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Verlockungen und Gelüste

Freundinnen und Groupies

Jimi Hendrix mochte die Damenwelt – „elektrische Ladys“ und andere! Obwohl er Frauen in seinen Songs meist idealisierte, lässt sich sein realer Umgang als leichtfertig und unbekümmert beschreiben. Er war dafür bekannt, auf einer Tournee die am fertigsten aussehende oder verrückteste Frau auszuwählen, wonach er mit ihr schlief und sie dann aus dem Zimmer warf. In Biografien über ihn werden gelegentlich Listen veröffentlicht, die hinsichtlich des Umfangs einem Medikamenten-Beipackzettel gleichen. Während seiner Teenagerjahren in Seattle, einer Zeit, in der er introvertiert und arm war und sich nur für die Gitarre interessierte, zählten Carmen Goody und Betty Jean Morgan zu seinen Freundinnen. In Nashville gab es eine gewisse Joyce Lucas, eine Kosmetikerin und Inhaberin des Joyce’s House of Glamour, sowie die Barfrau Verdell Barlow. In New York City fanden sich das Harlem-Groupie Lithofayne „Fayne“ Pridgeon und Carol Shiroky. Seine Londoner Beziehung mit Kathy Etchingham verlief meist monogam, abgesehen von der Zeit, in der er auf Tour war. (Dann ließen es beide hoch hergehen.)

Hendrix drückte häufig seine Abneigung gegen die Ehe in Interviews aus und in Songs wie „51st Anniversary“ mit seinen Beschreibungen der negativen Seite des „Bundes fürs Leben“, nicht zu vergessen ­„Castles Made Of Sand“, wo sich ein verheiratetes Paar auf offener Straße streitet und der Mann klagt: „Was geschah nur mit der innigen Liebe zwischen uns?“ („What happened to the sweet love you and me had?“) Die Heirat stellte eine Kette dar, an die sich Hendrix klugerweise nicht fesseln wollte. Auch schien ihn das Ehegelübde anderer nicht sonderlich zu kümmern, da man weiß, dass er mit zahlreichen Frauen bzw. Freundinnen von Musikern schlief, darunter die von Eric Burdon und Dallas Taylor, der auf Crosby, Stills, Nash und Youngs Déjà Vu trommelte und zu ihrer Tourneeband gehörte.

Nach seiner Rückkehr in die USA führte er ernsthafte Beziehungen mit Devon Wilson und dem Playboy-Häschen Carmen Borrero. Kurz vor seinem Tod waren schon zwei Vaterschaftsklagen bei Gericht eingereicht worden, die als begründet anerkannt wurden. Hendrix hatte einen Sohn mit einer schwedischen Frau namens Eva Sundquist und davor (sogar noch vor seiner Karriere) eine Tochter mit der New Yorker Prostituierten Diana Carpenter, einer Freundin von ihm.

All diese Frauen ließen sich von Hendrix’ gutmütigem Charakter und seiner sanften und leisen Stimme verführen. Nachdem aus ihm ein umherreisender Musiker geworden war, wurden die Vertreterinnen des holden Geschlechts von seinem Gitarrenspiel und der reiferen Sexualität angezogen. Angeblich drückte ihm einen Reihe von Frauen in Nashville den Spitznamen „Buttons“ („Knöpfe“) auf, da sie immer die wenigen Kleidungsstücke flicken mussten, die er besaß. Die Frauen, denen er zwischen 1963 und 1966 begegnete, mussten oftmals seine Gitarre aus dem Leih- und Pfandhaus auslösen.

Mit Blick auf all die „Mädels“, mit denen er flirtete, Partys feierte oder schlief, die beiden „Damen“, denen er angeblich Wochen vor seinem Tod einen Heiratsantrag machte, und sogar „Bil aus einer Stadt in England“, der er teilweise Electric Ladyland widmete, gab es jedoch nur drei in seinem Leben, die ihm tatsächlich nahestanden. Die beiden ersten versprachen ihm eine ganz unterschiedliche Zukunft.

Betty Jean Morgan

Die Tatsache, dass Hendrix nur ein Mal eine Gitarre nach einer Frau benannte und dabei sogar so weit ging, den Namen „Betty Jean“ in großen weißen Buchstaben auf seine rote Silvertone Danelectro zu malen, beweist, dass er es mit Betty Jean Morgan, seiner Freundin aus Seattle, ernst meinte. Sie begegneten sich im Herbst 1958 an der Garfield-Highschool. Trotz aller Prahlerei gegenüber seinem Kindheitsfreund Jimmy Williams war die Beziehung wohl kaum sexueller Natur. Die beiden lassen sich als schüchterne Teenager aus Seattle beschreiben. Da Hendrix aus einer verarmten Familie stammte, verbrachten die beiden ihre Zeit mit Streifzügen durch den nahegelegenen Leschi Park. Hendrix besuchte die Morgans auch zu den Familien-Mahlzeiten – er verstand sich prächtig mit Betty Jeans Mutter, ähnlich wie auch mit den „Mums“ von Noel Redding und Kathy Etchingham – und versuchte danach, die Angebetete mit seinem Gitarrenspiel auf der Veranda zu umwerben.

Hendrix datete Betty Jean während der High-School-Jahre, deren Zahl sich für ihn im Vergleich mit anderen Schülern reduzierte, da er bereits im Oktober 1960 abging. Die beiden sahen sich auch noch weiterhin, während Hendrix nachts in lokalen Bands spielte und am Tag seinem Vater bei der Gärtnerarbeit half. Später erzählte der Musiker, dass sein Vater den Schulabgang gewollt habe. Zwar zeigte sich Hendrix auf der Highschool nicht sonderlich interessiert, doch er beschwerte sich, dass sich der Vater das gesamte mit der Gartenarbeit verdiente Geld einstecke.

Im Zeitraum von nur vier Tagen im Mai 1961 wurde Hendrix zwei Mal aufgrund von Spritztouren mit gestohlenen Autos festgenommen. Er erzählte seinen späteren Interviewpartnern, dass er freiwillig zur Armee gegangen sei, um einer Zwangsrekrutierung und dem damit verbundenen Auslandseinsatz zu entgehen, aber das ist eins seiner Lügenmärchen, die die frühen Biografen jedoch ernst nahmen. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass er gegenüber dem ihm zur Verfügung gestellten Pflichtverteidiger sein Interesse an einer Anwerbung bekundete, um damit einer möglichen Haftstrafe zu entkommen.

Hendrix äußerte sogar den Wunsch, die Laufbahn eines Fallschirmjägers der in Nashville, Kentucky, stationierten berühmten 101st Airborne-Einheit einzuschlagen, da Fred Rollins, der Chef seiner Band Rocking Kings dort schon diente. Wenn Rollins während seines Urlaubs Seattle besuchte, zeigten sich alle von seinem Uniform-Aufnäher beeindruckt, der einen schreienden Adler zeigte. Auch die Tatsache, dass Fallschirmjäger einen höheren Sold erhielten als andere Soldaten, gefiel dem ständig klammen Musiker.

Nachdem er seinen Namen auf die gestrichelte Linie des Anwerbungs-Formulars gesetzt hatte, wurde Hendrix instruiert, sich in Fort Ord zu melden, ganz in der Nähe von Salinas, Kalifornien. (Fort Ord lag ungefähr 25 Meilen von Monterey entfernt, der Stadt, wo die Jimi Hendrix Experience ihr legendäres Debüt auf dem ebenso legendären International Pop Festival geben sollte.) Hendrix meldete sich am 31. Mai zum Dienst. Kurz vor seiner Abreise verlobte er sich mit Betty Jean und überreichte ihr einen billigen Ring aus Rheinkiesel, direkt nach seinem letzten Auftritt mit den Velvetones in Seattle. Er vertraute ihr zudem seine Gitarre an, sich dessen bewusst, dass sie bei ihr sicherer war als bei seinem Vater.

Allen Berichten nach blieb auch Hendrix nicht von dem „in der Ferne schmerzt das Herz“-Syndom verschont, weshalb er regelmäßig mit Betty Jean und anderen Mitgliedern ihrer Familie korrespondierte. Zwei Monate nach seiner Ankunft im Bootcamp schrieb er sogar seinem Vater und bat ihn, ihm Betty Jean zu schicken – die Gitarre, nicht die Freundin. Jimi plagte Heimweh. Betty Jeans Briefe waren hochemotional und von einer starken Eifersucht geprägt. Laut Harry Shapiros Biografie warnte sie ihn davor, „die Finger von den Schlampen zu lassen“. Es ist nicht klar, was sie zu so einem Kommentar bewegte.

Trotz des Verlobungsrings und der vielen schwärmerischen Briefe sah sich das Teenager-Pärchen nach Hendrix’ Dienstantritt nur selten. Allen Aussagen nach besuchte er Seattle nur ein einziges Mal während eines Urlaubs, bevor man ihn nach Fort Campbell in Kentucky versetzte. Von dort aus schrieb er seiner Freundin weiterhin Briefe.

Hendrix gelang es, sich vorzeitig wieder vom Militärdienst befreien zu lassen, und zwar wegen angeblich psychischer Probleme, die er einem Militärpsychologen glaubhaft vorspielte. Es war jedenfalls nicht der gebrochene Knöchel, von dem er Journalisten so häufig erzählte. Sein dringlichster Wunsch bestand darin, in Clarksville, Kentucky, in einen Greyhound-Bus zu steigen und so schnell wie möglich nach Seattle zurückzukehren, wo ihn Betty Jean, eine Hochzeit und die Aussicht auf harte körperliche Arbeit erwarteten.

Mit 400 Dollar in seiner Tasche hielt er bei einer Bar an und spendierte großzügig Runde nach Runde. Es war eine Art Vorspiel der Tage, in denen Hendrix die Rechnung für die ganzen „Abhänger“ beglich, die sich um ihn scharten. Er bezahlte Drinks und verlieh Geld, bis ihm nur noch 14 Dollar übrig blieben – womit 26 Dollar fehlten, um das 40 Dollar teure Ticket für den Bus nach Seattle zu bezahlen. Sich vor der blamablen Situation fürchtend, seinem Vater von der Geldverschwendung erzählen zu müssen, entschied sich Hendrix, mit der Gitarre einige Dollar zu verdienen und sein Glück zu versuchen. Er hatte sie zuvor einem Armeeangehörigen verkauft und holte sie entweder zurück oder stahl sie (was zutrifft, war nicht eindeutig zu klären). Der befreundete Soldat Billy Cox stand kurz vor seinem Dienstende, und so hoffte Hendrix, mit ihm eine Band zu gründen.

Obwohl er Betty Jean aus ganzem Herzen liebte, vertraute er der UPI-Journalistin Sharon Lawrence später an, dass sie „es nicht gerne hörte, wenn ich darüber sprach, in Städte wie Los Angeles oder New York zu ziehen“.

Was Hendrix im Fall der ersten seiner drei ernsthaften Beziehungen erwartete, war die Aussicht auf die gleichen Erwartungen, die schon sein Vater geäußert hatte: Vergiss all den Unsinn mit der Gitarre, und gib die Idee auf, Musiker werden zu wollen. Wie Betty Jean in zahlreichen Briefen bemerkt hatte, war der Lockruf der Musik für Hendrix immer wichtiger geworden. Vielleicht schlug er dank seines „ausweichenden“ Verhaltens – als er das Geld in Clarksville verschleuderte – unterbewusst den für ihn richtigen Weg ein.

Kathy Etchingham

Jimi Hendrix erzählte einem Londoner Reporter zu Beginn des Jahres 1969 von Kathy Etchingham: „Kathy ist meine verflossene Freundin, meine aktuelle Freundin und möglicherweise meine zukünftige Freundin.“ Kathy Etchingham hatte einen langen Weg zurückgelegt, und zwar von der Freundin, die Manager Chas Chandler noch zwei Jahre zuvor verstecken wollte bzw. von der er hoffte, dass sie im günstigsten Fall verschwände, bis zur festen Freundin von Hendrix. Zwischenzeitlich war Chandler selbst verschwunden, und sie freute sich, nicht im Küchenschrank der gemeinsamen Wohnung der beiden in der Brook Street versteckt zu sein. Etchingham lässt sich im Grunde genommen als bodenständige Frau beschreiben, und sie fand, dass sich Hendrix gegenüber dem Schreiberling „sentimental-kitschig“ geäußert habe. (Mittlerweile wurde an der Fassade des Hauses Brook Street 23 eine Gedenktafel angebracht – maßgeblich aufgrund der Bemühungen von Etchingham, die nicht wusste, dass sich ihre Beziehung zur Zeit des Interviews bereits in einer Abwärtsspirale befand.)

Die beiden hatten sich am Tag von Hendrix’ Ankunft in London getroffen. Eigentlich war es am Abend gewesen, denn das damals 21-jährige Partygirl schlief noch und erholte sich von den Strapazen der vorhergehenden Nacht. Ronnie Money, die Frau des Bandleaders Zoot Money, stürmte die Treppe zu Etchinghams Wohnung hoch und drängte sie, nach unten zu kommen, um den „wilden Mann aus Borneo“ zu sehen, der gerade mit ihrem Mann jamme. Zu müde, um sich aufzuraffen – nur um einen Musiker zu sehen, auch wenn er aus den USA stammte –, versprach Etchingham später nachzukommen und die Clique im Scotch of St. James zu treffen. Was konnte schon so besonders an dem Musiker sein, auch wenn er aus den Staaten kam?

Das St. James war Londons heißester Treffpunkt für Musiker und die junge Aristokratie. Die Klientel bestand meist aus egomanischen, mit sich selbst beschäftigten jüngeren Leuten, die sich dort die Klinke in die Hand gaben. Etchingham zeigte sich verwundert, als sie den Club mit den Moneys und ihrer Freundin Angie (die kurz darauf Eric Burdon heiratete) betrat, denn es war verhältnismäßig still. Alle Besucher lauschten einem schwarzen Gitarristen, der seine E-Gitarre ohne Begleitung spielte, bis ihn Chandler unterbrach. Er sorgte sich, weil Hendrix nur über ein siebentägiges Visa verfügte und ohne eine Arbeitserlaubnis in einem Club auftrat. Dass seine Entdeckung aufgrund eines Gesetzesverstoßes wieder in die Staaten ausgewiesen wurde, war das Letzte, was Chandler in dem Moment brauchte. Durch diese Art der Vorsichtsmaßnahmen schweißte Chandler den Gitarristen und Etchingham unbeabsichtigt noch enger zusammen.

Etchingham und Hendrix flirteten gerade, als sie eine lautstarke Auseinandersetzung dabei störte. Zwischen dem Model Linda Keith und Mrs. Money war ein handfester Streit ausgebrochen, wobei Letztere – sie stammte aus der damaligen Arbeiterstadt Glasgow – wusste, wie man mit einer zerbrochenen Whiskey-Flasche umgeht, die sie Keith an die Kehle presste. Auf Chandlers Drängen hin bugsierte Etchingham Hendrix sicher zum Hyde Park Towers Hotel, wo Jimi bei einigen Drinks seine Verbindung mit Linda Keith erklärte, während sie auf den Rest der Gruppe warteten. Die zwei fanden schnell heraus, dass sie beide eine schwierige Kindheit hinter sich hatten, und verstanden, aus was für Verhältnissen der jeweils andere kam und auch, wohin er wollte. Schon an dem Abend zog Etchingham bei Hendrix, Chandler und dessen Freundin Lotte ein. Die beiden Paare teilten sich im Laufe der nächsten 22 Monate drei Wohnungen.

Das Quartett bildete die Basis von Hendrix’ Londoner Kreis, der ihn berühmt machen sollte. Etchingham und Lotte besuchten zur Beurteilung des Erscheinungsbilds der Bewerber das Vorspiel bei der Experience. Seine Freundin war bei den „Hey Joe“-Sessions anwesend und drehte auf Anraten Chandlers eine Runde durch die Musikgeschäfte, um die Single zu kaufen und somit den Charts-Erfolg zu garantieren. Zwischen den Hallyday- und Walker-Brothers-Tourneen reiste sie mit der Experience zu den Gigs im Norden Englands. Es war nicht die Tatsache, dass sie Hendrix mit einer anderen Frau auf der Damentoilette in Manchester erwischte, sondern die Langeweile des Lebens „on the road“, die sie schließlich dazu brauchte, in London zu verweilen.

Vor Hendrix’ rapide ansteigendem Bekanntheitsgrad liebten die beiden das gemeinsame Shoppen, den Besuch von Freunden, ja sogar das Schlittschuhlaufen, in dem Hendrix in kurzer Zeit sehr gut wurde. Der Musiker konnte fast alles essen, vertrug aber Etchinghams Küche nicht, was nicht nur zu häufigem Streit, sondern auch zur Komposition von „The Wind Cries Mary“ führte, Hendrix’ dritter Single, die heute meist unbeachtet bleibt. Nach einem Konflikt, dem Zerschmettern von Geschirr und einer bei Freunden verbrachten Nacht kehrte sie zurück und fand Hendrix vor, der zwischenzeitlich einen Song geschrieben hatte, der im Titel ihren zweiten Vornamen führte. Das konnte sie jedoch nicht beschwichtigen. Etchingham war – wie Michael Jefferys persönliche Assistentin Trixie Sullivan bemerkte – „die Einzige, die sich ihm gegenüber jemals behaupten konnte“.

„The Wind Cries Mary“ war nicht das einige von Etchingham inspirierte Stück. Die Zeile in „1983 … (A Merman I Should Turn To Be)“, in welcher der Protagonist „love, Catherina“ singt, bezieht sich auch auf die Londoner Freundin, die neben ihm im Bett lag, als er den Text schrieb. Erneut zeigte sie sich nicht geschmeichelt. Auch schien sie die aufgenommene Fassung des Tracks nicht zu mögen, der das zentrale Stück von Electric Ladyland bildet und möglicherweise als die intensivste Umsetzung der sich eigentlich widersprechenden Stile des Musikers gelten kann. Laut Etchinghams Buch Through Gypsy Eyes hat der Song „einen befremdlich wirren, summenden Klang, den man bei einem Trip hört“.

Chandler entschied sich Ende September 1968, seinen Management-Anteil an Hendrix und Jeffery zu verkaufen, was dazu führte, dass sich Etchingham eine Wohnung über Mr. Love, einem Restaurant, suchte. Der verbitterte Animals-Bassist hatte Etchinghams und Hendrix’ Habseligkeiten – der Gitarrist befand sich zu der Zeit in den USA – in ein heruntergekommenes Hotel bringen lassen, eine Art Retourkutsche wegen Hendrix’ angeblich fehlender Dankbarkeit. Aus dem Grund bezog Hendrix das Haus neben dem ehemaligen Wohnsitz von George Friedrich Händel, einem weiteren ausländischen Musiker, der in London mehr als ein Vierteljahrhundert von 1723 bis 1759 lebte.

Etchingham überquerte Mitte März 1969 den Atlantik Richtung USA, um ihren Freund zu besuchen, und bemerkte dort vielleicht das erste Anzeichen, dass Hendrix’ New Yorker Freundeskreis einen Keil zwischen ihre Beziehung trieb. Sie stieg im Pierre Hotel in der Fifth Avenue ab, nicht weit vom Central Park Zoo entfernt. Dem Gefühl, einen Zoo zu besuchen, muss es auch geglichen haben, als sie erlebte, wie Hendrix und eine Entourage aus Zuhältern auftauchte, sowie Groupies, die ihren „Lover Man“ nach allen Regeln der Kunst ausnahmen und von ihm schnorrten.

Sich die Situation vergegenwärtigend, erkannte Etchingham, dass sie zwar aus ähnlich dysfunktionalen Familien stammten, aber unterschiedliche Lektionen gelernt hatten. Hendrix empfand alles als eine Art Übergang: die goldene Uhr, die ihm Bill Graham geschenkt hatte, das vergoldete Dunhill-Feuerzeug, die teuren Gitarren, die durch seine Hände gingen. Der Musiker hatte erfahren, dass nichts von Bestand ist, wohingegen sich Etchingham als Überlebende sah und demzufolge eine bestimmte Demut empfand.

Als dann ein wie Columbo aussehender Drogendealer ihr Hotelzimmer betrat – eine Tasche voller Stoff dabei und eine Knarre in der Hand –, war das Maß für Etchingham endgültig voll. Unverzüglich checkte sie aus und kehrte nach London zurück, obwohl das mehrere Tage dauerte und von einigen haarsträubenden Ereignissen begleitet wurde, die in ihrer angenehm zu lesenden Autobiografie Through Gypsy Eyes erzählt werden. (Das empfehlenswerte Taschenbuch – falls man sich eine preisgünstige Secondhand-Ausgabe anschaffen kann – enthält direkte und unverblümte Beobachtungen des Swinging London und seiner Protagonisten. Zum Beispiel enthüllt sie, dass John Lennon „zu dominant auftrat, um liebenswert zu wirken“. Wie sich herausstellt, hatte auch sie ihren Lieblings-Beatle, in dem Fall Paul.)

Zurück in London, verliebte sich Etchingham und heiratete einen Mann namens Ray, ohne Hendrix zu informieren, der sich immer noch in den Staaten aufhielt. Rays Nachname taucht nicht auf, aber es war nicht Eric Claptons Chauffeur, wie frühe Hendrix-Biografen behaupteten. Tatsächlich verging beinahe ein Jahr nach ihrer Rückkehr, bis man Hendrix von der Heirat in Kenntnis setzte. Nach einem unverzüglichen Telefonanruf flog der dann auf dem schnellsten Weg nach London, denn er glaubte, die beiden seien immer noch ein Paar, was Etchingham schockte. Sie buchte ihm ein Zimmer im Londonderry Hotel, denn die Wohnung, an deren Fassade einmal eine blaue Gedenktafel mit seinem Namen hängen sollte, war nicht mehr das gemeinsame Refugium.

Sich wieder aufrappelnd, nahm Hendrix an verschiedenen Aufnahme-Sessions teil, unter anderem mit Stephen Stills und Arthur Lee von Love. Zudem besprach er die Möglichkeit einer gemeinsamen Tournee mit Emerson, Lake and Palmer, bevor er am 19. März 1970 wieder nach New York City jettete.

Während seiner letzten Wochen in London trafen sich Etchingham und Hendrix mehrere Male. Hendrix bat sie, ihn in seinem Hotelzimmer anzurufen, was sie aber nie machte. Ähnlich dem Beziehungsgeflecht zwischen Jake Barnes und Lady Brett Ashley am Ende von Hemingways Fiesta, wirkt es wie eine angenehme und romantischer Vorstellung, Hendrix wäre nicht gestorben, hätte sie sich nur mit ihm in Kontakt gesetzt. Die Überlebende aber ging ihren Weg, erholte sich von der krisengeplagten Ehe mit Ray und heiratete erneut. Die Beziehung zu Nick Page, einem Mediziner, stellte sich als glücklich heraus. Während sie neben ihrem Job als Immobilienmaklerin zwei Söhne großzog, fand Etchingham auch immer noch Zeit, sich mit Monika Dannemann, der letzten Lebensgefährtin von Hendrix, die von einigen als „Königin der Verleumdung“ bezeichnet wird, auseinanderzusetzen. Sie veranlasste die Wiederaufnahme der Untersuchung der Begleitumstände von Hendrix’ Tod. Die von ihr initiierte Anbringung der Gedenktafel sollte nicht nur einen Tribut an ihren Liebhaber darstellen, sondern auch an ihre anderen Freunde, die viel zu jung verstarben: Brian Jones, Keith Moon, John Lennon und Chas Chandler.

Devon Wilson

Man muss nur Hendrix’ Kompositionen analysieren, um den Unterschied seiner Beziehungen mit Etchingham und Devon Wilson zu erkennen, Letztere eine ehemalige Teenager-Prostituierte, die ihren Namen Ida Mae gegen Devon austauschte. Sie setzte ihr sexuelles Talent gewinnbringend ein und wurde damit zum schwarzen Super-Groupie, das einen enormen Einfluss auf Hendrix ausübte.

Etchingham inspirierte feinfühlige und sanfte Balladen, während Wilson mit den eher härteren Rocksongs assoziiert wird wie „Dolly Dagger“, „Crash Landing“, „Freedom“ und „Stepping Stone“. (Auch „Steppin’ In Her I. Miller Shoes“ von Betty Davis’ gleichnamigem Debüt lässt sich auf die Femme fatale zurückführen.) Man könnte die Ursache für den Unterschied in den sich stark unterscheidenden Lebensstilen von Hendrix in London und New York City suchen, doch wie er in „Highway Chile“ sang: „It goes a little deeper than that.“

Gleich gut recherchierte und kürzlich erschienene Biografien geben verschiedene Zeitpunkte des ersten Treffens der beiden an. Ich beziehe mich auf den Dezember 1965. Emmaretta Marks, eines der Originalmitglieder der Broadway-Produktion von Hair (1968), machte die beiden miteinander bekannt. (Marks sang später auch die an Merry Clayton erinnernden Backing-Vocals bei „In From The Storm“.)

Nach dem Triumph auf dem Monterey International Pop Festival, der bis in die heutige Zeit nachhallt, wurden Hendrix und Wilson einander von Buddy Miles (Electric Flag) im Laurel Canyon erneut vorgestellt. Als die Experience die Houston Studios in Los Angeles für die Aufnahme der vierten Single buchte, war Wilson ebenfalls zur Hand und ist auf dem unterbewerteten Song „The Stars That Play With Laughing Sam’s Dice“ zu hören. Der Titel – betrachtet man die Initialen von The Stars That Play With Laughing Sam’s Dice – ist eine Anspielung auf Drogen (STP/LSD) und kann als Hendrix’ „Lucy In The Sky With Diamonds“ gedeutet werden.

Hendrix fand in dem tatkräftigen Groupie aus Milwaukee eine Seelenverwandte – sie tauschten Geschichten aus, mit welchen Groupies er geschlafen und welche Rockstars sie erobert hatte –, wobei sich Wilson schnell als Hendrix’ persönliche Assistentin und eine Art von Sprachrohr in der Öffentlichkeit etablierte. (Und so unterschätzte Kathy Etchingham die Rivalin in dem Sommer, in dem sie New York City besuchte: Sie sah Wilson lediglich als eine Tee reichende Assistentin …) Wilson servierte jedoch nicht nur Tee, sondern beschaffte Hendrix Drogen und Frauen. Sie entschied, wer die Studio-Sessions besuchen durfte und fand auch das Apartment in der New Yorker Twelfth Street, in das sie auf Hendrix’ Einladung hin einzog.

Allerdings glich sie den Frauen in den Woody-Allen-Filmen, die davor warnen, dass man sich mit ihnen „Ärger“ einhandelt, und das dann schleunigst auch beweisen. Wilson legte sich mit Gary Kellgreen an, dem Besitzer des Record Plant. Sie stellte Hendrix nicht nur Chuck Wein vor (den Filmemacher hinter dem Rainbow Bridge-Debakel), sondern auch Collette Mimram und Stella Douglas, die Frau des Produzenten Alan Douglas, dem umstrittenen Nachlassverwalter der Hendrix-Bänder, der über 20 Jahre lang die Verantwortung dafür trug. Vor der desaströsen Show im Madison Square Garden 1970 versetzte sie möglicherweise Hendrix’ Drink mit LSD. Verschiedenen Quellen nach verführte sie Hendrix auch zum Heroin-Schnupfen.

Al Aronwitz von der New York Post sagte: „Wann immer ein Rockstar nach New York kam, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, Devon in seinem Hotelzimmer vorzufinden.“ Zu den Rockstars, die mit Wilson geschlafen haben, zählen Arthur Lee, Eric Clapton und Brian Jones. Als sich Mick Jagger Wilson näherte, war das eine Art Rache, weil sich Hendrix an Marianne rangemacht hatte. Allerdings war Jagger erfolgreicher. Aufgrund des Techtelmechtels zwischen Jagger und Wilson sah sich Hendrix gezwungen, seinen 27. (und letzten) Geburtstag bei einem Rolling-Stones-Konzert im Madison Square Garden zu verbringen.

Noch existierendes Filmmaterial zeigt einen in Schwarz gekleideten Hendrix, der unauffällig in einer Ecke der Stones-Garderobe sitzt, womit er an das Verhalten in den ersten Wochen bei den Londoner Partys erinnert. Keith Richards redet ihm ein wenig zu, Jagger nähert sich zurückhaltend, wohingegen Mick Taylor, der neue Lead-Gitarrist, sich am freundlichsten gibt, auch wenn er von der Präsenz des Gitarren-Genies eventuell überwältigt ist. Die beiden unterhalten sich über ihre Kunst, und man sieht sogar Hendrix, der Taylors Slide-Gitarre verkehrt herum spielt (Taylor ist Rechtshänder). Während des Konzertes kann man Hendrix auf der Bühne hinter Keith Richards’ Verstärkern entdecken.

Nach der Show besuchte Jagger die von Wilson für Hendrix in Monte Kays Apartment organisierte Überraschungsparty zum 27. Geburtstag. (Monte Kay gehörte zu den Persönlichkeiten der New Yorker Jazz-Szene in den Vierzigern und Fünfzigern, doch zum Zeitpunkt der Feier kannte man ihn als Produzenten von Flip Wilsons TV-Show auf NBC.) Laut einem Interview im Rags-Magazin erzählte Wilson: „Mick tauchte in einem schwarz-weiß karierten ‚Zoot Suite‘ auf und trug einen Rubinring in ‚Mafia-Größe‘ am kleinen Finger.“ Auch andere Musiker der Stones ließen sich blicken. Bei dieser Party leckte Wilson angeblich Blut von Jaggers verletztem Finger. (Das ist der Ausgangspunkt der Zeile „she drinks her blood from a jagged edge“ des Songs „Dolly Dagger“.) Trotz der Gerüchte, dass Hendrix und Jagger kurzfristig verschwanden, um einen Kampf um Wilson auszutragen, scheint das nicht der Wahrheit zu entsprechen. Sharon Lawrence berichtet in ihrem Buch davon, dass Jagger dem befreundeten Rockmusiker Mut zusprach, da Hendrix sich mit einer möglichen Haftstrafe wegen des Besitzes von Heroin in Kanada konfrontiert sah. Allerdings hielt das Jagger nicht davon ab, die Party mit Wilson im Schlepptau zu verlassen. In dem Rags-Interview wird Wilson beschrieben, die in Hendrix’ Apartment in der Twelfth Street auf „Harem-Kissen posiert“ und dabei ein „geschmackvolles Ossie-Clark-Abendkleid trägt“. Das Interview drehte sich hauptsächlich um Mick Jagger. (Es ist durchaus kein Zufall, dass Hendrix den von Wilson handelnden Song „Dolly Dagger“ nannte, da der Titel sich auf Jagger reimt.) Kein Wunder also, dass der Musiker die Zeit während des Interviews in seinem Zimmer verbachte! Das Gespräch endete mit der Aussage Wilsons: „Und was kann ich sonst noch anstellen? Ich weiß es nicht, vielleicht Jimi heiraten … Möchten Sie meine Hochzeitsfotos veröffentlichen?“

Innerhalb von neun Monaten nach Publikation des Interviews waren sowohl Hendrix als auch Wilson tot. Ich frage mich, ob Rags Fotos von Hendrix’ Beerdigung veröffentlichte, zu der unter anderem Stella und Alan Douglas kamen, nicht zu vergessen Devon Wilson, die versuchte – ähnlich der Mutter in der Szene von Laura Palmers Begräbnis in Twin Peaks –, sich in das offene Grab zu werfen.

Am 2. Februar 1971 hatte Devon mehr Erfolg, denn sie stürzte aus dem Zimmerfenster des Chelsea Hotels. (Das Chelsea, an Manhattans 23th Street gelegen, ist bekannt für die ein- und ausgehenden Künstler und berüchtigten Todesfälle. Sid Vicious erstach dort am 12. Oktober 1978 Nancy Spungen, ein weiteres Rock-Groupie. Mal ganz nebenbei erwähnt: Sid verstarb am 2. Februar 1979, exakt acht Jahre nach Wilsons Ableben.) Stopp! Ich drücke mich zu flapsig aus! Es gibt hinsichtlich Wilsons Tod wenige belastbare Fakten. Ihr schon 1970 rapide steigender Drogenkonsum (der sich auch in Hendrix’ Texten widerspiegelt), geriet nach seinem Tod völlig außer Kontrolle. Niemand weiß genau, ob sie aus einer der oberen Etagen des Chelsea sprang, versehentlich fiel oder gestoßen wurde. Anhänger von Verschwörungstheorien glauben, dass sie umgebracht wurde, um nichts über Hendrix’ angebliche Ermordung durch Michael Jeffery zu verraten.

Electric Ladies

1968 stellten Groupies einen wesentlichen Teil von Hendrix’ Erfahrungsspielraum dar, doch wenn er über die Frauen sprach, meinte er: „Ich bevorzuge den Begriff ‚Electric Ladies‘.“ Als es darum ging, einen Titel für sein drittes Album zu finden, machte er den Ladies der endlos langen Highways ein Kompliment, indem er seinen Kosenamen für Groupies dafür nutzte. Im Verständnis unserer überwiegend konservativen Gesellschaft beinhaltet die Definition eines „Groupie“ durch die Überbetonung der sexuellen Befriedigung unangemessene Konnotationen. Bei den nur Celebrities zugänglichen Beziehungen werden allgemein die emotional positiven Aspekte verkannt. Songs über Groupies deuten positive Beziehungen an (zum Beispiel Steppenwolfs „Hey, Lawdy Mana“) und negative (zum Beispiel Michael Jacksons „Dirty Diana“). Groupies als Thema wurden von Frank Zappa im Verlauf von zwei Alben der zweiten Inkarnation der Mothers of Invention ausgiebig behandelt: Fillmore East – June 1971 und 200 Motels, letztgenanntes Album ist zugleich der Soundtrack des gleichnamigen Films. Die erstgenannte Platte ist möglicherweise sein bestes Live-Album.

Heutzutage stellen Groupies ein eher amerikanisches Phänomen dar, glaubt man Kid Rock, der angeblich sagte: „Europäer scheinen die Groupie-Mentalität nicht zu kennen.“ Der Hendrix-Biograf Harry Shapiro schrieb, dass sich die Londoner „Groupie-Szene auf einen harten Kern von vielleicht einem Dutzend beschränkte“. In den USA fanden sich bei jedem Konzert in jeder Stadt ein Dutzend Mädchen – und häufig fand man dieses Dutzend in Hendrix’ Bett. Tournee-Berichte der Experience erinnern an John Lennons Vergleich der Beatles-Touren mit Fellinis Satyricon. Laut Noel Redding (der es wissen muss) war die Experience Ende Sommer 1968 „nicht mehr im Waldorf Astoria willkommen, denn in einer Nacht musste man sich schon im betriebsamen Flur ausziehen, um zur Orgie in Jimis Zimmer eingelassen zu werden“.

Auch Mitch Mitchell und Noel Redding zogen ihren angemessenen Anteil der verdorbenen Luder an, denn sie sahen durch und durch wie dünne, langhaarige britische Rockmusiker aus und hatten einen exotisch anmutenden Akzent. Besonders Redding scheint ein Lieblings-Objekt der Groupies gewesen zu sein. Super-Groupie Pamela Des Barres zeigte sich von Hendrix’ Sexualität eingeschüchtert, doch sie verfolgte Redding ohne jegliches Bedauern. Sie schrieb in ihrem Buch Light My Fire: Bekenntnisse eines Groupies: „Ich befand mich total unter seiner Kontrolle. Er nahm mich in Hunderten von Stellungen und stellte unglaubliche Dinge mit mir an. Ich zweifle, dass irgendein anderer so eine ‚Standfestigkeit‘ und Ausdauer hatte. Ich fühlte mich wie in einem Netz gefangen, unfähig, mich zu befreien – darauf wartend, noch weiter gefesselt zu werden … Noel sagte: ‚Das, meine Liebe, nennt man einen Fick.‘“

Redding zeigte sich am 25. Februar 1968 jedoch nicht von seiner besten Seite. Die Experience war für zwei Auftritte im Chicago Opera House gebucht worden, davon einer als „15 Uhr-Matinee“ geplant. Zwischen den Shows ins Conrad Hilton zurückkehrend, wurden die drei Musiker von ebenso vielen Groupies angesprochen. Man kannte die Damen als die Plaster Casters. Sie gingen weiter als andere, die mit Rockstars schliefen und danach einen Eintrag für das Tagebuch verfassten, denn sie wollten das Ereignis für die Nachwelt verewigen, indem sie einen Abguss vom erigierten Geschlechtsteil des Musikers machten. Hendrix und Redding waren mit von der Partie, wohingegen sich Mitchell schüchtern zurückhielt.

Die Plaster Casters bestanden aus Cynthia (ihrer Anführerin), Dianne und Marilyn, Letztere beteiligte sich nicht an den sexuellen Aktivitäten, machte aber jedes Mal Notizen, wenn ein Rockstar auf den ungewöhnlichen Vorschlag des Damen-Trios einging. Diannes Rolle bestand laut Cynthia darin, die Erektion des Musiker zu gewährleisten: „Ich habe niemals Nervosität in ihrem Gesicht entdeckt. Ich glaube, sie konzentrierte sich einfach darauf, das ganze Ding in ihren Mund zu bekommen. Über Hendrix schrieb sie in ihrem Tagebuch: „Er hatte den größten Pfahl, den ich jemals gesehen habe!“ Hinsichtlich des Abdrucks bemerkte sie: „Ich war ganz begierig darauf, das fertige Produkt zu sehen. Versehentlich öffnete ich die Form, die dann in Stücke zerfiel. Sorgfältig klebte ich sie wieder zusammen, und das Endresultat war fast intakt. Es ist recht groß, sehr dick und ziemlich lang!“

Reddings Performance verlief nicht so unproblematisch. Er beschrieb das in seiner Autobiografie: „Mein Beitrag fiel eher ungewöhnlich aus – eine Art verkorkste Vorstellung, das Resultat einer Kombination schlechten Timings hinsichtlich der Aushärtung des Gipses und des überraschenden Hereinplatzens von Stickells (dem Road Manager) genau in dem bedeutsamen Moment.“

Die Geschichte des verschollenen Sex-Tapes

Man könnte meine, dass es sich bei dem Band um eine Racheaktion wegen der Abschiedsfilme von Hendrix, betitelt „The Goodbye Girls“, handelt. Es ist ein 8mm-Schmuddelstreifen – um den Jargon der Ära zu benutzen –, 2006 in einem Schrankkoffer gefunden und versteigert bei einer Auktion. Die Filmdose war mit „Black Man“ beschriftet. Als sich der Höchstbietende den Film anschaute, vermutete er sofort, dass es sich bei dem schwarzen Mann, der von zwei weißen Mädchen mit Sixties-Frisuren bedient wird, um Jimi Hendrix handelt. Um den Verdacht zu bestätigen, wurden die im vorhergehenden Kapitel angesprochenen Groupies ausfindig gemacht und gebeten, einer Aufführung des Films beizuwohnen. Dann stellte man den beiden Frauen mittleren Alters die Frage nach der Authentizität.

Zur Erinnerung: Des Barres schlief niemals mit Hendrix – sie enthüllt in ihrem Buch, dass sie zum Zeitpunkt des Lust versprechenden Angebots noch minderjährig gewesen sei – und wurde stattdessen Reddings „Freundin“, als die Experience in ihrer kalifornischen Heimatstadt ein oder zwei Tourneen später auftrat. Nun lag es an Cynthia Plaster Caster, die Hendrix’ „Hampton Wick“ [sgl.: Schwanz; Anm.], wie sie seinen Penis bezeichnete, tatsächlich sah, die Theorie auf Basis ihrer Erinnerung und dem von ihr in Chicago angefertigten Gipsabdruck zu verifizieren. Mit der „Seriennummer“ #00004 0“ beschriftet (und laut Plaster Caster an George Harrisons Geburtstag gegossen), kennt man ihn auch als „Penis de Milo“.

Im Grunde genommen beschränkt sich der Inhalt der Porno-DVD auf Des Barres und Plaster Caster, die sich den 8mm-Film anschauen und kommentieren. Keine hegt Zweifel daran, dass der dünne, nur mit einem „Stirnband bekleidete“ und Ringe tragende Mann Hendrix ist. Die wenigen körnigen Aufnehmen des Gesichts – zuerst, als er sich zurücklehnt, ein weiteres Mal bei der Fellatio – scheinen das zu bestätigen. Plaster Caster erinnert sich an die Farbe von Hendrix’ Oberschenkel, die dem Teint des Mannes gleicht, wie auch an den „Penis de Milo“.

Des Barres erzählt dann, Kathy Etchingham habe ihr verraten, dass Hendrix es mochte, beim Sex mit unterschiedlichen Mädchen gefilmt zu werden. Angeblich produzierte er eine Reihe von Filmen, in denen Frauen ihm nach einer gemeinsam verbrachten Nacht zum Abschied winken. Vom Hotelzimmer aus mitgeschnitten, nannte er die Streifen „The Goodbye Girls“. Dann führte er unbestätigten Berichten nach Freunden die Filme vor, äffte die Frauen nach und ließ obszöne Kommentare vom Stapel.

Ich möchte die DVD niemanden empfehlen. Sie wird von Aufnahmen von Haight-Ashbury 1967 und Hippie-Konzerten dominiert und hat einen fürchterlichen Soundtrack, bei dem jemand versucht, Hendrix mit der Gitarre zu imitieren. Wenn dann endlich der 8mm-Film beginnt, ist er zensiert wie ein japanischer S&M-Streifen. Es ist eine Schande, denn „Black Man“ ist – mit Blick auf das, was man von ihm sehen kann – tatsächlich erotisch, insbesondere, wenn sich die beiden Frauen küssen. Er wirkt erotisch, weil es sich sicherlich nicht um inszenierte Szenen handelt.

Unsere beiden Groupies glauben, dass die beiden Frauen aus Skandinavien stammen. Das scheint belegbar zu sein, denn Hendrix tourte oft in Skandinavien, einer damals sexuell freizügigen Region. Jeder, der sich an die schwedischen Magazine erinnert, von denen Iggy Pop in „Five Foot One“ singt, weiß, was ich damit meine. Des Barres sagt auf der DVD: „Das sieht nicht wie ein Hotelzimmer aus. Es scheint, als habe er die beiden Mädchen in einem Club aufgerissen, woraufhin sie ihn wie zwei kluge Mädels mit nach Hause genommen haben.“

Der ultimative Jimi Hendrix Guide

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