Читать книгу Psychosomatische Grundversorgung in der Geriatrie - Gabriele Röhrig-Herzog - Страница 14
2.1.6 Patienten mit Demenz
ОглавлениеObwohl die Effektivität psychotherapeutischer Maßnahmen einschließlich psychosomatischer Grundversorgung bei älteren Menschen heute wissenschaftlich gut belegt ist, gibt es darüber in Bezug auf Patienten mit Demenz nur sehr wenige Untersuchungen. Eine Literaturanalyse aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass sich sowohl Depressivität als auch Lebensqualität von Demenzpatienten durch psychotherapeutische Maßnahmen günstig beeinflussen lassen (Linnemann und Fellgiebel 2017). Als besonders effektiv erwies sich dabei der Einsatz von Kurzzeittherapien in Gruppen.
Bei der von Naomi Feil entwickelten Methode der Validationstechnik handelt es sich um eine auf Wertschätzung, Empathie und Akzeptanz beruhenden Kommunikationsform mit demenzkranken Menschen (Feil und Klerk-Rubin 2017). Sie geht mit ihren Wurzeln auf die drei Säulen der personenzentrierten Gesprächstherapie von Carl Rogers zurück (Echtheit (= Kongruenz), Wertschätzung und Empathie), mit denen der Therapeut dem Patienten begegnen sollte (Rogers 2013). In ihren Lehrvideos vermittelt Naomi Feil diese Methode in einer sehr eindrucksvollen und lebensnahen Form (Feil 2018). Es geht darum, den Menschen in seiner Welt zu akzeptieren und seine Gefühle zu respektieren, völlig unabhängig davon, ob sie einem in der gegenwärtigen Situation sinnvoll erscheinen. Die meisten Menschen wenden die Validationstechnik im Alltag schon ganz unbewusst an, zum Beispiel im Umgang mit Kindern: Wenn Ihre mit Krönchen auf dem Kopf und in schillernd-pinkfarbenem Kleid kostümierte kleine Tochter Sie fragt: »Schau mal, wer bin ich?«, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit sagen: »Oh, du bist eine Prinzessin.« und Ihre Tochter ist glücklich, dass Sie sie »erkannt« haben. Sie ist in ihrer Fantasiewelt in die Rolle einer Prinzessin geschlüpft und denkt, fühlt und agiert auch so. Hätten Sie die Kostümierung ignoriert und realitätstreu mit »Du bist meine Tochter.« geantwortet, wäre sie sicher irritiert gewesen. Sie haben aber »validiert« und sie in ihrer Rolle wertgeschätzt und so akzeptiert, wie sie ist. Dadurch, dass Sie sie nicht auslachen, sondern ihr empathisch antworten, reagieren Sie kongruent, also den Empfindungen des Gegenübers entsprechend.
Im Umgang mit demenzkranken Menschen ist das ebenfalls möglich: Treffen Sie auf einen demenzkranken älteren Herrn, der Papiertaschentücher sortiert, und fragen ihn, was er da macht, wird er Ihnen vielleicht antworten, dass er wichtige Akten sortiert. Gehen Sie dann validierend auf ihn ein und fragen Sie ihn, ob Sie ihm beim Sortieren helfen können, dann fühlt er sich verstanden und akzeptiert. Sie haben eine Vertrauensbasis hergestellt. Versuchen Sie hingegen ihn darüber aufzuklären, dass es sich um Papiertaschentücher und keine Akten handelt, wird er sich mit großer Wahrscheinlichkeit stark verunsichert fühlen, da er aufgrund seiner Demenz diese Informationen (Akten – Papiertaschentücher) nicht mehr in Einklang bringen kann. Diese Verunsicherung kann im ungünstigsten Fall große Ängste hervorrufen. Validierung kann daher auch gut dazu beitragen, Ängste zu reduzieren, indem ein Gefühl von Verständnis und Sicherheit vermittelt wird.
Eine demenzkranke und kriegstraumatisierte Dame, die bei einem starken Gewitter glaubt, bombardiert zu werden, kann man damit versuchen zu beruhigen, dass man mit ihr zusammen in den Keller geht, so wie sie es während der Kriegszeit getan hat. Während einem das Validieren im Umgang mit Kindern oft leichter fällt, gibt es einige Menschen, die befürchten, durch Validation einen älteren Menschen respektlos zu behandeln, da man diese ältere, lebenserfahrenere Person ja »belüge«. Eine Lüge setzt jedoch die Absicht voraus, einem anderen Menschen bewusst eine Fehlinformation zu geben. Bei der Validation hingegen handelt man nur entsprechend dem vorgegebenen Verhalten des Patienten, indem man darauf eingeht. Man sagt dem Patienten, der sich für Napoleon hält, nicht, dass er Napoleon ist, sondern dass er ja eine verantwortungsvolle Aufgabe habe. Damit fühlt er sich in seiner angenommenen Rolle bestätigt und verstanden (Feil und Klerk-Rubin 2017). Obwohl die Validationstechnik bisher kaum wissenschaftlich belegt ist und daher noch keinen Eingang in Leitlinien und Handlungsempfehlungen gefunden hat (Neal und Barton Wright 2003), so hat sie im Bereich der Pflege inzwischen einen festen Stellenwert (Bibliomed Pflege 2016; Rabes 2016) und auch viele Ärzte wenden sie oft unbewusst aber erfolgreich an.