Читать книгу Der ultimative Jimi Hendrix Guide - Gary J. Jucha - Страница 10

Оглавление

2

Das Ticket zum Erfolg

Im Nebel der Frühzeit

Chas Chandler erzählte, er habe den Text von Bob Dylans „Like A Rolling Stone“ erst verstanden, nachdem er den Song bei einem Auftritt von Jimi Hendrix und den Blue Flames in Greenwich Villages Café Wha? hörte. Der Grund dafür lag in dem beinahe schon unheimlichen Geschick des Musikers, die von ihm aufgeführten Coversongs authentisch umzusetzen. Dylan mag zwar den Text geschrieben haben, doch Hendrix hatte ein solches Leben geführt, kannte das Gefühl, ein „Rolling Stone“ zu sein. Von Jimi gesungen, stellten die Zeilen mehr als ein geschicktes Wortspiel dar, waren tiefgreifend und nachhaltig. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Jimi Hendrix Dylan mit dessen eigenem Werk übertrumpfte.

Jimi wusste, was es bedeutete, mit leerem Magen eine Mahlzeit aufzutreiben, kannte das Gefühl, ohne festes Zuhause zu sein, und hatte sich daran gewöhnt, sprichwörtlich auf der Straße zu leben. Am Ende des Kapitels wird die Zeit in London thematisiert, wo sein steiler Aufstieg begann. Seine Freundin Kathy Etchingham meinte, dass auch der Erfolg ihn nicht von seiner Angewohnheit abgebracht habe, zur Sicherheit einen Dollar im Schuh zu tragen für den Fall, sich in widrigen Umständen oder einer Notsituation wiederzufinden. Wie er ihr verriet, war ihm auch der Geschmack einer Klapperschlange wohlbekannt, das Gefühl, nichts zu verlieren zu haben. Darum ging er auch das Risiko ein, nach London umzusiedeln, einer Stadt, die er zuvor nie besucht hatte, mit einem Möchtegern-Manager, der prahlte, aus ihm einen Star zu machen.

Die Blue Flames

Kurz nachdem er einen festen Platz auf der Bühne des Café Wha? in der MacDougal Street/Ecke Minetta Lane ergattert hatte, versuchte Hendrix, den Saxofonisten Lonnie Youngblood zu überreden, ihm in die Stadt zu folgen. Youngblood erklärte gegenüber Charles R. Cross, dass Hendrix geschwärmt habe, sie beide könnten „das Café Wha? an sich reißen“.

Obwohl Youngblood Hendrix’ Fähigkeiten so sehr anerkannte und respektierte, dass er den Musiker zu einer Aufnahme-Session im Juni 1966 einlud, verstand er nicht, was in Jimis Kopf vor sich ging. Hendrix’ neue Stücke „klangen schräg“. Seinem Kollegen einfach nach Downtown zu folgen, war Youngbloods Ansicht nach nicht möglich, denn er musste eine Frau und ein Kind finanziell versorgen und einen Hauskredit abstottern.

Während eines einwöchigen Gastspiel-Vertrags als federführender Musiker in Carl Holmes’ Band hatte der Folksänger und Gitarrist Ritchie Havens Hendrix gesehen und ihn gedrängt, sich Gigs in Greenwich Village zu suchen. Havens erkannte in Hendrix etwas von sich selbst – sicherlich nicht den Stil, sondern eher die Leidenschaft für die Musik. Beinahe während des gesamten 20. Jahrhunderts stellte das Village einen Schmelztiegel der amerikanischen Bohemiens dar: Folkies, Dichter und abstrakte Künstler, die mit Sicherheit einen Freiraum für einen schwarzen Musiker garantieren konnten, den noch nicht einmal die schwarzen Musikerkreise respektierten. Havens erzählte Hendrix, er könne ein Vorspielen mit Manny Roth organisieren, damals der Manager des Café Wha? (und Onkel des ersten Van-Halen-Sängers David Lee Roth).

Hendrix kannte zu diesem Zeitpunkt die Dylan-Alben. (Man weiß, dass er The Freewheelin’ Bob Dylan besaß, und seine Freundin Fayne Pridgeon aus Harlem erzählte oft die Geschichte, wie er seine letzten fünf Dollar für Highway 61 Revisited ausgegeben habe.) Jedoch ist nicht bekannt, ob Jimi Hendrix wusste, dass Dylan im Café Wha? auftrat, als er sich 1962 erstmalig nach Manhattan aufmachte.

Möglicherweise hätte er es als ein schicksalhaftes Zeichen gedeutet, dass man ihm exakt denselben Club empfahl, in dem sein musikalischer Held sein New Yorker Debüt gegeben hatte. An einem Abend im Juni erschien Jimi im Club, die weiße Fender Stratocaster in der Hand, und stellte sich Roth vor, der ihm anbot, während einer Pause der Hausband sein Glück zu versuchen.

Jimi spielte ein langsames Blues-Solo, wobei ihn schon nach kurzer Zeit der Hausbassist Tommy „Regi“ Butler begleitete. Die beiden harmonierten – Jimi zeigte Butler ein Riff zum Jammen –, und schon nach wenigen Minuten bildeten sie mit Chas Matthews an den Drums ein Trio: Jimi Hendrix’ erstes Trio, die Blaupause für die Jimi Hendrix Experience. Hendrix nannte die Formation die Blue Flames. (Entgegen anderslautenden Aussagen existieren keine Angaben, dass man die Formation jemals als Jimmy James and the Blue Flames ankündigte, obwohl „Jimmy James“ Hendrix’ damaliger Künstlername war. Der Name „James“ stellte eine Referenz an den Blues-Musiker Elmore James dar, der Jimis Affinität zu laut ausgesteuerten Verstärkern teilte. Hendrix nahm James’ „Bleeding Heart“ oft auf – manchmal auch „Blues In C#“ oder „People, People, Peoples“ genannt – und spielte den Song bei Konzerten. Der Name „Blue Flames“ ehrte einen weiteren Blueser: den Sänger Junior Parker aus Memphis.) Wenn die Formation nicht im Café Wha? spielte, benutzte sie neben anderen Bandnamen auch den der Rainflowers.

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begegnete Hendrix dem Musiker Randy Wolfe bei Manny’s Music in der 48. Straße in Manhattan. (Das bekannte und angesagte Geschäft wurde im Juni 2009 geschlossen und als Filiale der Kette Sam Ash Gitarren-Shops wiedereröffnet.) Gerade mal 15 Jahre alt, war Wolfe mit seiner Mutter und seinem Stiefvater von Kalifornien in die Stadt gezogen und befand sich auf der Suche nach einer Gitarre. Er sah Hendrix beim Gitarrespielen – „Ich glaube, es war eine Telecaster“, erklärte er der Guitar World 1985 – und fragte, ob er sie ausprobieren dürfe.

Wolfe beschäftigte sich intensiv mit dem Delta Blues – so wie auch Hendrix, den das Spiel des jungen Musikers beeindruckt haben musste, da „er sich mir mit dem Namen Jimmy James vorstellte und mich für den Abend in einen Club einlud, das Café Wha?, um mit ihm aufzutreten“. Schon nach kurzer Zeit spielte Wolfe die Rhythmus-Gitarre und Hendrix Lead-Gitarre. (Allerdings taufte ihn Hendrix in Randy California um und gab ihm jenen Bühnennamen, den er auch als Gründungsmitglied der einflussreichen kalifornischen Band Spirit tragen sollte und sogar noch bis zu seinem tragischen Tod am 2. Januar 1997.)

Aus Randy Wolfe wurde Randy California, da ein Bassist der Blue Flames ebenfalls Randy hieß und durch den Zusatz „California“ klar wurde, wer gemeint war. Trotz seiner anfänglichen Begeisterung wurde „Regi“ Butler gelegentlich durch Jeff „Skunk“ Baxter ersetzt, einen Angestellten bei Manny’s, und noch häufiger durch eben jenen Randy Palmer, einen Texaner, dem Hendrix schon bald zur Unterscheidung den Namen Randy Texas aufdrückte. (Jeff „Skunk“ Baxter ist auch bekannt für seine Arbeiten mit Steely Dan und den Doobie Brothers.) Was man über Hendrix als Bandleader wissen sollte: Er hatte ein untrügliches Talent für die Auswahl geeigneter Instrumentalisten, denn zwei seiner Kollegen von den Blue Flames entwickelten sich zu respektierten und anerkannten Musikern. Danny Casey ersetzte später noch Matthews an den Drums.

Das Repertoire der Blue Flames bestand zum Großteil aus Coverversionen. Bedenkt man den Bandnamen, überrascht es nicht, dass sie einige Junior-Walker-Nummern spielten, darunter „Driving Wheel“, „In The Dark“, „Annie Get Your Yo-Yo“ und den Hit „Shotgun“ aus dem Jahr 1965 (den Walker aber nicht mit den Blue Flames aufnahm, sondern mit den All Stars). Darüber hinaus führten sie noch weitere Hits aus den Mittsechzigern auf: Don Covays „Mercy, Mercy“ (er stammte aus einer Session mit Hendrix), „House Of The Rising Sun“ von den Animals und das populäre „Hang On Sloopy“ von den McCoys.

Gerüchten nach führten sie auch „Rain“ von den Beatles auf, das als B-Seite von „Paperback Writer“ im Gründungsmonat der Blue ­Flames auf den Markt kam. Angeblich soll Hendrix dabei versucht haben, die Rückwärtsspuren von John Lennons Gesang nachzuahmen, was durchaus möglich erscheint, bedenkt man seine Faszination vom Einsatz rückwärts aufgenommener Instrumente, den er in den kommenden Jahren selbst meisterte.

Die Blue Flames coverten zudem drei Songs, die Hendrix mit der Experience bis zum Abwinken aufführen sollte: Bob Dylans „Like A Rolling Stone“, „Wild Thing“ von den Troggs und ein „unbedeutendes, kleines“ Stück, das von Eifersucht und Mord handelte – „Hey Joe“, eine Hymne der Sixties. Aussagen von Randy California nach erarbeiteten sie sich vier Eigenkompositionen, zu denen „Mr. Bad Luck“ zählte, später von der Experience unter dem Titel „Look Over Yonder“ aufgenommen. Abhängig davon, wessen Aussage man Glauben schenkt, mögen die anderen „Foxy Lady“, „Remember“ und „3rd Stone From The Sun“ gewesen sein. Obwohl „Red House“ schon in einer Arbeitsversion existierte, wurde es von den Blue Flames nicht umgesetzt.

(Bitte beachten Sie, dass ich mich bei der Aufzählung der Stücke an die Originalschreibweise halte. „Foxey Lady“ und „Third Stone From The Sun“ tauchten in dieser Schreibweise auf der US-Version des Albums Are You Experienced auf, das erwähnenswerterweise wie auch in Großbritannien ohne Fragezeichen auf dem Cover erschien, obwohl der Songtitel in den USA mit einem Fragezeichen versehen wurde.)

Ein weiteres signifikantes Ereignis kennzeichnete die viermonatige Zeit, die mit dem Vertragsabschluss mit Chas Chandler endete: Jimmy James änderte seinen Namen in Jimi James. Carol Shiroky erinnert sich an eine Werbung für den Gitarristen im Café Wha?, bei der man ihn als Jimi James anpries. Das geschah, kurz nachdem sich die beiden aufgrund von Jimis Interesse an Linda Keith getrennt hatten. Linda war Keith Richards’ Freundin, die sich wie magisch von dem linkshändigen Gitarristen angezogen fühlte, den sie als einen authentischen Blues-Musiker verehrte, der schon zu dieser Zeit mehr als seinen Tribut für die Karriere gezollt hatte.

Im August überredete Linda den Animals-Bassisten Chas Chandler, sich Jimi Hendrix anzusehen. Beeindruckt von dessen Fassungen von „Hey Joe“ und „Like A Rolling Stone“, bekundete Chandler sein Interesse, Hendrix mit nach England zu nehmen und ihn dort zu produzieren. Doch das musste bis zum Ende der US-Tour der Animals im September warten. Zu dem Zeitpunkt war Hendrix aber schon längst aus seinem Hotel am Broadway ausgezogen und konnte nirgendwo gefunden werden. Plattenproduzenten hatten ihm schon zuvor leere Versprechungen gemacht, was das Verhalten erklärt. Mit Linda Keith zurück in England, verbrachte Chandler vier aufregende und chaotische Tage damit, den Musiker aufzuspüren, aus dem er einen Star machen wollte.

Allerdings reagierte Hendrix zwischenzeitlich skeptisch auf die Perspektive, nach England zu reisen. Dem Meinungsumschwung ging ein siebentägiges Engagement als Begleitmusiker von John Hammond Jr. voraus. Die Band nannte sich „Screaming Nighthawks“ und trat im Café Au Go Go auf, einem eher noblen Club in Greenwich Village. Hammond war ein angesehener Blues-Musiker, der 1965 das Album So Many Roads mit Musikern aufgenommen hatte, die später Bob Dylan begleiteten und dann als The Band auftreten sollten. Sein Vater John Hammond zeichnete für die Laufbahnen von Musikern verantwortlich, die den Kurs der amerikanischen Popmusik während des 20. Jahrhunderts bestimmten. Er half dabei, die Karriere von Benny Goodman vorwärtszubringen, die des Gitarristen Charlie Christian und von Billie Holiday, Bob Dylan, Aretha Franklin sowie Bruce Springsteen. John Hammond Jr. hatte seinen Vater davon überzeugt, sich Hendrix anzuhören. Bedenkt man die Auftritte und John Hammonds Interesse, mag Hendrix das Gefühl gehabt haben, kurz vor dem Durchbruch in seinem Heimatland zu stehen, was ihn letztendlich dann aber nicht davon abhielt, nach England zu reisen.

Allerdings beschlich ihn das Gefühl, in der Schuld der anderen Musiker von den Blue Flames zu stehen, woraufhin er versuchte, die Kollegen zum Mitkommen zu überreden. Wie Randy California erklärte, „war Chas [aber] überhaupt nicht an mir interessiert“, ein Gefühl, das durch Chandlers Kommentar in der Dokumentation Ultimate Hendrix bestätigt wird: „… (California) wollte ausschließlich Blues spielen, und ich glaubte nicht daran, dass der Blues ein Weg war, um einen Hit mit Jimi zu produzieren.“

Wie sich California erinnert, geschah Folgendes: „Eines Tages stieß ich [zur Band] und fand heraus, dass Jimmy sich nach England aufgemacht hatte. Das war das Ende (der Blue Flames).“

Linda Keith

Während ihr Liebhaber in der Manning Bowl in Lynn, Massachusetts, spielte, entschied sich das englische Model Linda Keith gemeinsam mit zwei Freunden in New York auszugehen: Roberta Goldstein und Mark Kaufman. Es war der 24. Juni 1966. Das gähnend leere Cheetah mit seinen zwei Bühnen zählte zu den von ihnen besuchten Clubs. Trotz seiner Rolle als Bandleader der Blue Flames spielte Hendrix mal wieder „diesen Mist“ mit Curtis Knight and the Squires. Die Flames verdienten im Café Wha? sieben Dollar am Abend (als Band!), und so nahm Jimi aus finanziellen Gründen gelegentlich Jobs als Begleitmusiker an.

Zuerst hegte Keith kein Interesse für die Gruppe, aber dann entdeckte sie Hendrix, „der versteckt in der hinteren Reihe spielte“, wie sie gegenüber Tony Brown erklärte, dem ersten Biografen des Musikers, der sie in Jimi Hendrix – A Visual Documentary zitiert. (Möglicherweise war es ihm unangenehm, wieder einer der Squires zu sein.) Keith fiel auf, dass sie Jimis Hände beobachtete. Zutiefst fasziniert, bat sie Kaufman mit einschmeichelnder Stimme, den Gitarristen zu einem Drink an ihren Tisch einzuladen, wonach die Gruppe zum Apartment der Freunde zog, aufgrund der mit rotem Samt ausgekleideten Wände aus als Red House bekannt. In dieser Nacht nahm Hendrix zum ersten Mal LSD und hörte – in Richards’ Hotelsuite im Hilton – erstmalig Dylans neustes Album Blonde On Blonde, zu dem er Gitarre spielte.

Ob Keith und Hendrix nun eine Liebesaffäre hatten oder nicht, hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Carol Shiroky glaubte es zumindest. Paul Caruso, Jimis Freund aus dem Village, teilte diese Auffassung. Auch die beiden ersten Protagonisten aus dem Musikbusiness, denen Keith Hendrix empfahl, stuften die beiden als Paar ein. Dazu gleich mehr.

Einen so außergewöhnlichen und extravaganten Blues-Musiker gesehen zu haben, entflammte bei Keith einen geradezu missionarischen Eifer. Sie wollte Hendrix noch vor ihrer Rückkehr nach London bekannt machen, geplant nach Ende der 30-tägigen Rolling-Stones-US-Tour. Sie überzeugte den Stones-Manager Andrew Loog Oldham, ins Café Au Go Go zu kommen, wo die Blue Flames auftraten (möglicherweise unter dem Namen Rainflowers), um den Gitarristen zu erleben. Linda ging sogar so weit, sich Keith Richards’ weiße Fender Stratocaster „auszuleihen“, damit Hendrix das Instrument anstelle der ramponierten Klampfe aus dem Leih- und Pfandhaus nutzen konnte, die ihm Shiroky gekauft hatte.

Oldham ließ die Chance verstreichen, Jimi als Manager zu betreuen, was zum Teil daran lag, dass ihm der Musikstil nicht zusagte. Zudem plagten ihn Sorgen hinsichtlich Keith Richards’ Reaktion, wenn dieser herausfände, dass seine Freundin mit einem schwarzen US-Musiker durch die Gegend zog, der sie direkt von der Bühne des Café Au Go Go angesprochen hatte.

Auch Seymour Stein bemerkte die enge Beziehung zwischen Hendrix und Keith, als er die beiden zwei Mal gemeinsam traf. Deshalb schreckte er davor zurück, den „sensationellen Gitarristen“ zu managen. Während Steins erstem Besuch stritt sich das Paar über Keith Richards’ weiße Stratocaster, die Hendrix unvorsichtig behandelt und ramponiert hatte. Stein gründete später Sire Records, das Label der Ramones, Talking Heads und der Undertones, aber eben nicht von Jimi Hendrix.

Linda Keith selbst betont hinsichtlich der vermeintlichen Affäre: „Ich war nicht seine Freundin, denn ich datete immer noch Keith Richards.“ Die Tatsache, dass sie alle Rolling Stones überredete, den Hendrix-Gig am 2. Juli im Ondine zu besuchen (nach einem Konzert der Band im Forest Hills Tennis Stadium in Queens, New York) führt in der Tat zu der Annahme, es handle sich um eine platonische Beziehung … zumindest zu dem Zeitpunkt. An dem Abend zeigte sich nur Bill Wyman von Hendrix beeindruckt, doch der Bassist konnte keine Hilfestellung leisten, da sich der Rolling-Stones-Tross schon bald zu einem Konzert in der Asbury Park Convention Hall in Asbury, New Jersey, aufmachte, das am folgenden Abend stattfand.

Linda Keith hatte ihre Trümpfe ausgespielt, jedoch nichts erreicht. Am 2. August traf sie zufälligerweise Chas Chandler im Ondine. Die Animals tourten seit dem 1. Juli mit den Herman’s Hermits, doch waren nicht für drei Gigs im August in Atlantic City gebucht. Die Band flog aus diesem Grund direkt nach einer Show in West Hyannis, Massachusetts, nach New York. Als Chandler erklärte, dass er die Animals nach Tour-Ende verlassen wolle und nach einem zu produzierenden Künstler Ausschau halte, erzählte Keith (wie John McDermott in Setting The Record Straight berichtet), dass „da dieser Typ im Village spielt, den du dir unbedingt ansehen musst“. Zwar war für den folgenden Abend ein Animals-Konzert am Wollman Skating Rink im Central Park als Teil des im Sommer stattfindenden Rheingold-Festivals geplant, doch Chandler plante, Keith vor der Show im Café Wha? zu treffen.

In einem Interview mit der Guitar World erinnerte sich Chandler: „‚Hey Joe‘ war der erste Song, den Jimi an dem Nachmittag spielte. Er hatte einfach alles. Man saß dort und dachte: Das ist doch unglaublich – warum hat noch niemand diesen Typen unter Vertrag genommen?“ (Einige wenige hatten sich schon für den Gitarristen engagiert. S. Kapitel 12.)

Keith hielt sich an ihr Versprechen, Hendrix einen Manager zu vermitteln, doch sie war mittlerweile nicht mehr mit Keith Richards zusammen. Demzufolge besuchte sie einige von Jimi James’ August-Konzerten. Als der Ausnahme-Gitarrist Ende September dann in London ankam, tauchte sie ebenfalls auf. Obwohl sie die Hauptrolle in einigen wilden Geschichten spielt – darunter eine Kneipenprügelei und der „Diebstahl“ von Keith Richards’ weißer Stratocaster durch Hendrix –, verschwand sie nach 1966 allerdings weitestgehend aus Jimi Hendrix’ Leben.

Kurz vor seinem frühzeitigen Tod erinnerte sich der Musiker oft an Linda Keith. Er nahm den neuen Song „Send My Love To Linda“ auf, nach eigenen Aussagen eine Ode, an die Frau gerichtet, die ihm einen Manager beschafft hatte. Während der Aufführung von „Red House“ beim Isle Of Wight Festival am 30. August 1970, änderte er den Text und sang, dass Linda nicht mehr in besagtem Haus lebe – und nicht sein „Baby“. Während der Woche vor seinem Tod traf er sie in Londons Speakeasy. Es war keine zufällige Begegnung. Hendrix übereichte ihr einen Gitarrenkoffer mit einer neuen Stratocaster, wobei er erklärte, dass er ihr das Instrument schuldig sei, da sie ihm beim Treffen 1966 in New York auch eine Strat beschafft habe. Erst als sie nach Hause kam, entdeckte Keith im Koffer die von ihr an Hendrix adressierten Briefe aus dem ersten Sommer.

Die Animals

Chandler und Hendrix flogen nicht schon am 4. August 1966 nach London, weil der Bassist in Fort Wayne, Indiana, erscheinen musste, da die Animals noch mitten in ihrer USA-Tour als Vorband von Herman’s Hermits steckten. Die Konzertreise endete erst am 5. September mit einem siebentägigen Engagement im Steel Pier Resort in Atlantic City, New Jersey. Trotz Chandlers bevorstehendem Ausstieg und dem Plan, die New Animals mit Eric Burdon als dominierendem Charakter zu gründen, konnte die Sommer-Konzertreise 1966 nicht als klassische Abschiedstournee bezeichnet werden, da Alan Price die Gruppe schon verlassen hatte. Somit stand nicht die ursprüngliche Besetzung auf der Bühne, die zahlreiche Hits wie zum Beispiel „We Gotta Get Out Of This Place“, „Don’t Let Me Be Misunderstood“ und natürlich „House Of The Rising Sun“ produziert hatte.

Jede ernstzunehmende Darstellung von Hendrix’ Aufstieg und Niedergang muss einige Sätze zu den Animals enthalten. Nicht, weil die Band 1994 in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, sondern weil der Organisationsapparat, also das Management-Team und die Roadies, Hendrix’ Erfolg in den frühen Londoner Tagen wirkungsvoll unterstützten. Die Animals stellten de facto eine Art Startrampe für die Jimi Hendrix Experience dar.

Zum Beispiel: Als Hendrix versuchte, seine Geburtsurkunde zu beschaffen, die entgegen seinem Wissen nicht auf den Namen James Marshall, sondern Johnny Allen ausgestellt worden war, kümmerte sich der Animals-Rechtsanwalt und US-Repräsentant Leon Dicker um den Papierkram. Somit wurde für Hendrix der Pass Nummer G1044108 ausgestellt. Als der Musiker am 24. September 1966 am Londoner Flughafen Heathrow ankam, trug der Animals-Roadie Terry McVay die von Keith Richards „ausgeliehene“ Gitarre durch den Zoll, da Jimi über keine Arbeitserlaubnis verfügte. Als dann der Animals-Manager auch als Co-Manager für Hendrix fungierte, wurde die Steueroase der Band, die Bermudas, auch für Hendrix genutzt. Somit rechtfertigt sich eine kurze Darstellung des Karriereverlaufs der Animals.

Die Geschichte begann mit Alan Price, der die Alan Price Rhythm and Blues Combo in die Welt rief, ein vom Jazz beeinflusstes Trio mit einem ständig wechselnden Line-up, bei dem sich schließlich Hilton Valentine (Gitarre), Chandler am Bass, John Steel am Schlagzeug und der Rhythm’n’Blues-Fanatiker Eric Burdon (Gesang) zusammenfanden. Die Combo spielte in Clubs in Newcastle-upon-Tyne, darunter der Downbeat Club und der Club-A-Go-Go, die beide Michael Jeffery gehörten. Er nahm die Band mit dem ausbezahlten Geld aus einem Versicherungsfall unter Vertrag, das fällig wurde, als einer seiner Nachtclubs mysteriöserweise niederbrannte, was einer Szene aus Drei Jahrzehnte in der Mafia glich. Die Animals waren die erste Gruppe, die Jeffery managte.

Ein ungewöhnlicher Plan wurde ausgeheckt, bei dem die Animals Yardbirds-Konzerte spielten und die Yardbirds Animals-Konzerte. Jeffery dachte sich viele windige Strategien aus, doch diese lässt sich auf Giorgio Gomelsky zurückführen, den Yardbirds-Manager. In London, bei einem Gig für die Kollegen, durften sich die Musiker über den schnellen Erfolg freuen.

Schon bald änderten sie dann ihren alten Bandnamen (Alan Price Rhythm and Blues Combo), da Price angeblich einen Club-Besitzer hatte sagen hören: „Heute Abend spielen hier diese Tiere.“ Falls Price das tatsächlich den Bandkollegen so erzählt hätte, sollte er es bereuen, da ihm eine Änderung – wodurch sich sein Name erübrigte – natürlich widerstrebte.

Micky Most war ein Musiker, der ähnlich wie später Chandler, eine Veränderung in der Karriere anstrebte. Nach dem Besuch eines Animals-Konzerts im Club-A-Go-Go bekundete er der Formation sein Interesse daran, sie zu produzieren, womit er dem Musikgeschäft erhalten blieb. (In Laufe der Jahre saß er unter anderem auch für Herman’s Hermits auf dem Produzentensessel, für Donovan und die Jeff Beck Group. Most spezialisierte sich auf die Produktion von Hit-Singles. Sein kommerzieller Niedergang in den späten Sechzigern wurde dadurch beschleunigt, dass er weiterhin auf dreiminütige Songs setzte und die Veränderungen nicht verstand, die die Langspielplatte und die demzufolge längeren Stücke in der Musikindustrie verursachten.) The Animals sollten zehn Studioalben veröffentlichen, fünf EPs und 22 Singles, Compilations und Reissues nicht mitgezählt.

Price und Burdon gerieten oft aneinander – nicht zu vergessen Price’ Flugangst –, weshalb der Erstgenannte durch Mick Gallagher ersetzt wurde, dem Dave Rowberry folgte. (Gallagher gehörte später zu den Blockheads von Ian Dury und arbeitete als Tour- und Session-Musiker für die Clash.) Auch der Drummer John Steel verließ die Animals bald.

Nach der US-Tour 1966 entstand aus den New Animals die Gruppe Eric Burdon and the Animals mit einer neuen Besetzung, abgesehen von Burdon und Barry Jenkins, dem Drummer, der Steel ersetzt hatte. Dieses Line-up fokussierte Psychedelia, spiegelte musikalisch den „Summer of Love“ wider und zog nach Kalifornien. Die Alben waren fortan experimenteller ausgerichtet, reflektierten die Ära, doch sie stellten keine Verbindung zu der Generation her, die sie angeblich repräsentierten. Es gab noch weitere Besetzungswechsel, darunter ein Zwischenspiel mit Andy Summers, der später mit The Police Weltruhm erlangte, doch Eric Burdon and the New Animals erreichten nie wieder den Charts-Erfolg der ursprünglichen Animals. Sie lösten sich im Februar 1969 auf.

Es folgten Wiedervereinigungen und juristische Streitigkeiten um die Rechte am Bandnamen. In England wurde er dem ursprünglichen Drummer John Steel zugesprochen.

Chas Chandler

Als Jimi Hendrix Chas Chandler im August 1966 traf, kreuzten sich ihre Wege zum dritten Mal. Erstmalig begegneten sie sich während eines Konzerts verschiedener Künstler in New York Citys Paramount Theatre im September 1964, darunter die Isley Brothers und die Animals. Das zweite Mal sah er Hendrix im April 1965 am selben Veranstaltungsort als Begleitmusiker von Little Richard. Da Hendrix als Mietmusiker in der Gruppe eines anderen Künstlers spielte, machte er auf Chandler keinen großen Eindruck. Das verwundert nicht, denn die Animals befanden sich als Teil der sogenannten „British Invasion“ auf dem Höhepunkt ihrer Popularität und ritten auf der Erfolgswelle einer Serie von Hit-Singles, produziert von Mickey Most.

Bryan James „Chas“ Chandler wurde am 18. Dezember im englischen Newcastle-upon-Tyne geboren. Allgemein als Newcastle bekannt, war es eine klassische Arbeiterstadt, ein Schicksal, dem Chandler entkam, indem er die Karriere eines Musikers anstrebte. Mit einer Körpergröße von über 1,90 Meter wirkte er mit seinem Gibson EB-2 wie der optimale Bassist der Animals. Am bekanntesten für seinen absteigenden Basslauf beim Animals-Hit „Don’t Let Me Be Misunderstood“, enthüllte John McDermott in Ultimate Hendrix (2009), dass Chandler und nicht Noel Redding die prägnante Basslinie bei „Hey Joe“ spielte. Redding, von Haus aus Gitarrist, musste sich während der „Hey Joe“-Sessions immer noch an sein Instrument gewöhnen, woraufhin Chandler die Spur ohne Reddings Wissen neu aufnahm. Es war dies aber der einzige Jimi-Hendrix-Song, bei dem er als Musiker eingriff.

In den späten Fünfzigern/frühen Sechzigern gab es nur wenige Musiker, die eine lebenslange Karriere in einer Rockband in Erwägung zogen. Ringo Starr erzählt sogar, dass er an seine Tante regelmäßig Geld transferiert habe, um nach Abklingen der Beatlemania einen Friseursalon eröffnen zu können. Den Berichten nach ging es den Animals finanziell gesehen noch schlechter als den meisten Musikern, und als Chandler Ende des Sommers 1966 ausstieg, soll er trotz fünfjähriger Bandzugehörigkeit gerade mal 1.000 Pfund und fünf Bässe besessen haben. Zweifellos fiel Chandler auf, dass Jeffery der Einzige der Animals-Entourage gewesen war, der über Geld verfügte.

Der zukünftige Manager befand sich nicht nur auf der Suche nach einem Künstler, sondern wollte mit Vehemenz, dass dieser „Hey Joe“ als Debüt-Single veröffentlicht. Die Leaves hatten schon einen kleinen Hit mit dem Billy-Roberts-Song in den USA gehabt, woraufhin Chandler an einen Hit auch in Großbritannien glaubte, vorausgesetzt, man produzierte ordentlich. In seiner Autobiografie Life berichtet Keith Richards davon, dass Linda Keith Hendrix das Tim-Rose-Demo vorgespielt habe, woraufhin dieser das langsamere Arrangement vorzog. Möglicherweise erzählte Chandler im Ondine Keith von seiner Suche nach einem Künstler, der den Song aufnehmen solle, denn als er die Treppe zum Café Wha? hinunterging, „spielte Hendrix an dem Nachmittag ‚Hey Joe‘“, wie Chas gegenüber Bill Smeaton im Dokumentarteil von Jimi Hendrix: Live At Monterey erklärt.

Ohne einen Chas Chandler hätte es die Jimi Hendrix Experience nie gegeben, und das ist durchaus keine Übertreibung. In den frühen Tagen im Swinging London, das Hendrix schon bald repräsentierte, hielten er und Chandler wie Pech und Schwefel zusammen. Die beiden – und ihre jeweiligen Geliebten – lebten in beengten Verhältnissen und spielten mit einem hohen Risiko, was buchstäblich, aber auch im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Risiko, das amerikanische Brettspiel, gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen des Musikers und seines Managers, während sie an Hendrix’ Aufstieg tüftelten. Chandler versicherte Hendrix regelmäßig, dass seine Gesangsstimme mehr als adäquat sei, bestärkte Jimi im Songwriting und wies auf vielversprechende Riffs hin wie die Tonfolge, die die Welt schon bald als „Purple Haze“ erkennen sollte.

Chandler wusste seine Beziehungen zu nutzen, um einen Hype um Hendrix zu kreieren, und verpfändete sogar seine Bässe zur Finanzierung von Plattenaufnahmen sowie zur Veranstaltung einer wichtigen Presseparty und produzierte den Löwenanteil der Aufnahmen der Experience. Sein größter Verdienst lag aber im Verwerfen der ursprünglichen Idee eines Musikers, den eine Soul-Revue begleiten sollte.

Chandler erfüllte sein Versprechen aus der Zeit in New York und versuchte dabei gleichzeitig, die Londoner Musiker zum Schwärmen über den neuen schwarzen Gitarristen zu bringen, den er gerade promotete. Er ergaunerte sich eine Einladung von Eric Clapton, der Hendrix zu einem Gastspiel bei Creams Auftritt am 1. Oktober 1966 in der Regent Polytechnic bestellte. Während Hendrix mit Cream den Howlin’-Wolf-Song „Killing Floor“ jammte, reifte in ihm die Überzeugung, dass er ein Power-Trio leiten wollte und nicht die neunköpfige Band, die ursprünglich zur Diskussion stand. Chandler erwies sich als schlau genug, um seinem Schützling freie Bahn zu lassen. (Außerdem verringerten sich dadurch die Kosten dramatisch!)

Are We Experienced?

Chas Chandler überzeugte Jimi James letztendlich, als Jimi Hendrix aufzutreten, wohingegen Michael Jeffery sich dazu entschied, die Band, der er als Co-Manager beistand, Jimi Hendrix Experience zu taufen. Zuerst rebellierte Hendrix, gab dann aber nach kurzer Zeit nach. Das Management wollte den Fokus auf den linkshändigen schwarzen Gitarristen richten, möglicherweise mit der kontrapunktischen Vision, dass die Experience – also die Musiker, die Jimi unterstützten – lediglich Mietmusiker waren. Chandler und Hendrix arbeiteten schnell und konsequent, als es darum ging, die benötigten Instrumentalisten für die neue Band um sich zu scharen. Schon am fünften Tag in London schnappten sie sich Noel Redding, der gerade bei den New Animals als Gitarrist vorspielte, und machten ihn am nächsten Tag zum Bassisten der Experience. Reddings lockige Haarpracht und sein Talent, sich Akkordfolgen gut zu merken, ebneten ihm den Weg.

Schon zwei Wochen nach Hendrix’ Ankunft in London saß Mitch Mitchell mit im Boot: Über seinen Einstieg in die Band wurde durch das Werfen einer Münze entschieden. (Der andere zur Auswahl stehende Schlagzeuger war Aynsley Dunbar, der zu dem Zeitpunkt bei John Mayall & the Bluesbreakers trommelte. Dunbar spielte daraufhin bei der zweiten Inkarnation von Frank Zappas Mothers of Invention und Journey. Er arbeitete zudem als Session-Musiker für Lou Reed auf Berlin und David Bowie bei Pin-Ups und Diamond Dogs und zeichnete sogar als Co-Autor von „Warning“ verantwortlich, einem Track, der auf Black Sabbaths Debüt erschien.) Die Experience experimentierte kurzfristig mit dem Original-Bassisten Dave Knight von Procol Harum, damit Redding – als Gitarrist, der er nun einmal war – Rhythmus-Gitarre spielen konnte, doch da sich Hendrix schon auf das Konzept eines Power-Trios festgelegt hatte, wurde die Idee einer vierköpfigen Experience wieder verworfen.

Die Band musste in Windeseile spielbereit sein. Nicht nur neigten sich Chandlers finanzielle Reserven dem Ende entgegen, er hatte seinen Schützlingen auch einen Platz als Vorband der Johnny-Hallyday-Tour in Frankreich gesichert, seiner ersten Konzertreise seit fünf Jahren. Nachdem Hallydays Vater Hendrix beim Jammen mit Brian Auger und seiner Trinity im Kensingtoner Club Blaise’s gesehen hatte, unterbreitete er Chandler das Angebot. Chas nahm die Offerte schnell an, denn Johnny Hallyday galt in Frankreich als Rockstar im Stil eines Elvis Presley, womit gut besuchte Shows sichergestellt waren. (Hallyday sollte 18 Platinalben abstauben und über 100 Millionen Tonträger absetzen.) Was noch zusätzlich als positiver Faktor zählte: Die neue Band konnte ihr Live-Programm testen und verfeinern, weit weg von den kritischen Augen in England.

Allerdings handelte es sich nur um einen jeweils 15-minütigen Auftritt während einer viertägigen Frankreich-Tour. (In Mitch Mitchells Buch Inside The Experience wird eine zusätzliche Show am 16. Oktober 1966 in Luxemburg gelistet.) Bei der Tour traten zudem Long Chris und die Blackbirds auf. Zur letzten Show im Pariser L’Olympia gesellte sich die Brian Auger Trinity zum Tross. (Die sogenannten Package-Tourneen, bei denen mehrere Interpreten/Bands das Programm gestalteten, standen zur damaligen Zeit hoch im Kurs. Während ihr Bekanntheitsgrad exponentiell stieg, spielte die Jimi Hendrix Experience eine bedeutende Rolle dabei, diesen Trend zu beenden.)

Das erste Konzert fand im Novelty Theatre in Evreux statt. (Die Stadt hat zur Erinnerung an das Ereignis eine Gedenktafel anbringen lassen.) An dem Abend verblüffte Hendrix nicht nur das Publikum, sondern auch seine Mitmusiker. Weder Redding noch Mitchell hatten den Musiker auf der Bühne erlebt, denn das Zusammenspiel beschränkte sich bislang auf die Proben. In seiner Autobiografie berichtet Mitchell, dass er gewusst habe, „dass es Hendrix draufhatte, aber ich hätte niemals die damit einhergehende Musikalität und Show erahnen können. Es glich einem ‚Whooosh! Der Typ steht wirklich an vorderster Front!‘“

Dennoch waren Hendrix und Chandler darauf bedacht, sich Tricks von einem so waschechten Profi wie Hallyday abzuschauen. Über die Besprechung des Experience-Auftritts vom vorherigen Abend hinaus mischten sie sich unter Hallydays Publikum und achteten darauf, was sie für die eigene Bühnenpräsentation abkupfern konnten. Hendrix erzählte Sharon Lawrence, dass er Hallydays Taktung der Show beobachtet und die Intention seiner Bewegungen analysiert habe. Zur Bühnenpräsenz Hallydays erklärte Chandler gegenüber Harry Shapiro in dessen Standardwerk Electric Gypsy: Jimi Hendrix – Die Biographie: „Er hatte dieses wunderbare Geschick, nichts im richtigen Moment zu machen, außer zu posieren. Diese Tricks entwickelten sich zu einem Teil [der Bühnenshow] der Hendrix Experience.“

Wie alle anderen Auftritte wurde auch das Konzert der Jimi Hendrix Experience im Pariser L’Olympia am 18. Oktober 1966 vom französischen Radio aufgezeichnet. Der raue, ungebändigte und nicht bearbeitete Sound von Hendrix, Redding und Mitchell kann in den erhalten gebliebenen Aufnahmen von „Killing Floor“ gehört werden, einer geschickten Frühfassung von „Hey Joe“ (noch vor der Einspielung), und von „Wild Thing“. Es waren ausschließlich Coverversionen, denn die nicht mal zwei Wochen alte Band hatte sich noch kein eigenes Material erarbeitet. Die Performance stellte sich als uneingeschränkter Triumph heraus, weshalb Paris im kollektiven Bandbewusstsein eine Sonderstellung einnahm, denn dort begrüßte das Publikum eine unbekannte Band warmherzig und enthusiastisch.

Ein weiteres Element der Bühnenpräsentation, das mit Hendrix assoziiert wird – die Zerstörung seiner Gitarre – wurde erst später in die Show integriert, und zwar aufgrund eines Zufalls, der sich am 11. November 1966 im Münchner Big Apple ereignete. Von deutschen Fans in den Zuschauerraum gezerrt, zerbrach die Gitarre, als Jimi sie wieder auf die Bühne zurückreißen wollte. Chandler meinte, dass Hendrix „einfach ausrastete und alles in Sichtweite zerschlug“. Unerwartet toste das Publikum vor Begeisterung, woraufhin sich die Zerstörung der Gitarre zu einem festen Bestandteil des Auftritts entwickelte (wie auch die Penetration der Lautsprecher mit dem Gitarrenhals), wenn es die Ereignisse rechtfertigten oder bei einer Fehlfunktion der Verstärker. Aussagen von Noel Redding nach nutzte man eine Gitarre während der frühen Tourneen extra zu diesem Zweck. Nach dem Spiel und dem Akt der Zerstörung wurde sie wieder geleimt, kam erneut zum Einsatz, wurde erneut zerstört und so weiter.

Die Experience und Chandler konferierten regelmäßig und analysierten jeden einzelnen Gig. Man zeigte sich fest entschlossen, Hendrix’ Exotik bei der Presse hervorzuheben, um somit mehr Karten zu verkaufen. Schon bald wurde er „der wilde Mann des Pop“, „der Cassius Clay des Rock“ und „der schwarze Elvis“ genannt. Man drängte ihn bei den frühen Fotoaufnahmen, nicht zu lächeln. Noel Redding nach baute man Mitch Mitchell als den gutgelaunten Sparringspartner auf und verpasste dem Drummer eine Dauerwelle, damit seine Frisur der Haarpracht der anderen Musiker glich. Reddings Persönlichkeit ähnelte der eines George Harrison. Seine Brille unterstrich den ernsthaften Ausdruck. Man instruierte ihn, seine Bühnenbewegungen auf das Nötigste zu beschränken, um Jimi Hendrix, dem Star, nicht in die Quere zu kommen.

Die Experience hatte England drei Monate lang kreuz und quer bereist, doch die erste offizielle Tournee begann am 31. März 1967 im Astoria (später als The Rainbow berühmt geworden) im Londoner Stadtteil Finsbury Park als Teil der Abschieds-Package-Tour der Walker Brothers. Der direkt in London liegende Veranstaltungsort garantierte eine gute Presse, und Chandler suchte etwas Besonderes, um die Aufmerksamkeit der Journalisten auf seine Band zu lenken, die sich mit Engelbert Humperdinck und Cat Stevens in einem schwierigen Umfeld wiederfand. Chandler wollte ganz sicher gehen, dass niemand Hendrix in den Schatten stellte.

Keith Altham vom New Musical Express – einer der frühen Verfechter der Experience – hielt sich in der Garderobe des Astoria auf und scherzte Tony Browns Angaben nach: „Was würde wohl geschehen, wenn er seine Gitarre anzündet?“ Kurz danach hatte Althams Idee buchstäblich gezündet, woraufhin man den Roadie Gerry Stickells zur Beschaffung von Feuerzeug-Benzin losschickte. Hendrix beendete den Gig mit dem Song „Fire“ und setzte danach die Fender Stratocaster in Brand. Er wiederholte diesen seinen wohl berühmtesten Stunt nur zwei Mal. Aufgrund der Filmaufnahmen vom Monterey Pop Festival verfestigte sich dieses Image, was sich auf den Rest von Hendrix’ Karriere auswirkte, wobei ihn zunehmend das Gefühl beschlich, das Publikum käme nicht wegen seiner Musik zu den Konzerten, sondern wegen des Spektakels.

Eine der großen „bekannten Unbekannten“ von Jimi Hendrix’ Karriere – um einen Begriff zu benutzen, den George W. Bushs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld prägte – besteht in seiner zusehends schwindenden Begeisterung für heiße und außergewöhnliche Showeinlagen, die er als Begleitmusiker von Little Richard und ähnlichen Interpreten nachdrücklich umsetzen wollte. Wen sollte es stören, wenn einige Fans aufgrund einer „falschen“ Motivation zu den Konzerten kämen? Dieses Phänomen war immer eine variable Konstante im Showbusiness. Jeff Beck erläuterte schon früh gegenüber dem New Musical Express Hendrix’ Unbehagen: „Jimis einziges Problem wird sich zeigen, wenn er sich von dem Schema lösen will, dem er sich verschrieben hat. Das Publikum wird etwas anderes wollen, doch Jimi hat sich in eine bestimmte Ecke drängen lassen, wodurch es ihm schwerfallen könnte, in einem anderen Umfeld Akzeptanz zu finden.“

Der ultimative Jimi Hendrix Guide

Подняться наверх