Читать книгу Wenn die Träume laufen lernen 2: LANZAROTE - Gabriele Ketterl - Страница 8
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Von Kaffeeduft geweckt zu werden, war immer wieder etwas Schönes. Lächelnd wedelte Carlos die aus einer bauchigen Tasse aufsteigenden Schwaden in meine Richtung. »Guten Morgen, Cara. Kaffee ist fertig und zwar nicht das Billigzeug.«
Grinsend rollte ich mich aus dem Bett. »Danke, das ist lieb von dir. Wie geht’s dir denn heute?«
Sofort erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Schön, wenn man sieht, dass sich jemand um dich sorgt.«
»Witzbold.« Ich nahm vorsichtig die Tasse in Empfang. »Du weißt, dass ich dich liebhabe, und da macht man sich eben Sorgen, wenn man sieht, dass der andere traurig ist.«
Carlos holte sich seine Kaffeetasse, drehte sie in den Händen und starrte nachdenklich vor sich hin.
»Carlito! Bist du noch bei mir?«
»Immer und derzeit mehr denn je.«
Ehe ich mir darüber zu viele Gedanken machen konnte, mahnte er nach einem Blick zur Uhr zur Eile.
»Hör zu, meine Kleine, ich habe für heute Nachmittag Beachvolleyball angesetzt und prompt haben sich spontan jede Menge Leute gemeldet. Das Radio ist in der Umkleide, ebenso deine Kassetten. Fernando weiß Bescheid, und da es um diese Jahreszeit hier sicher nicht mehr zu warm ist, fangt ihr schon um vier Uhr an. Ich habe Lucio und Valente gebrieft, die wissen, dass sie um sechs an der Strandbar für unsere Sundowner-Aktion bereit sein müssen. Ich glaube, sie freuen sich darauf.«
»Kann ich mir vorstellen, nach dem Trauerspiel, das sich hier zuvor abgezeichnet hat.«
»Ja, ich auch. Ich muss jetzt los und Croyden und seine Leute verabschieden. Um ehrlich zu sein, will ich einfach sehen, wie sie verschwinden.«
Ich trank meinen Kaffee aus und reckte mich. »Gut, dann klettere ich mal nach Hause.«
»Sekunde, ich helfe dir.«
Mit Carlos‹ Hilfe war ich zügig wieder auf meinem Balkon, winkte ihm noch einmal zu und verschwand unter die Dusche. Gut, Beachvolleyball war prima, dann würde ich für den nächsten Tag Aerobic ansetzen und abwechselnd Silvie, Rachel und mich einteilen. Wenn Silvie, Roberta und ich uns dann noch Badminton aufteilten, war das ein entspanntes Programm. Das erlaubte es mir, Jaimes Wunsch nachzukommen, mich um die Gäste zu kümmern und zu sehen, ob noch etwas einer Verbesserung bedurfte. Zum ersten Mal seit Ibiza schlüpfte ich in mein Teamoutfit. Ich wählte das mit den langen Ärmeln, denn irgendwie war es deutlich frischer als vor wenigen Tagen.
Im Laufe des Vormittags zeigte sich, dass einige Gäste Gesprächsbedarf hatten. Ich war froh zu hören, dass so gut wie alle Kritikpunkte ihren Ursprung in der Vergangenheit hatten und die Leute im Augenblick zufrieden waren. Auch das neue Frühstücksangebot kam sehr gut an und mir wurde mehrmals aufgetragen, dem Koch dafür zu danken. Das tat ich gerne, was mir in der Küche zu einem frisch zubereiteten Früchtemüsli und Orangensaft verhalf. Gegen Mittag waren alle Gäste zufrieden und sehr glücklich darüber, dass wir die Tapas zum Mittagessen auch hier eingeführt hatten.
Ich zog mich mit Silvie, Lise und Rachel in die Umkleide zurück und wir bastelten an unserem Ablaufplan für die nächsten Wochen. Zu unserer Freude konnten wir dank Rachel Yoga einbauen, was dem Ganzen noch mehr Pfiff verlieh. Roberta machte sich inzwischen mit den Kindern in der Anlage bekannt. Es waren nicht allzu viele, doch alle, die im Club angemeldet waren, freuten sich über Robertas Einladung, mit ihr im Kinderbungalow Kekse zu backen.
Fernando kam kurz vom Strand zurück, um sich zu versichern, dass für den Nachmittag alles geplant war. Als gegen zwei Uhr José mit entzückenden neuen Bildern von seiner kleinen Tochter zu uns stieß, waren wir fast wieder komplett. Rasch verhalf ich José zu einem Studio und bat ihn, sich mit Esteban und Fernando am Strand zu treffen und sich abzustimmen.
Etwa eine Stunde vor Beginn der Volleyballaktion war ich fertig. Alles schien sich gut einzuspielen. Rachel machte einen hervorragenden Eindruck, Esteban war ebenfalls eine tolle Ergänzung für das Team. Die Störenfriede hatten den Club verlassen, inklusive Robert Croydens persönlicher Assistentin, was das Rezeptionsteam dazu veranlasste, eine Flasche Prosecco zu köpfen. Alles war in bester Ordnung.
Daher verschwand ich entspannt und zufrieden in mein Refugium, um mich auf Volleyball vorzubereiten. Ein Blick auf den Kalender zeigte, dass in zwei Tagen Clive, Kristen und ihre beiden Surfprofis eintreffen würden. Prima, dann gab es auch wieder eine Surfschule, denn die letzte Surfercrew war an dem Tag aus dem Club geflogen, an dem sie zwei Schüler auf dem Meer vergessen hatte. Auch wenn das keineswegs lustig war, musste ich im Nachhinein doch grinsen. Man konnte von Glück sagen, dass es gut ausgegangen war. Die beiden Jungs waren unterkühlt und ziemlich verzweifelt auf ihren Brettern irgendwo zwischen Lanzarote und Fuerteventura aufgegriffen worden. Sie hatten auf eine Anzeige verzichtet, da die Schuldigen zu jener Zeit bereits ihre Sachen packten. Als kleine Wiedergutmachung würden sie im nächsten Jahr einen zweiwöchigen, kostenlosen Urlaub auf Ibiza verbringen – auf Einladung von Costa Azul.
Ich schloss die Tür zu meinem Studio auf und blieb mit großen Augen in der Tür stehen. Auf der Küchentheke stand ein wunderschöner Blumentopf mit bunten Blumen, und neben der Trennmauer, die mein Bett vom Wohnbereich abschirmte, eine ausgesprochen schöne Zimmerpalme. Auf meinem Kopfkissen lagen drei langstielige, rote Rosen. Daneben fand ich einen zusammengefalteten Zettel.
Ich sah auf die Buchstaben, die vor meinen Augen verschwammen. Natürlich freute ich mich, doch gleichzeitig kehrten meine Zweifel zurück. Waren wir füreinander bestimmt und ich trat mein Glück mit Füßen? Machte ich den Fehler meines Lebens, indem ich mich nicht auf eine feste Beziehung einließ? Ach, verdammt. Musste das Leben andauernd so kompliziert sein?
Etwas weniger beschwingt als noch zuvor zog ich ein kurzärmeliges T-Shirt an und bereitete mich auf den Strand vor. Eilig trank ich ein paar Schlucke Saft, denn nach Essen war mir nicht mehr. In Gedanken versunken trabte ich in die Umkleide, wo ich auf Lise traf, die gerade ein paar Isomatten aus dem Schrank holte.
»Für die Kinder. Nach dem Backen essen wir mit ihnen Kekse und erzählen ihnen Piratengeschichten.«
Lächelnd nickte ich. »Ja, da muss ich bei Gelegenheit auch einmal wieder zuhören. Ihr zwei seid klasse.«
Sie kannte mich einfach zu gut. »Cara, was ist los mit dir?«
Seufzend holte ich Luft und erzählte ich ihr von meinen Gedanken und Bedenken.
Nachdem ich geendet hatte, schwieg Lise lange.
»Cara, dass Carlos dich liebt, zweifelt keiner an, dass er dich vergöttert ebenso wenig. Vielleicht könnte er dir treu sein, eine Weile. Vielleicht könnte er über seine Eifersucht hinwegkommen, aber eben nur vielleicht. Aber das Allerwichtigste ist in meinen Augen, dass auch du ihn zwar sehr, sehr lieb hast – aber lass uns aufrichtig sein. Wäre es die ganz große Liebe, dann wärt ihr längst ein Paar. Ich kenne dich nun schon seit über drei Jahren und habe nie erlebt, dass du eifersüchtig gewesen wärst. Du gönnst Carlos sein Leben.« Sie griff nach meiner Hand. »Kannst du dir vorstellen, was passieren würde, wenn Oliver auf die Idee käme, mit einer Touristin zu schlafen? Ich würde ihn vierteilen! Und du, Cara, würdest das bei dem Mann, der deine große Liebe ist, auch tun. Da bin ich mir ganz sicher. Carlos ist dein Seelenfreund, ihr könnt nicht ohne den anderen, aber er ist nicht die Liebe deines Lebens. Das wage ich nun einfach einmal zu behaupten.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Und nun schwing die Hufe, du musst an den Strand.«
Das gab mir zu denken, aber sie hatte recht, die Zeit drängte. Ich schulterte mein Radio, drückte Lise einen Kuss auf die Wange und griff nach den Kassetten. »Lise, du bist ein Schatz. Danke, ich glaub, ich bin wieder auf Spur.«
Meine Lieblingsholländerin verdrehte die Augen. »Immer wieder gerne. Ich bin der geborene Seelenklempner. Und jetzt hau ab.«
Etwas weniger nachdenklich trollte ich mich an den Strand, sondierte die Lage, rief Fernando, und kurz darauf schallte mein neuer Volleyball-Song über den Strand.
Die Jungs von Def Leppard und »Rock of Ages« passten perfekt.
Sowohl unsere Gäste als auch wir hatten enormen Spaß, und als wir um Punkt sechs Uhr abbrachen, waren einige regelrecht enttäuscht. Allerdings nur, bis wir die Sundowner-Cocktails an der Strandbar ankündigten.
Während alle feierten, verkrümelte ich mich still und leise. Kaum hatte ich alles aufgeräumt, kam Roberta angelaufen. »Cara, was machen wir heute Abend? Irgendwas müssen wir doch bieten.«
Ich war überrascht. »Carlos hat die Sketchshow angesetzt. Hat er das nicht kommuniziert?« Noch während ich redete, wurde mir klar, dass auch ich es nur vom Ankündigungsbrett wusste. »Shit, warte, ich sag den Jungs am Strand Bescheid, Rachel ist auch dort. Weißt du, wo die anderen sind?«
Roberta nickte. »Ja, da hinten am Pool. Andy hat sich noch mit ein paar Feinheiten der Anlage vertraut gemacht und Oliver passt am großen Becken auf.«
»Gut, sag du denen Bescheid. Den Ablauf kennen wir ja, okay?«
»Alles klar.« Roberta verschwand eiligen Schrittes.
Nachdem ich alle informiert hatte, war es dringend Zeit für eine Dusche. Danach fühlte ich mich besser, schlüpfte in meine Jeans, Cowboystiefel und – den abendlichen Temperaturen geschuldet – ein langärmliges Shirt sowie meine Jeansjacke.
Mein Magen vermeldete nachdrücklich Hunger, und nachdem ich meine Haare im Griff hatte, beeilte ich mich, ihn zufriedenzustellen.
Tino wuchs langsam über sich hinaus. Zarte, in Rotweinsauce geschmorte Filetstücke und dazu Rosmarinkartoffeln. Ich war ja so einfach glücklich zu machen!
Fernando, Silvie, Andy und Rachel waren schon da, die anderen folgten einer nach dem anderen. Nur von Carlos war nichts zu sehen. Schließlich machte Andy sich auf die Suche nach ihm und kehrte kurz darauf mit verwirrtem Blick zurück.
»Boah, Leute, seid vorsichtig. Irgendwas ist wohl bei Carlos passiert. Der hat geniale Laune. Er kommt pünktlich zur Show. Hunger hat er keinen. Aber ich soll sagen, dass alles in Ordnung ist und es nur positive Rückmeldungen der Gäste gibt.«
Silvie zuckte die Schultern. »So weit so gut, aber was hat er dann?«
Alle Blicke richteten sich sofort auf mich. Ich beeilte mich zu schlucken und beteuerte glaubhaft, keine Ahnung zu haben. Dem war ja auch so. Bis Mittag war es ihm gut gegangen, zumindest war er Blumen kaufen gewesen. Nun, ich würde meine Neugier wohl ebenso zähmen müssen wie die anderen.
Pünktlich um halb neun waren wir bereit für die Show. Roberta tanzte das erste Mal mit ausgesprochen glücklichen, entspannten Kindern den Kinderclubtanz, und als sie fertig war, tauchte Carlos auf. Er gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, doch ich wusste sofort, dass etwas im Argen lag.
Wir zogen unsere Show mit altgewohnter Professionalität durch. Die Gäste kringelten sich vor Lachen und auch uns machte es Spaß. Die Sketche stammten von unserem Programm auf Ibiza und stellten keine große Herausforderung dar.
Nach der Show kündigte Andy an, dass nun gefeiert wurde und er für die passende Musik sorgte.
Das ließen sich die Gäste nicht zweimal sagen und strömten begeistert auf die Tanzfläche. Wir warfen uns zufriedene Blicke zu – es schien, als hätten wir die Lage wieder im Griff.
Wir plauderten und tanzten mit Gästen, die keinen Partner fanden, spendierten Kindern Eis und sorgten für exzellente Stimmung. Es war kurz vor Mitternacht, als wir uns der Reihe nach verabschiedeten. So sehr ich auch suchte, Carlos sah ich nicht. Auch seine Wohnung schien verwaist. Als ich in einer halsbrecherischen Aktion meinen Kopf hinüberstreckte, fand ich die Balkontür geschlossen. Alles war dunkel. Nun ja, vielleicht war er ja tatsächlich noch im Büro. Er würde sich schon melden, falls er mich brauchte. Ich schlüpfte unter meine Decke, ließ die Balkontür einen Spalt offen und schlief ein, sobald mein Kopf das Kissen berührte.
»Cara, wach auf. Bitte.«
Etwas in mir weigerte sich beharrlich, wach zu werden, doch der Unterton in der Stimme riss mich schneller aus meinem Traum an die Oberfläche, als mir lieb war.
»Cara, verzeih, dass ich dich wecke. Bitte, wach endlich auf.«
»Carlos, ohne Mist, warum kommst du nicht einfach unter die Decke und wir reden zu einer vernünftigen Zeit?«
Ein Blick auf den Wecker zeigte mir, dass es gerade einmal fünf Uhr war.
»Ich kann nicht, ich muss raus. Ich kann nicht mehr atmen.«
Das klang nicht gut. Nun war ich wach.
»Was ist los?«
»Komm mit, ich will an den Strand. Bitte, ich habe das Gefühl, ersticken zu müssen. Nimm ein Badetuch mit.«
»Glaubst du, ich geh um die Zeit und bei der Kälte schwimmen?«
»Es ist angenehm mild, nun komm schon.«
Ich arbeitete mich widerstrebend aus meinem warmen Bett, tauschte meinen Schlafanzug gegen ein bodenlanges Shirtkleid, holte ein Badetuch und stand dann, noch immer ein wenig bedröppelt, in meiner Küche.
»Fertig, auch wenn ich nicht verstehe, warum.«
Wortlos griff er nach meiner Hand und zog mich mit sich. Gerade noch schnappte ich mir meinen Schlüssel und folgte ihm.
Da er alle Schlüssel der Zugänge zur Anlage hatte, konnte er problemlos, auch zu dieser frühen Stunde, an den menschenleeren Strand. Es war tatsächlich mild und auch der sonst allgegenwärtige Wind blies nicht über den kühlen Sand.
Carlos führte mich ans Wasser, wo er Jeans und Shirt auszog und mir dann eine Hand entgegenstreckte. Seufzend entledigte ich mich meines Kleides.
»Im Ernst, Carlos, wenn es dafür keinen guten Grund gibt, dann gnade dir Gott.«
»Bitte, komm einfach mit.«
Also griff ich nach seiner Hand und gemeinsam gingen wir langsam ins Wasser. Es war wirklich wärmer als gedacht. Das Meer lag weitgehend ruhig vor uns und nur kleine Wellen brachen sich am Strand. Plötzlich ließ Carlos meine Hand los und tauchte unter. Prustend kam er wieder an die Oberfläche.
»Langsam wird es besser.«
»Was wird besser?«
»Alles. Komm, schwimmen wir ein wenig, dann wird dir auch warm.«
Schwimmen, um fünf Uhr am Morgen, im Meer, im Oktober. Murrend ging ich tiefer ins Wasser.
Was tat man nicht alles für den besten Freund? Nur mit meinem Slip bekleidet tauchte auch ich unter. Mit kräftigen Zügen schwammen wir weit hinaus und ruhten uns auf dem Rücken aus, um dann langsamer zurück zum Strand zu schwimmen. Ich merkte, dass Carlos mir Zeit gab, aufzuholen. Links von uns war eine langgezogene Mole ins Meer gebaut. Jetzt, bei Ebbe, waren die aufragenden Steinquader trocken und man konnte leicht hinaufklettern. Carlos hielt meine Hand, und vor neugierigen Blicken geschützt, legten wir uns auf die unteren Steine.
»Carlos, das war schon mal wärmer und auch romantischer. Mir ist kalt.«
Er musterte mich mit einem dermaßen traurigen Blick, dass ich fast bereit war, weiter zu frieren. Das aber ließ er nicht zu. Er setzte sich auf und zog mich auf seinen Schoß. Auch ihn zu umarmen brachte wenig. Er war genauso kalt wie ich. Allerdings sorgte seine Nähe dafür, dass mir rasch wärmer wurde.
»Kannst du wieder atmen?«
»Einigermaßen.«
»Dann kannst du mir jetzt sicher auch sagen, warum ich eine Lungenentzündung riskiere, oder?«
»Ich habe heute Nachmittag zwei Anrufe erhalten. Zuerst von Jaime, dann von Penny.«
»Oh.«
»Oh trifft es nicht im Geringsten. Penny rief an, um mir mitzuteilen, dass sie das Kind verloren hat. Cara, sie erzählt mir, dass sie eine Fehlgeburt hatte und fragt eine Minute später, ob sie zu mir kommen dürfte. Verdammt, ich kann mit so etwas nicht umgehen.«
Ich legte meine Stirn an seine. »Wie hast du dich gefühlt, als sie das mit dem Kind erzählt hat?«
»Ich schäme mich so, es auszusprechen: Ich war tatsächlich erleichtert. Allerdings kann ich dir nicht sagen, wie ich reagiert hätte, wenn sie mir einfach nur gesagt hätte, dass sie schwanger ist.« Er sah mir in die Augen. »Das ganze Telefonat war so seltsam, so unwirklich. Ich habe das Gefühl, sie wollte nur herausfinden, wie ich zu ihr stehe.«
»Und wie stehst du zu ihr?«
Er zog eine traurige Grimasse. »Ohne Kind? Ohne Kind ist sie mir vollkommen egal. Nach allem, was sie abgezogen hat, kann ich einfach nicht anders. Wenn ich tatsächlich Vater geworden wäre, dann lägen die Dinge wahrscheinlich anders. Ich würde mich nicht vor der Verantwortung drücken und würde sehen wollen, wie mein Kind aufwächst. Aber so? So will ich sie eigentlich nicht sehen.«
»Eigentlich?«
»Dios mío, Cara, du kennst mich doch. Ich bringe es einfach nicht fertig, einer Frau, die gerade ihr Kind verloren hat, zu sagen, sie soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich sagte, sie könnte mich besuchen kommen.«
»Und kommt sie?«
»Sie kommt, weiß aber noch nicht wann. Ach verflucht, Cara, kann ich denn diese vermaledeite Nacht nicht einfach aus meinem Leben streichen? Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich sehe plötzlich überall Mauern, die langsam, aber stetig auf mich zukommen. Wenn ich an Penny denke, dann habe ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.«
»Na super, darum hast du sie auch eingeladen, um endlich wieder richtig zu leiden.«
»Das ist nicht fair, vor allem von dir nicht. Gerade du kennst meine wahren Träume nur zu genau.«
Ertappt zog ich die Schultern hoch. »Verzeih, das war eine dumme Bemerkung. Aber auch das wirst du überstehen. Wenn sie sieht, dass es nicht die große Liebe ist, wird sie abfahren und vielleicht für immer aus deinem Leben verschwinden.«
»Daran kann ich leider nicht glauben.«
Seine Stimme klang so erstickt, dass ich sein Kinn anhob und ihm eindringlich in die Augen sah. Tränen bei meinem besten Freund gingen gar nicht.
»Mann, Carlos, ich bin doch bei dir.«
»Aber wie lange noch? Cara, du entfernst dich von mir. Ich spüre es und ich verstehe es. Du suchst nach der wahren Liebe, und ich bin es nun einmal nicht. Es ist nur, und halt mich jetzt nicht für schwach … dieses Gefühl zerreißt mir das Herz.«
»Hör auf. Hör sofort auf damit.« Ich umarmte ihn so fest ich konnte und vergrub meine Nase in seinem Haar. Als ich fühlte, dass er zitterte, griff ich in seine langen Locken und küsste ihn so, wie er mich geküsst hatte, als ich vor zwei Monaten, in dieser schrecklichen Nacht im August, zu zerbrechen drohte. Es musste ihm einfach wieder gut gehen! Ihn zu küssen und zu streicheln war selbstverständlich und fühlte sich so unglaublich gut an. Nach einer Weile spürte ich, wie er meine Brust liebkoste und dann, wie seine Finger zwischen meine Beine glitten.
»Nein, Carlos, bitte nicht. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft habe, an meiner Entscheidung festzuhalten, wenn ich noch einmal mit dir schlafe.«
Er schüttelte leicht den Kopf. »Ich will nur, dass du glücklich bist, Cara. Ich gehe nicht zu weit, das habe ich dir versprochen.«
Meine Arme umklammerten ihn so fest, dass ich fürchtete, ihm weh zu tun, doch das Gefühl, das mir seine geschickten Finger verschafften, ließ vernünftiges Denken nicht mehr zu. Danach küsste ich ihn lange, innig und zärtlich, so lange, bis er aufstöhnte. Erst dann löste ich mich von ihm.
»Wir sollten damit aufhören. Das ist zu gefährlich für uns beide.«
Er lächelte mich liebevoll an. »Nenn mir einen vernünftigen Grund, nur einen. Du hast keine Beziehung und ich schon gar nicht. Ich bin so verrückt nach dir, dass ein einziger, langer Kuss von dir mehr bewirkt als eine Stunde Handarbeit von Penny.«
Ich musste unweigerlich lachen. »Du bist so doof. Echt jetzt.« Dann stupste ich ihn auf die Nasenspitze. »Meine Küsse sind eben magisch.«
Er nickte schmunzelnd. »Das darfst du laut sagen.« Etwas leiser und mit einem Hauch Bedauern fügte er hinzu: »Warte ab, bis du den Richtigen findest und so küsst. Vertrau mir, ihr werdet diesen Augenblick euer ganzes Leben lang nicht vergessen.«
»Das werden wir ja dann sehen.«
Langsam kam Wind auf und ich schauderte.
»Carlos, ich will zurück, mein Bett ist eindeutig bequemer als das hier.«
Er nahm mich in die Arme und ließ sich mit mir zurück ins Wasser gleiten.
»Mag sein, aber dafür ist nun das Gefühl weg, ersticken zu müssen.«
Um sechs Uhr kletterte ich bibbernd wieder in mein Bett, gefolgt von Carlos, der mich umarmte und wärmte.
»Danke, Cara. Danke für alles. Ich tue alles für dich, das weißt du, oder?«
»Mmh, ich erinnere dich daran, wenn ich mit vierzig Fieber im Bett liege. Rotznase inklusive.«
Er umarmte mich noch fester und zog mir die Decke bis zur Nasenspitze. »Dann wollen wir das lieber verhindern.«
Lächelnd kuschelte ich mich an ihn. Er war wieder auf dem Boden angekommen und den Besuch von Penny würde er auch irgendwie überstehen. Zumindest hoffte ich das.