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6. Sonnenaufgang

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Die Morgensonne kitzelte Alex an der Nase. Weder sie noch Holger, der laut schnarchend im Tiefschlaf gelegen und sich nicht einmal geregt hatte, als sie ins Zimmer geschlichen war, hatten daran gedacht, die Vorhänge zu schließen. Wie lange mochte sie geschlafen haben? Wohl kaum zwei Stunden. Ein Blick auf die Uhr brachte ihr, nachdem sie endlich klar sehen konnte, die Erkenntnis, dass es gerade einmal sieben Uhr war. Von der Sonne geweckt zu werden, war gar nicht so übel, auch wenn sich der Kopf anfühlte wie ein überdimensionierter Kürbis. Verflixt! Seit wann war das Ding auf ihrem Hals so groß und so schwer? Alex schlich ins Badezimmer und warf einen zögerlichen Blick in den Spiegel.

Böser Fehler! Dieses bleiche Wesen mit den verquollenen Augen, das sollte sie sein? Igitt! Eilig kramte sie in ihren diversen Kosmetiktaschen nach den Ibuprofen-Tabletten. In Situationen wie dieser ging einfach nichts über gute, bodenständige Chemie. Sie spülte die Tablette hinunter und streckte ihrem abschreckenden Spiegelbild die Zunge heraus. Im nächsten Augenblick erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie an gestern Abend dachte. Von einem bildhübschen Einundzwanzigjährigen geküsst zu werden war ein nachhaltig aufmunternder Umstand. Frecher Bengel! Und doch schien er gewusst zu haben, dass es ihr guttun würde. Holger hingegen … nein, an den wollte sie jetzt schlicht und einfach nicht denken. Sie wollte ganz etwas anderes.

So leise sie konnte, tapste sie ins Zimmer zurück und zog ein Sommerkleid, ihren Bikini sowie das neue Badetuch aus dem Schrank. Wenigstens einmal sollte es seiner Bestimmung zugeführt werden und Bekanntschaft mit dem Strand machen. Außerdem war es ein Ding der Unmöglichkeit, am Meer zu sein und nicht darin zu baden. Nicht ganz so flink wie sonst schlüpfte sie in ihre Klamotten. Es war so früh, dass sicher noch niemand schwimmen würde.

Der nette Security-Mann in der Halle schloss ihr den Hinterausgang auf und Alex huschte durch den Park zu der Palmenpromenade, die hinunter zum Strand führte und bis auf zwei Hundebesitzer und ihre Tiere menschenleer war. Sehr gut, ihr war nicht nach lächeln oder Menschen. Am Strand zogen einige Jogger ihre Runden, im Wasser war tatsächlich noch niemand. Die Sonne wärmte bereits angenehm und die Ibuprofen-Tablette zeigte Wirkung. Alex legte ihr Badetuch in den weichen Sand. Mit sehnsüchtigem Blick auf das türkisblaue Wasser entledigte sie sich ihres Kleides, streckte sich einmal kräftig – was, wie sie rasch feststellte, noch immer nicht sehr empfehlenswert war – und lief dann über den noch kühlen Sand zum Ufer. Das Meer war trotz der frühen Stunde nicht kalt, das Wasser klar. Die Sonne spiegelte sich auf der Oberfläche und kleine Fische flitzten durch die glitzernde Pracht. Ja, so fühlte sich Spanien an. Wohlig seufzend ging sie mit langsamen Schritten weiter hinein, atmete tief ein und tauchte unter.

Es tat so gut! Ihr Kopf fühlte sich schlagartig leichter an und nach den ersten kräftigen Schwimmzügen entspannten sich ihre verkrampften Muskeln. Alex schwamm bis zu einer Bojenkette, die wohl Schwimmer daran hindern sollte, in die Einfahrtszone des Hafens zu geraten. Langsam Wasser tretend, blickte sie hinaus auf den morgendlichen, goldgelb schimmernden Atlantik, sah, wie zwei Segler sich langsam und majestätisch aus der Einfahrt schoben und unter geblähten Segeln Fahrt aufnahmen. Sie legte sich auf den Rücken und blinzelte in den hellblauen Himmel, an dem Möwen kreischend ihre Bahnen zogen. Erst als ihr doch etwas kühl wurde, schwamm sie zurück ans Ufer. Nanu, wer hatte sich denn da so nahe an ihrem Badetuch niedergelassen? Schließlich war doch der ganze Strand leer. Diese Spanier und ihre Liebe zu menschlicher Nähe! Als sie aus dem Meer kam und sich das Salzwasser aus den Haaren wrang, erkannte sie, wer dort saß. Das durfte nicht wahr sein! Ausgerechnet er sollte sie doch nicht in diesem Zustand sehen.

Marcos.

Der schien ihr verknittertes Gesicht überhaupt nicht zu bemerken.

„Guten Morgen, da habe ich also vorhin doch richtig gesehen. Mag da jemand den Sonnenaufgang am Meer?“

Alex lächelte pflichtschuldig und hoffte, dass er nicht bemerkte, wie nervös sie wurde. „Der Sonnenaufgang war zwar schneller als ich, aber um ein Haar hätte ich ihn noch mitbekommen.“

Marcos zuckte die Schultern. „Dann eben morgen.“

Prompt schnürte ihr ein seltsames Gefühl die Brust ein. „Leider nein. Unser Rückflug geht heute am frühen Abend. Wir sind kurz vor Mitternacht schon wieder in Deutschland.“

Sie musste sich irren – es konnte wohl kaum Enttäuschung sein, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete?

„Das ist schade.“ Marcos ließ sich zurückfallen und stützte sich auf den Ellbogen ab.

Gütiger Himmel, sie sollte dringend aufhören, ihn so anzustarren. Er machte es ihr aber auch schwer. Sein nackter Oberkörper fegte ihre letzten Zweifel darüber, dass dieser Mann tatsächlich perfekt gebaut war, hinweg. Mit seinen ausgewaschenen Jeans und den dichten Haaren, die er sich hinter die Ohren gestrichen hatte, sah er einfach umwerfend aus. Die fast schwarzen Mandelaugen unter unverschämt langen Wimpern musterten sie amüsiert. Diese Augen hatte sie doch auch in einem anderen Gesicht gesehen … Konnte es sein, dass …

Marcos unterbrach ihre seltsamen Gedanken. „Du siehst ein bisschen verwirrt aus. Kann ich dir irgendwie helfen?“

Langsam, da sie noch nicht sicher war, ob ihr Kopf Erschütterungen verzeihen würde, ließ Alex sich neben ihm auf ihrem Badetuch nieder.

„Nein, aber danke. Ich hatte eine miese Nacht, aber das wird wieder. Ich hatte einen richtig lieben Seelentröster.“

„Geht das ein klein wenig präziser bitte?“ Er war recht beharrlich, wie schon beim letzten Mal.

„Ist sehr persönlich, wirklich.“ Sie haderte etwas damit, ihr Leben schon wieder vor ihm auszubreiten.

Marcos musterte sie stirnrunzelnd. „Ich sehe doch, dass du an etwas kaust, das dir wirklich zu schaffen macht. Aber ich verstehe auch, wenn du nicht mit mir reden willst. Du sagtest ja, dass du bereits mit jemandem gesprochen hast.“

Das klang ja beinahe schon anklagend, oder bildete sie sich das nur ein?

„Sebastian ist ein Kellner im Hotel und ein wirklich guter Zuhörer. Ich war ziemlich angetrunken und habe den armen Kerl die halbe Nacht mit Beschlag belegt. Aber er war sehr geduldig. Für einen Jungen mit gerade einmal einundzwanzig Jahren hat er enorm viel Menschenkenntnis.“ Nanu, was war an ihrer Aussage so komisch, dass Marcos über das ganze Gesicht grinste?

„Sebastian? Im Ernst? Lange Haare, Pferdeschwanz, rotzfrech, aber ein Charmeur allererster Güte?“ Marcos drehte sich auf die Seite, stützte sich auf dem Ellbogen ab und betrachtete sie lächelnd.

„Ähm, ja. Das kommt ganz gut hin.“

Laut lachend ließ Marcos sich auf sein Badetuch fallen. „Dieser freche Schwerenöter, dem werd ich helfen, wenn ich ihn in die Finger bekomme.“

Alex drehte vorsichtig ihren Kopf so, dass sie ihn ansehen konnte. „Sag bloß, du kennst ihn?“

„Kennen? Oberflächlich. Der Kerl ist mein kleiner Bruder, der mich ab und an den letzten Nerv kostet. War so klar, dass du in sein Beuteschema passt.“

„Nein, oh nein. Das verstehst du gründlich falsch.“ Alex holte tief Luft und erzählte haarklein, was sich in der vergangenen Nacht zugetragen hatte. Lediglich Sebastians Kuss ließ sie vorsichtshalber unter den Tisch fallen.

Während sie redete, setzte Marcos sich wieder auf und musterte sie sehr ernst. „So ein Vollidiot. Also dein Mann, nicht mein Bruder. Der hat ja ausnahmsweise tatsächlich das Richtige getan. Was hast du jetzt vor?“

Sie schüttelte ratlos den Kopf. „Um ehrlich zu sein, zuerst schweigen, auch wenn es schwerfällt, und ihn dann in Deutschland damit konfrontieren. Ich will nicht emotional werden, sondern darauf vorbereitet sein, ich will meine Gedanken sortieren und vernünftig argumentieren, ohne dass er sofort wieder alles entkräftet und mich als Schuldige dastehen lässt.“

Marcos nickte. „Klingt nach einem guten Plan. Hör zu, ich weiß, dass wir uns kaum kennen, ich weiß aber auch, dass ich dich sehr interessant und anziehend finde. Es ergibt ja keinen Sinn, hier irgendwelche Phrasen zu dreschen, also will ich ehrlich zu dir sein. Alex, ich möchte dich gerne näher kennenlernen. Weißt du, ich habe da so eine Angewohnheit. Ich höre gerne auf meinen Bauch, und der sagte mir schon an dem Abend in der Bodega am Strand, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, dass du etwas ganz Besonderes bist. Das mag seltsam klingen, ist aber einfach so. Du hattest eine unbeschreibliche Traurigkeit in den Augen, selbst wenn du gelächelt hast. Diese Traurigkeit sollte da nicht sein, das habe ich dir ja schon bei unserem letzten Treffen versucht klarzumachen. Also, und das meine ich jetzt verdammt ernst: Wenn du mich brauchst, wenn du Hilfe brauchst, auch wenn da von deiner Seite nicht mehr sein sollte … ich bin für dich da, okay?“ Er stockte, lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. „Wow, was für eine Ansprache, und das um diese Zeit. Frau, du hast mich echt aus dem Konzept gebracht.“

Alex fiel gerade noch ein, ihren Mund wieder zu schließen. „Öhm, vielen Dank. Ich bin ein wenig, wie soll ich sagen … ‚überwältigt‘ trifft es ganz gut.“

Marcos zog eine amüsierte Grimasse. „Das kann ich mir vorstellen.“

Ihr Lächeln fiel ihr so leicht wie schon lange nicht mehr, ein sehr angenehmes Gefühl. „Ich habe einst auch immer auf mein Bauchgefühl gehört. Diese Fähigkeit ist in den letzten Jahren leider Logik und Vernunft gewichen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass mein Bauch dich schon einmal recht gut leiden kann.“

„Na immerhin! Das ist doch ein Anfang. Apropos Bauch. Weißt du, was ein Fischerfrühstück ist, und hättest du Lust darauf? Wie lange hast du denn noch Zeit?“

Beinahe, aber wirklich nur beinahe, hätte ihr anerzogenes Pflichtgefühl gesiegt. So aber gelang es ihr gerade noch, die richtige Entscheidung zu treffen. „Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber es klingt ausgesprochen gut. Und wenn ich gegen Mittag im Hotel bin, langt das zur Genüge.“

Marcos sprang strahlend auf. Ihre Entscheidung schien ihn wirklich zu freuen. „Exzellent, dann zieh dich an und komm mit.“

Wenig später stand Alex im quirligen Jacht- und Fischereihafen staunend vor einem zwar offensichtlich alten, aber sehr liebevoll und detailreich renovierten Boot.

„Das war vor langer Zeit mal ein reines Fischerboot. Der frühere Besitzer musste es aufgeben und mein Freund Paco und ich haben sofort zugeschlagen. Es gab zwar viel zu restaurieren, aber ich denke, es ist gut gelungen.“

„Das kannst du laut sagen.“ Begeistert betrachtete Alex das liebevoll aufgemöbelte Kleinod. Es bot einen beeindruckenden Anblick. Die Seiten waren in strahlendem Weiß gestrichen, die Reling bestand aus glänzend braunem Holz, ebenso die Planken an Deck und zwei Sitzbänke samt Tisch hinter dem überdachten Steuer. „Reina del Mar“, entzifferte Alex die goldene Schrift auf einem braunen Holzschild.

„Dort hinten geht es hinunter in eine Kajüte mit vier Schlafmöglichkeiten und zu einer kleinen Küche. Es gibt auch eine Dusche und eine Toilette an Bord. Was denkst du, lässt es sich hier aushalten?“ Marcos war zu Recht stolz auf sein Boot.

„Es sieht sehr schön aus, wirklich. Da steckt gewiss viel Arbeit drin.“

„Allerdings, und nun an Bord, du Landratte.“ Mit Nachdruck schob er sie in Richtung der schmalen, mit einem Seil gesicherten Gangway. „Du setzt dich dort auf die Bank und ich mache Frühstück.“

„Ich kann doch helfen.“ Sich einfach bedienen zu lassen lag ihr gar nicht.

„Auf keinen Fall. Setz dich, genieß die Sonne und lass dich überraschen.“ Weg war er.

Es war schön, einfach nur die Nase in die Sonne zu halten und das bereits jetzt, um kurz nach acht, bunte Treiben zu beobachten. Bald duftete es aus dem Kajütenaufgang nach Kaffee und schon kurze Zeit später kam Marcos mit einem Tablett in den Händen zurück. Schnell und routiniert deckte er den Tisch. Milchkaffee für sie, Cortado, der kleine schwarze Kaffee, für ihn, Rühreier, vermengt mit Lachs und Krabben, knuspriges Weißbrot, Butter, Käse, Tomaten und Orangensaft.

„Ich hoffe, es ist etwas dabei, das du magst.“ Prüfend glitt sein Blick über den reich gedeckten Tisch.

Seufzend schüttelte Alex den Kopf. „Ich muss dich enttäuschen.“

„Wie jetzt …“

„Ich mag alles, was hier steht. Und nun setz dich, mein Magen fängt gerade an zu knurren. Das riecht alles so gut und sieht auch genauso aus.“ Lächelnd zeigte sie auf die Bank gegenüber.

Er warf ihr einen erleichterten Blick zu. „Beinahe hättest du mich dranbekommen, junge Frau.“

Das Frühstück war köstlich und Marcos ein amüsanter und einfühlsamer Gesprächspartner. Schon wieder erzählte sie viel mehr von sich, als sie eigentlich wollte. Aber es war einfach zu schön, mit jemandem zu reden, dem man offensichtlich wichtig genug war, dass er aufmerksam zuhörte. Genüsslich schob sich Alex die letzte Gabel mit Lachs und Ei in den Mund und kaute andächtig.

„Super. Das war ganz große Klasse, vielen Dank! Wo hast du so kochen gelernt?“

„Bei unserer Mutter. Sie ist leider vor fünf Jahren an Krebs gestorben. Sie war eine wunderbare Frau und fehlt uns beiden noch heute. Da mein Vater sich samt neuer Frau aufs Festland verzogen und Sebastian sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hat mitzukommen, hab ich ihn seither an der Backe.“ Sein Gesicht wurde sehr weich, wenn er von Mutter und Bruder sprach. „Aber, zugegeben, so schlimm ist der Bengel gar nicht.“

„Du magst ihn sehr, stimmt‘s?“

„Ja, natürlich, wir haben ja nur noch uns beide. Ab und an könnte ich ihn zwar zum Mond schießen, aber ich denke, das ist normal. Im Grunde ist er ein toller Kerl.“

Sie musterte Marcos lächelnd. „Ja, und ein Charmeur allererster Güte. Nennt er jede Frau ‚Lady‘?“

Er wirkte überrascht. „Nein, ganz und gar nicht. Bei ihm heißen Frauen pauschal ‚Chica‘. Wenn er dich ‚Lady‘ nennt, hast du ihn gewaltig beeindruckt.“

„Das freut mich. Da scheine ich doch noch ein wenig Ausstrahlung zu haben.“ Die Bemerkung war ihr entschlüpft, ehe sie darüber nachdenken konnte. Mist, warum arbeitete ihr Hirn heute zwischendurch so langsam!

„Na, na, na. Jetzt aber mal piano. Ein wenig? Liebe Alex, du bist eine wunderbare Frau. Wie gesagt, du versteckst momentan zu viel von dir, aber daran könnte man arbeiten.“

„Könnte man das?“ Sie gab sich die Antwort selbst, noch ehe er reagieren konnte. „Ja, ich glaube, das wäre sogar dringend nötig. Ich denke, ich fange unverzüglich damit an.“

Marcos nickte mit sehr zufriedenem Gesichtsausdruck. „So ist es richtig! So gefällst du mir. Wie schon gesagt. Wenn du Hilfe brauchst oder einfach jemanden, der dir bei Bedarf kräftig in den Hintern tritt, ich bin für dich da.“

Es tat so gut, lauthals zu lachen. „Danke, Marcos, ich komme gerne darauf zurück.“

Die Zeit verging viel zu schnell und es fiel ihr schwer, sich endlich aufzuraffen, um zurück ins Hotel zu gehen.

„Es hilft ja nichts, ich muss zurück. Irgendwann sollte ich mich dem Ganzen ja stellen.“

Marcos reichte ihr das Badetuch, das er zum Trocknen über eine an Bord gespannte Leine gehängt hatte. „Ich bring dich noch ein Stück.“

Sie wehrte dankbar ab. „Das ist lieb von dir, aber ich gehe lieber alleine. Im unwahrscheinlichen Fall, dass Holger mich suchen sollte und mich mit dir sieht, wäre er sofort wieder im Angriffsmodus und ich in Erklärungsnot.“

„Klingt logisch.“ Marcos ging mit langsamen Schritten vor ihr her in Richtung Gangway, ehe er sich zu ihr umdrehte. „Dir ist bewusst, dass ich dich sehr ungerne gehen lasse? Bitte versprich mir, dass du stark bleibst, ja? Lass dich nicht einwickeln. Du kannst dein Leben auch alleine meistern. Aber denk daran, dass du nicht alleine bist, verstanden?“

Alex nickte nachdrücklich. „Ich weiß es. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin.“

Die ernste Miene wich einem verhaltenen Lächeln. „Ich tu das ja nicht ganz uneigennützig. Ich würde dich verdammt gerne bald wieder hier haben. Du weißt schon: Finca, Träume, Blumen?“

Alex nahm ihr Badetuch an sich. „Ich werde es nicht vergessen.“

„Das hoffe ich.“ Marcos schloss sie kurzerhand in die Arme und drückte sie an sich.

Es fühlte sich gut an, gut und richtig. Marcos roch nach Meer, Mann und einem herben Aftershave. Seine Umarmung vermittelte ihr eine Geborgenheit, die Alex noch nie zuvor erlebt hatte. Als er sich von ihr löste, schlug ihr Herz plötzlich viel schneller. Sie wusste, was geschehen würde, sobald sie zu ihm aufblickte. Marcos nahm ihr Gesicht sanft in beide Hände und küsste sie. Kurz nur, zart, zurückhaltend, und doch entfachte er in ihrem Herzen ein Feuerwerk.

„Alexandra, wenn du jetzt gehst, denk immer daran: Ich bin nur einen Anruf entfernt.“

Sie konnte nicht sprechen, konnte nur noch nicken. Ihn hier zurückzulassen bereitete ihr beinahe körperliche Schmerzen. Mit wackeligen Knien stolperte sie die Gangway hinunter und lief mit schnellen Schritten zurück in Richtung Hotel. Ein Teil von ihr jedoch blieb auf dem herrlichen weißen Schiff, das hinter ihr auf den sanften Wellen im Hafenbecken schaukelte … und bei dem Mann, der unbeweglich an der Reling stand.

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