapeutisch. Das Wort „Leib“ haben wir – um an dieser Stelle noch einmal zu wiederholen, worauf in Kapitel 1 schon hingewiesen wurde – aus der Phänomenologischen Philosophie übernommen. Leib bezeichnet den sich und seine Welt erlebenden Menschen. „Leib“ bedeutet „Leben“, „lebendig“. Leib meint den Menschen, der sich erlebt, ist also nicht synonym mit Körper, meint also nicht den gewogenen, gemessenen, äußerlich beschriebenen Menschen.

Die Phänomenologische Philosophie hat die Prozesse des Erlebens untersucht und dafür eine Reihe von Begrifflichkeiten entwickelt (u.a. Merleau-Ponty 1966, Fuchs 2000). Wir haben diese Begrifflichkeiten aufgegriffen und um Ergebnisse der Säuglingsforschung (u.a. Stern 1992, Dornes 1999) und Neurowissenschaften ergänzt sowie auf der Grundlage der Auswertung unserer Erfahrungen zu einem Bündel diagnostischer Kategorien des Erlebens und leiborientierter Wege therapeutischen Veränderns erweitert, das wir Kreative Leibtherapie nennen.

Traumatherapie muss sich auf die Besonderheiten des traumatischen Erlebens und seiner Nachwirkungen einstellen und diese zum Ausgangspunkt therapeutischen Einwirkens nehmen. Die beschriebenen Notfallreaktionen erklären z. B. die Bedeutung der Erregungsverläufe im Traumaerleben und betonen die Wichtigkeit, mit den Erregungskonturen in der Traumabewältigung zu arbeiten. Die Traumabewältigung ist wichtig, um die chronifizierte hohe Erregung zu reduzieren und die Erregungskontur zu flexibilisieren. Und die Veränderung der Erregungskontur ist notwendig, damit nicht jede hohe Erregung ein Trigger ist, ein Auslöser für die Reaktivierung der Amygdala und damit die Wiederbelebung des Traumaerlebens.

Um solche Erregungsprozesse und ihre Veränderungen zu verstehen und zu handhaben, ist es nützlich, auf die leibtherapeutischen Modelle der Erregungskonturen und die Arbeit mit ihnen zurückzugreifen. In Kapitel 3 werde ich die für die Traumatherapie relevanten leibtherapeutischen Modelle des Verstehens und Handelns vorstellen und illustrieren, wie ich mit ihnen arbeite.

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